Donnerstag, 28. April 2011

Bei Herrn Uhl versteht man nur noch Bahnhof

Verbrechen sind schlimm, und das Böse lauert bekanntlich immer und überall. Besonders anschaulich sind aber solche Verbrechen, die mehr oder wenig zufällig dokumentiert werden, am besten durch Videokameras. Der faule Mensch guckt ja gern Bilder. Da kommt die Volksseele dann regelmäßig zum Kochen, wenn sie im Fernsehen oder der Tageszeitung dem Verbrechen höchstpersönlich ins verzerrte Antlitz starren kann.

Tatort derart dokumentierter Verbrechen sind häufig Bahnhöfe, denn das sind in Deutschland so ziemlich die einzigen Orte, die flächendeckend videoüberwacht werden. Und jetzt kommt ein CSU-Politiker namens Uhl. Herr Uhl ist seines Zeichens angeblich Innenexperte. Und was der fordert, ist so hanebüchen, dass man es wörtlich wiedergeben sollte:

Laut "Die Welt" fordert Herr Uhl doch glatt, "Straftaten in U- und S-Bahnen sowie auf Bahnhöfen als strafschärfendes Element in das Strafgesetzbuch aufzunehmen". Da fragt man sich zunächst, was Herr Uhl damit wohl meinen könnte. Eine Straftat als "strafschärfendes Element"? Was denn nun? Straftat oder strafschärfendes Element? Auf Bahnhöfen?

Wahrscheinlich schwebte Herrn Uhl ein neuer Paragraph im allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches vor, so etwa:

"Besonders schwer bestraft wird, wer eine Straftat auf einem Bahnhof begeht."

Das wäre zwar schon wegen seiner Unbestimmheit rechtswidrig, aber so in der Art mag er wohl gedacht haben, der Herr Uhl. Wenn man von denken da schon reden kann. Denn man fragt sich doch, ob ein einzelner Innenexperte so blöd ein kann, etwas derart Absurdes ernstlich zu fordern.

Denn warum sollte eine Straftat schlimmer werden, nur weil sie auf einem Bahnhof verübt wird? Hier kommen wir zurück zu unserem Ausgangspunkt: Das einzig erkennbar Besondere am Bahnhof ist, dass er videoüberwacht wird. Herr Uhl möchte also als strafschärfendes Element in das StGB offenbar aufnehmen, dass man mit seiner Tat nicht nur sich selbst überführt, sondern obendrein noch den allgegenwärtigen Voyeurismus bedient.

Vielleicht hätte er da besser ein Verbot der BILD-Zeitung fordern sollen.





Montag, 4. April 2011

Gerne hätte ich Sie verurteilt, nur ging es leider nicht

Strafgericht, Urteilsverkündung. Die Beweisaufnahme hat den Anklagevorwurf zumindest nicht eindeutig bestätigt, aus Sicht der Verteidigung vielleicht sogar eindeutig widerlegt. Das Gericht tut, was es in Deutschland nur sehr selten tut: Es spricht frei. Dann begründet es sein Urteil.

Und da geht es plötzlich mit dem Vorsitzenden Richter durch. Gerne hätte er den Angeklagten verurteilt, sagt er, nur hätte die Beweislage dafür leider nicht gereicht. Zuletzt dem Vernehmen nach wieder passiert und mit großem öffentlichen Interesse begleitet vor dem LG Augsburg, in Sachen des Kollegen Lucas, von Spiegel online berichtet und entsprechend aufgegriffen insbesondere vom Kollegen Burhoff.

Dafür, dass nur etwa drei Prozent aller Strafverfahren in Deutschland mit einem Freispruch enden, dürfte jeder Strafverteidiger so einen Ausspruch schon erstaunlich oft gehört haben. Aber warum eigentlich? Denn schon Kollege Burhoff bemerkt treffend: Ein Freispruch ist ein Freispruch. Punkt. Das Gericht spricht frei, weil die Hauptverhandlung eine andere Überzeugungsbildung nicht zugelassen hat.

Wie kann es Richter hierüber ernsthaft Bedauern äußern? Ein Richter, der bedauert, dass er sich ans Gesetz halten muss! Ein Richter, der unumwunden zugibt, dass er den Angeklagten gerne verurteilt hätte, aus rein persönlichen Gründen - denn sachliche Gründe können es ja nicht gewesen sein, die hätten ja zur Verurteilung geführt. Solch ein Richter gesteht nachträglich seine Befangenheit ein. Jetzt ist es ja egal, es ist ja vorbei.

Wer so denkt, ist nicht nur ein Menschenfeind, er unterliegt auch einem erschreckenden Missverständnis: Er denkt nämlich offenbar, es wäre Aufgabe eines Richters, möglichst viele Menschen zu verurteilen. Das ist aber nicht die Aufgabe eines Richters. Ein Richter soll unbefangen urteilen, und nicht nach einem Ergebnis schielen.

Schon gar nicht nach einem Ergebnis, dass dem Angeklagten ungünstig ist.


Wer von Euch ohne Punkt ist, der werfe den ersten Becher

Am vergangenen Freitag wurde in Sichtweite meines Büros ein Fußballbundesligaspiel abgebrochen. Das wirft wie immer etliche komplizierte Rechtsfragen auf; ein erster Annäherungsversuch wurde hier geleistet. Wertvolle Kommentare, u. a. von dem geschätzten Kollegen Hoenig finden sich dort ebenfalls.

Für diejenigen Auswärtigen, die nicht seit drei Tagen von der Hamburger Lokalpresse mit Berichten über die Vorfälle überschüttet wurden, muss man zunächst ergänzend hinzufügen: Es wurde ein Tatverdächtiger ermittelt, der den Wurf aber abstreitet. So richtige Zeugen scheint es erstaunlicherweise nicht zu geben. Der zweifelsfreie Tatnachweis könnte sich daher durchaus schwierig gestalten, zumal auf St. Pauli nicht nur dieser eine Bierbecher geflogen ist.

Dem FC. St. Pauli droht nach den Statuten jetzt die Wertung des Spieles mit 0:2. Das ist zu verkraften, denn das war sowieso der Spielstand zum Zeitpunkt des Abbruchs. Zu erwarten ist des weiteren eine Geldstrafe, die der Verein auf den Werfer umlegen könnte, wenn er denn je zweifelsfrei ermittelt wird. Eventualvorsatz wird er ja durchaus gehabt haben. Ob dem FC. St. Pauli das aber etwas nutzen würde, ist zweifelhaft. Den Schaden dürfte der Täter kaum zahlen können.

Eine weitere Strafe für alle St. Pauli-Fans droht aber noch: Dass der FC St. Pauli seine nächsten Heimspiele nämlich zwar vor Zuschauern, aber in der Imtech-Arena austragen muss, die früher HSH-Nordbank-Arena, noch früher AOL-Arena und ganz früher Volksparkstadion hieß, von den Anhängern des FC St. Pauli aber durchgehend nur in herzlicher Abneigung "Stadion an der Müllverbrennungsanlage" genannt wird, benannt nach der nahe gelegenen Müllverbrennungsanlage.

Das wäre dann wahrscheinlich auch für den Werfer die schlimmste Strafe.

Freitag, 1. April 2011

Höcker im Blick, Geld im Sack

Er hat wieder zugeschlagen: Deutschlands rechtsirrtümlichster Anwalt, der Medien- und Kachelmannanwalt Prof. Dr. Ralf Höcker, hat dem Spiegel eingeflüstert, was Rechtsanwälte meinen, wenn sie etwas sagen, das ihr Mandant nicht versteht. Oder so.

Der LBR-blog berichtete bereits hier, sein Autor ist angeblich erst bei der letzten Frage gescheitert. Ich schon bei der ersten. Die lautete in etwa so: Was meint ein Rechtsanwalt, wenn er den Fall seines potentiellen Mandanten am Telefon als "interessant" bezeichnet und darum bittet, ihm doch zunächst die Unterlagen zu schicken, er äußere sich dann schriftlich?

Die Situation kenne ich, habe ich gedacht: Das sage ich manchmal, wenn der potentielle Mandant am Telefon den Eindruck eines Querulanten vermittelt, den ich mit der gesetzten Aufgabe erst einmal beschäftigen möchte. Das stand aber nicht zur Auswahl. In der zur Verfügung stehenden Auswahl habe ich mich dann schweren Herzens für eine Aussage entschieden, die sinngemäß lautet, dass man seinem Rechtsanwalt vertrauen müsse. Sollte man ja auch! Ich Naivling.

Der Höcker weiß es besser: Der Rechtsanwalt, der derartiges sagt, möchte in Wirklichkeit nur eine weitere Gebühr verdienen! Vielen Dank für den Hinweis, Herr Kollege! Das ist gebührenrechtlich zwar schon lange nicht mehr richtig, bedient aber das Vorurteil des geldgeilen Rechtsanwalts wieder einmal auf das Vortrefflichste.

Herr Höcker, wie hoch war noch mal Ihr Stundensatz?!