Der Kollege
Neldner ist der Auffassung, es gebe zu wenig juristische blogs.
Kollege
Krieg hat zuvor mit fünf Thesen provozieren wollen, die zusammengefasst darauf hinauslaufen, dass es kaum Blogs mit wissenschaftlicher Relevanz gebe. Mit seiner These, dass Großkanzleien sich auf diesem Gebiet kaum engagierten, betreibt er ansatzweise Ursachenforschung; seine weitere These, dass Blogs nicht zum gesellschaftlichen Diskurs beitrügen, stellt dagegen eine Art Folgenabschätzung dar.
Zumindest mit seiner Ursachenforschung bin ich nicht einverstanden. Mir ist nicht klar, warum bloggende Großkanzleien zu einer Veränderung der Situation beitragen sollten, zumal der Kollege selbst als weiteres Manko aufzählt, dass bei den existierenden Blogs die "Marketingveranstaltungen" überwögen. Dieses Problem dürfte sich bei Teilnahme von Großkanzleien eher verschärfen. Dass Großkanzleien sich hingegen in eine politische Diskussion einmischen, dürfte kaum zu erwarten sein, solange dies nicht seinerseits eine Werbewirkung entfaltet.
Der Tenor des vielzitierten Artikels in der
FAZ scheint mir da eher in die Irre zu führen: Die dort vermisste Verfassungsdebatte führen in den USA z. B. Supreme-Court-Anwälte; einige davon bedienen sich hierzu auch eines blogs. Jeder macht halt Rechtspolitik dort, wo es ihn betrifft.
Es sind hierzulande und zur Zeit gerade die Einzelanwälte, die Blogs als Plattform nutzen, um einen - wenn auch bescheidenen - gesellschaftlichen Diskus zu starten. Zumindest verstehe ich meinen eigenen Blog so und weiß von etlichen Kollegen, die dies ähnlich sehen. Allein die Reaktion ist bemerkenswert. Liest man beispielsweise in dem in mancher Sicht herausragenden Blog des Kollegen Vetter die Kommentare, dann schwant mir etwas anderes:
Nicht den Bloggern fehlt es an Diskurskultur, sondern anscheinend dem Netzvolk an sich. Selbst bei großartiger Aufbereitung einzelner Themen - außerhalb einer reinen Fachdiskussion - erreicht kaum ein dort zu lesender Kommentar die Mindestanforderungen an eine akzeptable Gesprächskultur. Es herrschen rüde Beleidigungen und unsachliches Gepöbel vor, wohlgemerkt: Einige wenige hochwertige Beiträge gibt es auch unter den Kommentaren, aber die sind deutlich in der Minderzahl. Das beginnt damit, dass selbst offenkundig als Richter oder Staatsanwälte tätige Kommentatoren ihre Kommentare anonym abgeben und dabei nicht selten etwas tun, das sie bei anderen als Beleidigung, Üble Nachrede oder Verleumdung verfolgen würden.
Zu einem gelungenen Diskurs gehört einer, der ein Thema anstößt; und es gehören Leser dazu, die den Faden aufnehmen und weiter diskutieren- und nicht etwa dem Autor erst einmal schreiben, was für ein blöder Hornochse mit was für einer abstrus falschen Sondermeinung er sei. Das geschieht leider völlig unabhängig von der juristischen, literarischen oder wissenschaftlichen Qualität der Blog-Beiträge, einfach so.
Vielleicht sollten sich alle Beteiligten zunächst einmal um guten Stil bemühen. Möglicherweise folgt die gesellschaftliche Akzeptanz von Blogs dann von selbst.