Montag, 12. April 2010

Der Wettlauf um die erste Strafanzeige

Viele rechtschaffende Menschen denken, es könnte ihnen nie passieren, einmal Beschuldigter in einem Strafverfahren zu werden. Sie hätten ja nichts getan. Da irren sie.

Beschuldigter zu werden ist ganz einfach, z. B. so:

Jemand pöbelt SIE an. SIE pöbeln zurück, darauf schlägt Ihnen der andere mit der Faust ins Gesicht. "Ganz einfach" denken SIE, "er ist der Täter, ich bin das Opfer. Der andere geht zur Polizei und zeigt SIE wegen Beleidigung an. SIE kriegen daraufhin irgendwann eine Vorladung zur Anhörung von der Polizei. Und zwar als Beschuldigter, denn der andere hat SIE angezeigt. SIE gehen guten Gewissens zur Anhörung, denn der andere ist ja der Täter. SIE erzählen der Polizei Ihre Version der Geschichte, die Polizei glaubt Ihnen nicht, denn einem Beschuldigten glaubt die Polizei grundsätzlich erst einmal nicht.

In Ihrer Verzweiflung wollen sie jetzt Gegenanzeige gegen den anderen erstatten. Das ist aber sinnlos, gibt Ihnen der Polizist zu verstehen, denn auf Gegenanzeigen wird grundsätzlich kein Verfahren eröffnet.

Das glauben Sie nicht? Jeder Strafverteidiger wird Ihnen von mehr als einem Fall erzählen können, der genau SO gelaufen ist. Ich besitze sogar eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, die dieses Vorgehen ausdrücklich billigt.

Und die Moral von der Geschicht: Erstatten Sie immer sofort Strafanzeige, sonst tut es der andere. Auch - und gerade - wenn Sie selbst der Täter sind.

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