Samstag, 31. Juli 2010

Die Presselandschaft im Spiegel ihrer Seriosität

Der Beitrag des Kollegen Siebers zur Debatte über die Seriosität von Jurablogs hat mich veranlasst, die übrige Presselandschaft einmal auszugsweise auf Ihre Seriosität hin zu untersuchen. Dabei setzt sich Seriosität zusammen aus den Komponenten Stil, Inhalt und wissenschaftliche Relevanz.

Hier ist das Ergebnis - unparteiisch, unbestechlich und absolut seriös, ermittelt von mir selbst:

BILD
Stil: mangelhaft, Inhalt: ausreichend, wissenschaftliche Relevanz: ungenügend; gesamt: mangelhaft; Empfehlung: nicht lesen

Neue Juristische Wochenschrift:
Stil: mangelhaft; Inhalt: ausreichend, wissenschaftliche Relevanz: befriedigend; gesamt: ausreichend; Empfehlung: Nur lesen, wenn man sich sowieso langweilt

Der Spiegel:
Stil: befriedigend; Inhalt: gut, wissenschaftliche Relevanz: ungenügend; gesamt: ausreichend;
Empfehlung: Nur außerhalb juristischer Bibliotheken lesen

Frankfurter Allgemeine Zeitung:
Stil: befriedigend; Inhalt: gut; wissenschaftliche Relevanz: mangelhaft; gesamt: befriedigend; Empfehlung: unbedingt kaufen, eignet sich wegen des Umfangs auch dazu, selbst größere Schadnager totzuschlagen

St. Pauli Nachrichten:
Stil: befriedigend; Inhalt: befriedigend, wissenschaftliche Relevanz: befriedigend (wegen der vielen Selbstversuche); gesamt: gut;
Empfehlung: schon wegen der Bilder unbedingt lesenswert!

Psychologie heute:
Stil: siehe Der Spiegel; Inhalt: siehe St. Pauli Nachrichten, wissenschaftliche Relevanz: siehe Frankfurter Zeitung; gesamt: siehe Der Spiegel, mit der Maßgabe, außerhalb jeglicher Bibliothek zu lesen; Empfehlung: Nur lesen, wenn man sich sowieso gerade elend fühlt.

So, jetzt ist aber genug gelesen, jetzt muss ich arbeiten!



Freitag, 30. Juli 2010

Winke winke aus dem Mikrokosmos

Dieser Beitrag ist dem Kartellblog gewidmet, der sich bedauerlicherweise aus Jurablogs verabschiedet hat. Ich habe dem Kartellblog sogleich meine Gefolgschaft auf Twitter angetragen und hoffe, so trotzdem auch in dieser Hinsicht auf dem Laufenden zu bleiben. Die Motive für den Abgang sind dann aber vielleicht doch einen Kommentar von dieser Seite aus wert.

Wie wir wissen, sind die Geschmäcker unterschiedlich und das ist gut so. Ich konsultiere Juragblog auch fast täglich, orientiere mich fast ausschließlich an den Überschriften und gerate dabei erstaunlicherweise fast immer auf dieselben fünf oder sechs Blogs. Das muss an der Art der Überschriften liegen. Anderen gefallen hoffentlich andere Überschriften. Sonst wäre die hier zu findende Vielfalt vergebens.

Was mir aber partout nicht einleuchten will ist, wie einige Menschen diese Vielfalt als negativ empfinden können. Wenn der Betreiber des Kartellblogs von einem Mandanten angesprochen wird, wo er "denn da hineingeraten" sei, dann kann ich seine Entscheidung nachvollziehen. Traurig, aber von nachvollziehbaren Prioritäten geleitet. Die Auffassung des Mandanten kann ich da schon sehr viel weniger nachvollziehen: Mag er sich doch daran ergötzen, dass SEIN Rechtsanwalt wie ein Turm aus der Schlacht ragt.

Noch weniger verstehen kann ich aber die unter den Kommentaren zu findenden Rufe nach einer Zensur, genannt Auswahl. Die Selektion sollten wir dann doch lieber der Evolution und dem Nationaltrainer überlassen. Andernorts hat man nur schlechte Erfahrungen damit gemacht. Weil man sich nämlich erst einmal darauf einigen müsste, nach welchen Kriterien ausgewählt werden soll.

Und dieses Kriterien verstehen sich mitnichten von selbst, auch wenn einige Kommentatoren das zu glauben scheinen. Hier möge sich insbesondere ein Kommentator im Abschiedsbeitrag des Kartellblogs angesprochen fühlen, der sich "Meister" nennt. Jeder mag seine Lektüre danach wählen, was ihm "Mehrwert" bringt - auch ich kenne Blogs, die mir keinerlei Mehr- oder sonstigen Wert bringen. Die lese ich manchmal trotzdem, um zu überprüfen, ob ich mich vielleicht geirrt haben könnte. Wenn man sich für einen kompletten Mikrokosmos nicht interessiert, bitte: Es gibt doch genug andere.

Die Einführung einer Geschmackspolizei mit einem durchsetzungsstarken An-Führer erscheint mir hingegen dem Gedanken des Netzes eher diametral entgegengesetzt zu sein.


Donnerstag, 29. Juli 2010

Auf dem Weg zum Freispruch?

Jetzt ist der Frosch aus dem Glas: Das OLG Karlsruhe hat der Haftbeschwerde gegen Jörg Kachelmann stattgegeben und die sofortige Freilassung angeordnet. Zur entsprechenden Pressemitteilung geht es hier.

Erstaunlich ist die Begründung: Das Beschwerdegericht hat sich mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern nur den dringenden Tatverdacht geprüft und verneint. Das ist außergewöhnlich und bedeutet dem Tatgericht unmissverständlich, dass es an eine Würdigung der (einzigen) belastenden Zeugenaussage allerhöchste Maßstäbe wird ansetzen müssen. Das ist zwar kein Präjudiz für die Hauptverhandlung, aber ein deutlicher Fingerzeig, wohin der Hase läuft. Eine revisionssichere Verurteilung ist mit so einem Verdikt im Vorfeld kaum mehr denkbar.

Und der Angeklagte darf als freier Mann den Gerichtssaal betreten, was rein psychologisch ein unschätzbarer Vorteil ist.

Die Staatsanwaltschaft hat im Vorfeld eines von ihr weit jenseits des Angemessenen gehegten Verfahrens eine herbe Niederlage eingesteckt. Der viel gescholtene Verteidiger - der zwischenzeitlich in der BILD-Zeitung lesen musste, ob er der richtige Verteidiger sei - hat im Nachhinein alles richtig gemacht.

Chapeau, Herr Kollege!

Mittwoch, 28. Juli 2010

Warum die Blog-Kultur vielleicht noch keine ist

Der Kollege Neldner ist der Auffassung, es gebe zu wenig juristische blogs.

Kollege Krieg hat zuvor mit fünf Thesen provozieren wollen, die zusammengefasst darauf hinauslaufen, dass es kaum Blogs mit wissenschaftlicher Relevanz gebe. Mit seiner These, dass Großkanzleien sich auf diesem Gebiet kaum engagierten, betreibt er ansatzweise Ursachenforschung; seine weitere These, dass Blogs nicht zum gesellschaftlichen Diskurs beitrügen, stellt dagegen eine Art Folgenabschätzung dar.

Zumindest mit seiner Ursachenforschung bin ich nicht einverstanden. Mir ist nicht klar, warum bloggende Großkanzleien zu einer Veränderung der Situation beitragen sollten, zumal der Kollege selbst als weiteres Manko aufzählt, dass bei den existierenden Blogs die "Marketingveranstaltungen" überwögen. Dieses Problem dürfte sich bei Teilnahme von Großkanzleien eher verschärfen. Dass Großkanzleien sich hingegen in eine politische Diskussion einmischen, dürfte kaum zu erwarten sein, solange dies nicht seinerseits eine Werbewirkung entfaltet.

Der Tenor des vielzitierten Artikels in der FAZ scheint mir da eher in die Irre zu führen: Die dort vermisste Verfassungsdebatte führen in den USA z. B. Supreme-Court-Anwälte; einige davon bedienen sich hierzu auch eines blogs. Jeder macht halt Rechtspolitik dort, wo es ihn betrifft.

Es sind hierzulande und zur Zeit gerade die Einzelanwälte, die Blogs als Plattform nutzen, um einen - wenn auch bescheidenen - gesellschaftlichen Diskus zu starten. Zumindest verstehe ich meinen eigenen Blog so und weiß von etlichen Kollegen, die dies ähnlich sehen. Allein die Reaktion ist bemerkenswert. Liest man beispielsweise in dem in mancher Sicht herausragenden Blog des Kollegen Vetter die Kommentare, dann schwant mir etwas anderes:

Nicht den Bloggern fehlt es an Diskurskultur, sondern anscheinend dem Netzvolk an sich. Selbst bei großartiger Aufbereitung einzelner Themen - außerhalb einer reinen Fachdiskussion - erreicht kaum ein dort zu lesender Kommentar die Mindestanforderungen an eine akzeptable Gesprächskultur. Es herrschen rüde Beleidigungen und unsachliches Gepöbel vor, wohlgemerkt: Einige wenige hochwertige Beiträge gibt es auch unter den Kommentaren, aber die sind deutlich in der Minderzahl. Das beginnt damit, dass selbst offenkundig als Richter oder Staatsanwälte tätige Kommentatoren ihre Kommentare anonym abgeben und dabei nicht selten etwas tun, das sie bei anderen als Beleidigung, Üble Nachrede oder Verleumdung verfolgen würden.

Zu einem gelungenen Diskurs gehört einer, der ein Thema anstößt; und es gehören Leser dazu, die den Faden aufnehmen und weiter diskutieren- und nicht etwa dem Autor erst einmal schreiben, was für ein blöder Hornochse mit was für einer abstrus falschen Sondermeinung er sei. Das geschieht leider völlig unabhängig von der juristischen, literarischen oder wissenschaftlichen Qualität der Blog-Beiträge, einfach so.

Vielleicht sollten sich alle Beteiligten zunächst einmal um guten Stil bemühen. Möglicherweise folgt die gesellschaftliche Akzeptanz von Blogs dann von selbst.

Eine Welt ohne Rechtsanwälte

Was wäre so eine Welt schön, hört man hier und da jemanden sagen.

Wenn der gemeine Mensch von der Straße dann aber mal ein Problem hat, geht er doch zum Rechtsanwalt, wenn auch meist nur widerwillig. Häufig geschieht das indes erst dann,
  • wenn er die Sache entweder Monate oder Jahre hat liegen lassen und bereits der Gerichtsvollzieher oder die Feldjäger vor der Tür stehen,
  • wenn er bereits selbst einige Eingaben verfasst und die Sache dadurch vollständig gegen die Wand gefahren hat. Der Rechtsanwalt hat dann zudem die Aufgabe, die Sache aufs Gleis zurückzusetzen, den Schaden zu minimieren und kann dann erst mit seiner eigentlichen Aufgabe beginnen.
Woher kommt diese Unlust bei vielen Zeitgenossen, beizeiten einen Rechtsanwalt aufzusuchen, wenn man einen braucht? Wes Toilette defekt ist, ruft doch zumeist auch ohne Umschweife einen Installateur, bei anderen Gewerken ist es kaum anders - warum wartet der durchschnittliche Mandant mit der Einschaltung eines Rechtsanwaltes, bis ihm der Abort bis zum Kinn steht oder darüber hinaus?

Gerade bei Angelegenheiten von besonderer Wichtigkeit und Dringlichkeit ziert sich der gemeine Mandant mitunter besonders lange. Und das, obwohl Rechtsanwalt gar nicht weh tut - anders als Zahnarzt oder Proktologe.

Wo mag diese selbstschädigende und irrationale Haltung gerade bei Rechtsproblemen herrühren? Warum fehlt vielen Menschen gerade in Rechtsdingen die Einsicht, dass ein Experte mit langer Ausbildung, Berufserfahrung und Zusatzqualifikation ein Problem besser lösen kann als der normale Laie? Und das Mysterium wächst weiter: Von meinem Freund dem Banker weiß ich, dass viele Kunden mit einem Rechtsproblem z. B. den Schalterbediensteten ihrer örtlichen Sparkasse um Rat fragen.

Das ist etwa so, als ob ich mit Zahnschmerzen vom Klempner Linderung erhoffte. Rationale Gründe kann das nicht haben.

Montag, 26. Juli 2010

Wer, wie, was - wieso, weshalb ...

Die Hamburger Morgenpost berichtete am Freitag über eine Verhandlung vor dem Amtsgericht. Angeklagt ist eine Hartz-IV-Empfängerin. Die soll der für sie zuständigen Sachbearbeiterin bei der Agentur für Arbeit (früher: Sozialamt) ihre Handtasche ins Gesicht geschlagen und sie dann mit Fäusten traktiert und getreten haben.

Zuvor hatte die Sachbearbeiterin der jetzt Angeklagten wohl zu erklären versucht, dass sie ihre Sozialleistung nicht sogleich und vor Ort in bar mitnehmen könnte, sondern auf die Überweisung durch das Amt warten müsste. Daraufhin sei die Angeklagte etwas nervös geworden und habe reagiert wie geschildert .

Wie die Morgenpost kolportiert, hatte der Vorsitzende Richter zu diesem Vorwurf vorrangig eine Frage an die Angeklagte; und damit hat der Richter gleich die dümmste Frage erwischt, die man überhaupt stellen kann. Die Frage lautete: "Warum haben sie das getan?"

Die Frage ist nicht nur kreuzdämlich, sondern im Grunde auch geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Nicht, weil sie Täterschaft unterstellt, das geht schon in Ordnung - sondern weil ihr offenbar die Überzeugung des Richters zugrunde liegt, jeder Angeklagte müsste die Ursachen seines Handelns kennen und auch erklären können. Diese Annahme ist derart weltfremd und fern liegend, dass man von einem solchen Richter ein unparteiisches Urteil kaum mehr erwarten kann.

Es geschieht immer wieder, dass Richter von "ihren" Angeklagten geradezu verlangen , sie mögen haarklein schildern , welche inneren Gefühlsregungen sie zur Tat getrieben hätten. Dabei weiß jedes Kind, dass kaum ein Mensch schon banalste Handlungen im nachhinein nicht selbst zu erklären vermag. Manch einer bemüht jahrelang einen Psychologen, um sich seiner eigenen Motive klar zu werden. Viele Richter und Staatsanwälte scheinen gleichwohl nach wie vor einer Denkweise verhaftet, wie sie früher in eindimensionalen Krimiserien wie "Derrick" vorherrschte, wo jeder Mord entweder aus Eifersucht begangen wurde, oder um an das Erbe der Tante zu gelangen.

Vielleicht möchte der Richter in Wirklichkeit aber auch gar nichts aus der Lebenswelt seines "Kunden" hören, sondern einfach nur erreichen, dass der sich wie ein dummes Kind vorkommt, das verzweifelt nach der Antwort stammelt.

Siehe da: Es gibt nicht nur dumme Antworten. Es gibt auch dumme Fragen.




Die letzte Love Parade

Was bisher noch nicht über die Love Parade 2010 in Duisburg gesagt wurde, aber unbedingt noch gesagt werden muss,...

Freitag, 23. Juli 2010

Hilfe, mein Terminsvertreter hat keine Homepage!

Manchmal findet man auch bei Jurablogs merkwürdige Sachen:

Hier z. B. erläutert ein Kollege, dass bei der schwer beworbenen Seite www.terminsvertreter.com solche Kanzleien im ranking hintan stünden, die keine, fast keine oder eine schlechte (!) Homepage hätten. Der Kollege hat es sich nicht nehmen lassen, dabei sogar Beispiele zu verlinken.

Dass er dabei eine der peinlichsten Homepages, die ich je gesehen habe, als angeblich besonders gelungen verlinkt hat, mag zeigen, dass man über Geschmack wohl auch im Internet trefflich streiten kann. Sei's d'rum.

Aber welcher Zusammenhang zwischen der Existenz einer Homepage und der Eignung als Terminsvertreter bestehen soll, dass müsste man mir dann doch noch einmal näher erläutern. Also ich kenne sehr gute Rechtsanwälte, die auf eine Homepage vollständig verzichten können.

Die empfehle ich gerne.

Straftäter im Wartebereich

Die Kollegin Braun hat Recht: Auch unter Rechtsanwälten findet man viele äußerst merkwürdige Exemplare, auch wenn ich persönlich noch nie von einem des Fleischsalatdiebstahls bezichtigt worden wäre.

Obwohl Rechtsanwälte eigentlich alle dasselbe studiert haben, scheinen einige grundsätzliche Erkenntnisse längst nicht mehr bei allen präsent zu sein. So erinnere ich mich an eine Sozietät, in der man Strafmandaten aus eben dem genannten Grund skeptisch gegenüber stand: Man hatte nämlich panische Angst, Strafmandanten könnten die restliche Klientel beim Zusammentreffen im Wartebereich abschrecken.

Selbst meine Beteuerung, dass alle meine Mandanten unschuldig seien, zog da nicht. Und das trotz Unschuldsvermutung! Erstaunlicherweise waren bei denselben Kollegen selbst die zwielichtigsten eigenen Mandanten wohl gelitten, solange sie nur mit zivilrechtlichen Problemen die Kanzlei betraten. Meine Auffassung, dass ein Betrüger ein Betrüger sei, gleich ob er nun mit der zivilrechtlichen oder der strafrechtlichen Komponente seines Problems zu mir komme, verfing trotzdem nicht.

Da scheint bei einigen unserer zivilistischen Kollegen eine recht abenteuerliche Vorstellung vom mutmaßlichen Straftäter vorzuherrschen, der ungekämmt und ungeduscht im Wartebereich die Illustrierten klaut. Dabei hatte ich für die Kollegen noch einen weiteren Trost bereit:

Die gefährlichsten meiner Mandanten kommen nämlich gar nicht zu mir in die Kanzlei; bei denen mache ich Hausbesuche. Im Knast.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Höcker, Euer Ehren!

Gestern abend stand mir mal wieder ein Fernsehgerät zur Verfügung, da habe ich standesgemäß RTL geguckt. Dabei stieß ich auf eine Show, die es sich offenbar auf die Fahnen geschrieben hat, fehlerhaften Rechtsvorstellungen im einfachen Volk nachzuspüren.

Moderiert wird diese Show von Frau Kiewel, deren falsche Rechtsvorstellungen über die Zulässigkeit von Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sie vor einigen Jahren in der Karriere etwas zurück geworfen hatten. Dank des von ihr beworbenen Produkts war sie zwischenzeitlich etwas abgemagert, im Privatfernsehen hat sie jetzt wieder etwas zugelegt. Gut so!

Als Experten hat man der Frau Kiewel den Herrn Prof. Dr. Ralf Höcker zur Seite gestellt - den ungekrönten König des tiefer gelegten Rechtswissens, das er bereits in zahlreichen Publikationen unter das Volk gestreut hat. Zwischendrin gibt es langatmige Reality-Sketche mit einem Herren, dessen Name mir leider entfallen ist. Um auszutesten, wie verboten Zeitungslesen im Laden ist, lässt der sich schon mal dabei filmen, wie er seinen Liegestuhl in den Laden mitnimmt, um bequemer Presseerzeugnisse schnorren zu können.

Die Sendung scheint als so eine Art von Knoff-Hoff-Show für das juristische Gewerbe konzipiert zu sein, leider deutlich weniger unterhaltsam. Benannt hat man sie offenbar nach dem größten Rechtsirrtum überhaupt: dem Irrglauben, vor Gericht würden unentwegt Anwälte "Einspruch" schreien.

Ob das den Zuschauer klüger macht, mag bezweifelt werden. Zumal die Vorführung falscher Vorstellungen zunächst einmal immer diesen falschen Vorstellungen Vorschub leistet. Wenn eine Show schon "Einspruch" heißt, wird man das doch wohl auch schreien, oder?

Wenn ich mich ganz doll bemühe, nicht an ein Kamel zu denken, was sehe ich dann? Richtig: Höcker.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Ich bin BILD!

Man glaubt es kaum: Es gibt Menschen, die diskutieren über blogs.

Und einen gibt es, der stellt die Top Ten bei Jurablogs auf eine Stufe mit der BILD-Zeitung! Schön wäre es. Immerhin hat die BILD-Zeitung täglich MILLIONEN Leser, ich nur 130. Sollte ich mich deshalb jetzt geehrt fühlen? Ich glaube nein.

Denn der Autor meint das natürlich wieder nur negativ. Von wegen Stil und so. Der soll ja bei der BILD-Zeitung nicht so doll sein. Aber dagegen wehr' ich mich jetzt! Denn zum einen ist Stil Geschmacksfrage. Zum anderen aber geht es aber auch um den Inhalt.

Und mancher kann in einem Halbsatz mehr Inhalt vermitteln, als vorgeblich wissenschaftliche Elaborate auf einem dutzend Seiten. Beispiele gibt es genug. Haben Sie zum Beispiel schon einmal die Promotionsschrift über die Geschichte des Tags der deutschen Einheit gelesen? Da lesen Sie viel, lernen nichts, und der Autor hat doch einen Doktortitel dafür gekriegt. Dagegen lob ich mir doch manche BILD-Zeitung.

Also liebe bloggenden Studenten: Etwas weniger Arroganz und etwas mehr Vernunft, wenn ich bitten darf!

Der Zweifel im Abseits

In einem Kommentar zu einem früheren Beitrag schreibt eine anonym gebliebene Richterin (?), es gäbe eine "strafverteidigerspezifische deformation professionelle", dass Strafverteidiger davon ausgingen "bei Aussage gegen Aussage sei notwendig freizusprechen". Darüber lohnt es sich nachzudenken.

Im Zweifel für den Angeklagten, das ist so etwas wie die Abseitsregel der Strafprozessordnung. Sie soll eigentlich der verteidigenden Partei helfen, stiftet aber nichts als Verwirrung und begünstigt durch ihre Unklarheit den Angreifer / Ankläger.

So klar nämlich die Aussage, so unklar die Prämisse, unter der diese Aussage gelten soll. Der Richter hat den Angeklagten freizusprechen, wenn er aufgrund der Beweisaufnahme noch Zweifel an dessen Täterschaft hat. Hat ein Richter an der Täterschaft indes keine Zweifel, muss er verurteilen.

An der Stelle kommen Wille und Vorurteil ins Spiel: Der Entwicklung von Zweifeln lässt sich nämlich frühzeitig vorbeugen, indem man von vornherein von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten überzeugt ist. Ließe man hier diesem Willen und Vorurteil freien Lauf, wäre das für einen Strafverteidiger allenfalls unklug, für den Strafrichter wäre es hingegen ein glatter Rechtsbruch. Denn § 261 zwingt den Richter zu "systematischem Zweifel".

Man sieht: Die Bedeutung des Zweifelssatzes für Verteidiger muss schon aus prozessualen Gründen eine andere sein, als sie es für Richter ist. Das, was die unbekannt gebliebene Kommentatorin aus dem Eingangssatz als "deformation professionelle" bezeichnet, spiegelt wohl eher die korrekte Interpretation guter Verteidigungstätigkeit wieder. Denn der Verteidiger muss von der Unschuld seines Mandanten nicht überzeugt sein, er muss nur auf eine entsprechende Überzeugung des Gerichts hinwirken.

Wenn es tatsächlich Richter geben sollte, die bereits diese ureigene Aufgabe der Verteidigung als "Deformation" bezeichnen, dann hätten diese Richter ihren Beruf auf dramatische Weise verfehlt.


Dienstag, 20. Juli 2010

Jung, weiblich und promoviert

Nicht nur mit Mandanten, auch mit Richtern hat man als Rechtsanwalt nichts als Scherereien. Also hoffe ich, dass auch diesen Beitrag wieder einige Richter lesen und hoffentlich fleißig kommentieren.

Der Kollege Siebers berichtet hier über eine Richterin, die sich offenbar noch ihrer Vergangenheit als Staatsanwältin verhaftet fühlt, und sich dementsprechend mit einer prozessordnungsgemäßen Entscheidung "in dubio pro reo" schwer tut. Der als Enforcer auftretende Kollege gesteht sogar ein generelles Problem mit Jungrichterinnen.

Beide Erfahrungen kann ich nur teilen. Während das Beispiel des Kollegen Siebers ein sich selbst erklärender Einzelfall zu sein scheint, habe ich für die Beobachtung Kollegen Enforcer sogar eine Erklärung anzubieten: Die Justizbehörde scheint nämlich bei der Einstellung von Richtern keine erkennbaren Auswahlkriterien anzulegen - außer den Examensnoten und einer politisch verordneten Frauenquote.

Das bevorteilt überambitionierte Mädchen, die in der Schule gerne Klassensprecherin waren, im Studium auf Nebengebiete wie Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie oder Kriminologie vollständig verzichtet haben, ab dem vierten Semester zwölf Stunden täglich für das Examen gelernt haben und danach mit ihrer Promotion über irgendein sehr spezielles zivilrechtliches Thema ins Richteramt gehievt werden, weil sie jung, weiblich und promoviert sind. Einmal im Amt, müssen sie dann auf einmal Strafrecht machen, obwohl sie das auf der Uni schon immer doof fanden, wegen der ekligen Sachverhalte.

Die nutzen das Amt der Strafrichterin dann stattdessen, um dort einen jungmädchenhaften Gerechtigkeitssinn ausleben, der zumeist darauf hinausläuft, möglichst viele Menschen möglichst hoch zu bestrafen. Das dem zugrunde liegende Menschenbild nährt sich hauptsächlich aus Romanen von Jane Austen und Enid Blyton, kaum aus eigener Lebenserfahrung.

Das ist übrigens keine Polemik, sondern beruht einzig auf Beobachtung, die sich leider immer wieder bestätigt. Durch die einseitige Einstellungspraxis der Justizbehörde ist dieser Typus Richterin mittlerweile so zahlreich, dass wir im Büro sogar einen eigenen Begriff für diese Art Richterin haben, nämlich "Eule".

Wegen des Gesichtsausdrucks.


Montag, 19. Juli 2010

Anwälte und Mandanten passen einfach nicht zusammen

Der Kollege hier berichtet von einem klassischen Fall gestörter Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant. Der Mandant erwartet etwas vom Rechtsanwalt, dass er

a) nicht erwarten kann und
b) dessen Erwartung er vorher auch nicht kommuniziert hat.

Das ist der GAU der Kommunikation und kommt in der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant gar nicht so selten vor.

Im besagten Fall ging es in etwa um die Erwartung, man bräuchte sein Rechtsproblem nur einem Rechtsanwalt auf den Tisch zu legen, wäre selbst das Problem fortan los und würde auch vom Rechtsanwalt nicht mehr mit störenden Nachfragen behelligt. Dass ein Rechtsanwalt zur Bearbeitung eines Auftrags auf die Informationen seines Mandanten angewiesen ist, dürfte sich eigentlich von selbst verstehen, scheint einigen Menschen aber trotzdem nicht beizubringen sein.

Stattdessen hört man dann meist einen Hinweis auf angeblich fehlende Dienstleisterqualitäten des Rechtsanwalts. Gemeint ist da in der Regel allerdings nicht der Dienstleister, sondern der Dienstbote. Und das ist dann wieder eine Erwartungshaltung, die der Rechtsanwalt nicht erfüllen möchte.

Was aber macht man da? Vielleicht eine Paartherapie? Ernst gemeinte Ratschläge nehme ich gerne entgegen.




Liebes Wahlvolk, liebe Hamburger,

was habe ich Euch verarscht.

Lasst mich mit einem biblischen Zitat beginnen: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei... oder so ähnlich.

Was war das schön, damals, als mich dieser durchgeknallte Amtsrichter ins Amt gehievt hat. Der hat erstmal richtig aufgeräumt - und ich habe daneben gesessen und konnte ja nichts dafür. Als der Verrückte weg war, habt Ihr mich auch noch hochleben lassen. Danach haben mich noch viel mehr von Euch gewählt als vorher. Das hätte selbst ich mir nicht träumen lassen, dass Ihr so blöd sein würdet.

Aber es wurde noch besser: Nachdem ich die Kultur kurzzeitig vollständig abgeschafft hatte, habt Ihr mich meinen Leuchtturm bauen lassen: Der steht jetzt halbfertig in meiner Trabantenstadt. Und Ihr dürft ihn bezahlen! Wahrscheinlich werdet Ihr die Elbphilharmonie schon bald nach mir benennen, so wie ich Euch einschätze. Sollte die allerdings doch nicht fertig werden, müsstet Ihr Sie für das gleiche Geld nochmal wieder abreißen lassen. Aber ohne mich!

Toll war auch, dass Ihr mich den einen Irren einfach durch den nächsten habt ersetzen lassen. Dass der dann irgendwann angefangen hat, Tötungsmaschinen an depressive Omas zu verscherbeln - das konnte ich doch nicht wissen! Aber schön, dass Ihr mich trotzdem weiterhin so lieb gehabt habt.

Doch mein letzter Coup war der genialste: Ich habe mir diese geblümten Weltverbesserer ins Boot geholt und habe denen erstmal ein Kohlekraftwerk und eine Elbvertiefung aufs Auge gedrückt. Was haben wir gelacht! Deren doofe Schulreform dagegen war ja ein Klacks: Wo doch meine eigene Klientel die im Alleingang abgeschossen hat! Ich habe Volksentscheide zwar nie so recht ernst genommen, aber diesen: Gegen den kann ich nun wirklich nichts tun.

Denn ich bin jetzt erstmal weg. Schade nur, dass Heidi Kabel dass nicht mehr erleben darf. Mir wurde aber auch langsam echt warm unter diesem Toupet.

Tschüss dann,

Euer Ole


Samstag, 17. Juli 2010

Satanische Strafverteidigung

Christlich, buddhistisch, gar heidnisch - Das alles sind Methoden, die in der Strafverteidigung kaum jemals zum Erfolg führen dürften. Das Christentum z. B. hebt sich sein Gericht bis zum Schluss auf, da käme jede weltliche Verteidigung entschieden zu früh. Verteidigung gegen das buddhistische Karma wirkt ähnlich verloren; wie wollte man dem ewigen Kreislauf durch prozessuales Taktieren entkommen wollen? Und bei den Heiden war's eh ein einzig Kuddelmuddel.

Nein, nein - echte Strafverteidigung kann nur eine Ausrichtung haben: Schließlich arbeitet sie mit dem Ziel, die gottgewollte Ordnung aus den Angeln zu heben! Da heißt es: Zähne anspitzen und Augenbrauen zusammenwachsen lassen.

Echte Strafverteidigung huldigt dem Bösen und verteufelt alles Gute. Und es soll ein Heulen und Zähneklappern herrschen unter denen, die es wagen, sich ihr in den Weg zu stellen. Man denke nur an große Strafverteidiger wie Damian Thorn, Aleister Crowley oder Al Pacino!

Und wer hatte dieses Jahr schon zwei Akten, deren Aktenzeichen bei der StA die Nummer 666 hatte? Nachlesen!

Freitag, 16. Juli 2010

Oops - jetzt habe ich den falschen Hasen gekauft!

Der Bundesgerichtshof hat bereits zum zweiten Mal ein Urteil des OLG Frankfurt aufgehoben, das über die Verwechslungsgefahr bei Schokoladenhasen entscheiden sollte. Dabei hat doch der eine ein rotes Bändchen mit einem Glöcklein um den Hals, der andere nicht. Wie kann man die verwechseln?

Wieviel Sachverhalt braucht man eigentlich so im Schnitt, um die Verwechslungsgefahr bei Schokoladenhasen beurteilen zu können? Dem BGH war es jedenfalls noch immer nicht genug Sachverhalt, der will mehr.

Wie wäre es da mit einer repräsentativen Umfrage unter den Marktteilnehmern, ob sie im Eifer des Gefechts schon mal den falschen Hasen erwischt und erst zu Hause bemerkt haben, dass da gar kein Glöcklein klingelt? Immerhin geht es um eine Frage von einigem Gewicht: Das Gericht hat den Streitwert auf € 450.000,00 angesetzt. Das ist viel Asche für so einen Hasen mit oder ohne Glocke.

Und zehn Jahre sind eine lange Zeit. So lange prozessieren die Parteien nämlich schon. Wird der Hase mit dem Glöcklein wohl dereinst obsiegen oder kriegt er eins auf die Glocke? Die Schokolade aufgegessen und alle Fragen offen.

Schönes Wochenende.

Zivilcourage oder zu viel Courage?

Ich selbst nehme es immer mit einem gewissem Unbehagen zur Kenntnis, wenn sich - zweifellos gut meinende - Menschen darüber beklagen, es gäbe zu wenig Zivilcourage in Deutschland. Zum einen weiß ich nicht, ob das stimmt - zum anderen bin ich mir unsicher, wie man sich in bestimmten Situationen am besten verhalten sollte.

Die Presseberichterstattung im Fall Dominik Brunner führt exemplarisch vor, wie sehr man bei der Meinungsbildung doch von eigenen Wünschen und Vorurteilen geleitet wird. Das ist hier unter einem etwas anderen Aspekt sehr schön aufbereitet.

Natürlich ist es im Nachhinein tragisch, dass offenbar etliche Passanten in der Nähe nicht eingeschritten sind. Das ist hinterher aber umso leichter zu sagen, wenn man um das tragische Ende der Geschichte weiß. Aber währenddessen? Kann ein Passant überhaupt verlässlich einschätzen, ob seine Hilfe gebraucht wird und ob er überhaupt in der Läge wäre, die benötigte Hilfe zu sein ohne dabei selbst Schaden zu nehmen?

Würden Sie einschreiten, wenn sich zwei Menschen auf einem Bahnhof prügelten? Natürlich, man kann die Polizei rufen - bis die da ist, haben die Prügelnden sich vielleicht längst wieder vertragen. Und Sie müssen dann der genervten Polizei erklären, warum Sie sie eigentlich gerufen haben. Muss man sich das zumuten? Ganz abgesehen von der Gefahr, selbst zum Objekt der Gewalt zu werden, wie in eben diesem Münchner Fall?

Das muss wohl jeder von Fall zu Fall selbst entscheiden. Und ob er anderen hinterher Vorwürfe machen will, auch.


Donnerstag, 15. Juli 2010

Zweierlei Pampe

Die Kollegin Braun leidet sicher noch unter der durchgegarten Schuhsohle, die ihr jüngst im Ziviljustizgebäude zu Hamburg serviert wurde. Zwei Kommentare zu ihrem Klagelied sind jedoch bedenkenswert, weshalb ich diese hier meinerseits kommentieren möchte:

1. Die Currywurst im Strafjustizgebäude ist in der Tat eine Legende. Sie ist ungefähr einen halben Meter lang und etwa so dick wie ein Kinderarm. In Tomatentunke serviert mit etwas Curry: Ein Traum. Meines Wissens gibt es nur einen einzigen Hamburger Kollegen, der ein solches Exemplar jemals vollständig verzehrt hat: Der Kollege Z. hier aus dem Haus. Ich sah ihn neulich, er ist noch am Leben. Die Kantine dagegen begibt sich in den Sommermonaten traditionell in eine ausgedehnte Sommerpause, weshalb der anonym gebliebene Kommentator dort keine Currywurst genießen konnte. Vielleicht nächstes Mal wieder!

2. Völlig unzutreffend mahnte hingegen ein weiterer anonymer Leser an, man möge sich gefälligst unter das Samtrobenvolk mischen und seine Pampe verspeisen, um hinterher auch die durch das Gemeinschaftserlebnis fälligen Pflichtverteidigungen abzukassieren. Offenbar ein im Strafrecht tätiger Kollege von außerhalb, der die Lage vor Ort nicht kennt und die Situation daher falsch einschätzt. Es gibt ZWEI Kantinen im Strafjustizgebäude, eine für Gäste und Anwälte, eine weitere für Richter und Staatsanwälte. Einziger Trost: Beide Kantinen werden von derselben Essensausgabe bedient. Also gleiche Wurst für alle, nur anderswo.

P.S.: Who put the "SAU" in Essensausgabe?

Ist dem Zeugen etwas aufgefallen?

Die Zeugenaussage ist das schlechteste Beweismittel überhaupt. Zeugen sehen nur das, was sie sehen wollen, nehmen das mitunter auch noch falsch wahr und erinnern sich hinterher an Dinge, die sie gerne gesehen hätten, aber nicht gesehen haben.

Traurigerweise nehmen Gerichte - insbesondere Strafgerichte - gleichwohl praktisch alles für bare Münze, was ein Zeuge sagt, erst recht, wenn es ein Belastungszeuge ist. Ein Gericht davon zu überzeugen, dass ein Zeuge die Unwahrheit gesagt haben könnte, ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Stellt der Verteidiger eine Zeugenaussage in Frage, wird dies von der Staatsanwaltschaft zumeist mit der rüden Kampfphrase "Wollen Sie dem Zeugen etwa unterstellen, dass er lügt?" gekontert. Dabei ist es eigentlich Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen zu überprüfen.

Diese Standardphrase von Staatsanwaltschaft und Gerichten ist zudem eine dreiste Verzerrung des eigentlichen Problems: Nicht die vorsätzliche Falschaussage - vulgo Lüge - ist nämlich das Problem, sondern die falsche Wahrnehmung, die falsche Erinnerung oder falsche Wiedergabe dieser Erinnerung. Das alles ist in den Köpfen von Staatsanwälten nicht existent, obwohl es praktische keinen Zeugen gibt (geben kann), der sich korrekt erinnert.

Wie falsche Wahrnehmung z. B. funktionieren kann, sieht man sehr schön in diesem Klassiker der Wahrnehmungspsychologie. Wer dieses Video noch nicht kennt: Unbedingt ansehen und den Test machen!

Kann man ein Gericht eigentlich über einen Beweisantrag zwingen, sich dieses Video anzugucken, um ihm vor Augen zu führen, wie sehr Zeugen sich irren können? Ich fürchte nein. Und das ist eine grandiose Fehlleistung des Gesetzes.

Mittwoch, 14. Juli 2010

Heltern aften kür fihre Inder

Hier habe ich es eben wieder gelesen, jetzt kann ich nicht mehr anders: "Eltern haften für ihre Kinder". Diesen Spruch gibt es auch als Schild; dieses Schild habe ich schon als Kind nicht verstanden und ich verstehe es nach zwölf Jahren als zugelassener Rechtsanwalt immer noch nicht. Der Ansatz bei Herrn Ferner unter "übrigens" ist schon ganz nett, den gesamten Schwachsinn dieses Schildes erfasst auch er aber noch nicht.

Also ein für alle Mal und ganz kurz:

  1. Schon sprachlich ist der Spruch falsch. Man kann nicht für jemanden haften, sondern höchstens jemandem für etwas.
  2. Das mag mancher als sprachliche Erbsenzählerei empfinden, ist es aber nicht: Wenn man sich diese grammatische Feinheit nämlich einmal klar gemacht hat, wird man sich über den Spruch nur noch wundern:
  3. Für was sollen die Eltern denn eigentlich haften? Für Schäden, die ihr Kind angerichtet hat? Wohl kaum, bedenkt man, wo diese Schilder in der Regel hängen - an Baustellen.
  4. Keiner wird wohl ernstlich befürchten, dass ein Kind auf der Baustelle irgendetwas von Wert beschädigen oder zerstören könnte. Gemeint ist mit diesen bescheuerten Schildern offenbar etwas ganz anderes, so etwa: "Wenn ihr Kind über diesen Zaun klettert und sich dabei das Genick bricht, dann bin ich - der Bauherr - daran nicht schuld, denn ich habe dieses Schild hier aufgehängt."
  5. Eiznig denkbare Absicht des Schildes ist also nicht etwa, eine Gefährdungshaftung für Kinder zu statuieren, sondern im Gegenteil die eigene Exkulpation bei etwaigen Schäden, die ein Kind infolge der Verletzung objektiver Sorgfaltspflichten des Bauherrn erleiden könnte.
  6. Das ist in derart vielerlei rechtlicher Hinsicht Quatsch, das man das hier gar nicht alles aufzählen kann.
Und diese schwachsinnigen Schilder werden immer noch ernsthaft in Läden verkauft und hartnäckig an jeden Bauzaun gehängt, nur weil irgendjemand damit mal angefangen hat und niemand es hinterfragt. Man könnte heulen ob soviel Blödheit der Leute.



Dienstag, 13. Juli 2010

Zu verschenken

Früher war mehr Lametta; und früher war Sperrmüll. Der kam regelmäßig und war umsonst. Das ist vorbei.

Heute muss Sperrmüllabfuhr - wie das in Amtsdeutsch passend sperrig heißt - gesondert geordert werden, dauert bis zur Abholung etwas sechs bis acht Wochen und kostet Gebühren. Das ist umständlich und kostspielig; zwei Dinge, denen viele Menschen misstrauisch gegenüber stehen.

Bei diesen Menschen bricht daher immer öfter die Charity-Idee durch: Sie stellen ihren Müll einfach auf die Straße und kleben ein Schild drauf: "Zu verschenken". In Hamburg ist das derzeit DIE Masche. Heute musste ich auf dem Weg zur Bahn sogar einer zu verschenkenden Schrankwand ausweichen. Der dahinter stehende Gedanke ist wohl, da werde bestimmt demmächst ein wackerer Wandersmann des Weges kommen, dem genau diese Schrankwand noch fehlt. Der werde sie dann aufsammeln, mit zu sich nach Hause nehmen und sehr glücklich damit sein.

Das ist allerdings nur selten der Fall. Meistens stehen die ungeliebten Gegenstände mehrere Wochen auf dem Fußweg, versperren den Menschen den Weg und rotten vor sich hin. Der stolze Schenker lauert derweil wahrscheinlich hinter irgendeiner Gardine, um sich am beseelten Gesichtsausdruck der glücklich Beschenkten zu erfreuen.

Bis dereinst hoffentlich ein Herr vom Amt vor der Tür stehen möge, um die fälligen Sondernutzungsgebühren zu kassieren.


Montag, 12. Juli 2010

Alles Einzelfälle

Jetzt ist mir der Kollege Burhoff doch glatt zuvorgekommen und hat meine geplante Suada über den Einzelfall teilweise vorweggenommen. Auch schön, da muss ich bei der Hitze weniger schreiben. Auf des Kollegen schöne Definition aus Wikipedia beziehe ich mich deshalb einfach.

Festzustehen scheint danach eines: Wenn irgendjemand irgendetwas als Einzelfall bezeichnet, dann ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genau das nicht. Einen einzeln in der Savanne stehenden Baum brauche ich nicht mehr demonstrativ als Einzelfall zu bezeichnen; das sieht ja jeder.

Stattdessen beschwört der geneigte Politiker, Staatsanwalt oder wer sonst noch gerne abwiegelt, meist dasjenige zum Einzelfall, das völlig üblich ist, überraschenderweise aber gerade nicht mehr gemocht wird. Besonders häufig hört man das bei Fehlern von Behörden oder nationalistischen Straftaten. Wenn mal wieder ein Trupp besoffener Bundeswehrsoldaten ausländerfeindliche Parolen brüllend durch eine Kleinstadt marodiert ist, kommt garantiert der freundliche Herr von der CDU und spricht von "Einzelfällen". Gerne wird er auch das Wort "bedauerlich" hinzufügen, wenn er mit all seiner Empathie bemerkt haben sollte, dass weite Teile seiner Wählerschaft grölende Soldaten wohl doch nicht so toll findet. Wenn man weiß, dass jeder von denen ein bedauerlicher Einzelfall ist, dann muss das Ganze doch gleich all seinen Schrecken verlieren.

Auch Behördenfehler sind praktisch wieder gutgemacht, hat man sie einmal als bedauerliche Einzelfälle abgetan. Hat die Staatsanwaltschaft mal wieder zehn Entlastungsbeweise jahrelang hartnäckig ignoriert und musste von der letzten Instanz hierauf hingewiesen werden, ist das bestimmt wieder genau so ein bedauerlicher Einzelfall.

Eigentlich meinen die auch gar nicht "Einzelfall" - so wie "Einzelkind" - sondern sie meinen "Waisenfall": ein unschönes Ereignis, das weder Vater noch Mutter hat und für das deshalb auch niemand verantwortlich ist. Auf diese Weise kann ein geübter Staatsanwalt ganze Wälder verschwinden lassen:

"Der Sachsenwald, Herr Vorsitzender, ist gar kein Wald. Das ist nur eine zufällige Ansammlung von Bäumen. Alles Einzelfälle."

Hot in the ICE

Das Wochenende habe ich mal abseits von zuhause verbracht, in Hessen. Auch andernorts wurde schon über diesen Landstrich berichtet.

Um nach von Hamburg nach Hessen zu gelangen, nimmt man am besten den ICE Richtung München und fährt bis Kassel-Wilhelmshöhe. Von dort bringen einen dann die Bimmelbahnen weiter. Leider hatte der ICE am Wochenende ein Problem. Ihm war zu heiß. Ich hatte mich zur Rückfahrt auf dem Kasseler Bahnhof in abgeklärter Bahnfahrermanier bereits so postiert, dass ich gleich ins Bordrestaurant einsteigen konnte. Das war leer; der dortige Bedienstete erklärte auch sogleich warum. Dieser Erklärung hätte es nicht bedurft.

Im Speisewagen waren etwa 50 °C. Dankenswerterweise war die Klimaanlage nicht in allen Wagen ausgefallen, so dass sich im Zug im Laufe der Zeit eine Durchschnittstemperatur von nur etwa 38° C etablieren konnte.

Bemerkenswert ist einmal mehr, wie die DB AG mit dem Desaster umgeht. Sah ich doch abends in der Tagesschau einen Herren, der mir vorrechnete, dass in den allermeisten Zügen die Klimaanlage nicht ausgefallen sei und so 93 % der Bahnfahrer zufrieden ihr Reiseziel erreicht hätten. Alles andere seien Einzelfälle.

Über die Benutzung des Wortes "Einzelfall" in der Beschwichtigungsrhetorik ungeübter Krisenmanager schreibe ich auch noch mal irgendwann etwas; jetzt kann ich nicht. Mir ist zu heiß. Aber das ist ein Einzelfall.

Freitag, 9. Juli 2010

Die verknoteten Arme des Versicherungskraken

Der Mandant hatte einen schweren Verkehrsunfall und war ein halbes Jahr arbeitsunfähig.

Nachdem ich mühevoll den gegnerischen Haftpflichtversicherer ausfindig gemacht hatte, habe ich den Versicherer in München angeschrieben und Schmerzensgeld geltend gemacht.

Heute bekam ich mein eigenes Schreiben von einem dem Haftpflichtversicherer im Konzern verbundenen Rechtsschutz-Schadensversicherer in Berlin zurück. Eine Rechtsschutzversicherung unter der angegebenen Nummer existiere nicht. Stimmt. Ich hatte ja auch nicht den Rechtsschutzversicherer angeschrieben, sondern den Haftpflichtversicherer . Frech finde ich, dass man auf einem angetuckerten Formularblatt auch noch behauptet, man hätte mich angerufen und nicht erreicht. Das ist nachweislich gelogen, sagt meine Telefonanlage. Also rufe ich mal zurück.

Beim Versicherer in Berlin weiß man zwar nicht, worum es geht; eines aber weiß man ganz genau: Wenn die Kollegen sagen, dass sie angerufen hätten, dann haben sie auch angerufen. Und ich bin schuld, weil ich nicht da war. Warum ich mein eigenes Schreiben an den Haftpflichtversicherer vom Rechtsschutzversicherer - noch dazu von einer völlig anderen Gesellschaft - wiederbekomme? Das kann nicht sein. Da muss ich irgend etwas falsch gemacht haben. Aber man gibt mir auf wiederholte Nachfrage eine weitere Rufnummer, da könne ich mal nachfragen.

Unter dieser Rufnummer teilt man mir sachkundig mit, dass weder München noch Berlin, sondern Hamburg zuständig sei. Nach der Einverleibung einiger kleinerer Versicherer klappt die Kommunikation zwischen den Standorten noch nicht so gut.

Jetzt schreibe ich Hamburg an. Mal gucken, woher die Antwort kommen wird.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Vier-Sterne-Mord

Ein Mann hat in Hannover zwei Italiener erschossen, nachdem er mit diesen darüber in Streit geraten war, wie oft Italien Weltmeister war. Eines der Opfer hatte ein Italien-Trikot an, auf dem gut sichtbar über dem Landeswappen vier Sterne appliziert sind, die jeweils einen gewonnenen Titel symbolisieren. Aber das nur am Rande.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt angeblich wegen Mordes; das ist ein guter Grund, mal wieder über die verfassungswidrigste aller Strafnormen herzuziehen. Gemäß § 211 StGB ist Mörder, wer einen anderen vorsätzlich tötet und darüberhinaus eines der dort abschließend aufgezählten Mordmerkmale verwirklicht. Dabei handelt es sich um eine willkürliche Ansammlung mehr oder weniger bestimmter Tatbestandsmerkmale, teils auf die Tat bezogen, teils auf den Täter bezogen. Einige davon - z. B. die Heimtücke - beruhen auf archaischen Ehrvorstellungen, wie man sie sonst nur dem Islam nachsagt, sind aber angeblich trotzdem verfassungsgemäß.

Die Vorschrift zieht als einzig mögliche Sanktion die lebenslange Freiheitsstrafe nach sich. Irgendeinen objektiven Zweck erfüllt § 211 StGB nicht, denn als besonders schwer empfundene Fälle des Totschlags kann man seit jeher auch über § 211 Abs. 2 StGB ahnden und so ebenfalls zur lebenslangen Freiheitsstrafe gelangen. Durch die starre Strafandrohung sorgt § 211 StGB stattdessen regelmäßig für offensichtlich unangemessene Sanktionen, weil selbst erheblich mildernde Umstände sich nicht auf die zu verhängende Strafe auswirken dürfen. Frühe Versuche des BGH, dieses Missstand mit einer so genannten Rechtsfolgenlösung zu umgehen, haben sich nicht durchgesetzt.

Die Staatsanwaltschaften setzen § 211 zumeist ein, um zusätzlich Stimmung gegen einen Angeklagten zu machen. Dabei scheut man sich auch nicht, Mordmerkmale auf hanebüchenste Art und Weise an den Haaren herbeizuziehen. Man erinnere sich nur an den so genannten Kannibalen von Rothenburg, der sein Mordurteil einer durch den teilweisen Verzehr der Leiche begangene Störung der Totenruhe verdankt.

Bei dem Mann aus Hannover war die Staatsanwaltschaft anscheinend mal wieder der Meinung, man müsse der Pressewirksamkeit halber die Mordskeule zücken und stützt sich auf ein weiteres skurriles Mordmerkmal: die Mordlust. "Mordlust" ist der Umstand, bei der Begehung einer Straftat auch noch positive Gefühle zu empfinden, was die Straftat sogleich auf eine verwerflichere Stufe hebt. Wie derartig unlogische, unsystematische und pseudomoralische Schwiemelei es über sechzig Jahre in einem rechtsstaatlichen Gesetz aushalten konnte, ist eigentlich unbegreiflich.

§ 212 Abs. 2 StBG hätte es doch auch getan.

Mittwoch, 7. Juli 2010

P-Betrügerei

Mancher meint, das P-Konto könnte zum Ä-Konto werden. Das mag sein. Wenn ich mir dieses Gesetz allerdings so näher angucke, könnte das P-Konto vor allem zum B-Konto werden: B wie Betrug.

Der Schuldner muss zwar bei Kontoeröffnung versichern, dass er nur ein einziges P-Konto führt, was die kontoführende Bank bei der SCHUFA AG prüfen kann. Die erste Frage ist, ob die Banken das tatsächlich prüfen werden, insbesondere wo sie für die Kontoführung Gebühren erheben dürfen. Vom Lügen wird das im übrigen auch kaum jemanden abhalten.

Nicht ausgeschlossen ist dabei aber vor allem, dass der Schuldner mehrere P-Konten nacheinander führt. Also einfach das erste P-Konto abfrühstücken, bei der Bank nebenan das nächste eröffnen und so weiter. Einzige Schwierigkeit dabei ist, dass die Banken nicht verpflichtet sind, ein Konto als P-Konto zu eröffnen. An dem Beispiel sieht man, dass das Fehlen einer solchen Verpflichtung durchaus seinen Sinn hat.

Kann man also allen Betrügern und denen, die es werden wollen, nur raten, rechtzeitig vor der Insolvenz möglichst viele Konten zu eröffnen, die sie dann nacheinander in P-Konten umwandeln können. Denn zur Umwandlung eines bestehenden Girokontos in ein P-Konto ist die Bank immer verpflichtet.

Dieses Gesetz scheint eine schöne Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Betrugsdezernate und Strafverteidiger zu sein....

Wenn's der Wahrheitsfindung dient...

Fritz Teufel ist tot. Das vermeldet die taz.

Ironie der Geschichte: Der Prototyp der 68er Bewegung starb mit 67.

Warum das hier steht: Na, weil wir Fritz Teufel unter anderem dieses großartige Zitat verdanken. Das ist mehr, als manch anderer in seinem ganzen Leben schafft.

Dienstag, 6. Juli 2010

Mittelmaß an die Macht!

Die Ausbildung des juristischen Nachwuchses sollte allen am Herzen liegen. Tut sie offenbar aber nicht. Hier wird aus der ZEIT zitiert, die mehrere Hochschulprofessoren befragt hat - ursprünglich zur Praxis amerikanischer Hochschulen, Klausuren zur Korrektur nach Asien zu verschicken. In Deutschland hat man dagegen dankenswerterweise noch Bedenken, weil Asiaten deutschsprachige Klausuren möglicherweise gar nicht verstehen könnten.

Stattdessen machen sich in Deutschland selbst in den Sozialwissenschaften Multiple-Choice-Tests breit. Da ist auch deren Einführung in den Rechtswissenschaften wohl nicht mehr weit. Damit wäre dann ein weiterer wichtiger Schritt getan, eigenständiges Denken bei den Studenten endgültig zu unterbinden und ausschließlich Mittelmaß auf den Thron der angeblichen Elite zu hieven.

Schon durch die Klausuren herkömmlichen Zuschnitts werden mittelmäßige Studenten unangemessen begünstigt: Denn einen Haken am Rand bekommt nur, wer für den Korrektor erkennbar die Lösungsskizze trifft. Auf der Lösungsskizze wiederum steht das, was dem Verfasser der Lösung zuvor eingefallen ist. Damit hat man schon zwei Korrektive, außergewöhnliche Lösungen zu diskriminieren. Gut bewertet wird, wer ausschließlich reproduziert und dabei möglichst genau die mittlere Denkspur trifft. Eigene Ideen sind bestenfalls ergebnisneutral; in der Regel wirkt Kreativität in der Masse aber wie ein Fremdkörper und führt daher sogar eher zu schlechteren Ergebnissen. Ergebnis: Die besten Noten kriegen nicht die Besten, sondern diejenigen, die den Durchschnitt am besten repräsentieren.

Wenn wir den Prüfungsmodus jetzt auch noch durch Häkchen und Kreuzchen ersetzen, können wir sicher sein, dass vielleicht schon die nächste Generation von Juristen ein Gesetz nicht einmal mehr als solches erkennt, wenn es eines sieht. Und diese Menschen herrschen dann über eine Gesetzeslage, die so kompliziert ist wie nie zuvor.

Da muss es einem grausen.

Montag, 5. Juli 2010

Warum Polizisten NIE ins Gefängnis müssen

Die BILD berichtet hier über das Urteil gegen einen Polizeibeamten, der vom Landgericht Neuruppin wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde, weil er in einer Mischung "aus Übereifer, Stress und Angst" achtmal auf einen flüchtenden Mann geschossen hatte, wobei dieser zu Tode kam.

Da könnte ich jetzt vergleichbare Fälle zitieren, in denen das Gericht bei vergleichbarer Tat noch das vierfache der Strafe für überaus maßvoll hielt - in all diesen Fällen war der Täter übrigens nicht Polizeibeamter. Ich könnte auch darüber sinnieren, das auch der einen oder anderen Kindesmisshandlung "Übereifer, Stress und Angst" zugrunde lag, ohne dass das irgendein Gericht weiter gekratzt hätte. All das tue ich nicht; sollen das andere tun.

Eines aber möchte ich dann doch noch erwähnen:

Laut BILD hat das Gericht in seiner mündlichen Urteilsbegründung die Aussetzung zur Bewährung damit begründet, dass der Täter

"als Polizeibeamter ... besonders haftempfindlich (wäre), da er mit denen im Knast sitzt, die er sonst bekämpft."

Da kann ich jetzt nur allen denen, die noch einen Mord, Totschlag oder Bankraub, eine Vergewaltigung oder ein Sprengstoffattentat planen, raten, möglichst vorher in den Polizeidienst zu wechseln, um sich eine weitere staatliche Wohltat zu sichern: Die erhöhte Knastempfindlichkeit infolge vorheriger Verfolgungstätigkeit.

Verzeihung, aber eine Frage habe ich noch: Reicht dafür vielleicht auch die Zugehörigkeit zu einem privaten Sicherheitsdienst?


Andersartige Lemminge im Fokus

In der deutschen Presselandschaft gibt es Publikationen, die sind seit jeher für ihren politischen Standpunkt bekannt. Die BILD ist konservativ, der Stern ist linksliberal und die taz ist nur links.

Diese altbewährte Einteilung ermöglicht dem geübten Leser, seine eigene Meinung im Blätterwald wiederzufinden und so zu verhindern, dass er ungewollt andersartigen Ansichten ausgesetzt wird. Sonst würde er von denen am Ende noch hinterrücks überzeugt - Wer will das schon!

Deswegen ist es für eine gewollt konservative Zeitschrift wie den Focus zwingend erforderlich, sich vom Klassenfeind - dem Spiegel - inhaltlich um jeden Preis abzusetzen. Das ist leicht, wenn es um Personen geht, die sich recht einfach im politischen Spektrum einordnen lassen. Wulff ist CDU, also gut; Gauck ist SPD, also schlecht.

Wie aber ordnet man ein parteipolitisch neutrales Geschehen in der politischen Landschaft ein? Wie verhält man sich z. B. im Fall Kachelmann, der ja nun keiner Partei ohne weiteres zuzuordnen ist? Der Focus macht es vor: Man wartet einfach ab, was die Konkurrenz schreibt und ist dann dagegen. So wie ein Lemming, der in die falsche Richtung läuft. Das ist in diesem Falle - mal wieder - derartig erbärmlich geworden, dass man sich fragt, ob beim Focus eigentlich Journalisten arbeiten.

Aber die tun wohl einfach nur ihren Job.

Warum ich auf Volksentscheide gut verzichten kann

In Bayern hat sich offenbar eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung für ein ausnahmeloses Rauchverbot entschieden. In Hamburg steht ein Volksentscheid über die zu installierende Schulform an. Grund genug, hier mal eine Diskussion über Volksabstimmungen vom Zaun zu brechen.

Die Idee der Bundesrepublik als demokratischem Rechtsstaat mit föderaler Struktur war auch die Idee einer indirekten Demokratie. Das Volk sollte Vertreter bestimmen, die in wichtigen politischen Fragen Entscheidungen stellvertretend für "das Volk" treffen. Der dahinterstehende Gedanke ist ein kluger: Niemand kann nämlich auf allen Sachgebieten gleichermaßen kompetent sein. Da liegt es nahe, die eigene Entscheidungshoheit in die Hände anderer zu legen, die es besser wissen. Das Grundgesetz sieht einen Volksentscheid jedenfalls nur in einer einzigen Frage vor, und die hat sich mittlerweile weitgehend erledigt.

Aus der linken Ecke kam dann wohl in den späten siebziger Jahren der Gedanke, mit der indirekten Demokratie hätte man "das Volk" entmündigt. Nach einiger Zeit des Nachdenkens haben auch Konservative diesen Gedanken übernommen, hauptsächlich um missliebige politische Entscheidungen doch noch zu Fall bringen zu können. Damit erweist man der Sache einen Bärendienst: Denn es entscheidet nicht mehr der Oberarzt, ob operiert wird - jetzt entscheidet vom Pförtner bis zum Hilfskoch das ganze Krankenhaus darüber, ob beim Michel die Milz operiert wird.

Denn einmal in vier Jahren zu wählen, das ist dem bornierten Stammtischbruder längst nicht mehr genug: Der möchte gerne überall persönlich mitreden, und zwar so laut es eben geht. Und deshalb treibt er politische Entscheidungen zunehmend in die Arme des angeblichen Volkssouveräns, der zwar keine Ahnung hat, aber gerne zu allem seinen Senf persönlich dazugibt.

Gibt es eigentlich die Möglichkeit, per Volksentscheid alle Volksentscheide verbieten zu lassen? Ich wäre dabei!





Freitag, 2. Juli 2010

Wenig zu tun bei der StA Hamburg

Endlich mal an Strafmandat, über das auch der Mandant nur lachen kann:

Ihm und seiner Nachbarin wird vorgeworfen, eine Nötigung (§ 240 StGB) begangen zu haben, indem sie gemeinschaftlich handelnd, jeweils mit dem eigenen Auto, das Kraftfahrzeug des Anzeigeerstatters vorsätzlich so eingeparkt hätten, dass dieser sein Fahrzeug nicht mehr hätte ausparken können. Das Fahrzeug des Anzeigeerstatters stand in einer Parklücke zwischen den Fahrzeugen der beiden Beschuldigten.

Auf sowas muss man erst einmal kommen! Über die fahrerischen Qualitäten des Anzeigeerstatters ist nichts bekannt, wohl aber über seinen Beruf: Er arbeitet für ein Sicherheitsunternehmen.