Donnerstag, 28. November 2013
Nützliche Rechtskenntnis
Der Kollege Siebers beschwert sich, dass Gericht und Staatsanwaltschaft kaum mehr mit der Verteidigung reden, aus Angst sie könnten etwas falsch machen. Viel geredet haben die auch früher nicht, aber immerhin: Ab und zu konnte man unterm Ladentisch - also im Richterzimmer - gute Ergebnisse erzielen. Der Weg dahin war allerdings nicht ungefährlich: Zumeist musste der Angeklagte mit einem Geständnis in Vorleistung gehen, und eine Sicherheit hatte er nicht. Denn "offiziell" gab es den Deal ja nicht.
Jeder Deal geschah daher auch in der Hoffnung, dass Staatsanwaltschaft und Gericht sich daran halten würden, was längst nicht immer geschah. Von dieser Problematik zeugt die Rechtsprechung, die letztlich zu der aktuellen Rechtslage geführt hat. Diese Rechtsprechung beruht größtenteils auf Revisionen der Angeklagten, die sich von Gericht und Staatsanwaltschaft übers Ohr gehauen fühlten.
Jetzt muss alles protokolliert werden. Das führt zu merkwürdigen Blüten, obwohl die Rechtslage eigentlich ganz einfach ist. Man muss sie nur kennen. Auf einmal diktieren Richter ohne Not ins Protokoll, dass es Verständigungsgespräche nicht gegeben habe. Das scheint mir auf einem Missverständnis der gesetzlichen Regelungen zu beruhen. Vor einer Aufhebung in der Revisionsinstanz wird man sich dadurch jedenfalls nicht schützen können.
Worauf aber ist die nicht nur vom Kollegen Siebers beobachtete plötzliche Zurückhaltung zurückzuführen? Haben die Organe der Rechtspflege auf einmal Angst, dass man sie an ihrem Wort festhalten könnte? Gescheiterte Verständigungsgespräche sind dabei doch eigentlich ganz einfach zu protokollieren: "Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung führten zu keinem Ergebnis." Punkt.
Der Psychologe würde sagen, dass Unsicherheit zumeist auf Unkenntnis der Situation beruhe. Dem ließe sich durch Rechtskenntnis ohne weiteres abhelfen.
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> Gescheiterte Verständigungsgespräche sind dabei
AntwortenLöschen> doch eigentlich ganz einfach zu
> protokollieren: "Gespräche mit dem Ziel einer
> Verständigung führten zu keinem Ergebnis."
Anderer Ansicht dazu sind nur das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, NJW 2013, 1058, 1065) und, diesem zwangsweise folgend, der BGH, zuletzt 5 StR 411/13.
Davon abgesehen *hüstel* haben Sie aber völlig recht.
Die Praxis zeigt, dass HVs mit Verständigung (New Deal) wesentlich länger dauern als solche ohne aber mit geständigem Angeklagten, d.h. ohne Zeugen usw.
AntwortenLöschenIch verstehe die Bedenken der Strafverteidiger nicht.
AntwortenLöschenZuerst wurde gemotzt, weil der Deal angeblich Erpressung sei. Nun hat das BVerfG den Deal gekippt, und die Richter verhandeln die Sachen halt durch. Jetzt wird natürlich auch wieder gemotzt, weil es keine Strafrabatte gibt.
Die Sache hätte man sich halt vorher überlegen sollen. Für jeden intelligenten Menschen eigentlich durchaus vorhersehbar gelaufen, das Ganze.