Obwohl Rechtsanwälte eigentlich alle dasselbe studiert haben, scheinen einige grundsätzliche Erkenntnisse längst nicht mehr bei allen präsent zu sein. So erinnere ich mich an eine Sozietät, in der man Strafmandaten aus eben dem genannten Grund skeptisch gegenüber stand: Man hatte nämlich panische Angst, Strafmandanten könnten die restliche Klientel beim Zusammentreffen im Wartebereich abschrecken.
Selbst meine Beteuerung, dass alle meine Mandanten unschuldig seien, zog da nicht. Und das trotz Unschuldsvermutung! Erstaunlicherweise waren bei denselben Kollegen selbst die zwielichtigsten eigenen Mandanten wohl gelitten, solange sie nur mit zivilrechtlichen Problemen die Kanzlei betraten. Meine Auffassung, dass ein Betrüger ein Betrüger sei, gleich ob er nun mit der zivilrechtlichen oder der strafrechtlichen Komponente seines Problems zu mir komme, verfing trotzdem nicht.
Da scheint bei einigen unserer zivilistischen Kollegen eine recht abenteuerliche Vorstellung vom mutmaßlichen Straftäter vorzuherrschen, der ungekämmt und ungeduscht im Wartebereich die Illustrierten klaut. Dabei hatte ich für die Kollegen noch einen weiteren Trost bereit:
Die gefährlichsten meiner Mandanten kommen nämlich gar nicht zu mir in die Kanzlei; bei denen mache ich Hausbesuche. Im Knast.
Man stelle sich vor: Oma Schmittchen (79 Jahre, hochgesteckte Haare, grüner Lodenmantel, Handtasche auf dem Schoß und Fifi an der Leine) sitzt im Wartezimmer, weil sie ihre Erbangelegenheiten regeln will. Ihr gegenüber sitzt Karl Knasti (39 Jahre, davon nur 14 in ungesiebter Luft, ungewaschenes Langes Resthaar auf dem Haupt, graubraungelbliches ehemals weißes Feinrippunterhemd und zur Shorts umfunktionierte Jeans, über und über tätowiert, Bierdose in der einen Hand und Kippe in der anderen). Oma Schmittchen klammert sich verängstigt an ihrer Tasche fest, hat Angst, dass der ungewaschene Geselle auf die Idee kommt, ihren Fifi zu fressen, und betet still zum lieben Gott, dass der Herr Anwalt bald Zeit für sie haben möge. Karl Knasti ist erst seit einer Woche wieder auf freiem Fuß, sucht Anschluss in der normalen Welt und versucht zaghaft ein Gespräch zu beginnen: "Na Alde? Hast Du auch jemanden umgehauen...?"
AntwortenLöschen@Alleswisser
AntwortenLöschenAber, die können doch auch voneinander lernen!
;-)
@RAinBraun: Aber na klaro, der Karl kann der Oma zeigen, wie man Fifi richtig zubereitet... *eg*
AntwortenLöschenVerstehe dieses Problem nicht. Ich lade Mandanten immer einzeln vor. Bei mir stapeln sich keine Kunden im Wartebereich. Finde ich auch unhöflich und schon bei Ärzten merkwürdig. Termin ist Termin. Wer mich um 10.00 Uhr gebucht hat, kommt auch um 10.00 Uhr dran. Und die Termine lege ich so, daß nicht um 10.20 Uhr schon der nächste auf der Matte steht.
AntwortenLöschenIch kenne Kollegen, die Mandanten auch dann 20 Minuten im Wartezimmer schmoren lassen, wenn sie überhaupt nicht anderweitig belegt sind. Soll das Geschäftigkeit vorgaukeln? Wen sollte so etwas beeindrucken? Wir erhalten von unseren Mandaten immer Lob dafür, daß man bei uns nicht warten muß.
Davon abgesehen, schadet eine gewisse Arroganz nicht. Ein Kollege sagt immer, wenn ein "Schmuddel Kalle" die Kanzlei betritt: "Bevor Sie zum Anwalt gehen, ziehen Sie sich erstmal ordentlich an!". Ich durfte schon mehrfach diesem köstlichen Ereignis beiwohnen. Ich gebe zu, ich traue mich das nicht, hege aber eine gewisse Bewunderung für den Mut des Kollegen.
@Alleswisser
AntwortenLöschenKalle könnte der Oma auch beibringen, wie man Fifi abrichtet. Da hätten wir ihn auch gleich in Lohn und Brot gebracht.
@Anonym
In einer Kanzlei mit mehreren Anwälten kann das sicher mal vorkommen. Jemanden "aus Prinzip" warten lassen, das finde ich auch daneben.
@RAin Braun
AntwortenLöschenWir stimmen auch in der Kanzlei die Termine so ab, daß niemand warten muß. Ich finde es auch nicht so gut, wenn sich Leute in unserer Kanzlei begegnen, die vielleicht nicht gut aufeinander zu sprechen sind. Das gilt gerade im Strafrecht und hier im BtM-Bereich. Durchaus aber auch im Zivilrecht. Da kann leicht das Vertrauen in den eigenen Anwalt schwinden, wenn man sieht, daß er auch den vermeintlichen Erzfeind vertritt.
Der Anwalt, welcher einen potentiellen Mandanten warten lässt, sollte diesen zum letzten Mal gesehen haben. Arroganz & Ignoranz ist Richtern und STA's vorbehalten.
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