Dienstag, 6. Juli 2010

Mittelmaß an die Macht!

Die Ausbildung des juristischen Nachwuchses sollte allen am Herzen liegen. Tut sie offenbar aber nicht. Hier wird aus der ZEIT zitiert, die mehrere Hochschulprofessoren befragt hat - ursprünglich zur Praxis amerikanischer Hochschulen, Klausuren zur Korrektur nach Asien zu verschicken. In Deutschland hat man dagegen dankenswerterweise noch Bedenken, weil Asiaten deutschsprachige Klausuren möglicherweise gar nicht verstehen könnten.

Stattdessen machen sich in Deutschland selbst in den Sozialwissenschaften Multiple-Choice-Tests breit. Da ist auch deren Einführung in den Rechtswissenschaften wohl nicht mehr weit. Damit wäre dann ein weiterer wichtiger Schritt getan, eigenständiges Denken bei den Studenten endgültig zu unterbinden und ausschließlich Mittelmaß auf den Thron der angeblichen Elite zu hieven.

Schon durch die Klausuren herkömmlichen Zuschnitts werden mittelmäßige Studenten unangemessen begünstigt: Denn einen Haken am Rand bekommt nur, wer für den Korrektor erkennbar die Lösungsskizze trifft. Auf der Lösungsskizze wiederum steht das, was dem Verfasser der Lösung zuvor eingefallen ist. Damit hat man schon zwei Korrektive, außergewöhnliche Lösungen zu diskriminieren. Gut bewertet wird, wer ausschließlich reproduziert und dabei möglichst genau die mittlere Denkspur trifft. Eigene Ideen sind bestenfalls ergebnisneutral; in der Regel wirkt Kreativität in der Masse aber wie ein Fremdkörper und führt daher sogar eher zu schlechteren Ergebnissen. Ergebnis: Die besten Noten kriegen nicht die Besten, sondern diejenigen, die den Durchschnitt am besten repräsentieren.

Wenn wir den Prüfungsmodus jetzt auch noch durch Häkchen und Kreuzchen ersetzen, können wir sicher sein, dass vielleicht schon die nächste Generation von Juristen ein Gesetz nicht einmal mehr als solches erkennt, wenn es eines sieht. Und diese Menschen herrschen dann über eine Gesetzeslage, die so kompliziert ist wie nie zuvor.

Da muss es einem grausen.

1 Kommentar:

  1. Die Diskussion über Sinn und Unsinn von multiple choice-Klausuren mal beiseite gestellt, halte ich Ihre These, das derzeitige juristische Klausursystem würde Mittelmaß nach oben befördern, für nicht haltbar. Zumindest bei den Prüfungsleistungen, mit denen ich bislang in Kontakt gekommen bin, war es grundsätzlich so, dass eine Lösung (nur) anhand der Lösungsskizze 9, bestensfalls 10 Punkte eingebracht hat. Das ist zugegebenermaßen ganz gut, aber repräsentiert eben nicht "die besten" Noten. Um diese zu erreichen, braucht(e) es eben just die angesprochene Kreativität. Insofern würde ich zustimmen, dass Kreativität als Fremdkörper wirken kann - man setzt sich von der Masse ab -, dann aber gerade zu besseren und besten Ergebnissen führen kann.

    AntwortenLöschen