Freitag, 30. April 2010

Die Wirklichkeit ist kein kurzer Hauptsatz

Die Bundesjustizministerin hat mit ihrem Amtsantritt eine so genannte Task-Force aus sieben Germanisten eingerichtet, die für verständlichere Sprache in Gesetzen sorgen sollen. Schon bei ihrer unglücklichen Namensgebung ist dieser "Kampfverband" offenbar auf ganzer Linie gescheitert. Sonst hat man auch noch nichts Gutes von ihm gehört.

Wenn Gesetze unverständlich sind, liegt das meist an ihrem Inhalt, nicht an ihrer Form. Und für den Inhalt sind Juristen verantwortlich, nicht Germanisten. Komplizierte Sachverhalte werden durch sprachliche Vereinfachung nicht einfacher, sie werden einfach nur falsch. Wie das dann aussieht, sehen Sie, wenn sie mal in der Tagespresse mit den vier roten Buchstaben blättern. Da lesen Sie zwar nur leicht verständliche Hauptsätze, nur ist die Wirklichkeit meist sehr viel komplizierter.

Wer sich daher über die Form ärgert, ärgert sich falsch. Wer sich ernstlich darüber beschwert, dass Juristen "Lichtbild" schreiben, wo andere vielleicht "Photo" sagen würden, hat wohl sonst keine Probleme. Den "Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars" wird jeder Germanist sprachlich sehr schön umformulieren können - nur den ihm innewohnenden strukturellen Unsinn wird er damit kaum ändern und will es wohl auch nicht.

Den Inhalt eines Gesetzes aber wird man nur formulieren können, wenn man das dahinter stehende Problem erkannt hat und die Absicht hat, es auch zu lösen. Damit werden sieben Germanisten jedenfalls überfordert sein.

Mittwoch, 28. April 2010

Sitzordnung vor Gericht

Heute habe ich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg-St.Georg einen Antrag zur Sitzordnung gestellt des Inhalts, dass das Gericht meinem Mandanten einen Platz neben mir - seinem Verteidiger - zuweisen möge. Das Gericht hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass der Richter die Verhandlungsleitung habe (!)

Mein Hinweis darauf, dass der Richter sich bei seiner Verhandlungsleitung wohl an das Gesetz halten müsse und das Gesetz dem Angeklagten zugestehe, in jeder Phase des Verfahrens das Gespräch mit seinem Verteidiger suchen zu können, fand ebensowenig Zustimmung wie mein Hinweis auf die insoweit einheitliche Rechtsprechung aller Obergerichte seit 1961.

Nach der Verhandlung sprach mich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an, um mir mitzuteilen, dass er meinen Antrag für "unverhältnismäßig" halte. Ich solle doch auch bedenken, welche Auswirkungen ein solcher Antrag auf das Urteil gegen den Mandanten habe.

Dass er damit den Vorsitzenden Richter auch noch implizit der Rechtsbeugung bezichtigt, hat der Staatsanwalt nicht einmal gemerkt.

Dienstag, 27. April 2010

Anwaltsweisheit I

Kollege Siebers berichtete vor kurzem von Brandgefährlichen Verteidigern.

Die dazu passende Weisheit stammt von dem US-amerikanischen Verteidiger Roy Black (nicht verwandt oder verschwägert mit dem verstorbenen Schlagersänger Gerhard Höllerich). Der schrieb in seinen wirklich toll zu lesenden Memoiren:

"Only ask a question either if you know the answer already or if it is completely irrelevant."

Das Gesetz könnte so einfach sein, wenn man sich nur daran hielte, Teil 1

Dem Mandanten wird eine Verkehrsordnungswidrigkeit vorgeworfen. Ich habe Akteneinsicht beantragt. So weit, so normal.

Akteneinsicht wurde nicht gewährt, dafür kam heute der Bußgeldbescheid. Auf meinen Anruf beim Sachbearbeiter vertrat dieser die Auffassung, dass es doch seine Sache wäre, wann er einen Bußgeldbescheid erließe . Dem Mandanten sei rechtliches Gehör gewährt worden, Akteneinsicht könne ich jetzt ja immer noch bekommen.

Nach meinem noch zu höflichen Hinweis, dass rechtliches Gehör gewährt würde, indem man dem Verteidiger Akteneinsicht gewähre, begann er erneut damit, dass es doch wohl seine Sache wäre, wann er einen Bußgeldbescheid erlasse.

Kann diesem Herren bitte mal jemand ein Grundgesetz unter die Achsel klemmen?!

Was machen eigentlich Schöffen? oder: Geh doch wo Du wohnst

Geschätzt hundertster Verhandlungstag in einer Betäubungsmittelstrafsache. Der Vorsitzende Richter will die Beweisaufnahme endlich schließen und fragt routinemäßig seine Beisitzer, ob noch jemand eine Frage habe.

Es meldet sich eine Schöffin - Lehrerin von Beruf - die die gesamte Verhandlung über noch keinen Ton gesagt hatte. Sie wendet sich an den Angeklagten und fragt ihn:

"Sagen Sie mal, da wo Sie herkommen, wohnen da eigentlich auch anständige Menschen?"

Da freute sich die Verteidigung, und konnte schon mal für die nächsten hundert Verhandlungstage planen - mit einer neuen Schöffin .

Montag, 26. April 2010

Kruzitürken - Verzeihung!

Die designierte neue niedersächsische Sozialministerin ist die erste Muslimin ihrer Art.

Und da will die doch glatt gleich die Kreuze in den Klassenräumen abschaffen! Wie kann sie nur! So eine Ikonoklastin!

Hat die noch nie was von der Trennung von Kirche und Staat gehört? Von der Religionsfreiheit? Vom Grundgesetz?

Wie bitte? Das spricht alles für die Ansicht der neuen Sozialministerin? Ach so. Aber nur, solange sie nicht verlangt, dass in den Klassenräumen Halbmonde aufgehängt werden!

Freitag, 23. April 2010

Auslegungskunst

Aus einem Beschluss des BGH-Senats für Anwaltssachen, in dem es um die Auslegung einer Norm geht:

"Für dieses Verständnis .... spricht schließlich auch, dass eine entsprechende Anwendung des § 21 b Abs. 4 GVG, der (...) eine nahezu wortgleiche Regelung trifft, allgemeiner Meinung entspricht. (...) Niemand hat (dies) bisher in Zweifel gezogen..."

Das heißt im Klartext: Weil unsere Meinung bereits woanders vertreten wird, brauchen wir sie hier nicht zu begründen, zumal bisher niemand (den wir ernst nehmen) anderer Meinung war. Auf das richtige Leben gemünzt hieße das z. B.: Weil die Katze dort von allen immer für einen Hund gehalten wurde, halten auch wir sie für einen Hund, zumal sie bisher auch niemand für eine Katze gehalten hat.

Auch wenn die Katze gerade gebellt hat. So einfach kann Rechtsprechung sein, wenn man niemandem Rechenschaft ablegen muss.

Donnerstag, 22. April 2010

Leere Belehrungen

Die Mutter einer Mandantin sollte zur Betreuerin ihres schwerkranken Bruders bestellt werden. Der Oberarzt gibt an, die Frau etwa eine halbe Stunde über die Rechte und Pflichten eines Betreuers belehrt zu haben. Daraufhin habe sie der Bestellung zur Betreuerin zugestimmt.

Die Mutter der Mandantin kann sich an ein solches Gespräch nicht erinnern. Mit ihr habe überhaupt niemand über Betreuung gesprochen. Allerdings hätten irgendwann einige Ärzte auf sie eingeredet. Was die gesagt hätten, wisse sie nicht mehr.

So unterschiedlich kann Wahrnehmung sein.

Wann aber werden Richter, Ärzte, Polizisten und alle, die regelmäßig Personen über deren Rechte und Pflichte belehren müssen, endlich lernen, dass eine Belehrung kein Selbstzweck ist. Ihr Zweck ist auch nicht etwa, den Atemluftanteil in der Raumluft zu erhöhen. Ihr Zweck ist, dem Belehrten ein vorgegebenes Wissen zu vermitteln. Erst wenn der Belehrte dieses Wissen erlangt hat, war die Belehrung erfolgreich. Und dazu genügt es in der Regel nicht, abstrakte Rechtsausführungen von einem Zettel herunterzuleiern und hinterher zu behaupten, man hätte aber belehrt.

Mittwoch, 21. April 2010

39 Patronen

In Bielefeld - das es entgegen anderslauternder Berichte im Internet ja nachweislich doch gibt - in Bielefeld ist ein Rentner wegen 39fachen versuchten Mordes zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Er war mit einer Maschinenpistole bewaffnet in einen Saal der Zeugen Jehovas eingedrungen, mutmaßlich um so viele Zeugen Jehovas wie möglich umzubringen.

In den Magazinen der Waffe waren genau 39 Patronen. Aber die Waffe klemmte, so dass niemand zu Schaden kam.

Und das soll 39facher Mordversuch sein? Für 39 fachen Mord hätte der Rentner ja mit jeder Kugel genau einen Zeugen Jehovas treffen und auch töten müssen, und das mit den ungezielten Schüssen einer Maschinenpistole bei willkürlich im Raum verteilten Personen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür dürfte ungefähr so groß sein wie die Wahrscheinlichkeit, dass heute um 11 Uhr Außerirdische mit einem Ufo auf dem Duisburger Marktplatz landen.

Da würde mich die Urteilsbegründung des Landgerichts Bielefeld wirklich interessieren.

Montag, 19. April 2010

Ich als Dienstleister

Vor einigen Jahren gab es aus der EU die so genannte "Dienstleistungsrichtlinie". Neben vielen anderen interessanten Dingen behandelte diese Richtlinie auch Rechtsanwälte, und stellte damit klar, dass die Leistung des Rechtsanwalts eine Dienstleistung sei. Das ist als solches ja nicht schlimm. Ein Dienstleister ist jemand, der für Geld seine Dienste anbietet.

Früher war man mal der Meinung, dass der Rechtsanwalt aufgrund seiner besonderen Vertrauensstellung zum Mandanten weit mehr als nur ein Dienstleister sei. Das ist nun vorbei. Schade, denn für eine gute Beratung ist Vertrauen unbedingt notwendig, und dieses Vertrauen leidet , wenn Rechtsanwälte mit Pizzaboten und Friseuren auf eine Stufe gestellt werden.

Am bedauerlichsten aber ist , dass manche Mandanten weiterhin einen Rechtsanwalt alter Prägung erwarten, den aber nur wie einen Pizzaboten bezahlen wollen. Wie sagte ein weiser Kollege einst: Porsche fahren, aber VW bezahlen: Das geht nicht.

Da hatte er Recht.

Dienstag, 13. April 2010

Freie Beweiswürdigung

Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. So umschreibt § 261 StPO die so genannte Freie Beweiswürdigung.

Früher war der Richter hingegen an Beweisregeln gebunden. So war eine Frau vom Vorwurf der Hexerei freizusprechen, wenn sie bei der so genannten Wasserprobe unterging. Leider war dieses Beweiszeichen gleichbedeutend mit dem Tod der Frau, die dabei nämlich ertrank - aber immerhin. Sie war keine Hexe und ihre Seele konnte ungehindert in den Himmel aufsteigen.

Mit der Einführung des modernen Strafprozesses durch die Strafprozessordnung im Jahre 1877 hat man solche Beweisregeln aus gutem Grund abgeschafft. Leider hat man sich dafür entschieden, Beweisregeln grundsätzlich abzuschaffen und durch die all obwaltende richterliche Vernunft zu ersetzen - die freie Beweiswürdigung eben.

Dank der freien Beweiswürdigung können Richter aus Beweismitteln jetzt machen, was sie wollen, sie müssen es nur irgendwie nachvollziehbar begründen. So hindert keine Vorschrift die Gerichte daran, aus dem Inhalt einer Zeugenaussage deren genaues Gegenteil zu schlussfolgern. Aus dem Umstand, dass fünf Zeugen den Angeklagten entlasten, kann das Gericht zwanglos den Schluss ziehen, dass der Angeklagte schuldig ist. Das Gericht braucht nur zu der Überzeugung zu gelangen, dass alle Zeugen gelogen haben und der Angeklagte sie dazu "angestiftet" hat. Das kann das Gericht dann gleich auch noch strafschärfend berücksichtigen und den Angeklagten gegen alle Beweise einfach trotzdem verurteilen.

Ich bin für die Abschaffung der freien Beweiswürdigung.

Montag, 12. April 2010

Der Wettlauf um die erste Strafanzeige

Viele rechtschaffende Menschen denken, es könnte ihnen nie passieren, einmal Beschuldigter in einem Strafverfahren zu werden. Sie hätten ja nichts getan. Da irren sie.

Beschuldigter zu werden ist ganz einfach, z. B. so:

Jemand pöbelt SIE an. SIE pöbeln zurück, darauf schlägt Ihnen der andere mit der Faust ins Gesicht. "Ganz einfach" denken SIE, "er ist der Täter, ich bin das Opfer. Der andere geht zur Polizei und zeigt SIE wegen Beleidigung an. SIE kriegen daraufhin irgendwann eine Vorladung zur Anhörung von der Polizei. Und zwar als Beschuldigter, denn der andere hat SIE angezeigt. SIE gehen guten Gewissens zur Anhörung, denn der andere ist ja der Täter. SIE erzählen der Polizei Ihre Version der Geschichte, die Polizei glaubt Ihnen nicht, denn einem Beschuldigten glaubt die Polizei grundsätzlich erst einmal nicht.

In Ihrer Verzweiflung wollen sie jetzt Gegenanzeige gegen den anderen erstatten. Das ist aber sinnlos, gibt Ihnen der Polizist zu verstehen, denn auf Gegenanzeigen wird grundsätzlich kein Verfahren eröffnet.

Das glauben Sie nicht? Jeder Strafverteidiger wird Ihnen von mehr als einem Fall erzählen können, der genau SO gelaufen ist. Ich besitze sogar eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, die dieses Vorgehen ausdrücklich billigt.

Und die Moral von der Geschicht: Erstatten Sie immer sofort Strafanzeige, sonst tut es der andere. Auch - und gerade - wenn Sie selbst der Täter sind.

Dienstag, 6. April 2010

rough justice

Das Leben ist hart und ungerecht.

Das Recht wird diese täglichen Ungerechtigkeiten nicht von selbst ausgleichen.

Es bedarf eines guten Rechtsanwaltes, eines guten Strafverteidigers, um Sie von der Schattenseite Ihrer Existenz wieder ans Licht zu führen.

Und der Weg dorthin ist Kampf. Noch Fragen?