Sonntag, 15. Dezember 2013

Boah, ist das langweilig!


Wenn man sich bei Jurablogs die Liste der populärsten Beiträge der letzten sieben Tage anschaut, entdeckt man Erstaunliches: Allesamt Porno. Die 25 (!) meistgelesenen Beiträge behandeln allesamt den hinlänglich bekannten Sachverhalt, den heute sogar die Welt am Sonntag aufgreift. Natürlich ist der Artikel online auch dort der am meisten gelesene. Beeindruckend, zumal ja offiziell kaum einer Pornos guckt.

Das Thema "Abmahnen beim Porno-Streamen" stellt trotzdem alles andere in den Schatten. Auch rechtlich ist das bemerkenswert, denn das Thema ist weder interessant noch besonders relevant. Der Kollege Hoenig aus Berlin hat es als einer der Ersten bemerkt. (Hallo Carsten!) Es geht um vergleichsweise niedrige Beträge, die, wer nicht will, ja nicht zahlen muss. Rechtlich lässt sich die Problematik auf einem Bierdeckel erläutern und man hat noch Platz übrig: Man weiß es nicht.

Die zugrunde liegende Frage wird jetzt der eine so entscheiden und der andere so, am Ende wird vielleicht der Bundesgerichtshof irgendwie entscheiden und ganz am Ende wird der Gesetzgeber entscheiden, ob "Streaming" abmahnfähig ist oder nicht. Und so ist es dann. Wissen kann man das vorher nicht, deshalb kann man sich sämtliche Argumentationen, die man dieser Tage lesen kann, getrost sparen.

Wichtig ist nur eins: Man sollte auf Abmahnungen dieser Menschen aus Regensburg nicht bezahlen. Und aus.


Mittwoch, 11. Dezember 2013

Mahnen und Nötigen


Es gibt Urteile, die sind richtig, und es gibt Urteile, über die kann man sich streiten. Schließlich gibt es aber auch Urteile, die sind schlicht falsch. Bei letztgenannten sind auffallend häufig Rechtsanwälte die Leidtragenden. So ist es auch in einem Urteil des BGH vom 5. September 2013 - 1 StR 162/13.

Das Landgericht Essen hatte einen Rechtsanwalt wegen (versuchter) Nötigung verurteilt. Der Anwalt hatte für einen Mandanten objektiv zumindest fragliche Forderungen geltend gemacht und in seinem Aufforderungsschreiben getan, was Anwälte in Aufforderungsschreiben eben so tun: Er hatte geschrieben, dass er mit der Durchsetzung der Forderungen beauftragt sei und dies auch konsequent tun werde. Außerdem würde er im Falle nicht fristgerechter Zahlung den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung eines Betrugsverdachts vorlegen.

Tatsächlich vereinbart war zwischen Anwalt und Mandant, dass man all dies genau nicht tun wollte. Das hat das Landgericht zumindest so festgestellt. Der BGH hält die Aufforderung gleichwohl für Nötigung. Er hat hierzu ausgeführt, dass es jeden Rechtssuchenden gruseln muss:

"Zwar hat der Angeklagte nicht konkret gewusst, dass die von ihm eingetriebenen Forderungen zivilrechtich nicht gerechtfertigt waren. Dennoch hat der Bundesgerichtshof es als mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar und daher verwerflich angesehen, dass juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die der Angeklagte mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen hatte, zur Erfüllung der behaupteten, nur scheinbar von diesem geprüften rechtlichen Ansprüche veranlasst werden sollten."

Das lassen wir uns mal auf der Zunge zergehen und analysieren es Stück für Stück. Laut ersten Satz hat der Rechtsanwalt nicht einmal gewusst, ob die Forderungen berechtigt gewesen seien, kurzum: Für die strafrechtliche Beurteilung als Nötigung ist egal, ob eine Forderung berechtigt oder unberechtigt ist. Man kann also eine Nötigung begehen, indem man eine berechtigte Forderung geltend macht. Hier muss jeder säumige Schuldner erfreut aufhorchen.

Im zweiten Satz bemüht der BGH etwas, dass er "Autorität eines Organs der Rechtspflege" nennt; mit dieser Autorität soll man "juristische Laien" nicht ansprechen dürfen, da dies "mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar" sei, zumindest dann, wenn die behaupteten Forderungen "nur scheinbar von diesem geprüft" seien.

Nach dieser bemerkenswerten und so zuvor wohl noch nie auf dem Gebiet der Bundesrepublik vertretenen Auffassung hängt die Strafbarkeit also letztlich davon ab, ob der Rechtsanwalt die von ihm geltend gemachte Forderung zuvor überprüft hat. War da nicht was? Ach ja:

Auf die Richtigkeit der Angaben seines Mandanten darf der Rechtsanwalt grundsätzlich vertrauen, so ausdrücklich z. B. BGH NJW 1996, 2929. Angaben des Mandanten muss der Rechtsanwalt also gerade nicht überprüfen. Wäre ja auch noch schöner, der Rechtsanwalt ist ja nicht der Gewährsmann seines Mandanten. Also kann der BGH nicht die Überprüfung des Sachverhalts gemeint haben. Es bleibt damit nur die juristische Überprüfung. Dann hinge die Strafbarkeit des Rechtsanwaltes also davon ab, ob er die Rechtslage geprüft hat, letztlich also davon, wie er die Rechtslage beurteilt.

Strafbar macht sich danach letztlich derjenige, der das Bestehen einer Forderung anders einschätzt als die Staatsanwaltschaft oder das Strafgericht. Vom eigentlich zuständigen Zivilgericht: kein Wort.

Das ist ein Fest für alle dreisten Schuldner: Zeigt einfach den Rechtsanwalt eures Gläubigers bei der Staatsanwaltschaft an, und bald wird sich niemand mehr trauen, euch zu verfolgen.






Donnerstag, 5. Dezember 2013

Warum ist keine gute Frage


Ich kann mir in meiner Phantasie keinen Elefanten vorstellen, wenn ich nicht vorher einen gesehen oder zumindest von ihm gehört hätte. Klingt einleuchtend, aber die meisten Richter und Staatsanwälte scheinen anderer Meinung zu sein. Man fragt sich, warum.

Vor vierhundert Jahren lebte René Descartes, der als Begründer einer Denkrichtung gilt, die man gemeinhin Rationalismus nennt. Als Rationalist wird jemand bezeichnet, der dem reinen Denken größere Bedeutung beimisst als der Erfahrung. Der Rationalist wäre der Auffassung, dass ich allein aufgrund meines Wissen die Existenz eines Elefanten ableiten könnte und so einen Elefanten konstruieren könnte, ohne jemals von ihm gehört zu haben. Dem hat Aristoteles bereits in der Antike entgegengesetzt, dass nichts im Intellekt sei, das nicht vorher in den Sinnen gewesen wäre. Konsequent weiter geführt nennt sich diese Gegenrichtung Empirismus. Danach beruht wahre Erkenntnis ausschließlich auf Sinneserfahrung. Wenn Sie mich fragen: Es spricht einiges für den Empirismus.

Staatsanwälte und Richter sind Rationalisten. Sie denken oftmals, dass jeder Mensch sich zu jeder Zeit jeder seiner Handlungen und deren Motive bewusst wäre. Und deshalb fragen sie gerne: Warum? Warum haben sie dies getan, warum haben sie das getan? Oder, noch schlimmer: Warum haben sie nicht dies getan, warum haben sie nicht das getan? Wer das nicht beantworten kann, ist ein Straftäter.

Ein gruseliges Beispiel für dieses recht häufig anzutreffende Verhalten schildert der Kollege Pohlen hier.

Wer kann schon immer sicher sagen, warum er tut, was er gerade  tut? Wer das kann, ist meistens geistig nicht besonders helle. Fragen Sie mal einen Staatsanwalt, warum er heute gerade diesen Anzug anhat und keinen anderen. Die meisten Menschen machen sich nicht einmal klar, dass sie die Beantwortung einer solch einfachen Frage grundsätzlich völlig unterschiedlich angehen können:

 Organisatorisch: "Den Anzug habe ich an, weil meine Frau ihn mir heute morgen rausgelegt hat und ich jeden Tag anziehe, was meine Frau mir rauslegt."

Der Sachzwang: "Den Anzug habe ich an, weil alle anderen Anzüge gerade in der Wäsche sind und mir mein Dienstherr gebietet, jeden Tag einen Anzug anzuhaben."

Serendipistisch: "Den Anzug habe ich an, weil er im Kleiderschrank gerade ganz vorne hing."

Merken Sie was fehlt? Es fehlt die eigene selbstbestimmt motivierte Entscheidung, die Richter und Staatsanwälte regelmäßig erwarten. Es fehlt die Antwort: "Den Anzug habe ich an, weil ich heute morgen das untrügliche Gefühl hatte, dass ich mich an diesem Tag nur in einem mintgrünen Einreiher mit weißem Hemd und pastellgelber Krawatte als ich selbst fühlen werde."

Über eine solche Antwort würde ein Staatsanwalt wahrscheinlich lachen. Aber genau nach ihr fragt er. Rationalisten sind seltsame Menschen.






Mittwoch, 4. Dezember 2013

Guter Anwalt - schlechter Anwalt


Wir leben in einer Zeit, in der Transparenz - trotz NSA-Skandal - als etwas Positives betrachtet wird. Man muss alles sehen können. Aber mehr noch: Die Volksseele schreit offenbar danach, es auch zu bewerten. Das ist offenbar eine Reminiszenz an die verklärte Schulzeit. Alles kann bewertet werden: Lehrer, Restaurants, Fliesenleger, Hotels - oder Rechtsanwälte.

Das alles hat nur einen Haken: Es ist mitunter schädlich, manchmal sogar kriminell, extrem häufig aber zumindest völlig sinnlos. Denn selbst wenn wir alle offensichtlichen Lügen und Diffamierungen außer acht lassen, stellt sich immer noch die Frage nach dem Nutzen.

Der ist schon bei simplen Dienstleistungen wie der Gastronomie fraglich. Immerhin: Was mir geschmeckt hat, kann ich einigermaßen beurteilen. Aber das kann schon mein Nachbar ganz anders sehen, Geschmackssache eben. Ob die Kartoffeln im Lokal A objektiv versalzen waren oder ob der Bewerter das nur subjektiv so empfunden hat, kann ich eigentlich erst wissen, wenn ich den Bewerter und seinen Geschmack persönlich kenne, und das ist praktisch nie der Fall. Sonst könnte ich ihn ja fragen und bräuchte das blöde Bewertungsportal nicht.

Richtig schlimm werden Bewertungen aber erst, wenn der Bewerter etwas bewertet, das er gar nicht beurteilen kann. "Der Arzt ist schlecht, die Wunde hat nach der OP noch tagelang weh getan." Über solchen geistigen Durchfall kann der Operateur nur stöhnen, der den wehleidigen Patienten möglicherweise vor dem sicheren Tod bewahrt hat. Jetzt bekommt er noch einen Fußtritt hinterher, weil der Patient leider zu blöd ist, die Situation richtig einzuschätzen.

In diese Kategorie fallen alle Spezialisten, deren Beruf einen eher theoretischen Unterbau hat, insbesondere aber Rechtsanwälte. Deren Leistung können zumeinst nicht einmal erfahrene Kollegen richtig einschätzen und unterlassen es daher in der Regel. Der durchschnittliche Bewerter hat da weniger Skrupel und bewertet lustig drauf los.

Schlechter Anwalt: hat tagelang nicht zurückgerufen, Kanzlei hatte keinen eigenen Parkplatz, hatte einen seltsamen Anzug an, war anderer Meinung als ich, wollte meine mitgebrachte Lösung nicht akzeptieren. Da gehe ich nicht wieder hin.

Guter Anwalt: fuhr großes Auto, das ich auch gerne hätte, hatte eine schöne Palme im Wartezimmer und war höflich und zuvorkommend, hat mir mehrmals bestätigt, dass die anderen alles Schweine sind und ich natürlich völlig im Recht bin.

Dafür, dass wir den Rechtsstreit verloren haben, konnte der gute Anwalt nichts. Der Richter war ein Kretin, wahrscheinlich ein Linker. Die Gegenseite waren lauter Betrüger. Aber denen hat der gute Anwalt es gegeben!

Mit der Beleidigungsklage, die ich jetzt am Hals habe, gehe ich natürlich wieder zu dem guten Anwalt. Der macht das schon.









Montag, 2. Dezember 2013

Der Verfassungsrechtler rotiert


Zur journalistischen Minusleistung von Marietta Slomka im "Gespräch" mit Sigmar Gabriel habe ich ja hier schon etwas geschrieben und nehme erfreut zur Kenntnis, dass sogar noch jemand meiner Ansicht ist. Es ist allerdings wirklich merkwürdig, dass fehlende Qualität von einigen nicht nur nicht bemerkt wird, sondern auch noch für ihr Gegenteil gehalten wird.

Aber was ist jetzt eigentlich mit den angeblichen verfassungsrechtlichen Einwänden? Worin die begründet sein sollen, habe ich gelesen, aber nicht nachvollziehen können. Ganz offenbar verwechseln hier einige Zeitgenossen auch die freie Meinungsbildung mit ihrem Gegenteil, und wollen den Parlamentariern vorschreiben, wie sie zu ihrer Meinung zu kommen haben. Nichts anderes ist es nämlich, wenn man das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 38 GG resultierende freie Mandat dadurch einschränkt, dass es sich nicht an seiner Basis soll rückversichern dürfen. Klingt kompliziert? Ist es aber gar nicht.

Jeder Bundestagsabgeordnete ist an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, sondern nur seinem Gewissen verpflichtet. Wie der Bundestagsabgeordnete zu seiner Meinung kommt, ist daher völlig seine Sache. Ob er sich von Lobbyisten überzeugen lässt (kommt häufig vor), oder seine Wissenschaftlichen Mitarbeiter in die Bibliothek schickt (kommt vielleicht nicht ganz so häufig vor), ist ganz ihm überlassen. Wenn er wollte, könnte er auch aus den Eingeweiden toter Tiere lesen, ob er dem nächsten Auslandseinsatz der Bundeswehr zustimmt oder nicht. Er ist dabei nur seinem Gewissen verpflichtet. So steht es in Artikel 38 des Grundgesetzes.

Die SPD möchte jetzt ihre Mitglieder befragen, ob es hinter einer Großen Koalition steht. Grund dafür gibt es genug, denn viel Großes haben Große Koalitionen bisher noch nicht erreicht, weder hier noch anderswo. Das ist keine Weisung, wie der eine oder andere Staatsrechtler wohl tatsächlich meint, sondern das ist Meinungsbildung. Vielleicht sogar die Idealform der Meinungsbildung.

Das soll gegen die Verfassung verstoßen? Da haben sich einige Verfassungsrechtler wohl ein paar Mal zu oft um sich selbst gedreht.


Freitag, 29. November 2013

Quatsch mit Soße Gabriel


Ja, das war wohl etwas unglücklich von Sigmar Gabriel, mit den Fragen von Marietta Slomka hätte man souveräner umgehen sollen. Aber der Mann hatte eben die Nacht durch verhandelt und war etwas gereizt. Ob man aber Marietta Slomka dazu gratulieren muss, dass sie Siggi Pop so in die Mangel genommen hat, möchte ich stark bezweifeln.

Denn Marietta Slomka hat etwas getan, das Journalisten gerne tun, wenn sie investigativ erscheinen wollen und ihnen sonst nichts einfällt: Sie hat auf der Beantwortung ihrer Frage beharrt, die ihr Gesprächspartner partout nicht beantworten wollte. Der Rest war Gezicke.

Wie viel wert aber ist eine Frage, von der man vorher weiß, dass das Gegenüber sie nicht beantworten wird? In diesem Fall war die Frage längst beantwortet: Die SPD will ihre Basis über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Ob das nun trickreich ist, wie Maximilian Steinbeis vom Verfassungsblog meint, oder einfach nur gelebte Demokratie, wie Sigmar Gabriel es darstellen möchte, soll hier dahingestellt bleiben.

Als einzige Frage bleibt die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens. Da mag es Staatsrechtler geben, die Bedenken haben - aber jetzt sind wir doch mal gaaanz ehrlich: Was ist denn das für eine verlogene Grütze, die da angerührt wird? Laut Herrn Degenhardt - dem Staatsrechtler, um den es vorrangig geht - dürfe die Billigung durch die Basis "keine rechtlichen Bindungen für die Zukunft" bedeuten. Das freie Mandat sei in Gefahr. Bitte?

Mit dieser Logik wäre wohl auch ein Koalitionsvertrag selbst kaum mit der Verfassung vereinbar. Und da haben wir über den altbekannten "Koalitionszwang", der von den Akteuren gerne auch mal als "Koalitionsdisziplin" euphemisiert wird, noch gar nicht gesprochen.

Also, so ein bisschen hat der Gabriel doch Recht gehabt, als er das mit dem Quatsch gesagt hat.


Doch nicht das älteste Gewerbe der Welt


Nach ihrer schon halbvergessenen Jagd auf den Wetterfrosch hat Alice Schwarzer jetzt wieder einen rausgeholt: Erst hat sie in der Talkshow von Sandra Maischberger am Montag versucht, Prostituierten zu erklären, dass sie eigentlich zu ihrer Tätigkeit gezwungen würden, jetzt legt sie bei der schreibenden Presse nach: Prostitution sei eigentlich genau so zu behandeln wie Pädophilie.

Schon der Auftritt bei Maischberger war kaum zu ertragen. Dort versuchte Alice Schwarzer dem staunenden Volk zu erklären, dass eigentlich jede Form der Prostitution unter Zwang geschehe. Danach wäre der Beruf der Nutte also gar nicht das älteste Gewerbe der Welt, sondern das des Zuhälters. Wer hätte sonst die erste Prostituierte zu ihrem Treiben gezwungen haben sollen?

Dem widersprach eine auf den ersten Blick glaubwürdige Dame, die erklärte, im Alter von dreißig Jahren ihren angestammten Beruf aufgegeben zu haben, um ein Studio aufzumachen und fortan als Domina zu arbeiten. Nach einigen vergeblichen Versuchen, der an sich kreuzbieder anmutenden Frau den dahinterstehenden Zwang zu entlocken, änderte Alice Schwarzer ihre Taktik und behauptete von da an, die Frau wäre eigentlich gar keine Prostituierte, sondern selbständige Unternehmerin. Dabei wurde einmal mehr klar, wie Alice Schwarzer tickt: Alles was sie selbst nicht freiwillig machen würde, muss zwangsläufig unter Zwang geschehen, wenn es andere tun. Das nennt der Psychologe wohl stark egozentriertes Weltbild.

Jetzt geht UNS EMMA noch einen Schritt weiter und setzt jegliche Form der Prostitution mit Pädophilie gleich. Allerdings gäbe es neben der Zwangsprostitution auch Armutsprostitution. Damit möchte sie wohl das Phänomen umschreiben, dass einige Prostituierte sich prostituieren, weil sie Geld brauchen. Da schau her! Es soll auch schon Rundfunkredakteure und Rechtsanwälte gegeben haben, die für Geld arbeiten. Aber halt! Prostitution ist ja gar keine Dienstleistung, sondern,... sondern, ...dings, ...na, ...äh... eben so was wie Pädophilie. Bäh bäh. Alle einsperren.

Sorry, jetzt bin ich argumentativ wohl auf das Niveau von UNS EMMA abgerutscht. Tut mir leid.


Donnerstag, 28. November 2013

Nützliche Rechtskenntnis


Der Kollege Siebers beschwert sich, dass Gericht und Staatsanwaltschaft kaum mehr mit der Verteidigung reden, aus Angst sie könnten etwas falsch machen. Viel geredet haben die auch früher nicht, aber immerhin: Ab und zu konnte man unterm Ladentisch - also im Richterzimmer - gute Ergebnisse erzielen. Der Weg dahin war allerdings nicht ungefährlich: Zumeist musste der Angeklagte mit einem Geständnis in Vorleistung gehen, und eine Sicherheit hatte er nicht. Denn "offiziell" gab es den Deal ja nicht.

Jeder Deal geschah daher auch in der Hoffnung, dass Staatsanwaltschaft und Gericht sich daran halten würden, was längst nicht immer geschah. Von dieser Problematik zeugt die Rechtsprechung, die letztlich zu der aktuellen Rechtslage geführt hat. Diese Rechtsprechung beruht größtenteils auf Revisionen der Angeklagten, die sich von Gericht und Staatsanwaltschaft übers Ohr gehauen fühlten.

Jetzt muss alles protokolliert werden. Das führt zu merkwürdigen Blüten, obwohl die Rechtslage eigentlich ganz einfach ist. Man muss sie nur kennen. Auf einmal diktieren Richter ohne Not ins Protokoll, dass es Verständigungsgespräche nicht gegeben habe. Das scheint mir auf einem Missverständnis der gesetzlichen Regelungen zu beruhen. Vor einer Aufhebung in der Revisionsinstanz wird man sich dadurch jedenfalls nicht schützen können.

Worauf aber ist die nicht nur vom Kollegen Siebers beobachtete plötzliche Zurückhaltung zurückzuführen? Haben die Organe der Rechtspflege auf einmal Angst, dass man sie an ihrem Wort festhalten könnte? Gescheiterte Verständigungsgespräche sind dabei doch eigentlich ganz einfach zu protokollieren: "Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung führten zu keinem Ergebnis." Punkt.

Der Psychologe würde sagen, dass Unsicherheit zumeist auf Unkenntnis der Situation beruhe. Dem ließe sich durch Rechtskenntnis ohne weiteres abhelfen.


Dienstag, 26. November 2013

Der Anruf des Jahres


galt einem mir von Person bekannten Kollegen und kam von einem Mandanten.

Der Mandant hatte eine Vorschussrechnung des Kollegen erhalten und beschwerte sich hierüber mit den Worten

"Aber ich bin doch ihr Mandant."

Nun ist aber erst einmal Schluss mit den Anrufen.

Montag, 25. November 2013

Der Anruf des Monats


... kommt von einem Journalisten. Eigennamen und Ortsangaben habe ich behutsam geändert, schließlich bin ich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Denn genau darum geht es:

JOURNALIST: Guten Tag, mein Name ist Hilmar Bosch vom Ziel-Magazin. Sie vertreten doch den Würger von Wandsbek, den Michael Tipke (voller Name!). Ich würde mich gerne mal mit Ihnen über ihren Mandanten unterhalten.

NEBGEN: Wie kommen Sie denn darauf?

JOURNALIST: Doch, doch, die Information habe ich von einem seriösen Informanten. Da bin ich mir sicher.

NEBGEN: Wie Sie sicherlich wissen, bin ich zur Verschwiegenheit verpflichtet; ich dürfte also gar nicht mit Ihnen über den Mandanten reden, selbst wenn es so wäre.

JOURNALIST: Das weiß ich doch! Deshalb habe ich mich auch entschlossen, Ihnen in diesem Fall ausnahmsweise zuzusichern, dass ich Ihre Mitteilungen streng vertraulich behandeln werde.

NEBGEN: Nein, nein, Sie haben da mit der Verschwiegenheit etwas grundlegend missverstanden, glaube ich. ICH bin zur Verschwiegenheit verpflichtet und darf nicht mit IHNEN reden.

JOURNALIST: Aber doch nicht, wenn Ihr Mandant Ihnen das erlauben würde!

NEBGEN: Wenn das denn mein Mandant sein sollte.

JOURNALIST: Fragen Sie ihn doch mal.

NEBGEN: Wenn es mein Mandant sein sollte, werde ich ihn vielleicht fragen.

JOURNALIST: Rufen Sie mich dann bitte zurück.

Gespräch Ende.

Auf Nimmerwiederhören.


Freitag, 22. November 2013

Der Anruf der Woche


... kommt von einem erwachsenen Mandanten, mir von Person bekannt, der sein Problem wie folgt schildert:

"Meine Mutter gibt mir kein Geld. Und zum Amt kann ich nicht gehen, wegen des Haftbefehls."

Nun; da scheint mir ein etwas komplizierteres Problem dahinter zu stecken. Da wäre eine persönliche Erörterung der Hintergründe wohl zwingend notwendig. Ja, das kostet Geld. Gut, dann eben nicht.

Auf Wiederhören.

Unsinn und Fahrverbot


Nun schlägt es aber dreizehn! Da will die potentielle neue Regierungskoalition doch glatt das Fahrverbot ernsthaft als Strafe im Gesetz etablieren. Bisher ist das Fahrverbot eine so genannte "Nebenstrafe", kann also nur neben einer Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt werden, was selten geschieht. Das ist wiederum bitte nicht zu verwechseln mit dem verwaltungsrechtlichen Fahrverbot, dass Bußgeldbehörden für bestimmte Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr verhängen können. Letzteres kommt häufig vor.

Wenn es also nach der Arbeitsgruppe "Inneres und Justiz" von CDU und SPD ginge, gäbe es demnächst neben Geldstrafe und Freiheitsstrafe das Fahrverbot als weitere Strafalternative. Aber es regt sich Widerstand.

Der Richterbund - sonst eher kein Hort der Revolution - kritisiert diesen Plan, angeblich sogar scharf. Sein Vorsitzender meldet sich zu Wort, erstaunlicherweise mit einem Hinweis auf den Gleichstellungsgrundsatz:

"Wenn ein Dieb das Glück hat, eine Fahrerlaubnis zu besitzen, muss er wegen seiner Straftat einen Monat lang sein Auto stehen lassen. Einer, der keinen Führerschein hat, hat diese Chance nicht." 

Das ist, gelinde gesagt, eine skurrile Ansicht. Denn dasselbe ließe sich ja durchaus auch für Geldstrafen sagen. Wenn ein Dieb das Glück hat, Geld zu haben, muss er eine Geldstrafe zahlen. Einer, der kein Geld hat, hat diese Chance nicht. Das ist übrigens sogar im Gesetz geregelt und heißt Ersatzfreiheitsstrafe. Merkwürdigerweise hat das bisher kein Richter für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gehalten, vielleicht auch deshalb, weil es Unsinn ist.

Aber warum wird dieser Unsinn jetzt auf einmal beim Fahrverbot salonfähig?


Mittwoch, 20. November 2013

Bedauerliches deutsches Recht


Was für eine Geschichte: In München sitzt ein alter Mann in einer Etagenwohnung und hortet Kunstwerke. Weil diese Kunstwerke irgendwie sein ganzes Leben schon da waren, hat der Mann eine sehr enge Bindung zu ihnen aufgebaut, wohl auch, weil Bindungen zu Menschen nie so sein Ding zu waren. Nun sind die Kunstwerke weg; die Staatsanwaltschaft hat sie mitgenommen.

Die Hintergründe dieser Geschichte sind für viele Seiten ein Skandal, wenn auch aus vielen verschiedenen Gründen. Denn der alte Mann hatte die Kunstwerke nicht originär erworben, sondern von seinem Vater "geerbt". Wir setzen das mal vorsichtshalber in Anführungszeichen. Der Vater war Kunsthändler im "Dritten Reich" und von den Nazis damit beauftragt, "Entartete Kunst" ins Ausland zu verschachern. Die gleichnamige Insel in der Hamburger Außenalster ist übrigens nicht nach ihm benannt, sondern nach einem Namensvetter, der Philologe war.

Nun streiten sich die Gelehrten und andere, wem die Bilder wohl gehören könnten und wo sie hingehören. Der arme alte Mann möchte sie wiederhaben. Es seien schließlich seine. Das ist ein Skandal. Schließlich wurden die Bilder von den Nazis geraubt. Wurden sie? Selbst wenn, sagt ein Münchner Jurist, wären Ansprüche jedenfalls verjährt. "Nach bedauerlichem deutschen Recht", fügt er hinzu. Das ist ein Skandal. Das deutsche Recht ist nicht bedauerlich. Aber seit wann kann Eigentum verjähren? Da fallen auch so exotische Begriffe wie Ersitzung - etwas das jeder Jurist kennt, aber noch keiner je in natura erlebt hat. Kann man Kunstwerke ersitzen?

Das soll jetzt eine Kommission klären, vom Ausland argwöhnisch beäugt. Da wird man akribisch die Herkunft jedes einzelnen Bildes verfolgen müssen. Und wenn dabei nichts herauskäme? Das wäre ein Skandal. Denn gibt es nicht im bedauerlichen deutschen Recht so etwas wie eine Eigentumsvermutung des letzten Besitzers.

Da sind wir wieder beim armen alten Mann aus der Münchner Etagenwohnung. Dem will die Staatsanwaltschaft inzwischen die ersten Bilder wieder zurückgeben. Es ist ein Skandal.


Dienstag, 19. November 2013

Das Paradox der Werbung


Früher haben Rechtsanwälte nicht geworben. Sie durften es nicht, es war ihnen standesrechtlich untersagt. Und überhaupt, man tat das nicht. Werben war eines Rechtsanwaltes unwürdig. Das war eine schöne Einstellung; man hätte es dabei belassen sollen.

Dann aber erklärte das Bundesverfassungsgericht 1987 die Standesrichtlinien für verfassungswidrig. Rechtsanwälte gelten seither als Dienstleister und durften fortan auch werben, zumindest ein bisschen.Wobei man seither streitet, wo dieses "bisschen" aufhört.

Es war aber eigentlich relativ schnell abzusehen, dass es rechtlich anspruchsvoll sein würde, anwaltlichen Dienstleistern das Werben überhaupt zu verbieten. Faktisch dürfte in den Grenzen der allgemeinen Gesetze keine Einschränkung anwaltlicher Werbung mehr geben, weil man eine solche Einschränkung rechtlich einfach nicht begründen kann. Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine, sie ist mittlerweile herrschende Meinung. Wenn auch längst nicht alle Rechtsanwaltskammern das einsehen.

Rechtsanwälte dürfen also werben, und das tun sie genauso gut (selten) oder schlecht (häufig) wie andere Dienstleister auch. Wobei der Fachmann noch zwischen Werbung (draußen auf dem Plakat) und Marketing (draußen in der Welt) unterscheidet, aber diese feinsinnige Unterscheidung lassen wir hier mal unberücksichtigt.

Zur Qualität einer Werbung gilt allgemein das, das eine Kunsthändlerin mir letztens vor einem ausgesprochen hässlichen Gemälde stehend sagte: "Das ist Geschmackssache". Man mag z.B. Paragraphenzeichen abgedroschen und klischeehaft finden - ich finde das übrigens auch - aber eins muss man ihnen lassen: Sie erfüllen einen gewissen Zweck. Das gleiche gilt für eindrucksvolle Hausfassaden, auch wenn man in Wirklichkeit gar nicht dahinter sitzt.

Ob man potentielle Mandanten tatsächlich etwas vorgaukeln möchte, muss letztlich jeder selbst wissen, aber ich ahne: Es hat einen gewissen Erfolg, sonst täten es nicht so viele.

Schlimm wird es erst, wenn das Klischee beim Mandanten zur Erwartung wird: Wenn der Mandant beim Richter den hölzernen Hammer vermisst und jeden Rechtsanwalt wahlweise für unanständig reich, kriminell oder abgehoben - gerne auch alles drei zusammen - hält. Diesen Erwartungshaltungen sollte man nach Kräften entgegenwirken, aber sie haben immer eine Ursache. Beim hölzernen Hammer liegt diese Ursache in zu vielen US-TV-Serien, bei den Klischees über Rechtsanwälte liegt sie zumindest teilweise in den Rechtsanwälten selbst.

Davon sollte man sich abheben. Das tut man am besten durch Marketing.



Donnerstag, 14. November 2013

Prominentengewimmer


All überall in der Presse kann man sie wimmern hören derzeit: Den Ex-Bundespräsidenten, der sich so gerne einladen ließ und den Bayern-Präsidenten, der nachts gerne unversteuert Millionen verzockte. Alle jammern sie über etwas, das für andere ganz normal ist: Sie müssen vor Gericht.

"Ist dieser Prozess wirklich nötig?" titelt die BILD, das Zentralorgan der falschen Meinung, dieses Mal mit einer falschen Frage. Die Frage ist nämlich längst beantwortet, und zwar vom Ex-Bundespräsidenten selbst. Denn der hat das Angebot einer Einstellung gegen vergleichsweise moderate EUR 20.000,00 abgelehnt, weil er lieber eine Hauptverhandlung haben wollte. Bitte schön. Hätte er die EUR 20.000,00 gezahlt, wären ihm immer noch EUR 197.000,00 Ehrensold im Jahr geblieben, zuzüglich sonstiger Einkünfte. Hier ist Wimmern also wirklich fehl am Platze.

Und der Uli? Der hat dem Vernehmen nach Steuern in Millionenhöhe hinterzogen. Angesichts des Umstandes, dass tagtäglich Tausende Menschen für wesentlich weniger vor Gericht stehen, verbietet sich Wimmern auch hier. Der Rest ist Rechtsfrage, und zu deren Beantwortung erhofft sich Uli Hoeness - zu Recht - einen fairen Prozess.

Warum aber verhilft die deutsche Presse den Krokodilstränen der Präsidenten zu einer derartigen Öffentlichkeit? Und warum tut sie es so verlogen? Offenbar sitzt tief drin im Deutschen Journalistenhirn immer noch die Vorstellung vom unrasierten Verbrecher der Sorte Panzerknacker.

Straftäter - das sind immer die anderen.


Freitag, 8. November 2013

Der eigentliche Antrag ist die Beschwerde


Mitte des Jahres 2011 habe ich einmal an einer Berufungsverhandlung in Strafsachen vor dem Landgericht München teilgenommen. Das Urteil war verheerend, die Revision erfolgreich. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nach Zurückverweisung der Sache an das Landgericht habe ich beantragt, meine Kosten als Pflichtverteidiger festzusetzen. Etwa zwei Jahre nach meiner Beauftragung sei das nicht zu früh, dachte ich. Den Festsetzungantrag stellt man sinnigerweise bei der Eingangsinstanz, dem Amtsgericht. Von dort war ein Dreivierteljahr lang nichts zu hören.

Auf mein mahnendes Schreiben aus dem Juli bekam ich dann wenig später eine Antwort des Landgerichts. Das Amtsgericht habe mein mahnendes Schreiben dorthin weitergeleitet. Für die Kostenfestsetzung sei man aber nicht zuständig, sondern das Amtsgericht. Deshalb hatte ich meinen Antrag ja auch nicht beim Landgericht, sondern beim zuständigen Amtsgericht gestellt. Warum hatte man dort also nicht einfach meinen Antrag beschieden?

Auch darauf findet sich eine Antwort im Schreiben des Landgerichts: Eine Übersendung der Akte vor Abschluss des Verfahrens sei nicht möglich. Kein Problem, dachte ich, ich bin ja ein serviceorientierter Betrieb. Also habe ich schnell die für die Kostenfestsetzung wesentlichen Bestandteile der Akte dorthin gefaxt. Wieder monatelang keine Reaktion.

Was also braucht ein Gericht noch, um auf Antrag auch tätig zu werden? Feuer, Pfeife, Stanwell? Maoam?

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Besser: zwei - eine zum Amtsgericht, weil die meinen Antrag nicht bescheiden, und eine zum Landgericht, weil die die Akte nicht übersenden wollen. Und siehe da: Schon eine Woche später meldet sich eine Vorsitzende Richterin am Landgericht und bietet Vermittlung zur Bearbeitung meines Antrags gegen Rücknahme der Dienstaufsichtsbeschwerde an. Eine Woche später ist das Geld da.

So einfach geht das! Man muss nur wissen, welche Sprache Gerichte sprechen.


Dienstag, 5. November 2013

Vier für Honess


Uli Hoeness muss vor Gericht! Also so richtig, so mit öffentlicher mündlicher Hauptverhandlung. Was sagt man dazu? Geil, sagen die einen. Nicht so geil, sagen die anderen, z. B. die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrates des FC Bayern München. Noch andere ziehen Parallelen zwischen diesem Verfahren bzw. dem gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und vergleichen die Anzahl der angesetzten Verhandlungstage mit dem Gegenwert der inkriminierten Summen.

Jeder argumentiert offenbar so, wie sein politisches Umfeld es gerade erfordert. Richtig ist: Das Landgericht München I hat die Anklage gegen Uli Hoeness zugelassen. Es sieht also einen hinreichenden Tatverdacht. Dann dürfte es seine Selbstanzeige zumindest möglicherweise für unwirksam halten. Wir werden sehen. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Sich darüber zu wundern, wäre seinerseits verwunderlich.

Richtig ist aber auch: Solange Uli Hoeness nicht rechtskräftig verurteilt ist, gibt es für den Aufsichtsrat des FC Bayern München keinen Handlungsbedarf. Wie beunruhigt man dort gewesen sein dürfte, sieht man daran, dass man es sogar für nötig hielt, ein Rechtsgutachten über die eigenen Handlungspflichten einzuholen. Die Abendzeitung kennt es augenscheinlich. Ein Gesellschaftsrechtsprofessor (Gerd Krieger) und ein angesehener Wirtschaftsstrafverteidiger (Sven Thomas) kamen zu dem Ergebnis, dass es im Ermessen des Aufsichtsrats liege, Uli Hoeness im Amt zu halten. Das dürfte juristisch zutreffend sein.

Die Kritik am Aufsichtsrat geht damit zunächst einmal ins Leere. Aber warten wir mal ab, wie der Prozess verläuft. Vielleicht werden es ja mehr als die angesetzten vier Verhandlungstage. Oder weniger.

Montag, 4. November 2013

Jurist oder Seeräuber


Liest man in der Presse, hat man oft genug den Eindruck, dass der durchschnittliche Journalist sich bewusst von jeglichem Rechtswissen fernhält. Gisela Friedrichsen darf immer noch mit einigem Recht von sich behaupten, die einzige Gerichtsreporterin zu sein, die den Unterschied zwischen Berufung und Revision kenne.

Dafür wird nicht nur in der Boulevardpresse immer wieder gerne auf Juristen - insbesondere wiederum auf den Rechtsanwälten - herumgehackt. Wenn man schon nicht versteht, was die eigentlich tun, kann man immer noch über sie lästern. Jochen Leffers vom Spiegel Online scheint sich sogar ganz und gar dem Juristenhass verschrieben zu haben. Aber wer noch ein bösartiges Zitat über Juristen sucht, der wird bei ihm immer fündig.

Gut gefallen hat mir z. B. das folgende Zitat von Alfred Nobel, dem Erfinder des Dynamits:

"Die beste Entschuldigung für Prostituierte ist, dass Frau Justitia eine der ihren ist."

 Da ließe sich einiges zu sagen. Eindeutiger Sieger beim beim Juristen-bashing aber ist Lord Byron:

"Sollte ich einmal einen Sohn haben, soll er etwas Prosaisches werden: Jurist oder Seeräuber."

Derzeit entscheiden sich wieder mehr Menschen für Seeräuber.


Montag, 21. Oktober 2013

Phantomtor


Ein Phantomtor ist ein Tor, das keines war. Wir reden von Fußball. Der Prototyp des Phantomtores fiel 1994 im Spiel des 1. FC Nürnberg gegen Bayern München. Ein zuletzt von Thomas Helmer berührter Ball rollte unbehelligt am Tor vorbei; der Schiedsrichter gab Tor, weil der Linienrichter Tor anzeigte. Warum der Linienrichter Tor anzeigte, ist allen Beteiligten bis heute ein Rätsel.

Damals wurde das Spiel wiederholt, wohl auch, weil das Spiel relativ spät in der Saison stattfand und zentrale Bedeutung für Meisterschaft und Abstieg hatte. Von dem Ergebnis waren indirekt etwa zehn andere Mannschaften positiv oder negativ betroffen. Die FIFA soll mit den Zähnen geknirscht haben, denn in Ordnung war diese Entscheidung wohl nicht.

Nun hat es mal wieder ein Phantomtor gegeben, beim Spiel der TSG Hoffenheim gegen Bayer Leverkusen. Der kicker berichtet, und sogar die LTO nimmt sich des Themas an.

Ein Kopfball war ans Hoffenheimer Außennetz gegangen und von dort ins Netz geraten; das Netz hatte nämlich genau an der Einschlagstelle ein Loch. Nun kann man sich fragen, warum die TSG Hoffenheim zwar einen Milliardär zum Präsidenten, massenhaft Geld zum Ausgeben, aber dennoch kaputte Tornetze hat und keiner das merkt. Die Frage ist berechtigt, hilft an dieser Stelle aber nicht weiter. Es war eben so. Dafür werden  die Schiedsrichter an den nächsten Spieltagen akribisch die Tornetze überprüfen, bis - im wahrsten Sinne des Wortes - Gras über die Sache gewachsen ist.

Was aber wird jetzt mit dem Spiel? Das wird gewertet werden, und das ist richtig so. Es handelt sich um eine Tatsachenentscheidung, und die ist bekanntlich unanfechtbar. Schließlich werden fast jeden Spieltag irgendwelche Tore gezählt, die eigentlich nicht hätten zählen dürfen, während andere Tore nicht anerkannt werden, obwohl sie hätten gewertet werden müssen. So ist das Spiel.

Was diesen Fall von all den anderen unterscheidet, ist allein die Kuriosität. Aber Kuriosität ist kein Regelverstoß. Eine Begründung für die Entscheidung des Sportgerichts habe ich übrigens auch schon: Hätte die TSG Hoffenheim eben besser auf ihre Tornetze aufpassen müssen. Genug Geld hat sie ja.

Montag, 19. August 2013

Verrückte Juristen


Einen schönen Beitrag  hat der Kollege Kompa hier unter dem Titel "Mimimi mit Mems" in der LTO geschrieben. Ein Satz hat mich dann aber doch aufgeschreckt.

Über das - mir bis dato noch nicht bekannte - "Star-Wars-Kid" schreibt der Kollege:
"Der ... Junge litt unter dem viralen Spott so sehr, dass er sich in psychiatrische Behandlung begab und schließlich selbst Jurist wurde."
Hierzu stelle ich fest:
  1. Nicht alle Personen, die sich in psychiatrischer Behandlung befanden, werden hinterher Jurist.
  2. Nicht alle Juristen waren vor, während oder nach ihrer Ausbildung in psychiatrischer Behandlung. 
  3. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass psychiatrische Behandlung die Berufswahl zum Juristen begünstigen würde.
Aber Verdachtsmomente existieren gleichwohl.


Donnerstag, 15. August 2013

Blöd über die Lippen gekommen


In Trier soll ein achtzigjähriger "Aushilfspriester" die Messe gut vernehmlich mit den Worten "Sieg Heil" geschlossen haben. So berichtet der Trierische Volksfreund. Ja, die Zeitung heißt wirklich so. Was ein "Aushilfspriester" ist, fragen Sie bitte eben diesen Trierischen Volksfreund, von dem ich den Begriff nämlich ungeprüft übernommen habe.

Wie wir spätestens seit Jonathan Meeses Gruß wissen, handelt es sich bei der Verwendung der zitierten Worte um eine Straftat. Nachdem es deshalb unter Besuchern der Predigt vereinzelt zu Protesten gekommen war, hat sich der Hilfsgeistliche zu dem Vorwurf sogar geäußert. Das hätte er vielleicht besser gelassen. Denn während Jonathan Meese seinen Hitlergruß durchaus kunsttheoretisch zu unterfüttern weiß, sagte der Ersatzprediger, der Gruß sei "ihm so herausgerutscht, ohne etwas dabei zu denken". Gewohnheit halt. So jemanden nannte man wohl früher Gesinnungstäter. Er sei "so begeistert gewesen bei dieser Messe", da sei ihm "diese Formulierung so blöd über die Lippen gekommen".

Das ist wirklich blöd. Wobei "Formulierung" vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist. Aber wes Herz voll Begeisterung ist, des Mund sollte man auch nicht zu ernst nehmen. Der eilig um Glättung der Wogen bemühte Bistumssprecher jedenfalls hatte gleich auch eine Entschuldigung für seinen Substituthirten parat: Der sei halt sehr alt und sein Gesundheitszustand schlecht. Auf der Liste der Einwechselpater habe er ganz hinten gestanden.

Nicht, dass der aus den hinteren Rängen nächstens auch noch den Arm in die Höhe reckt. Das wiederum darf weiterhin Jonathan Meese. Den hat das Amtsgericht Kassel gestern nämlich freigesprochen. Aber aus ganz anderen Gründen.

Mittwoch, 14. August 2013

Lohnt sich nicht


Eigentlich ist es der ganz normale Beginn eines Mandats*: Der potentielle Mandant ruft an und schildert sein Problem. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren. Also gilt es einen Besprechungstermin zu vereinbaren - dann aber wird er merkwürdig, der potentielle Mandant.

"Ob sich die Beauftragung eines Rechtsanwaltes denn für ihn lohne", möchte er wissen. Schließlich koste das ja Geld. Da scheint der gute Mann allerdings Rechtsanwälte mit Kapitalanlagen verwechselt zu haben. Kapitalanlagen werfen - wenn es gut läuft - einen Ertrag ab. Waren und Dienstleistungen hingegen sind üblicherweise gegen Entgelt zu haben. Das ist ein Unterschied, der in der sozialen Marktwirtschaft eigentlich jedermann geläufig sein sollte. Sollte man denken.

Aber der Herr insistiert weiter. Ob ich ihm denn empfehlen würde, einen Anwalt zu beauftragen. "Ja", bin ich versucht zu sagen, "das ist in jeder Lebenslage unbedingt anzuraten". Aber irgend etwas sagt mir, dass das nicht die Antwort ist, die der mittlerweile ziemlich nervige Herr Möchtegern-oder-auch-nicht-Mandant hören möchte. Ich entscheide mich daher für die hanseatisch zurückhaltende Variante: "Ob Sie einen Rechtsanwalt beauftragen, müssen Sie schon selbst entscheiden."

Dann aber wird es ganz bunt: Ich solle "doch mal so tun, als wolle ich kein Geld mit ihm verdienen", sagt er. "So brauche ich nicht zu tun, so ist es bereits", bin ich versucht zu sagen. Aber ich halte mich wiederum zurück. Mittlerweile hat der Idiot  Wohl-doch-eher-kein-Mandant begonnen, seine Lebens- und Leidensgeschichte in epischer Breite zu erzählen.

Das veranlasst mich nun meinerseits darauf hinzuweisen, dass ich ohne Mandatsverhältnis nicht geneigt sei, mir ausufernde Geschichten anzuhören. Also vereinbart er mit mir einen Gesprächstermin für den folgenden Tag, zu dem er erwartungsgemäß nicht erscheint.

Einigen Leuten geschieht es recht, wenn sie ihr Recht nicht bekommen.


*Diese Geschichte ist rein fiktiv, basiert aber auf einem realen Tatsachenkern. Schlimm genug.



Dienstag, 13. August 2013

Warum ein Chip im Ball Unsinn ist


Alle Jahre wieder, wenn mal wieder ein Ball in Wembley-Manier vor, hinter oder auf der Torlinie gelandet ist und der Schiedsrichter das nicht richtig erkannt hat, schreien Schiedsrichter, Volk und Funktionäre nach einer technischen Lösung. So geschehen zuletzt Samstag am 1. Spieltag der Fußball-Bundesliga nach dem Spiel TSG 1899 Hoffenheim - 1. FC Nürnberg. Hoffenheim hatte ein klares Tor erzielt, alle hatten es spätestens im Fernsehen gesehen, nur der Schiedsrichter im Spiel eben nicht. Hier auch im Bild schön zu sehen. Pech gehabt, aber Pech ist in einer hochtechnisierten Welt nicht mehr en vogue.

Der neueste Schrei ist daher der so genannte "Chip im Ball". Der soll piepen, wenn der Ball hinter der Linie war. Denn "solange Menschen urteilen und kein Chip im Ball ist, können solche Fehler passieren " wird der zerknirschte Unparteiische zitiert. Trainer und Präsident des betroffenen Vereins stimmen ein. Nur einer bleibt vorerst unbeugsam: Der allmächtige Präsident der FIFA, der Herr Blatter, wehrt sich (noch) gegen derartigen technischen Kokolores.

Und da hat er Recht. Zwar beklagen die Beteiligten mit schöner Regelmäßigkeit die Notwendigkeit des technischen Gedöns', aber darüber, wie das eigentlich funktionieren soll, hat sich anscheinend noch niemals jemand Gedanken gemacht. Hier kann der Jurist weiter helfen:

Nehmen wir mal an, es gäbe einen Chip im Ball. Dann müsste immer noch jemand auf Tor entscheiden, wenn der Chip piept. Das wäre nach wie vor der Schiedsrichter. Dazu bräuchte man eine strenge Beweisregel à la Otto Rehagel: Tor ist, wenn der Chip piept. Der Schiedsrichter müsste dann nach dem Reglement gezwungen sein, auf Tor zu erkennen.

Bliebe dem Schiedsrichter gleichwohl ein Entscheidungsspielraum, könnte man sich den Chip nämlich sparen.Wie heißt es oben im Zitat: Solange Menschen urteilen..., können solche Fehler passieren. Hätte der Schiedsrichter hier eine Wahl, gäbe es dieselben Diskussionen wie jetzt, nur auf einer abgeleiteten Ebene: Die Spieler würden dann nicht mehr darüber diskutieren, ob der Ball im Tor war, sondern darüber, ob der Schiedsrichter dem Chip glauben soll oder nicht. Das würde die Situation nicht verbessern, sondern eher verkomplizieren, wäre also sinnlos. Erforderlich wäre also das, was der Jurist eine gebundene Entscheidung nennt, im Gegensatz zur Ermessensentscheidung.

Wenn man einmal soweit gedacht hat, sollte es leicht fallen, worauf alles hinausläuft: Irgendwann wird ein Chip piepen, obwohl der Ball nicht im Tor war. Alle werden es gesehen haben, und der Schiedsrichter wird trotzdem auf Tor entscheiden müssen, denn so wird die Regel sein. Und spätestens dann sollte auch dem Dümmsten auffallen, dass man heimlich, still und leise den Sinn des Spiels pervertiert hat: Dessen Sinn wäre dann nämlich nicht mehr, ein Tor zu erzielen, sondern einen Chip zum Piepen zu bringen.

Von den sagenhaften Manipulationsmöglichkeiten haben wir da noch gar nicht gesprochen. Vielleicht entscheiden dann Hacker, wann Tor ist und wann nicht. Oder die NSA.

Und deshalb hat Sepp Blatter Recht, und alle anderen haben Unrecht: Der Chip im Ball wäre der Tod des Fußballs. Lasst das bleiben!






Freitag, 9. August 2013

Gustl Mollaths Pflanze


Wenn künftig ein Symbol gesucht werden wird für die Anfälligkeit des Rechtsstaates, für die Fehlbarkeit der Justiz, für die Selbstverliebtheit deutscher Richter, dann wird dieses Bild vor den Augen der Menschen auftauchen: Ein Gesicht, dass nach sieben Jahren in der Unterbringung hinter grünem Blattwerk verschwindet.

Wer immer die Idee gehabt haben mag, Gustl Mollath auf seinem Weg in die Freiheit einen Kübel mit einer - oder mehreren - frischen Grünpflanzen in die Hand zu drücken, ist ein Genie der Symbolik. Dieses Bild wird auf immer mit der Niederlage der Justiz verbunden bleiben.

Grund genug, es in den Mittelpunkt des Freitagsgedichts zu stellen, das wir hier von heute an immer Freitags posten wollen. Hier ist also die Premiere, bitteschön:

Gustl Mollaths Pflanze

Da kommt er raus,
da trägt er mich
das in dem Topf drin,
das bin ich!

In jeder Zeitung seht ihr mich
ich bin doch hier der Star
das Grüne in dem Topf bin ich
der jahrelang gefangen war.

Wenn es auch manchmal trostlos war,
Ich hab nie aufgegeben
mir war von Anfang an ganz klar
hier draußen ist mein Leben.

Jetzt steh'n wir hier vorm Anstaltstor
die Flucht ist uns geglückt
erregt streck ich mein Blattwerk vor,
Ich glaub ich werd' verrückt.





Dienstag, 6. August 2013

Der SWR erklärt den Rechtsstaat


In Koblenz wurde eine Frau wegen Doppelmordes an ihren Schwiegereltern zu lebenslanger Haft verurteilt. Einzelheiten aus dem Verfahren waren mir bisher noch nicht bekannt, die Kollegin Rüber wies aber dankenswerterweise auf einen aufschlussreichen Beitrag aus der SWR-Landesschau hin. Den sollte man sich aus pädagogischen Gründen nicht entgehen lassen.

Dort kann man nämlich so ziemlich alle Fehlvorstellungen beobachten, die man über Strafrecht und Gerechtigkeit so haben kann. Es wäre lehrreich, wenn nicht der Grusel so dermaßen überwiegen würde.

Wir sehen eingangs des Berichts eine "Prozessbeobachterin", die eine "besondere Beziehung" zu den Opfern hatte. Sie hat nämlich in deren Laden  immer Tomaten oder Schafskäse gekauft. Deshalb war sie bei jedem Prozesstag zugegen und will natürlich unbedingt dabei sein, wenn das Urteil gesprochen wird. Sie hat extra ihren Klappstuhl mitgebracht.

Eine Meinung hat sie sich natürlich auch gebildet, oder besser: ein Gefühl entwickelt, dem sie jetzt augenscheinlich komplett unreflektiert folgt. Im O-Ton heißt das:

 "Das berührt mich. Ich möchte, was ich empfinde, ja auch bestätigt haben."

In einem Rechtsstaat wäre mir vor der Verhängung der Höchststrafe etwas weniger Gefühl und etwas mehr Rechtsstaatlichkeit zwar ganz lieb, aber das war ja auch erst die Stimme des Volkes. Im Anschluss kommt die Staatsanwaltschaft zu Wort und es wird leider nicht besser.

Die Staatsanwaltschaft hat nämlich nur "Indizien", versucht aber laut SWR "trotzdem zu beweisen, was ...passiert ist". Mehr Irrsinn passt kaum in einen einzelnen Satz. Zunächst ist da wieder die beliebte Unterscheidung in Indiz und Beweis. Beweis und Indiz sollen ja angeblich unterschiedliche Dinge sein, aber wenn dem so wäre, wie wollte man dann mit "Indizien" etwas "beweisen"? Das ginge ja dann schon systematisch gar nicht. Ist aber auch nicht so, ist bloß dummes Journalistengeschwätz.

Lange habe man daher - jawohl - "im Dunkeln getappt", dann aber habe die Staatsanwaltschaft ein Motiv gefunden: Die Angeklagte hätte die Opfer - ihre Schwiegereltern -  "nicht leiden können". Geschafft! Ein starkes Indiz für ein Tötungsdelikt! Oder gar der Beweis? Schließlich hättedie Angeklagte auch noch etwas erben können. Das mag ein mögliches Motiv sein - wenn auch ein schwaches - wo aber bleiben denn jetzt die angekündigten Indizien Beweise? Der Bericht verrät es uns: "Schlagkräftige Beweise gibt es nicht." Die böse Angeklagte und ihre bösen Angehörigen schweigen nämlich unerhörterweise.


Aber dann kommt in weißer Rüstung eine Staatsanwältin zu Wort, und jetzt weicht das Befremden endgültig dem blanken Horror:

"Wir hatten eben wenig anfänglich und daher ja auch die lange Zeit der Ermittlungen, wo gesammelt werden musste".

Was man da gesammelt oder gar gefunden hat, verrät uns die Staatsanwältin nicht. Allerdings vermittelt die Formulierung nicht gerade den Eindruck, als habe man objektiv ermittelt, sondern vielmehr, als habe man alles zusammengetragen, was man gemeint hat, irgendwie gegen die Angeklagte verwenden zu können. Wäre es so, wäre es skandalös. Und offenbar handelt es sich nicht nur eine ungeschickte Formulierung der Staatsanwältin, sonst hätte die Staatsanwaltschaft das Interview in dieser Form wohl kaum freigegeben. Das wäre für einen guten Journalisten Anlass für mindestens ein Dutzend sehr kritischer Fragen gewesen, nicht so für den SWR.

Dort kommt stattdessen wieder die Schäfskäsekäuferin vom Anfang zu Wort. Sie ist mit dem Urteil zufrieden.




Montag, 5. August 2013

Gemeinsam erfolgreich


Jetzt ist ja bald wieder Wahl. Der Zeitraum vor der Wahl dient ja bekanntlich dazu, der Deutsch sprechenden Bevölkerung seine neuesten vollständig inhaltsfreien Slogans zu präsentieren. Sozusagen die Fortsetzung zum Sport1-Bundesliga-Talk, nur ganz ohne Phrasenschwein.

"Eine gute Basis ist die beste Grundlage für ein tragendes Fundament", so etwas in der Art. Da nickt der überforderte Stammtisch und der letzte denkende Wähler beißt verzweifelt in die Tischplatte.

Wenn einem als Partei gar kein hohler Spruch mehr einfällt - auch das gibt es - kann man sich immer noch woanders einen klauen. So wirbt die CDU dieses Jahr mit dem bahnbrechenden Null-Aussage-Credo "gemeinsam erfolgreich", die aber vor ihr schon lange ein Zeitarbeitsunternehmen genutzt hat.

Vielleicht hat die CDU aber auch gar nicht geklaut, sondern es haben einfach zwei Hohlköpfe auf derselben Wellenlinie gefunkt.


Freitag, 2. August 2013

Das allerallerletzte Wort


Vor dem Gericht hat jeder Angeklagte das letzte Wort. Das allerletzte Wort hat dann allerdings wieder der Richter, mit dem Urteil.

Wenn dem Angeklagten das Urteil nicht gefällt, hat er selbstverständlich im Rahmen der allgemeinen Gesetze die Möglichkeit, sich anschließend nochmals an das Volk zu wenden, in dessen Namen er verurteilt wurde. Für solche Mandanten habe ich da eine kleine Rede vorbereitet:

"Ich muss sagen, wir leben wirklich in einem Land, in dem die Mehrheit der Verbrechen nicht einmal verfolgt wird, ein Land, das nicht gerecht ist, vor allem zu seinen ehrlichen Bürgern und zu Menschen wie mir, die ihre Pflicht immer erfüllt haben, bei der Arbeit und im Puff öffentlichen Leben. (...) Für all das, für all meinen Einsatz, den ich fast zwanzig Jahre für dieses Land erbracht habe, am Ende dieser Karriere, bekomme ich als Belohnung Beschuldigungen und ein Urteil, das jeder Grundlage entbehrt und das mir meine persönliche Freiheit nimmt und meine politischen Rechte."

An dieser Stelle möchte ich abbrechen und jeden Leser auffordern, den Text nach eigenem Gutdünken auszuschmücken und zu vollenden. Einfache Menschen können ihre Ansprache dann über youtube versenden, etwas betuchtere, die z. B. einen oder mehrere Fernsehsender besitzen, können die Ansprache auch im Fernsehen senden.

Inhaltlich musste ich mich aufgrund eigener Phantasielosigkeit natürlich an einem berühmen Vorbild orientieren. Vielleicht wollen auch Sie sich von einem wahren Meister seines Fachs weitere Anregungen holen - dann finden Sie diese hier.

Aber passen Sie immer schön auf, dass Ihre Botox-Maske nicht verrutscht und lachen Sie auf keinen Fall beim Reden.


Donnerstag, 1. August 2013

Woran man Betrüger erkennt


Selten genug, dass es im Fernsehen wirklich relevante Informationen gibt. Vorgestern war es wieder soweit. Bei Sandra Maischberger herrschte offenbar noch Sommerloch und man widmete sich der eher allgemeinen Frage: "Betrüger, Hochstapler, Heiratsschwindler" mit dem in Frageform gepressten Statement im Untertitel: "Wie leicht wird man Opfer"? Das geht uns alle an. Opfer sind schließlich modern.

Zu Gast war neben meinem Lieblingsbetrüger Gerd Postel ("Dr. Dr. med. Clemens Bartholdy") - dem Postboten, der auf eigene Empfehlung Oberarzt einer ostdeutschen Psychiatrie wurde - auch mein Lieblingsgutachter Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber. Beide lieferten sich eine sehenswerte Fachdiskussion, die sie offenbar auch schon längere Zeit via e-mail austragen.

Ebenfalls nicht verpassen durfte man den Live-Mitschnitt eines Vortrages des ehemaligen BGH-Vorsitzenden Armin Nack, der dem Postboten-Oberarzt Gert Postel vor studentischem Publikum bestätigte, bessere Gutachten gemacht zu haben als die meisten Psychiater. Das war Psychiatrie-bashing vom Feinsten.

Als etwas störend empfunden habe ich allerdings - neben der völlig indisponierten Gastgeberin - einen Herrn vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, der in der Runde erstaunlicherweise so etwas wie den juristischen Sachverständigen für Betrugsdelikte spielen durfte. Das tat er schlechter als jeder Betrüger es je hätte tun können. Da fehlte es augenscheinlich noch an Expertise.

Dann aber wurde der Herr Kriminalbeamte gefragt, woran man den Betrüger erkenne und seine Antwort dürfte in nächster Zeit für schlechte Stimmung zwischen Rechtsanwälten und Mandanten führen. Er sagte nämlich, Betrüger erkenne man unter anderem daran, dass sie Vorkasse verlangen würden.

Montag, 29. Juli 2013

Solche Leute zu verteidigen gehört sich nicht


Wie der Presse zu entnehmen ist, verlässt die Rechtsanwältin Anja Sturm "ihre" Kanzlei in Berlin. Zwar "verliert" sie nicht ihren Job, wie die WELT schreibt, immerhin aber wechselt sie die Stadt. Das ist bitter.

Hintergrund ist augenscheinlich der Umstand, dass Anja Sturm eine der Verteidigerinnen der Hauptangeklagten im NSU-Prozess ist. Damit war Kollegin Sturm zuvor auch schon bei der Vereinigung Berliner Strafverteidiger angeeckt, bei der sie erfolglos für den Vorstand kandidiert hatte. Man habe ihr zu verstehen gegeben, es "gehöre sich nicht, Neonazis zu verteidigen". Rechtsanwälte, die sich derart äußern, haben ihren Beruf nicht verstanden; das wird man leider sagen müssen. Näher muss man darauf wohl nicht eingehen. Rechtsstaat und so.

Deutlich komplizierter liegt die Situation allerdings bei der Bürogemeinschaft, aus der Kollegin Sturm jetzt ausscheidet. Man wird den Kollegen unterstellen dürfen, dass sie sich mit der Problematik etwas intensiver auseinandergesetzt haben. Hier geht es nicht um Moral, sondern (auch) um wirtschaftliche Gesichtspunkte.

Eine Rechtsanwaltskanzlei lebt von ihren Mandanten, und bei vielen Mandanten dürfte das Rechtsstaatsverständnis noch weit weniger ausgeprägt sein als bei den Berliner Verteidigern, von denen oben die Rede war. Die Ex-Kanzlei der Kollegin Sturm lebt offenbar von vielen Mandanten, die sich nicht damit anfreunden können, dass eine "Ihrer" Anwälte auch Nazis verteidigt. Den Impuls bei diesen Menschen kann ich verstehen, mehr aber auch nicht. Man sollte ihnen den Rechtsstaat erklären. Aber ist das die Aufgabe ihrer Rechtsanwälte?

Kann ich am Ende von einer Kanzlei erwarten, dass sie auf einen Großteil ihrer Einnahmen verzichtet, nur um nicht vor der Borniertheit ihrer Mandanten zu kapitulieren? Das ist eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.



Freitag, 26. Juli 2013

Es wird richtiger, wenn es schrumpft


Es gibt richtige Urteile und es gibt Urteile, über die man sich mit guten Gründen streiten kann. Leider gibt es aber auch Urteile, die sind einfach nur falsch.

Von einem solchen Urteil berichtet - offenbar ohne es zu merken - der Kollege Lampmann. Da hat das Berliner Kammergericht über die beliebte Angabe auf den Briefbögen schlechter Rechtsanwälte geurteilt: Es wäre nicht irreführend, wenn auf dem Briefkopf stünde: "Zugelassen bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten". Das sei keine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit, soweit die Angabe nicht besonders hervorgehoben werde.

Ob etwas eine Selbstverständlichkeit ist, soll danach also von der Schriftgröße abhängen. Das ist konfuser Unsinn. Eine Angabe ändert ihren Inhalt nicht dadurch, wie groß man schreibt. Nichts wird richtiger, wenn es schrumpft. Es ändert dadurch höchstens seine Form. Dass erfahrene Richter so etwas in ein Urteil schreiben, ist schon erschütternd genug, dass Kollegen es auch noch gut finden - sorry, Kollege Lampmann - verursacht  bei mir nur noch Kopfschütteln.

Das Erstaunlichste aber ist, dass das Kammergericht in seinem Urteil ausdrücklich davon ausgeht, dass es sich bei dem streitigen Zusatz "zugelassen bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten" um eine "objektiv richtige Angabe" handelte. Das ist nämlich - unabhängig von der Schriftfette - keinesfalls selbstverständlich, sondern offensichtlich falsch.

Gemäß § 12 Bundesrechtsanwaltsordnung ist der Rechtsanwalt nur bei einer einzigen Stelle zugelassen, nämlich bei der für seinen Bezirk zuständigen Rechtsanwaltskammer. Man fragt sich, wovor sich der rechtssuchende Mandant da eigentlich mehr gruseln soll - vor Rechtsanwälten, die nicht einmal wissen, wo sie zugelassen sind, oder vor Gerichten, die die Gesetzeslage nicht kennen?

Donnerstag, 25. Juli 2013

Braun steht ihr nicht


Manch einer zieht sich einfach falsch an und versaut sich damit vielleicht sein ganzes Leben. Einmal nicht in Anzug und Krawatte beim Vorstellungsgespräch gewesen und: abgelehnt. Einmal in weißen Socken beim Date und: sie hat nie wieder angerufen.

Kleider machen Leute, dass wusste schon Gottfried Keller, jetzt weiß es auch die BILD-Zeitung. Und wen hat sie gefragt? Natürlich nicht Gottfried Keller - der ist ja schon lange tot - sondern eine echte Instanz in Sachen Mode: Beate Zschäpe. Die hatte immerhin an fast jedem Prozesstag etwas anderes Schickes an. BILD zitiert sie zu ihrem Leben vor der Prominenz in diesem aufsehenerregenden Beitrag mit den Worten:

"Allein durch meinen Bekleidungsstil lag mein Selbstbewusstsein in Bodennähe."

Jetzt hingegen hat sie in ihrer Zelle einen Schrank, der sogar mehrere Fächer hat! Das hat die BILD beim Direktor der JVA extra erfragt.

So geht investigativer Journalismus! Knallhart am Thema! Dranbleiben! Kisch wäre stolz gewesen.

Aber der ist auch schon tot.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Naiv und verlogen


Stellen wir uns einmal vor, Sie wären Drogenhändler. Wenn jetzt die so genannten Ermittlungsbehörden einen so genannten Tatverdacht gegen Sie hätten und den für dringend hielten, dann würde die Staatsanwaltschaft bei Gericht wahrscheinlich eine Maßnahme nach § 100a StPO beantragen. Das Gericht würde diesem Antrag aller Wahrscheinlichkeit stattgeben, und damit dürften die Staatsanwaltschaft und ihre kleinen Helfer von der Polizei dann Ihre gesamt Telekommunikation überwachen.

Das gleiche ginge übrigens auch dann, wenn Sie nicht des Drogenhandels, sondern eines anderen Delikts aus einer ständig länger werdenden Liste so genannter "Katalogtaten" verdächtigt wären. Der Katalog der tauglichen Taten allein aus dem Strafgesetzbuch reicht derzeit von § 100a Abs. 2 Ziffer 1.

lit. a) (Straftaten des Friedensverrates, des Hochverrates und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80 bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 94 bis 100a) 

bis zu § 100a Abs. 2 Ziffer 1

lit t) (Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334).

Unter den Ordnungsziffern 2. bis 11. folgen noch etliche weitere Straftatbestände aus Sondergesetzen. Mit jeder Gesetzesänderung wird der Katalog länger.

Jährlich werden etwa 20.000 solcher Überwachungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt. Mehr wäre kaum möglich, weil hierzu das Personal der Ermittlungsbehörden nicht ausreichte. Irgendjemand muss sich das ganze Gerede und Getexte ja auch noch anhören, durchlesen und auswerten, von übersetzen ganz zu schweigen. Viele der Gespräche werden nämlich gar nicht auf Deutsch geführt.

Irgendwelche nennenswerten Proteste der Bevölkerung gegen diese Handhabung sind mir nicht bekannt. Im Gegenteil: Jede Verschärfung der Prozessordnung wird in der Regel stürmisch begrüßt, weil man damit ja angeblich den bösen Buben besser ans Leder gehen kann.

Umso mehr verwundert es, wie die so genannte Netzgemeinde derzeit mit dem Bekanntwerden des Umstands umgeht, das amerikanische und britische Geheimdienste die gesamte Kommunikation über das Internet abhören. Sascha Lobo will angesichts der Enthüllungen eine Entwicklung der Gefühle von Erstaunen (Stufe 1) über Entsetzen, Empörung, Irritation, Ohnmacht und Wut bis hin zu Ekel (Stufe 7) durchlebt haben; Udo Vetter mokiert sich bei den Menschen über "demonstrativ zur Schau getragene Resignation" und "milden Unglauben", in der Hoffnung, der Ernst der Lage möge diese doch noch in "legitimen Protest" verwandeln.

Jetzt mal im Ernst, liebe Freunde des Internets: Habt Ihr ernsthaft geglaubt, die informationsbeschaffenden Behörden würden sich die Chance des Internets entgehen lassen? Statt vor den Risiken des Internets zu warnen,  empört Ihr euch lieber über die Geheimdienste und die Regierungen, die nur das tun, was sie immer schon getan haben. Nur, dass Euch die Geheimdienste und Regierungen dank des Internets jetzt viel effektiver ausschnüffeln können als früher.

Das werft Ihr jetzt den Geheimdiensten und Regierungen vor und regt euch über das blöde Volk auf, das sich nicht mit euch empört.

Ist das nicht ein bisschen - Verzeihung - naiv und verlogen?

Dienstag, 23. Juli 2013

Wer nichts sagt, ist schuld


Der Mandant war wohl etwas angetrunken nach Hause gekommen. Es gab Stress im Treppenhaus, im Zuge dessen kam es zu einem Gerangel mit einem Mitbewohner. Als die Polizei anrückte, lag der Mandant blutend und regungslos am Treppenabsatz, der Mitbewohner stand daneben.

Das äußere Bild hat die Staatsanwaltschaft nicht davon abgehalten, Anklage gegen meinen Mandanten zu erheben. Denn der Mitbewohner hatte ihn bei den eintreffenden Polizeibeamten kurzer Hand wegen allerlei Delikte angezeigt.

Mal wieder interessante Einblicke in die Weltanschauung von Polizeibeamten erlaubte der Termin zur mündlichen Hauptverhandlung gegen den Mandanten. Auf Nachfrage, warum man denn den offenbar verletzten und regungslos am Boden liegenden Mandanten als Täter und nicht etwa als Opfer angesehen habe, legte der Beamte seine Sichtweise dar:

Man habe den Mandanten als Täter angesehen, weil der gegenüber der Polizei keine Angaben habe machen wollen.

Auf weitere Nachfrage fügte der Beamte hinzu: Da man von der immer noch am Boden liegenden Person keine sachdienlichen Hinweise habe erhalten können, sei man von der Schilderung des anderen Beteiligten ausgegangen.

Auf die weitere Nachfrage, ob das wirklich sein Ernst sei, hat der Beamte zunächst etwas fragend geguckt und die Nachfrage dann bejaht.

Merke also: Täter ist, wer von seinem Schweigerecht Gebrauch macht.
Merke des weiteren: Wer noch steht, sagt die Wahrheit. Wer bewusstlos daneben liegt, ist schuld.



Montag, 22. Juli 2013

Ohne Akt geht nichts


Vor einiger Zeit habe ich mal einen Mandanten an einem fernen Ort verteidigt. Das örtliche Gericht hatte mich beigeordnet und so habe ich meine Gebühren gegenüber dem zuständigen Amtsgericht abgerechnet. Und - wie das bei Staatskassen leider regelmäßig erforderlich ist - nach einem halben Jahr angemahnt.

Jetzt erreicht mich ein herziges Schreiben des - unzuständigen - Landgerichts, das mir folgendes schreibt:

"Ihr Schreiben vom 04.07.2013, mit dem Sie an die Kostenfestsetzung erinnern, ging heute hier ein, weitergeleitet vom Amtsgericht. Zuständig für die Kostenfestsetzung ist das Amtsgericht, da allerdings in diesem Verfahren Berufung eingelegt wurde, befindet sich die Akte derzeit zur Entscheidung über das Rechtsmittel am Landgericht. Eine Kostenfestsetzung ohne Akte ist nicht möglich, derzeit ist es auch nicht möglich, die Akte dem Amtsgericht zur Bearbeitung zuzuleiten."

Aha. Das zuständige Amtsgericht leitet also Schreiben, die es nicht bearbeiten möchte, an ein unzuständiges Gericht weiter. Und das schreibt mir dann, dass es unzuständig sei. An eine falsche Adresse übrigens.

Das mache ich demnächst auch mal so: Ich schreibe auf lästige Mahnungen einfach:

"Tut mir leid, Ihre Rechnung habe ich leider in einem Ordner abgeheftet, der sich zurzeit in meinem Ferienhaus in Kampala befindet. Ohne Vorlage der Originalrechnung kann ich ihre Rechnung leider nicht begleichen. Voraussichtlich werde ich wegen der anhaltenden Krisensituation vor Ort erst im Jahr 2015 wieder in mein Ferienhaus reisen. Bis dahin haben Sie bitte Geduld."

Ob die Staatskasse, das Finanzamt und all die anderen Gläubiger auf dieses Schreiben hin vielleicht endlich damit aufhören werden, immerzu diese dusseligen Mahnungen zu schreiben? Ich hoffe doch.

Dienstag, 16. Juli 2013

Die Diktatur der Kunst grüßt


Jonathan Meese ist Künstler. Als Ausdruck seiner Kunst grüßt Herr Meese gerne und häufig. Und da er für die Diktatur der Kunst eintritt, grüßt er auf die ihr eigene Weise; man sieht das beispielsweise auch auf seiner Homepage.

Nun war Herr Meese vor einiger Zeit zu einem Gespräch mit dem "Spiegel" verabredet. Auch die beiden anwesenden Redakteurinnen und das Publikum hat er begrüßt, angeblich sogar mehrfach. Der Spiegel berichtet in seiner aktuellen Printausgabe, eine Vorschau mit sehenswertem Photo sieht man hier.

Das hat die Staatsanwaltschaft nicht ruhen lassen und sie hat einen Strafbefehl gegen Jonathan Meese beantragt wegen des "Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen", § 86a StGB. Das Gericht hat eine mündliche Hauptverhandlung anberaumt für übermorgen. Wahrscheinlich wollte das Gericht diesen seltsamen Menschen nur mal sehen und hat deshalb den Strafbefehl nicht erlassen.

Hätte man einfach nur das Gesetz angewendet, hätte man den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nur ablehnen dürfen, denn eine strafbare Handlung ist weit und breit nicht ersichtlich. Wie man sich denken kann, bedroht § 86a StGB nur denjenigen mit Strafe, der verfassungsfeindliche Kennzeichen ernsthaft und im eigentlichen Sinne verwendet, verbreitet oder herstellt. Im Kommentar von Thomas Fischer ist etwas gestelzt die Rede von "Handlungen, welche nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, bei objektiven Beobachtern den Eindruck einer Identifikation des Handelnden mit den Zielen der verbotenen Organisation zu erwecken".

Damit siebt die höchstrichterliche Rechtsprechung all jene Handlungen aus, die so etwas wie einen ironischen Unterton haben oder gar künstlerischen Zwecken dienen. Da können einem bei Jonathan Meese schon bestimmte Gedanken kommen, sieht man beispielsweise das Photo, auf dem er ein Plüschbambi im nicht grüßenden Arm hält. Aber mit Ironie tut sich die Justiz von jeher schwer, und Kunst duldet sie höchstens, wenn sie still und alt im Gerichtsflur hängt.

Und so eröffnet das Amtsgericht Kassel dem Künstler Jonathan Meese am Donnerstag die Möglichkeit, seine Performance an einem Ort zu veranstalten, zu dem er sonst keinen Zutritt hat: im Gerichtssaal.

Vielleicht grüßt er ja auch wieder.


Donnerstag, 11. Juli 2013

Alle hören zu, alle wissen Bescheid


Vor etlichen Jahren konnte ich einen erfahrenen Kollegen dabei beobachten, wie er etwas tat, das ich bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte: Er beauftragte einen Privatdetektiv. Anders als Dr. Renz seinen Matula, habe ich den Detektiv nie persönlich gesehen, wohl aber seine Ergebnisse. Die waren beeindruckend.

Der Detektiv konnte binnen weniger Tage den gesamten Fax- Telefon- und Mailverkehr (sowohl ein- als auch ausgehend) der Zielperson präsentieren, und das über einen praktisch beliebigen Zeitraum. Wie er das geschafft hat, wollte keiner wissen und hat ihn auch niemand gefragt. Ein Prinzip, das sich im Umgang mit vertraulichen Informationen immer wieder bewährt hat. Seither gehe ich davon aus, dass, wer wirklich will, jede erdenkliche Information über jede erdenklich Person bekommen kann.

Da ich bereits in den Achtzigern auch ein umfangreiches Werk über die US-Geheimdienste gelesen hatte (Bob Woodward, Geheimcode Veil, Reagan und die geheimen Kriege der CIA), stand für mich seit jeher fest, dass Geheimdienste jede Information sammeln, die sie irgendwie kriegen können. Dabei wird man getrost davon ausgehen können, dass die Mittel der amerikanischen Geheimdienste diejenigen eines selbständigen Privatdetektivs bei weitem übersteigen. Besonders beeindruckend fand ich damals, dass der CIA schon in den siebziger Jahren Gespräche abhören konnte, indem man mittels Peilsendern die Schwingungen von Fensterglasscheiben aufnahm und später wieder in Sprache umsetzte, die im Raum gesprochen worden war. Das dürfte lächerlich sein, im Vergleich zu dem, was heute möglich ist.

Und nun kommt die Frau Dr. Angela Merkel und behauptet, von Abhörprogrammen des US-Geheimdienstes NSA hätte sie nie etwas gewusst. Sie habe davon - ebenso wie der Innenminister - "erst durch die Medienberichterstattung erfahren". Das kann allerdings auch bedeuten, dass man von konkreten Details gar nichts wissen wollte. Das Prinzip wurde ja oben bereits im Zusammenhang mit dem Privatdetektiv erwähnt. So wird auch der berühmte Edward Snowden zitiert: "Die anderen Behörden fragen uns nicht, woher wir die Hinweise haben, und wir fragen sie nach nichts."

Das war übrigens auch bei der Stasi nicht anders. Jeder wusste, dass es sie gab und was sie tat - und stellte sich darauf ein. Gleichwohl weist die Kanzlerin den Vergleich mit der Stasi scheinbar entrüstet zurück; das wäre eine "Verharmlosung der Stasi". Hält man sich vor Augen, wie vergleichsweise mühsam die Stasi ihre vergleichsweise spärlichen Informationen über die Bürger sammeln musste, scheint mir diese Behauptung durchaus fragwürdig.

Aber vielleicht hat die Kanzlerin auch hier etwas ganz anderes gemeint: Die Stasi war schließlich böse, und die USA sind gut.

Wenn dass mal kein plumper Amerikanismus ist.



Montag, 8. Juli 2013

Umordentliche Kollegen


Kommt ein Mandant, geht ein Mandant: Das tägliche Brot des Strafverteidigers hat der Kollege Wings hier prächtig dargestellt. Und auch sein Dilemma: Sagt der Verteidiger dem inhaftierten Mandant, wie es wirklich um ihn steht, wird der das nicht hören wollen und im Zweifel einen konkurrierenden Kollegen beauftragen, der ihm ein besseres Ergebnis in Aussicht stellt. Diese Art von Kollegen wird gelegentlich auch als Knastmarder bezeichnet. Sie schleichen durch die Gänge und knabbern an Mandatsverhältnissen.

Viele Inhaftierte fallen darauf herein. Man kann ihnen das noch nicht einmal wirklich übel nehmen. Wer würde sich nicht an den Strohhalm klammern, wenn er einem angeboten wird?

Nur ist das Angebot des gemeinen Knastmarders kein Strohhalm, sondern allenfalls die Fata Morgana eines Strohhalms. Der Inhaftierte kriecht ihr auf den Leim und am Ende ist da - nichts. Das könnte wissen, wer seine Lage realistisch einschätzt, aber wer kann das schon in einer solchen Krisensituation.

Alle Verteidiger werden mit dieser menschlichen Schwäche ihrer Mandanten leben müssen; die Frage ist nur, wie der jeweilige darauf reagiert. Entweder er verhält sich ordentlich und nimmt dabei in Kauf, Haftmandate über kurz oder lang an Knastmarder zu verlieren; oder er wird selbst zum Knastmarder. Das ist wohl eine Frage für die Ethikkolumne in der Süddeutschen Zeitung. Rechtlich relevant wird es aber, wenn man einen Schritt weiter denkt.

Der gemeine Haftmandant hat nämlich kein Geld. Er ist daher in der Regel ein Fall für die so genannte Pflichtverteidigung, die notwendige Verteidigung gem. § 140 StPO. Da zahlt der Staat, zumindest zunächst. Ein Teil der Gebühren ist also gesichert. Pflichtverteidiger kann aber in der Regel nur einer sein, deshalb wird der Knastmarder nicht nur versuchen, seinen unliebsamen Kollegen aus dem Mandat zu schubsen. Er wird  auch danach trachten, dessen spärliche Staatsvergütung abzugreifen. In Hamburg tun etliche "Kollegen" das gerne unter Hinweis darauf, dies sei in Hamburg "üblich". Man lese dazu gerne nochmals diese Moritat. Die Knastmarder beantragen dann bei Gericht etwas, das sie "Umbeiordnung" nennen und wollen den Kollegen nötigen, auf seine bereits verdiente Vergütung zu verzichten. Aus welchen Rechtsgrund bleibt dabei notwendigerweise unklar, denn es gibt keinen. Das könnte bzw. müsste man auch als Richter eigentlich wissen, weil aber ein Blick in das Gesetz anstrengend ist, glauben viele Richter den Knastmardern diesen Unfug einfach.

Letztens trug mir eine Richterin doch tatsächlich ein solches Gesuch an mit dem Zusatz, die Umbeiordnung erfolge "zu den üblichen Konditionen". Auf meine schriftliche Nachfrage, welche Konditionen das wohl seien, schrieb die Richterin zurück, sie wisse das nicht, das habe der Kollege so ausgedrückt.



Freitag, 21. Juni 2013

Immer auf die Radfahrer


Wer schuldlos in einen Unfall verwickelt wird, bekommt den ihm dadurch entstandenen Schaden ersetzt. Oder vielleicht doch nicht immer? Das OLG Schleswig war in seinem Urteil vom 5. Juni 2013 - Az. 7 U 11/12 - anderer Meinung. Es hat die Klage eines Fahrradfahrers teilweise abgewiesen, obwohl dieser vollständig unverschuldet in einen Unfall verwickelt gewesen war. Die Richter waren der Auffassung, den Fahrradfahrer treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil er keinen Helm aufgehabt habe. Darüber streiten sich jetzt die Gemüter.

In der LTO diskutiert Prof. Dr. Dieter Müller darüber unter dem arg in die Irre führenden Titel "Helmpflicht durch die Hintertür". Auch einige Rechtsanwaltskollegen haben das Thema schon aufgegriffen, z. B. hier oder hier.

Ganz so einfach, wie es sich Prof. Dr. Müller in der LTO macht, ist es allerdings nicht. Der vertritt die Auffassung, nur "wer sich falsch verhält, darf belastet werden" und kommt zu dem Ergebnis, der bloße Umstand, dass "ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird" (Zitat aus dem Urteil des OLG Schleswig), dürfe nicht "in eine juristische Verpflichtung umgedeutet werden". Und das ist so leider falsch.

Die von Prof. Dr. Müller vertretene Meinung hat - aus meiner Sicht - einiges für sich, mit der Rechtsprechung der Obergerichte stimmt sie aber leider nicht überein, und das nicht erst seit dem Urteil des OLG Schleswig. Das sollte man als Laie wissen, als Fachmann hätte man es erörtern müssen. Denn die Rechtslage ist um einiges differenzierter:

Nach § 254 BGB trägt ein Mitverschulden, wer an der Entstehung eines Schadens mitwirkt. Das kann zum einen die Verursachung des Schaden betreffen, die so genannte "haftungsbegründende Kausalität". Verhalten sich beide Verkehrsteilnehmer nicht verkehrsgerecht, haben beide den Unfall mitverursacht. Das Mitverschulden erstreckt sich nicht nur auf die Verursachung, sondern auch auf die Entwicklung eines Schadens; der Jurist bezeichnet das als "haftungsausfüllende Kausalität". Wer z. B. mit seinem Gipsarm Handstand macht, trägt eine Mitverantwortung dafür, wenn der Bruch deshalb langsamer heilt.

Der Helm gehört somit eindeutig in den Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität. Es reicht daher nicht, sich darauf zurückzuziehen, dass der Fahrradfahrer am eigentlichen Unfall keine Schuld gehabt habe.

Nun gibt es unstreitig kein Gesetz, dass Fahrradfahrern vorschriebe, einen Helm zu tragen. Mit diesem Umstand als Argument möchte Prof. Müller jegliches Mitverschulden verneinen; genau darum geht es aber nicht. Denn das Urteil stellt gar nicht auf eine Verpflichtung ab, sondern darauf, dass es eine so genannte "Obliegenheit" wäre, als Fahrradfahrer einen Helm zu tragen. Deshalb ist auch das Wort "Helmpflicht" im Titel so irreführend. Niemand wird verpflichtet, einen Helm zu tragen. War aber ohne Helm einen dadurch begünstigten Schaden erleidet, hat für diesen Schaden teilweise selbst einzustehen. Das ist ein feiner Unterschied, der aber große Auswirkungen haben kann.

Eine Obliegenheit ist eine Verpflichtung gegen sich selbst: etwas, das man nicht tun muss (Pflicht), aber im eigenen Interesse tun sollte. Dass die Verletzung solcher Obliegenheiten - wie sie z. B. im Versicherungsrecht zahlreich vorkommen - ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB begründen kann, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt. Da hilft es wenig, anderer Meinung zu sein.

Es fragt sich jetzt nur noch, ob das Tragen eines Helms tatsächlich eine Obliegenheit ist. Nur darum geht es, und gerade darüber habe ich bisher kaum etwas gelesen. Dabei könnte man hier schön argumentieren, z. B. damit, dass dann auch eine entsprechende Obliegenheit ("Helmpflicht") für Autofahrer diskutiert werden müsste. Autofahrer erleiden nämlich bei Unfällen mindestens genauso häufig Kopfverletzungen wie Fahrradfahrer.



Donnerstag, 20. Juni 2013

Sperma unterm Stammtisch


Aus der beliebten Reihe "Recht, einfach gemacht" präsentiert uns heute die auf diesem Sektor bereits hoch profilierte BILD-Zeitung den Beitrag "Darum ließ der Richter den Angeklagten laufen". Der Fall ist wie für die BILD gemacht: Eine Rechtsanwältin (BILD-Jargon: "schöne Anwältin"), die nebenher anscheinend als Call Girl arbeitete, hatte sich offenbar beim Sado-Maso-Sex erhängt.

Das ist zwar ein hochgradig BILD-affiner Sachverhalt, aber eine Straftat ist nicht ohne weiteres zu erkennen. So mag sich die im Titel gestellte Frage dann auch von selbst erklären. Aber die Art und Weise, in der die BILD-Zeitung eine Tragödie präsentiert und dabei den Vorsitzenden Richter vorgeblich wörtlich zitiert - das wirft wieder einmal ein dunkles Lichte unter Deutschlands Stammtische.

Wie immer gilt: Wo die BILD wörtlich zitiert, gehe ich davon aus, dass diese Worte auch genau so gefallen sind. Falls nicht, hätte die BILD falsch zitiert, was wir ihr hier keinesfalls unterstellen möchten.

Los geht es mit dem typischen Geunke, wann immer mal in einem Gerichtssaal die Unschuldsvermutung wider Erwarten dem Verfahren Stand halten konnte: "Das Gericht ... musste den Angeklagten ... freisprechen." Statt offener Freude darüber, dass dieses Mal zumindest niemand zu Unrecht bestraft wurde, klingt hier Trauer durch. Dazu passt auch das despektierliche "laufen lassen" im Titel. Das suggeriert, Richter wären allein dazu da, Leute einzusperren. Nein, lieber Stammtisch, dazu sind Richter nicht da.

Dieser Richter allerdings scheint das von der BILD vermittelte Bedauern auch selbst gespürt zu haben, glaubt man - siehe oben - den Zitaten. So habe der Angeklagte "sehr zum Ärger des Richters" bis zum Ende geschwiegen. Einst steht mal fest: Ein Richter, der sich darüber ärgert, dass Bürger ein verfassungsmäßig verbürgtes Recht wahrnehmen, dürfte seinen Beruf verfehlt haben. Aber das war ja auch noch kein Zitat. Das kommt jetzt:

"Sie hätten uns eine Menge zum Tod von Yvonne G. sagen können", 

soll der Richter gesagt haben.

"Ob sie mit dieser Schuld leben können, müssen Sie selber wissen."

Welche Schuld mag er da gemeint haben? Die Schuld, sein Schweigerecht ausgeübt zu haben? Oder doch die Tatschuld, von der das Gericht ja gar nicht überzeugt war? (Sonst hätte es ja nicht freigesprochen - pardon: frei sprechen müssen.)

Der restliche Beitrag bleibt kryptisch: Angeblich habe das Gericht keine Zweifel gehabt, dass derjenige, dessen DNA-Spuren an der Kleidung des - ACHTUNG - Opfers gefunden worden seien, auch "die Frau an die Tür gehangen" (gemeint wohl: gehängt) habe. Und dann wird es auch orthographisch bunt: Zum Angeklagten soll der Richter gesagt haben:

"Es wahren ihre DNA-Spuren, die ... gefunden wurden."

Warlich, das ist war. Oder wahr es? Warscheinlich egal. Aber wahrum hat das Gericht dann nicht verurteilt, wenn es doch davon überzeugt wahr? Wahs verschweigt uns die BILD-Zeitung?

Ich schließe mit den Worten der BILD selbst:

"Es wird wohl für immer ungeklärt bleiben."



Mittwoch, 19. Juni 2013

Die äußerst traurige Ballade vom sehr kurzen Mandat


Ein zurückhaltend eingerichtetes Anwaltsbüro. Es ist nachmittag. Der Rechtsanwalt empfängt in seinem Besprechungszimmer einen Mandanten.

Mandant (nach Luft ringend): "Herr Rechtsanwalt, Sie müssen mir unbedingt helfen! Es ist dringend! Die Pölzers* haben meinen Hunk* gestohlen und mich bei den Dreeßens* verleugnet. Jetzt habe ich eine Vorladung von der Polizei erhalten, weil ich angeblich eine Erpressung begangen haben soll! Das stimmt doch alles gar nicht, die lügen doch alle! Außerdem brauche ich meinen Hunk* sofort zurück, und zwar noch heute! Und ich will Strafanzeige gegen die erstatten! Das sind Verbrecher, die ganze Stadt weiß das!"

Rechtsanwalt: "Nun mal langsam, eins nach dem anderen. Was ist denn geschehen?"

Mandant: "Das habe ich Ihnen doch eben alles erzählt!"

Rechtsanwalt: "Könnten Sie das bitte noch einmal etwas ausführlicher von Anfang an berichten, damit ich es verstehe? Haben Sie vielleicht irgendwelche Unterlagen dabei?"

Mandant (mit leicht aggressivem Unterton) "Unterlagen?" Was denn für Unterlagen? Das haben die doch alles! Hören Sie mal, ich brauche Ihre Hilfe, es ist dringend!"

Rechtsanwalt: "Da sprechen Sie ein wichtiges Thema an. Wenn ich schnell tätig werden soll, brauche ich natürlich zunächst einen Vorschuss in Höhe von - sagen wir -  eintausend Euro."

Mandant (aufgebracht): "Was?! Sie wollen auch noch Geld von mir?! Ich bin doch das Opfer! Ihr Anwälte denkt auch immer nur ans Geld! Wo soll ich denn so schnell so viel Geld herbekommen?!"

Rechtsanwalt: "Sie werden verstehen, dass ich erst für Sie tätig werden kann, wenn meine Vergütung gesichert ist."

Mandant (noch aufgebrachter): "Sie nutzen meine Notlage aus! Ich werde Sie anzeigen!"

Rechtsanwalt: "Ah, Sie möchten gehen. Das trifft sich gut, ich sehe sowieso gerade, dass ich jetzt einen anderen Termin habe. Auf Wiedersehen."

Mandant ab.

Rechtsanwalt (zu sich selbst): "Den nächsten bringe ich um, ich bringe ihn um..."

* = Wort oder Name kann durch jedes andere beliebige Wort oder Namen ersetzt werden.


Freitag, 14. Juni 2013

Paula Schumacher kann auch anders


Lieber Herr Kollege Burhoff,

wie ich lese, haben Sie auch so ein lustiges Schreiben erhalten. Ich fand meines schon beachtlich, weil es so eine fröhliche Mischung ist aus ziemlich echtem Stil und völlig abwegigem Inhalt. Aber eins habe ich dank Ihres Beitrages dazu gelernt: Paula Schumacher hat viele Namen und sie führt viele Gesellschaften. Zum Beispiel auch die "Nelly Haas Inkasso Anwaltschaft" .

Hier ist der einkopierte Beweis. Man beachte die Phantasie beim Entsinnen der Rechtsgrundlagen (ganz andere Ordnungsziffern als in Ihrem Schreiben) - und das bei identischen Rechtschreibfehlern!

Sehr geehrte/r Christoph Nebgen,

wir wurden von der Firma Pearl Shop GmbH beauftragt die finanziellen Interessen zu vertreten. Die Bevollmächtigung wurde anwaltlich zugesichert. 

Mit der Rechnung vom 17.04.2013 haben Sie sich vertraglich verpflichtet die Summe von 379,00 Euro an Pearl Shop GmbH zu zahlen. Dieser Verpflichtung sind Sie bis heute nicht nachgekommen. Weiterhin sind Sie aus Gründen des Verzuges gezwungen die Ausgaben unserer Beauftragung zu tragen. 

Diese ergeben sich gemäß dieser Kostenrechnung:

EUR 16,00 (nach Nr. 949 RGV}
EUR 18,00 (Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 und 2 RVG} 

Wir zwingen Sie mit Kraft unserer Mandantschaft den gesamten Betrag auf das Konto unseren Mandanten zu überweisen. Die Bankdaten und die Einzelheiten der Bestellung finden Sie im angehängtem Ordner. Für den Eingang der Zahlung geben wir Ihnen eine letzte Frist bis zum 18.06.2013. 

Das Einhalten dieser Pflicht liegt auch in Ihrem Interesse. Falls Sie diese Frist fruchtlos verstreichen, werden ohne weitere Aufforderung gerichtliche Schritte einleitet. Dadurch werden Ihnen weitere, beträchtliche Mahnkosten entstehen. 

Mit freundliche Grüßen Nelly Haas Inkasso Anwaltschaft


Angepisst


Wie selten sieht man das: Angeklagter und Geschädigter verlassen in trauter Einigkeit angeregt quatschend das Gerichtsgebäude.

Aber mal ehrlich, Staatsanwaltschaft Hamburg: Wäre es wirklich notwendig gewesen, wegen Beleidigung einen Strafbefehl über EUR 1.500,00 zu erlassen, nur weil der Angeklagte in einem Fußballstadion uriniert und einen Ordner getroffen hat?


Donnerstag, 13. Juni 2013

Fehlendes Vertrauen


Heute erreichte mich eine Mandatskündigung.

Die Mandantin schreibt, Grund für die "Kündigung mit sofortiger Wirkung" sei, dass ich sie habe veranlassen wollen,

"eine Vereinbarung zu unterschreiben, nach der sie eine Vergütung ... an mich zahlen"

solle. Die Höhe der Vergütung befand sich übrigens im Rahmen der gesetzlichen Vergütung für die Verteidigung im Vor- und Hauptverfahren bei zwei Verhandlungstagen.

Das lustige Schreiben übersendet mir der neue Rechtsanwalt ihres Vertrauens.

Da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll.



Dienstag, 4. Juni 2013

Das zufriedene Opfer


"So werden aus Opfern zufriedene Mandanten": So wirbt der Deutsche AnwaltVerlag für sein Buch "Das 1x1 des Opferanwaltes". Per E-Mail. Das erinnert mich daran, den DeutschenAnwaltVerlag mal daran zu erinnern, hier nicht mehr anzurufen und keine Werbemails mehr zu schicken.

Bei dem hier beworbenen Titel assoziiert man doch sogleich fröhliche Menschen, die es geschafft haben, ihren Widersacher mit Hilfe eines findigen Rechtsanwaltes der Strafjustiz auszuliefern. Eine win-win-Situation zu Lasten des "Täters", der nach dem Gesetz als unschuldig zu gelten hat. Da lächelt das Opfer zufrieden.

Geschrieben hat dieses Werk Rechtsanwalt Frank K. Peters, der bereits als Opferspezialist in Erscheinung getreten ist, als er in einem strafrechtlichen Fachzeitschrift die Einführung eines Fachanwaltes für Opferrecht angeregt hat. Vergleiche hier, hier und hier.

Zeit, wieder als Täteranwalt tätig zu werden.


Montag, 3. Juni 2013

Das Recht ist kein Verschiebebahnhof


Vor dem Landgericht Berlin ist der Prozess gegen mehrere Angeklagte wegen der Prügelattacke vom Alexanderplatz (Fall Johnny K.) "geplatzt". Das Gericht hat angekündigt, das Verfahren auszusetzen. Ob dabei dem Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen einen Schöffen stattgegeben werden wird, ist noch nicht bekannt. Für das Verfahren ist das aber relativ egal. Wenn der Prozess ausgesetzt wird, muss er irgendwann - vor einem neu besetzten Spruchkörper - neu begonnen werden. Es ist in jeder Hinsicht unwahrscheinlich, dass dann derselbe Schöffe nochmals über diese Anklage zu Gericht sitzen wird.

Vorausgegangen war dem Befangenheitsantrag ein Wortgefecht des Schöffen mit einem Zeugen, bei dem sich der Schöffe wohl ein wenig in der Wortwahl vergriffen hatte ("Sind Sie zu feige oder wollen Sie uns verarschen?") und dazu dann auch noch der Presse ein Interview gegeben haben soll. Soll.

Der Verlauf ist ärgerlich, die Entscheidung rechtsstaatlich wohl geboten. Interessant ist aber, was der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zum Befangenheitsantrag der Verteidigung gesagt haben soll: Der soll das Verhalten des Schöffen zwar ebenfalls kritisiert haben, sich aber ausdrücklich gegen eine Ablösung des Schöffen eingesetzt haben.

Prozesse wären einfacher, fairer und wahrscheinlich auch effizienter, wenn sich alle Beteiligten ab und zu drei Regeln vor Augen führen würden:

  1. Das Recht gilt immer und für jeden gleichermaßen. Es muss dementsprechend auch immer und auf jeden gleichermaßen angewendet werden.
  2. Das gilt in persona besonders auch für Laienrichter, Berufsrichter, Staatsanwälte und - wir wollen die hier ruhig dazu nehmen - Polizisten.
  3. In der Sache gilt das Recht inbesondere auch dann, wenn es einem oder mehreren Prozessbeteiligten Mühe und Kosten bereitet. Das Recht ist kein Verschiebebahnhof, hat ein Verfassungsrichter dazu mal gesagt.





Donnerstag, 30. Mai 2013

NEU: Der Fachanwalt für gute Rechtsvertretung


Die Geschichte der Fachanwaltschaften ist eine Geschichte voller Missverständnisse und Fehlentwicklungen. Ich verweise gerne noch einmal auf diesen meinen Beitrag, mit dem ich seinerzeit sogar in der LTO zitiert wurde.

Mittlerweile gibt es neue - offenbar ernsthaft in Erwägung gezogene - Kreationen, z. B. den Fachanwalt für europäisches (!) Wirtschaftsrecht. Nach einigen unsäglichen Darbietungen aus der Anwaltschaft im Münchner NSU-Prozess hat jüngst ein Kollege einen "Fachanwalt für Opferrechte" gefordert. Ob der Aufsatz in der StraFo 2013, 199 - 203, ernst gemeint oder vielleicht doch Satire sein soll, ist mir nach wie vor nicht ganz klar. Die Kollegen Zaborowski (Schönen Gruß aus Hamburg!) im blog des Kollegen Hoenig und der Kollege Selk haben sich daran schon abgearbeitet.

Kurz zusammengefasst: Der Autor verlangt einen Fachanwalt für Opferrechte, weil viele Anwälte mit dieser Rolle im Prozess offenbar heillos überfordert sind. Wenn das denn überhaupt eine Rolle ist, woran man schon aus prozessualen Gründen erhebliche Zweifel haben kann. Warum aber ruft der Autor nach einer (weiteren) Fachanwaltschaft? Das Problem ist doch offenbar, dass viele Rechtsanwälte einfach ihren Job nicht beherrschen. Da hilft keine Fachanwaltschaft - da helfen nur solide Grundkenntnisse, und zwar nicht nur juristischer Natur, sondern auch in Psychologie, Sozialwissenschaften und Philosophie.

Wer die nicht hat, ist ein schlechter Rechtsanwalt, da kann er noch so viele abstruse Fachanwaltstitel führen oder von mir aus auch über die 32 geläufigsten Theorien zum Besitzkonstitut promoviert haben.