Montag, 8. Juli 2013
Umordentliche Kollegen
Kommt ein Mandant, geht ein Mandant: Das tägliche Brot des Strafverteidigers hat der Kollege Wings hier prächtig dargestellt. Und auch sein Dilemma: Sagt der Verteidiger dem inhaftierten Mandant, wie es wirklich um ihn steht, wird der das nicht hören wollen und im Zweifel einen konkurrierenden Kollegen beauftragen, der ihm ein besseres Ergebnis in Aussicht stellt. Diese Art von Kollegen wird gelegentlich auch als Knastmarder bezeichnet. Sie schleichen durch die Gänge und knabbern an Mandatsverhältnissen.
Viele Inhaftierte fallen darauf herein. Man kann ihnen das noch nicht einmal wirklich übel nehmen. Wer würde sich nicht an den Strohhalm klammern, wenn er einem angeboten wird?
Nur ist das Angebot des gemeinen Knastmarders kein Strohhalm, sondern allenfalls die Fata Morgana eines Strohhalms. Der Inhaftierte kriecht ihr auf den Leim und am Ende ist da - nichts. Das könnte wissen, wer seine Lage realistisch einschätzt, aber wer kann das schon in einer solchen Krisensituation.
Alle Verteidiger werden mit dieser menschlichen Schwäche ihrer Mandanten leben müssen; die Frage ist nur, wie der jeweilige darauf reagiert. Entweder er verhält sich ordentlich und nimmt dabei in Kauf, Haftmandate über kurz oder lang an Knastmarder zu verlieren; oder er wird selbst zum Knastmarder. Das ist wohl eine Frage für die Ethikkolumne in der Süddeutschen Zeitung. Rechtlich relevant wird es aber, wenn man einen Schritt weiter denkt.
Der gemeine Haftmandant hat nämlich kein Geld. Er ist daher in der Regel ein Fall für die so genannte Pflichtverteidigung, die notwendige Verteidigung gem. § 140 StPO. Da zahlt der Staat, zumindest zunächst. Ein Teil der Gebühren ist also gesichert. Pflichtverteidiger kann aber in der Regel nur einer sein, deshalb wird der Knastmarder nicht nur versuchen, seinen unliebsamen Kollegen aus dem Mandat zu schubsen. Er wird auch danach trachten, dessen spärliche Staatsvergütung abzugreifen. In Hamburg tun etliche "Kollegen" das gerne unter Hinweis darauf, dies sei in Hamburg "üblich". Man lese dazu gerne nochmals diese Moritat. Die Knastmarder beantragen dann bei Gericht etwas, das sie "Umbeiordnung" nennen und wollen den Kollegen nötigen, auf seine bereits verdiente Vergütung zu verzichten. Aus welchen Rechtsgrund bleibt dabei notwendigerweise unklar, denn es gibt keinen. Das könnte bzw. müsste man auch als Richter eigentlich wissen, weil aber ein Blick in das Gesetz anstrengend ist, glauben viele Richter den Knastmardern diesen Unfug einfach.
Letztens trug mir eine Richterin doch tatsächlich ein solches Gesuch an mit dem Zusatz, die Umbeiordnung erfolge "zu den üblichen Konditionen". Auf meine schriftliche Nachfrage, welche Konditionen das wohl seien, schrieb die Richterin zurück, sie wisse das nicht, das habe der Kollege so ausgedrückt.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Existiert in Hamburg in diesem Zusammenhang eigentlich auch das Wort "Zwangsanwalt"?
AntwortenLöschen