Montag, 26. Juli 2010

Wer, wie, was - wieso, weshalb ...

Die Hamburger Morgenpost berichtete am Freitag über eine Verhandlung vor dem Amtsgericht. Angeklagt ist eine Hartz-IV-Empfängerin. Die soll der für sie zuständigen Sachbearbeiterin bei der Agentur für Arbeit (früher: Sozialamt) ihre Handtasche ins Gesicht geschlagen und sie dann mit Fäusten traktiert und getreten haben.

Zuvor hatte die Sachbearbeiterin der jetzt Angeklagten wohl zu erklären versucht, dass sie ihre Sozialleistung nicht sogleich und vor Ort in bar mitnehmen könnte, sondern auf die Überweisung durch das Amt warten müsste. Daraufhin sei die Angeklagte etwas nervös geworden und habe reagiert wie geschildert .

Wie die Morgenpost kolportiert, hatte der Vorsitzende Richter zu diesem Vorwurf vorrangig eine Frage an die Angeklagte; und damit hat der Richter gleich die dümmste Frage erwischt, die man überhaupt stellen kann. Die Frage lautete: "Warum haben sie das getan?"

Die Frage ist nicht nur kreuzdämlich, sondern im Grunde auch geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Nicht, weil sie Täterschaft unterstellt, das geht schon in Ordnung - sondern weil ihr offenbar die Überzeugung des Richters zugrunde liegt, jeder Angeklagte müsste die Ursachen seines Handelns kennen und auch erklären können. Diese Annahme ist derart weltfremd und fern liegend, dass man von einem solchen Richter ein unparteiisches Urteil kaum mehr erwarten kann.

Es geschieht immer wieder, dass Richter von "ihren" Angeklagten geradezu verlangen , sie mögen haarklein schildern , welche inneren Gefühlsregungen sie zur Tat getrieben hätten. Dabei weiß jedes Kind, dass kaum ein Mensch schon banalste Handlungen im nachhinein nicht selbst zu erklären vermag. Manch einer bemüht jahrelang einen Psychologen, um sich seiner eigenen Motive klar zu werden. Viele Richter und Staatsanwälte scheinen gleichwohl nach wie vor einer Denkweise verhaftet, wie sie früher in eindimensionalen Krimiserien wie "Derrick" vorherrschte, wo jeder Mord entweder aus Eifersucht begangen wurde, oder um an das Erbe der Tante zu gelangen.

Vielleicht möchte der Richter in Wirklichkeit aber auch gar nichts aus der Lebenswelt seines "Kunden" hören, sondern einfach nur erreichen, dass der sich wie ein dummes Kind vorkommt, das verzweifelt nach der Antwort stammelt.

Siehe da: Es gibt nicht nur dumme Antworten. Es gibt auch dumme Fragen.




9 Kommentare:

  1. Wie würde der Besserwisser reagieren, wenn ihm selber die Handtasche ins Gesicht geschlagen würde? Ein erboster Blog-Eintrag mit gegenläufiger Tendenz? Ein wehleidiger Tweet? Eine Strafanzeige? Selbstjustiz?

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  2. Kreuzdämlich ist vor allem dieser Blogbeitrag. Selbstverständlich ist das Gericht schon aufgrund von § 46 StGB (Strafzumessungsgründe) verpflichtet, die Motive und Ziele des Täters zu eruieren - im konkreten Fall zudem vor allem zu dem Zweck, etwas Entlastendes zutage zu fördern. Wie man es bewertet, wenn der Täter dazu nichts Brauchbares sagen kann, ist doch eine ganz andere Frage.

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  3. Die Frage "warum haben sie das getan" war wohl eine Eingangsfrage, auf die weitere Fragen aufbauen.
    Aber offenbar ist die Sachlage derart eindeutig, dass das wirklich ziemlich überflüssig erscheint.

    Die beiden obigen Kommentatoren scheinen ihren Ansichten zuwiederlaufenden Meinungen nicht zu akzeptieren. Das bedingt eine bedauerliche einseitige Sichtweise.

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  4. Ich kann nur dem Gast oben zustimmen. Der größte Schwachsinn hier ist Ihr Beitrag. Natürlich ist es Aufgabe des Richters die Tat auch zu hinterfragen. Wenn derjenige da nichts zu sagt, ok, seine Sache, aber er muss zumindest versuchen die Hintergründe und Motive zu klären.

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  5. Die Frage wäre nur dann bedenklich, wenn sie einem bestreitenden oder schweigenden Angeklagten gestellt wird. Bei einem geständigen Angeklagten darf (muß) man die Frage schon stellen. Ob etwas Brauchbares dabei herauskommt, ist ein anderes Problem. Die Antwort kann ja auch entlastend sein (wurde provoziert; war hackenudeldicht; habe Befehl von Satan erhalten; habe nur in Notwehr gehandelt, da Sachbbearbeiterin mich mit Maschinenpistole bedrohte; wurde darum gebeten, da Sachbearbeiterin Kundin meines Dominastudios ist; etc.).

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  6. HAHA, es hatte sich erübrigt, mich zu fragen, WARUM ich das Messer aus der Tasche nahm. Der xxx-vorbestrafte Inténsivtäter hatte mich (erwiesen) in den 20 Std. VOR der Notwehrtat angegriffen und erheblich und nachhaltig (bis heute) verletzt. Außerdem wog der Schläger 95 kilo. Dennoch wurde ich für meine Notwehr verurteilt. Prost, lieber Rechtsstaat (BY).
    Man kann den Fall googeln.

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  7. Ich schließe mich den meisten Vorrednern an. Ihre Kritik kann ich nicht nachvollziehen.

    Das ist doch eine absolute Standardfrage bei einem geständigen Täter. Natürlich ist sich jeder halbwegs geistig gesunde Mensch darüber im Klaren, dass eine detailierte psychologische Analyse zu den Ursachen der Straftat von keinem zu erwarten ist.

    Man erfährt aber viel über die Person und ihr verhältnis zu ihrer Straftat und kann dann ensprechend auf sie einwirken.

    Ist sie in der Lage, ihre Straffälligkeit kritisch zu reflektieren und Konsequenzen daraus zu ziehen?

    Bedarf sie hierzu u.U. der Hilfe eines Bewährungshelfers?

    Oder bedarf es des Strafvollzugs, um die Grenzen aufzuzeigen oder genügt eine Bewährungsstrafe? Genügt eventuell auch eine Geldstrafe?

    Die Frage, die sich jeder Strafrichter stellt ist doch: Was ist notwendig, damit die entsprechende Person nicht erneut eine derartige Straftat begeht?

    Und hierzu ist es notwendig die Ursachen der Straffälligkeit zu erforschen.

    Wir strafen ja nicht um des Strafens Willens, sondern in erster Linie aus spezialpräventiven Gründen.

    Und mit der offenen Frage "Warum haben Sie das denn getan?" kommt man da regelmäßig schon ganz gut voran.

    Mir graut es ehrlich gesagt vor Richtern, die kein Interesse daran haben, wie der Straftäter heute zu der Straftat steht. Mit Verurteilungsautomaten à la "Sie haben X begangen, deshalb gibt es die Strafe Y, egal warum sie es getan haben und egal was sie daraus gelernt haben." ist vielleicht ein Mehr an Gleichheit gewonnen. Ein Mehr an Gerechtigkeit sicherlich nicht.

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  8. Schwachsinn ist sich überhaupt mit der Frage zu beschäftigen. Wohl alle xix zu tun - Sommerloch?

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  9. ich könnte die kritik am richter und den vorwurf der befangenheit nachvollziehen - wenn es sich um seine erste frage gehandelt hätte oder (wie einige kommentatoren hier bereits zu recht angemerkt haben) die angeklagte die tatbegehung geleugnet bzw jedenfalls nicht gestanden hätte.
    in diesem fall hätte die frage des richters der angeklagten tatsächlich täterschaft unterstellt und damit zumindest zweifel an der freiheit seiner beweiswürdigung im rahmen der urteilsfindung sowie an seiner kenntnis des hehren prinzips der unschuldsvermutung begründet.

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