Freitag, 26. Juli 2013

Es wird richtiger, wenn es schrumpft


Es gibt richtige Urteile und es gibt Urteile, über die man sich mit guten Gründen streiten kann. Leider gibt es aber auch Urteile, die sind einfach nur falsch.

Von einem solchen Urteil berichtet - offenbar ohne es zu merken - der Kollege Lampmann. Da hat das Berliner Kammergericht über die beliebte Angabe auf den Briefbögen schlechter Rechtsanwälte geurteilt: Es wäre nicht irreführend, wenn auf dem Briefkopf stünde: "Zugelassen bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten". Das sei keine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit, soweit die Angabe nicht besonders hervorgehoben werde.

Ob etwas eine Selbstverständlichkeit ist, soll danach also von der Schriftgröße abhängen. Das ist konfuser Unsinn. Eine Angabe ändert ihren Inhalt nicht dadurch, wie groß man schreibt. Nichts wird richtiger, wenn es schrumpft. Es ändert dadurch höchstens seine Form. Dass erfahrene Richter so etwas in ein Urteil schreiben, ist schon erschütternd genug, dass Kollegen es auch noch gut finden - sorry, Kollege Lampmann - verursacht  bei mir nur noch Kopfschütteln.

Das Erstaunlichste aber ist, dass das Kammergericht in seinem Urteil ausdrücklich davon ausgeht, dass es sich bei dem streitigen Zusatz "zugelassen bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten" um eine "objektiv richtige Angabe" handelte. Das ist nämlich - unabhängig von der Schriftfette - keinesfalls selbstverständlich, sondern offensichtlich falsch.

Gemäß § 12 Bundesrechtsanwaltsordnung ist der Rechtsanwalt nur bei einer einzigen Stelle zugelassen, nämlich bei der für seinen Bezirk zuständigen Rechtsanwaltskammer. Man fragt sich, wovor sich der rechtssuchende Mandant da eigentlich mehr gruseln soll - vor Rechtsanwälten, die nicht einmal wissen, wo sie zugelassen sind, oder vor Gerichten, die die Gesetzeslage nicht kennen?

11 Kommentare:

  1. Naja, zunächst mal ging es nicht um eine Angabe auf dem Briefbogen, sondern um eine solche am unteren Rand eines Impressums auf einer Internet-Seite. Darüber hinaus ist die Werbung mit Selbstverständlichkeiten eben nicht per se verboten, sondern nur dann, wenn die Selbstverständlichkeit in einer Weise herausgehoben wird, als dass der durchschnittlich verständige Marktteilnehmer davon ausgehen muss, dass es sich eben nicht um eine Selbstverständlichkeit handelt. Und dies war, diese Meinung teile auch ich, vorliegend nicht der Fall.

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  2. Aus meiner Sicht - und da stimme ich dem Kollegen Nebgen zu - muss bereits vorher angesetzt werden. Es handelt sich schlicht und ergreifend um eine falsche Tatsache, die angegeben wird, da kein Rechtsanwalt mehr bei irgendeinem Gericht zugelassen ist (den BGH ausgenommen). Insoweit wird, unabhängig davon, dass es sich nur um eine Impressumsangabe handelt, mit einer falschen Tatsache und gerade nicht mit einer Selbstverständlichkeit geworben.

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  3. Es ist doch völlig richtig, dass der Anwalt "zugelassen bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten" ist. Zu verdanken hat er diese überall gültige Zulassung der für ihn Zuständigen Anwaltskammer.

    Es wird doch nicht behauptet, dass er "_von_ allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten" zugelassen wäre.

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  4. Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Im Beitrag bei Lampmann und im Urteil ist die Rede von der Angabe:

    "Zugelassen AN allen deutschen Landgerichten und Oberlandesgerichten"

    Der verständige Leser versteht das m.E. so, dass der Anwalt bei allen Land- und Oberlandesgerichten auftreten darf und nicht so, dass der werbende Anwalt BEI allen Land- und Oberlandesgerichten ein Zulassungsverfahren durchlaufen hat.

    Aber solche sprachlichen Genauigkeiten stören ja nur. Da kann man sich ja weniger aufregen.

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  5. Hier bringen einige der Kommentatoren "Zulassung" und "Postulationsfähigkeit" durcheinander. Aber solche sprachlichen Genauigkeiten werden dem juristischen Laien zu Recht egal sein.

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  6. Ja, Ja. Soviel Klugsch...rei muss.

    Den Passus hatte ich auch mal und (noch) nicht geändert (who cares).

    Irgendwann fühlte sich ein älterer "Kollege" berufen, darauf mit einem oberlehrerhaften Strich iVm. einem Fragezeichen hinzuweisen.

    Als ich dann ins Impressum (der Insolvenz-Kanzlei) des "Kollegen" geschaut habe, fehlte die Steuernummer.....



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  7. Die Steuernummer muss nicht im Impressum stehen, sondern ggf. die Umsatzsteueridentifikationsnummer.

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  8. Herr Nebgen, ist es wieder soweit? ;-) : http://www.lhr-law.de/magazin/kurioses-und-interessantes/wenn-strafrechtler-rechtsprechung-nicht-mehr-erklaren-konnen

    Erstens ging es nicht um den Satz

    "Zugelassen bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten"

    sondern um

    “Zugelassen an allen deutschen Landgerichten und Oberlandesgerichten”

    Das macht zwar keinen großen Unterschied und hätte an der Entscheidung des Gerichts wahrscheinlich auch nichts geändert. Damit ist aber Ihre Annahme, der angesprochene Verkehr könnte annehmen, damit sei das anwaltliche Zulassungsverfahren gemeint, obsolet. Darüber hinaus weiß der Laie auch nicht, wie ein Zulassungsverfahren bei Anwälten funktioniert. Es ist ihm auch egal. Er will ja nur wissen, wo ihn ein Anwalt vertreten kann.

    Insofern ist Ihr folgender Kommentar interessanterweise wieder richtig:

    "Hier bringen einige der Kommentatoren "Zulassung" und "Postulationsfähigkeit" durcheinander. Aber solche sprachlichen Genauigkeiten werden dem juristischen Laien zu Recht egal sein."

    Eben.

    Zweitens:

    "Ob etwas eine Selbstverständlichkeit ist, soll danach also von der Schriftgröße abhängen. Das ist konfuser Unsinn."

    Das stimmt auch, allerdings hat das KG das so auch nie gesagt. Sondern, dass die Werbung mit einer Selbstverständlichkeit nur dann unzulässig ist, wenn sie besonders hervorgehoben wird. Eine Hervorhebung kann wiederum sehr wohl von der Schriftgröße abhängen.

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  9. Danke dafür. ich weiß nun auch welchen RA ich nicht zu Rate ziehen werde. Wenn Sie nicht einmal in der Lage sind den Text eines Kollegen richtig zu interpretieren, wie wollen Sie Ihre Mandaten dann bitte in einer komplexen Strafsache vertreten?

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  10. was ich bei diesen "Zulassungen" immer vermisse ist der Hinweis auf die "Zulassung" beim BSG und BAG. und beim Bundesverfassungsgericht sind wir doch genauso "zugelassen" wie beim EuGH (über letztere musste ich mir noch nie Gedanken machen)

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  11. Coole Anwälte verzichten auf solchen Firlefanz.

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