Mittwoch, 30. Juni 2010

Strafschärfend zu werten ist die Begehung der Tat

§ 46 StGB lässt Gerichten relativ weiten Spielraum, welche Umstände es bei der Strafzumessung berücksichtigen darf. Während sich die Berücksichtigung entlastender Momente jedoch zumeist im Fehlen von Vorstrafen, geständiger Einlassung oder Schadenswiedergutmachung erschöpft, entwickeln Richter bei der Suche nach belastenden Umständen mitunter wahre Kreativität:

Der Angeklagte ist angeklagt, seine Lebensgefährtin erschlagen zu haben. Strafschärfend wertet das Landgericht in seinem Urteil, dass er damit deren zwei Kindern die Mutter genommen hat.

Das liest man erstmal so und ist unangenehm berührt ob der Tragik des Geschehens. Wenn man allerdings etwas darüber nachdenkt, kommt einem das kalte Grausen bei dieser Logik des Gerichts:

Berücksichtigt hat es in Wahrheit nämlich zwei Umstände:
  • Zum einen den Umstand, dass das Opfer zwei Kinder hatte - das ist allerdings kein Umstand der Tat und daher irrelevant;
  • zum anderen den Umstand, dass der Angeklagte das Opfer getötet hat - das ist identisch mit dem verwirklichten Tatbestand.
Letztlich hat das Gericht also - wieder einmal - allein die Tatbestandsverwirklichung als solche nochmals strafschärfend gewertet und das offenbar auch noch ernst gemeint. Da fragt man sich schon, wo diese Richter das Denken gelernt haben.



Schön, wenn man oben steht

... insbesondere, wenn es das Jurablogs-Ranking ist.

Erst recht dann, wenn man noch nicht einmal selber etwas geschrieben hat, sondern nur zitiert wird. Auch, wenn der eigene Beitrag nur als "Unsinn" gegeißelt wird.

Aber eines muss ich dann doch noch sagen, lieber Rechthaber:

Dass mein Blog-Eintrag nicht das Spiel Deutschland-England betraf, sondern das Spiel Mexiko-Argentinien, mögen Sie ja in der Hitze des Gefechts noch übersehen haben; dass sie dann aber eine Passage des Regelwerks der FIFA zitieren, die fast wortgleich mit meiner Äußerung ist, verwundert mich dann doch.

Reden wir etwa beide Unsinn?









Das Prozessorakel des Wetterfroschs

Jetzt wird es aber prozessual wirklich interessant im Fall Kachelmann: Der für Freitag angesetzte Haftprüfungstermin ist hinfällig geworden. Denn die Verteidigung hat nun Haftbeschwerde eingelegt und den Haftprüfungsantrag offenbar zurückgenommen; beides schließt sich bekanntlich aus.

Ob Verteidigung auf leisen Sohlen daherkommen soll oder aber mit Krawall, das wurde bereits umfangreich diskutiert, jetzt sind die Interpreten gefragt:

Was kann wohl der Grund für diesen Sinneswandel sein? War die Verteidigung von Frau Rückerts Artikel derart beeindruckt, dass sie jetzt den Turbo eingeschaltet hat? Ist eine Haftbeschwerde überhaupt der Turbo? Was mag der Verteidiger in seiner Haftbeschwerde vortragen, was das Gericht noch nicht weiß? Denn nur auf die gerichtsbekannten Gutachten zu verweisen, dürfte als Argument kaum ausreichen, um das Gericht von seiner bisherigen Einschätzung abzubringen.

Oder will die Verteidigung die Haftsache mit Absicht frühzeitig in die nächste Instanz treiben - mit dem bekannten Risiko, sich zu präjudizieren? Werden wir am Ende gar einen triumphierenden Herrn Birkenstock erleben und wir alle haben seine geniale Taktik nur nicht verstanden?

Eins aber scheint mir klar: Wenn das mit der Haftbeschwerde nicht klappen sollte, wird es dunkel für den Wetterfrosch.


Dienstag, 29. Juni 2010

Drin oder nicht drin...

... das ist nicht nur bei Jörg Kachelmann die Frage, sondern seit vorgestern wieder vermehrt auch beim Fußball.

Besorgte Leser fragten an, ob es denn wirklich sein könne, dass der Schiedsrichter seine als falsch erkannte Entscheidung nicht revidieren könnte.

Juristenantwort: Jein. Kann er nicht. Darf er nicht. Entschieden ist entschieden. Wenn er es allerdings trotzdem getan hätte - der Schiedsrichter - hätte dagegen auch niemand so recht etwas unternehmen können. Schließlich entscheidet der Schiedsrichter und niemand sonst. Mutige, selbstkritische oder einfach nur unentschlossene Schiedsrichter haben sich in der Vergangenheit auch schon mal umentschieden.

Aber vor der WM hat angeblich der Herr Blatter - das ist der Chef aller Fußballtreibenden weltweit - angedroht, dass, wer sich als Schiedsrichter vorher, nachher oder währenddessen auf technisches Zauberwerk einlasse, hinterher selbst entlassen werden würde. Als Schiedsrichter. Damit hat der Herr Blatter viele Schiedsrichter so verschreckt, dass sie jetzt ganz verunsichert sind, die Armen. Laufen nur noch so herum und wissen nicht recht, wie sie pfeifen sollen, die Armen.

So ist das mit den Schiedsrichtern.

Der Schlaf der Beleidigten

Wenn man als Strafverteidiger häufiger mal Revisionsschriften fertigt, braucht man eine noch höhere Frustrationstoleranz, als sie für einen Strafverteidiger sowieso schon erforderlich ist. Nur etwa drei bis fünf Prozent aller Revisionen des Angeklagten haben Erfolg.

Da haben die Tatrichter ein weitgehend sorgenfreies Leben, halten doch die Revisiongerichte ihnen mit allerlei paralegalen Erfindungen - wie z. B. der schlichtweg gesetzeswidrigen Widerspruchslösung - den Rücken frei.

Es verwundert also wenig, dass Tatrichter mit Misserfolgen nicht umzugehen gelernt haben. Dann und wann hat aber eine - gut gemachte - Revision doch mal Erfolg. Was man als Verteidiger dann in der neuerlich erforderlichen Hauptverhandlung erleben kann, ist nur noch traurig:

Richter, die ihren vom Obergericht aufgehobenen Kollegen in inniger Solidarität verbunden, ungefragt und in öffentlicher Hauptverhandlung ihre persönliche Betroffenheit darüber äußern, wie es das Revisionsgericht wagen konnte, derart in richterliche Unabhängigkeit einzugreifen. Da mögen die Rechtsfehler des ersten Tatgerichts noch so offen zu tage liegen: Kein Fehler ist krass genug, dass man über eine Urteilsaufhebung nicht doch noch empört sein könnte. Vor Unmut zitternde Vorsitzende erlebt man dann, die in ihrem Unmut befangen, jegliche Verhandlungslust verloren haben und dies unumwunden damit begründen, die Verteidigung könnte ja abermals wagen, Revision einzulegen.

Die Königsdisziplin des beleidigten Gerichts aber ist: Einfach liegen lassen. So liegt vor mir meine dienstälteste Akte, Jahrgang 2005, Urteil 1. Instanz 2006, Urteil zweiter Instanz 2006, Aufhebung durch das OLG 2007.

Seither liegt die Sache beim Landgericht und schläft den Schlaf der Beleidigten. Nur der Mandant ruft im Halbjahresrhythmus noch an und erkundigt sich, ob es etwas Neues gäbe. Gibt es nicht.

Montag, 28. Juni 2010

Beweisverwertungsverbote im Fußball

Seit gestern wissen auch Nichtjuristen, was ein Beweisverwertungsverbot ist.

Erst hatte der Schiedsrichter in der Partie Deutschland - England offenbar als einziger einen Knick in der Linse, dessen Auswirkung wir hier sehen. Seine Monopolmeinung musste er aber noch nicht ernsthaft verteidigen.

Schwerer hatte es der Schiedsrichter in der Partie Argentinien - Mexiko. Der Torschütze zum 1:0 hatte für jedermann gut erkennbar im Abseits gestanden. Das war sogar nachträglich noch zu sehen: Denn im Stadion gibt es eine Leinwand, auf der statutengemäß nur die Tore wiederholt werden dürfen. Da der Schiedsrichter das Tor anerkannt hatte, wurde die Spielszene also wiederholt und jeder der Zuschauer nebst dem Schiedsrichter konnte sehen, dass das Tor regelwidrig erzielt worden war.

Nur berücksichtigen durfte der Schiedsrichter diese für ihn neue Erkenntnis nicht, weil die FIFA-Statuten ihm die Nutzung technischer Hilfsmittel ausdrücklich verbieten. Also zeigte er weiter brav Tor an, obwohl er wusste, dass das falsch war. Ein hervorragender Prozessrechtler!

Wenn doch nur alle Strafgerichte bestehende Beweisverwertungsverbote mit solcher Konsequenz behandeln würden.

Freitag, 25. Juni 2010

Sterbehilfe ist erlaubt

Ich glaube, heute hat der zweite Senat des BGH ein sehr schönes Urteil gesprochen, dessen ausführliche Begründung ich mit Spannung erwarte. Der Sachverhalt wurde ja z. B. hier schon öfters behandelt.

Insbesondere auf die Ausführungen zur - meines Erachtens völlig unsinnigen - Unterscheidung von Tun und Unterlassen bin ich gespannt. In der Pressemitteilung ist von der "nur an den Äußerlichkeiten von Tun und Unterlassen orientierten Unterscheidung" die Rede.

Das hört sich sehr vernünftig an. Muss man ja auch mal sagen.

Zivilrecht am Abgrund

Heute war ich vor dem Landgericht. In Zivilsachen.

Es ging um einen Verkehrsunfall aus dem Jahre 2002 (!), bei dem der Kläger angeblich derart schwer verletzt wurde, dass er seinen Beruf als Fachverkäufer nicht mehr soll ausüben können. Der psychiatrische Sachverständige spricht eher von chronischer Vermeidungshaltung. Na ja.

Der Kläger hatte im Jahre 2004 zunächst auf Feststellung geklagt, seinen Antrag im Jahre 2007 um einen bezifferten Leistungsantrag ergänzt und hinsichtlich des Leistungsantrags PKH beantragt. Begründet hat er diesen Leistungsantrag bis heute nicht.

Das hat das Landgericht Hamburg nicht gehindert, PKH zu gewähren. Als man den Irrtum bei Gericht bemerkt hat, war die Feststellungsantrag bereits in der Berufungsinstanz. Man hat dann den PKH-Antrag nebst Bewilligungsbeschluss einfach aus der laufenden Akte entfernt und damit eine neue Akte mit neuem Aktenzeichen angelegt. Sämtliche Stellungnahmen der Beklagten hierzu hat man der Einfachheit halber in der Ausgangsakte belassen und diese nach Rechtskraft des Feststellungsurteils abgelegt.

Das Landgericht verhandelt seit nunmehr drei Jahren einen Leistungsantrag, den der Kläger bis heute nicht einmal begründet hat. In diesem "Verfahren" hat das Landgericht heute den dritten Sachverständigen gehört - diesmal zur Frage der Wiedereingliederungsmöglichkeiten des Klägers auf dem Arbeitsmarkt. Meine Hinweise darauf, dass der Beklagte bereits im Jahre 2008 verstorben ist, wurden vom Gericht bisher ebenso hartäckig ignoriert wie den Umstand, dass kein Sachverständiger bisher irgendeine Behauptung des Klägers (sämtlich noch aus dem Feststellungsverfahren) bestätigt hätte. So verhandelt man jetzt im insgesamt siebten Jahr lustig vor sich hin.

Auf dem Gerichtsflur sagte mir die Vorsitzende Richterin dazu wörtlich: "Der Kläger soll mit einem Urteil ja auch zufrieden sein".

Zivilrecht, wohin gehst Du?

Donnerstag, 24. Juni 2010

Die Zahl der Bestie

Heute habe ich in diesem Jahr schon die zweite Strafakte bekommen, die das staatsanwaltliche Aktenzeichen 666 trägt.

Muss ich mir da wohl Gedanken machen? Wurde das siebte Siegel bereits gebrochen?

Mittwoch, 23. Juni 2010

Liebe Frau Kollegin Braun,

so ein Schwein ist ja schön und gut - aber es sollte auch was drin sein! :-)

Dienstag, 22. Juni 2010

Recht ist keine Kunst, Recht ist Zauberei!

Nicht der Beste hat den Erfolg, sondern der beste Verkäufer. Das gilt nicht nur für Software und Autos, das gilt auch für Rechtsanwälte.

Woran sollte man den besten Rechtsanwalt auch erkennen? An seiner Leistung etwa? Wenn der Mandant die beurteilen könnte, wäre er selbst der bessere Rechtsanwalt. Nein, die Leistung eines Rechtsanwaltes muss dem Mandanten ein ewig Rätsel bleiben.

Und deshalb sucht der kluge Rechtsanwalt nach Symbolen, die die nicht vorhandenen Leistungsmerkmale substituieren können. Es sollten Leistungsmerkmale sein, die seiner potentiellen Mandantschaft vertraut vorkommen. Wer sich gerne mit zahlungskräftigen Mandanten umgibt, sollte möglichst an einem Teakholz-Schreibtisch sitzen und ein teures Kraftfahrzeug fahren. Das mag der Mandant. Das kennt er von zuhause.

Wer nicht in Statussymbole investieren möchte, der sollte sein Tun wenigstens soweit als möglich stilisieren. Die Kollegin Braun rät zu "mehr Drama".

Ich kannte einmal einen Rechtsanwalt, der bestand darauf, man müsse sein wahres Tun gegenüber dem Mandanten gar in eine Rauchwolke mystischen Zaubers hüllen, um echte Mandantenbindung zu erzeugen. Derlei sektiererisches Verhalten nützt nicht nur demjenigen Kollegen, der fachlich eher schwach auf der Brust ist; es hilft gerade auch dem fachlich versierten Rechtsanwalt, seine qualitativ hochwertige Leistung zu vermarkten. Arbeit hingegen ist Nebensache. Arbeit ist Schweiß und Tränen.

Und Schweiß und Tränen will keiner sehen. Holt mir lieber ein Kaninchen!

Eine Hamburgensie: Das fristwahrende Fax

In Köln hat das dortige Amtsgericht offenbar Probleme mit seinem Faxgerät. Oder genauer: Die Rechtsanwälte haben offenbar Probleme mit dem Faxgerät des Gerichts.

Amts- und Landgerichtgericht Hamburg leisten sich dafür seit jeher ein juristisches Unikum: Das fristwahrende Fax. Als fristgerecht eingegangen gelten nur solche Faxsendungen, die auf einer von zwei dafür vorgesehenen Faxnummern bei der gemeinsamen Annahmestelle der Gerichte eingehen.

Mir ist nicht bekannt, ob diese Schrulle schon jemals Gegenstand eines Rechtsstreits über versäumte Fristen geworden ist. Die Gleichmut mit der die meisten Hamburger Kollegen diesen Unsinn mitmachen, erstaunt mich allerdings. Vor allem, weil die strikte Begrenzung auf zwei Empfangsgeräte besonders in den Abendstunden dazu führt, dass man auch mal einige Stunden mit erfolglosen Sendeversuchen verbringt.

Die Hamburger Justiz sieht diesen Zustand übrigens ausdrücklich nicht als Missstand an: Man habe mit den beiden Faxgeräten noch nie Probleme gehabt, heißt es.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Superlink: Reichtum macht Schule

Die Kollegin Braun hat rechtzeitig vor ihrem Kurzurlaub einen Superlink gesetzt, den ich wegen seiner Großartigkeit aus dem Dunkel der Kommentare ans Licht des Blogs holen musste:

http://daserste.ndr.de/panorama/media/hhj484.html

Das ist ganz große Schau - Das sollte jeder gelesen haben, dermal zur Schule gegangen ist, noch zur Schule geht oder Leute kennt, die mal zur Schule gegangen sind!

Im Treppenhaus

Als ich gestern vom Mittagessen in mein Büro zurückkehrte, saß auf der Treppe im Treppenhaus ein Mann und telefonierte mit seinem Mobiltelefon. Ich wandte ihm den Rücken zu, um die Tür zum Büro aufzuschließen, da hörte ich ihn sagen:

"Jemand anderes benutzt seit fünf Jahren meinen Namen! Das Bußgeld habe ich gar nicht selbst verursacht."

Ich bin dann in mein Büro gegangen und habe die Tür leise hinter mir zugezogen. In unserem Haus arbeiten schließlich viele Rechtsanwälte.

Mittwoch, 16. Juni 2010

Wenn aus Mausis Ratten werden

Kollegin Rüber hat einen Ausflug in die Nebenklage gemacht, oder, wie die Kollegin Braun sagen würde: Sie war als Nebenklagemausi unterwegs.

Das klassische Nebenklagemausi erkennt man neben ihrem leidenden Gesichtsausdruck an ihrer schrillen, sich überschlagenden Stimme, die stets den Eindruck macht, als stünde das NKM kurz vor Einschuss der Tränenflüssigkeit. Im Strafprozess ist das NKM allenfalls geduldet, häufig belächelt, selten gefürchtet. Auch wenn Kollege Burhoff zu Recht der Ansicht ist, dass es sich immer lohne, auch die andere Seite kennen zu lernen: Die Nebenklage ist gar keine Seite.

Die Nebenklage ist bestenfalls überflüssig, in ihren schlimmsten Momenten vermag sie jeden Strafprozess aus den Angeln zu heben. Sinn und Zweck der Nebenklage mag ursprünglich gewesen sein, schutzlosen Opfern von Straftaten eine Interessenvertretung zur Seite zu stellen; tatsächlich wird diese Aufgabe seit jeher monopolistisch von der Staatsanwaltschaft ausgefüllt.

Die Nebenklagevertretung sitzt bestenfalls stumm daneben. Da ihr keine irgendwie geartete prozessuale Rolle zufällt, verlegt sich das typische NKM deshalb darauf, die formalen Prozessabläufe durch Anfeuerung der Emotionen zu torpedieren. Und Emotionen sind bekanntlich der Tod jeder sachlichen Auseinandersetzung.

Mit Schrecken höre ich von professionellen Nebenklagevertreterinnen, die allen Ernstes sagen, die Aussage einer guten "Opferzeugin" gehe zwingend mit Tränen einher. Ihre Aufgaben sehen diese "Kolleginnen" offenbar sogar selbst darin, einen fairen Prozess zu unterminieren und jeden Angeklagten - gleich ob schuldig oder nicht - durch psychologische Kriegsführung einer Verurteilung zuzuführen.

So verstanden, grenzt die Interpretation der Nebenklage selbst an den strafrechtlich relevanten Bereich. Deren Vertreterinnen müssen sich fragen lassen, ob sie eigentlich wirklich dem Recht dienen oder etwas ganz anderem.

EMMA: Übernehmen Sie!

Profit in der Schule

Während in anderswo Fußball gespielt wird, tobt in Hamburg der Wahlkampf. Es ist Volksabstimmung. Es geht darum, auf welche Schule mein Kind später mal geht. Ich bin gespannt.

Am Wochenende kam der dicke DIN A 4 Umschlag mit den Wahlunterlagen. Darin: noch ein Umschlag, ein weiterer Umschlag, ein Abstimmungsschein und eine von beiden Enden bedruckte Broschüre. In der Broschüre stellen sich die die zur Wahl stehenden Alternativen vor: Ein Zeugnis geistiger Armut trifft ein anderes. Bereits der Name der Initiative "Wir wollen lernen", weist den Weg: diffamiert sie doch bereits durch ihre Namensgebung alle Andersdenkenden als lernunwillige Leistungsverweigerer. Deren Hauptargument gegen die Einführung der Primarschule scheint zu sein, dass man doch gar nichts ändern müsse, schließlich gehe es den Befürwortern dieser Initiative doch gut. Das nennt man wohl Besitzstandswahrung, und man hätte es auch deutlich kürzer formulieren können.

Bei soviel Überzeugungskraft will sich auch die Bürgerschaft nicht lumpen lassen und wirbt für ihr Schulmodell mit solch hell erleuchteten Nullwörtern wie "sozial" und "Gerechtigkeit".

Beide Seiten haben für ihr honoriges Anliegen zunächst mal einen Haufen Geld ausgegeben, das man vielleicht auch recht gut in die Schulen hätte investieren können. Jetzt stehen an den Straßen Bataillonen von Plakaten, von denen mich Schulranzen angrinsen. Den Vogel abgeschossen aber hat die FDP, die in Hamburg seit jeher ein eher unauffälliges Schattendasein führt.

Die hat sich aus ihrer Not der völligen Bedeutungslosigkeit auf die Seite der Primarschulverweigerer geschlagen und wirbt auf Kosten der Allgemeinheit jetzt auch noch. Auf deren Plakaten steht das, was man von der FDP auch erwartet hätte, nur können andere halt besser dichten:

"Nur Elite schafft Profite".

Na dann: Prost!

Montag, 14. Juni 2010

Mein innerer Volksgerichtshof

Ich weiß schon genau, warum ich Fußballübertragungen im Fernsehen meistens ohne Ton gucke.

Neuerdings tue ich das natürlich auch wegen der nervtötenden Tröten, grundsätzlich aber wegen des unerträglichen Gelabers vor, während und nach dem Spiel. Und da sind die häufig belächelten Spielerinterviews noch das kleinste Übel.

Gestern hat die Moderatorin offenbar etwas über einen inneren Reichsparteitag des Miroslav Klose erzählt. Das hätte ich nun wiederum gerne gehört, denn es ist einigermaßen originell und hebt sich angenehm ab von dem Geschwätz, wie wir es sonst von den üblichen Verdächtigen (Beckmann, Kerner, Simon) kennen.

Aber die natürliche Emotion des willfährigen Fernsehzuschauers ist scheinbar die Heuchelei. Und deshalb regt er sich jetzt auf. Er weiß zwar nicht worüber, aber dieser Begriff, der hat doch irgendwas mit diesen - dings, äh - Nazis zu tun? Dann ist der doch schlimm, oder? Da muss man sich vorsorglich mal aufregen, sonst halten die Leute einen am Ende noch selbst für so einen dings, äh - Nazi.

Und wenn sich die Leute abgeregt haben, steigen sie in ihre Autos mit den Deutschlandfahnen und den albernen Deutschland-Kondomen über den Seitenspiegeln und fühlen sich wie echte Demokraten.

Sonntag, 13. Juni 2010

Von der Tragödie zur Komödie

Der Kollege Burhoff hat mich mit seinem Kommentar dazu inspiriert, den Fortgang der Verkehrstragödie mitzuteilen.

Mein einziger Verteidigungsansatz war nämlich die Behauptung, dass es sich bei dem Parkplatz einer Gaststätte nicht um öffentlichen Verkehrsraum handelt und daher die StVO nicht gelte. Das sei so nicht ganz richtig, sagte der Amtsanwalt nicht ganz zu Unrecht, mit der Argumentation würde ich nichts. Das Gespräch ließ sich nicht gut an.

Dann hatte der Amtsanwalt offenbar den flugs beschafften BZR-Auszug gelesen und gab einen seufzenden Laut von sich. Er teilte mir mit, dass mein Mandant die Fahrerlaubnis ja gerade erst nach monatelanger Sperrzeit zurück erhalten habe. Das war mir neu. Das sähe schlecht aus, da würde er die Fahrerlaubnis ja nie wieder bekommen. Auch dem konnte ich nicht viel entgegensetzen.

Dann passierte das Wunder. Der Amtsanwalt meinte, er fände es ungerecht, wenn mein Mandant wegen so einer Lappalie für immer seine Fahrerlaubnis verlöre. Er werde das Verfahren jetzt einfach einstellen. Den Führerschein könne ich mir auf der Geschäftsstelle abholen. Nix wie hin, habe ich mir da gedacht, bin zur Staatsanwaltschaft gefahren und hatte wenig später tatsächlich den Führerschein des Mandanten in Händen. Wieder im Büro wollte ich den Mandanten mit der guten Nachricht erfreuen.

Leider mochte der sich trotzdem kaum freuen. Sein Auto war in der Nacht geklaut und wenig später mit Totalschaden an einem Baum aufgefunden worden.

Freitag, 11. Juni 2010

Schlau durch Migration!

Hilfe, wir verblöden!

Und der Grund dafür sind die Einwanderer. Hat Thilo Sarrazin - derzeit Vorstand der Bundesbank - festgestellt. Thilo Sarrazin ist berühmt dafür, dass er auch früher schon vieles festgestellt hat, z. B. dass Hartz-IV-Empfänger sich im Gegenwert von EUR 3,76 am Tag gesund ernähren könnten, wenn sie statt Alkohol und Zigaretten z. B. Müsli und Schwarzbrot kauften. Gut, er hatte sich da beim täglichen Kalorienbedarf etwas vertan, aber irgendwie wird er schon recht gehabt haben.

Jetzt hat der Thilo also festgestellt, dass der bundesdeutsche Durchschnitts-IQ sinkt, weil zu viele anatolische Bauern ins Land strömen. Im Gegensatz zur Kalorien-Arithmetik der Arbeitslosen hat er uns damit vor eine stochastische Herausforderung gestellt.

Nehmen wir mal an, 80 Millionen Bundesbürger hätten einen IQ von 100. Jetzt kommt ein anatolischer Schafhirt mit einem mutmaßlichen IQ von 70 von drüben nach hier. Abgesehen davon, dass der Thilo dabei möglicherweise Intelligenz mit Bildung verwechselt hat: Gesetzt, dass der türkische Durchschnitts-IQ qua definitionem auch bei 100 liegt, wäre durch diesen Migrationsakt der deutsche Durchschnitts-IQ vielleicht gesunken, der türkische Durchschnitts-IQ aber auf jeden Fall gestiegen. Sensationell!

Die Türkei als Musterland: Schlau durch Migration!

Höhere Wesen befahlen:

Obere rechte Ecke schwarz malen.

Das ist der Titel eines der schönsten Werke von Sigmar Polke. Es handelt sich um ein recht großes weißes Bild, dessen rechte obere Ecke..., eben schwarz gemalt wurde. Das Bild hängt in Hamburg in der Kunsthalle und ist im gleichen Jahr geboren wie ich, nämlich 1969.

Jetzt ist Sigmar Polke gestorben. Das ist sehr schade. Denn Künstler mit Humor sind selten.

Das musste hier auch mal gesagt werden.

Eine Verkehrstragödie

Der Mandant saß nachts gegen eins in seinem Stammlokal und war schon sehr angetrunken. Da kam der Wirt zu ihm. Das Fahrzeug auf dem Parkplatz gehöre doch ihm? Das versperre einem Lieferanten die Zufahrt. Ob er es einige Meter wegfahren könne?

"Nein", sagte da der Mandant, "dazu bin ich zu besoffen." Trotz dieser bemerkenswerten Selbsterkenntnis kam es, wie es kommen musste: Der Wirt quengelte noch ein bisschen, der Mandant ließ sich breit schlagen. Er setzte sich in sein Fahrzeug, selbiges zurück und dabei gegen ein dahinter stehendes Fahrzeug. Man betrachtete gemeinsam den verursachten Schaden.

"Macht nichts", meinte der Wirt, "den Eigentümer des Fahrzeugs kenne ich, der sitzt auch bei mir im Lokal." Also holte man flugs den geschädigten Gast herbei und erklärte ihm die missliche Situation. Der Gast war gar nicht pingelig, klar, dass könne man doch privat regeln; der Mandant zeigte dem Gast seinen Personalausweis und gab ihm seine Versicherungsnummer.

Als man gerade fertig war, kam die Polizei.

Nachbarn hatten den Unfall aus dem Schlafzimmerfester heraus beobachtet und vorsorglich mal die Polizei gerufen. Zu dritt konnten Mandant, Wirt und Gast den Beamten und seine Begleitung - eine Auszubildende - davon abhalten, den Unfall aufzunehmen.

Als die Beamten sich schon zum Gehen abgewandt hatten, sagte die Auszubildende zu ihrem Vorgesetzten: "Der eine von denen roch aber ganz schön stark nach Alkohol".

Darauf kehrten beide noch einmal um, und der Mandant verlor doch noch seinen Führerschein.

Donnerstag, 10. Juni 2010

So nett wie EMMA!

Der Kollege Enforcer war so nett, uns mit einem link zum Emma-Forum "Kachelmann" zu beglücken. Ich habe da mal reingeguckt.

Dass im Forum der Emma sachlich diskutiert werden würde, hatte ich nicht erwartet. Wäre ja auch irgendwie schade.

Das Ausmaß an Beleidigungen und Verleumdungen, das man dort lesen kann, hat mich dann aber doch überrascht. Noch mehr überrascht hat mich allerdings der dortige Hinweis, dass die Redaktion der EMMA sämtliche dort geposteten Beiträge vorher freischaltet und sie sich somit zu eigen macht. Nach den hier nachzulesenden "showrules" soll die Redaktion angeblich nicht veröffentlichen und nicht verlinken:
  • Beleidigungen oder persönlich werden beim Diskutieren
  • Extreme oder bösartige Unterstellungen
  • Volksverhetzung und extremistisches Gedankengut
  • Öffentliche Aufrufe zur Gewalt
  • Menschenverachtende Posts bzw verlinkte Bilder
  • Frauenverachtung & Frauenhass
  • Rassismus, Sexismus und Antisemitismus
  • Über Sex kan man/frau schreiben, aber keine Bilder verlinken!!!
  • Provokationen
  • NS-Vergleiche
Das beschert mir zwei weitere Erkenntnisse:

1. Männerverachtung und Männerhass ist bei EMMA erlaubt (vgl. Punkt 6!).
2. Alles das, was wir in diesem Forum lesen können, ist nach Auffassung von EMMA wederbeleidigend oder "persönlich werdend", enthält keine "extremen oder bösartigen Unterstellungen"; ja nicht einmal "provozierend" scheint man es zu finden.

Nun würde mich interessieren, ob das dann auch der übliche Umgangston in der Redaktion ist. Danach müsste es in der EMMA ja rüder zuzugehen als an der Pissrinne im Stadion.

Mittwoch, 9. Juni 2010

Bei der Geburt getrennt

Neueste Erkenntnisse belegen: Der Vorsitzende der niederländischen "Partei für die Freiheit", Geert Wilders, könnte einen bisher unbekannten Zwillingsbruder haben. Nur wertvolle Grundkenntnisse im Urheberrecht lassen mich davor zurückschrecken, hier meine Entdeckung mit Photos aus dem Internet zu belegen. Nur so viel:

Wer bei Google Bildersuche "Geert Wilders" eingibt und die Ergebnisse mit der Bildersuche für den Namen "Draco Malfoy" verbindet, dem wird einiges klar werden.

Und Ihr Holländer: Sagt hinterher nicht, Ihr wäret nicht gewarnt gewesen!

Holt ihn rein den Schuft! Alkoholismus Reloaded

Ich nehme Bezug auf mein Posting vom gestrigen Tage und versichere hiermit anwaltlich, dass der Vorsitzende Richter den Zeugen ebenso belehrt hat! Ich sehe mich zu diesem Schritt veranlasst, weil einzelne Leser in diesem Punkt an meiner uneingeschränkten Glaubwürdigkeit zweifeln, was mich natürlich ungemein schmerzt.

Eine Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit hätte übrigens auch deshalb keine Aussicht auf Erfolg gehabt, weil sich die Äußerung ja nicht auf meinen Mandanten oder mich bezog, sondern auf einen Belastungszeugen, also einen von den Bösen. So gerne ich Richter sonst etwas verübele, hier wäre es fehl am Platze gewesen.

Der Richter ist mittlerweile pensioniert. Über seinen etwaigen Alkoholkonsum ist mir nichts bekannt. Er war aber - wie gesagt - ein wenig verschroben. Vor meiner ersten Verhandlung bei diesem Richter erzählte mir ein Kollege von ihm, er habe einen - jugendlichen - Angeklagten nach einem Rechtsgespräch wieder in den Saal gerufen mit den Worten: "Holt ihn rein, den Schuft!". Ich hatte diese Schilderung zunächst für stark übertrieben gehalten, musste diese Einschätzung aber schon nach dem ersten persönlichen Kennenlernen revidieren.

Davon später mehr. Cliffhanger! :-)

Dienstag, 8. Juni 2010

Was einem nach der Falschaussage blüht

Belehrungen, vorschriftsgemäß ausgeführt, wirken häufig blutarm und formalistisch.

Wie anders machte es doch seinerzeit ein in Hamburg als verschroben geltender Amtsrichter, der einen als Zeugen geladenen Polizeibeamten mit den Worten belehrte:

"Wenn Sie hier lügen, können Sie in den Knast kommen. Und wie es dann weiter geht, das können Sie sich ja denken:

Alkoholismus - Gosse - Früher Tod."

So will ich meine Belehrungen zukünftig immer haben.

Montag, 7. Juni 2010

Wie unfair: Kampf um das Amt des Bundespräsidenten

Der Bundespräsident wird bekanntlich von der Bundesversammlung gewählt.

Die Bundesversammlung besteht aus den Bundestagsabgeordneten plus der gleichen Anzahl Delegierter der Landesparlamente. Letztere entsandten bisher gerne A-, B- und C-Promis, um der Wahl einen der Würde des Amtes gerechten Glanz zu verleihen. Denn Spannung hat die Wahl eigentlich noch nie verbreitet: Wer gewählt werden würde, stand bisher immer von von vornherein fest.

Und jetzt auf einmal wird die SPD unfair: Anstatt - wie sonst immer - eine chancenlose Zählkandidatin zu nominieren, hat man sich dieses Mal dazu entschlossen, Joachim Gauck zu nominieren. Das ist ungeheuerlich. Die CDU hat auf dieses rüde Foul sogleich reagiert und angekündigt, im Gegenzug auf ihre Prominenz verzichten zu wollen und nur noch echte Parlamentarier in die Bundesversammlung entsenden zu wollen. Sicher ist sicher. Parlamentarier unterliegen der Fraktionsdisziplin und verhindern so, dass wieder jemand derart aus dem Ruder laufen könnte wie weiland Fürstin Gloria, die statt Hotte Köhler doch glatt Gesine "die Frisur" Schwan gewählt hatte.

Ob das die Würde des Amtes beschädigt? Sagen wir mal so: Christian Wulff wird grinsen. So oder so.

Tipps für die Selbständigkeit, Teil eins

Als ich seinerzeit überlegte mich selbständig zu machen, habe ich von mancher Seite Rat eingeholt. Einige Ratschläge sind mir dabei wegen ihrer Originalität besonders im Gedächtnis geblieben:

So gab mir der Seniorpartner einer großen Hamburger Sozietät für meine Planungen folgendes mit auf den Weg:

"Eins müssen Sie dabei bitte bedenken: Wenn Sie sich selbständig machen, dann muss das auch klappen."

So einfach ist das.

Eine aufnehmen, eine fallen lassen

Früher war es ein Problem, wenn die anderen nicht mit einem spielen wollten, jetzt auf einmal wollen sie alle mit einem kooperieren.

Man findet man sich dazu heutzutage in so genannten Netzwerken zusammen. Der Spaß fängt mit dem Wort schon an. Es handelt sich um eine ungelenke und überflüssige Eindeutschung des englischen Wortes "network", dessen deutsche Übersetzung "Netz" bedeutet. Ein anderes Pendant wäre vielleicht "Maschenwerk". Passt auch viel besser: eine aufnehmen, eine fallen lassen.

Die Sache selbst ist etwa so überflüssig wie das Wort. Früher kannte man viele Menschen;, heute baut man sich ein Netzwerk auf. Und wenn man zu träge ist, in die Welt zu gehen, geht man ins Internet. Dort haben findige Geschäftsleute längst die Voraussetzungen getroffen, sich virtuell zusammenzurotten, um anderen die eigene Dienstleistung aufzuschwatzen. So belauern sich die Selbständigen auf Internetplattformen wie XING gegenseitig, um sich wechselseitig als Kunden zu gewinnen. Klappt so mäßig, wenn alle nur verkaufen wollen, aber keiner einkaufen will.

Manchmal wagen sich die Netzflicker auch in die wirkliche Welt hinaus zu so genannten "Netzwerkparties". Da belauern sie sich dann in realiter und hauen sich selbst gedichtete Werbeslogans um die Ohren.

"Ich bin die Moni und ich mache Deine inneren Werte sichtbar." Na dann mal los.

Sonntag, 6. Juni 2010

Der Tor ohne Zweifel

Im Zweifel für den Angeklagten heißt es im Strafprozess. Und zur Fußball-WM: Im Zweifel kein Tor, wie man hier nachlesen kann.

Aber der Zweifel ist ein flüchtig Ding: Manch einer hat ihn nicht einmal, wenn er ihn haben müsste. Der Fußballschiedsrichter aus dem oben verlinkten Zitat z. B. müsste Zweifel an einem regelgerechten Tor immer dann haben, wenn der Ball mit einer bestimmten Geschwindigkeit auf die Linie knallt. Den Zweifel hat der Schiedsrichter tatsächlich aber praktisch nie, denn um die Gesetze der Physik wissen nur die wenigsten.

Ähnlich geht es auch dem Strafrichter: Je weniger Sachwissen er hat, desto weniger Grund zum Zweifel wird er auch. Wer z. B. kein psychologisches Fachwissen hat, dem wird auch nie ein Zweifel daran kommen, dass z. B. die Frau, die Kachelmann belastet hat, die Unwahrheit gesagt haben könnte.

Das wäre doch ein Grund, eine Fortbildungspflicht für Richter gesetzlich zu statuieren, und zwar eine Fortbildungspflicht nicht nur auf juristischem Gebiet ("Wie schreibe ich ein revisionssicheres Urteil?"), sondern insbesondere eine Fortbildungspflicht auf verwandten Fachgebieten wie Psychologie oder Psychiatrie. Dem steht aber etwas entgegen - nämlich die richterliche Unabhängigkeit.

Das ist in diesem Falle das Vorrecht des Richters, doof zu bleiben, deshalb keine Zweifel hegen zu müssen und unbeschwert verurteilen zu dürfen. Zu Lasten der Angeklagten.

Ein Tor, wer Böses dabei denkt!

Samstag, 5. Juni 2010

The Return of Jolly Roger

Hurra! Erstmals seit etwa 400 Jahren erwartet Hamburg wieder einen Prozess gegen richtige Seeräuber!

Denn die niederländische Justiz hat entschieden, dass die somalischen Piraten ausgeliefert werden sollen, die vor der somalischen Küste die MS "Taipan" gekapert hatten. Zuständig für deren strafrechtliche Beurteilung ist das Landgericht Hamburg, weil Heimathafen des gekaperten Schiffs eben Hamburg war.

"Hurra!", werden da auch die Piraten sagen, hat doch Hamburg seit den letzten hier verhandelten Piraterien nicht nur die Todesstrafe abgeschafft, sondern auch ein leidlich funktionierendes rechtsstaatliches System etabliert. Das hätte wahrlich schlimmer kommen können, wäre der Heimathafen des gekaperten Schiffes z. B. Shanghai gewesen. Damit wäre bei dem Namen des Schiffes ja durchaus zu rechnen gewesen.

In Hamburg gibt es außerdem so viele Totenkopf-Flaggen wie sonst nirgends in der Republik und sogar eine Kneipe, die danach benannt ist und die sogar manchmal von der heimischen Polizei geentert wird.

Da sollten sich Piraten doch richtig wohl fühlen.

Einmal in der Klapse, immer in der Klapse

Viele Menschen leben in Angst und Schrecken vor dem Verbrechen.

Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, einmal Opfer eines Verbrechens zu werden, gar nicht so groß. Nicht viel größer jedenfalls, als einmal Opfer einer selbstherrlichen Justiz zu werden.

Noch viel größer aber ist die Gefahr zum Opfer zu werden, wenn Justiz und Psychiatrie zusammenwirken. Hierauf weist z. B. der Kollege Siebers hier hin. Wenn dann noch eine Prise sensationsgeiler Presse hinzukommt, kann jeder von uns von heute auf morgen und für unabsehbare Zeit hinter den Mauern einer psychiatrischen Klinik verschwinden. Und mit Glück hört er die Welt draußen sogar noch Beifall klatschen.

Denn wer gemeingefährlich ist, bestimmt nicht der Richter, das bestimmt der Psychiater. Und was ein Psychiater schreibt, das vermag kaum ein Richter nachzuvollziehen, schließlich hat er Jura und nicht Medizin studiert. Deshalb ist der Richter faktisch gezwungen, die gutachterlichen Ergüsse eines Psychiaters eins zu eins zu übernehmen.

Das wirklich Perfide an dem Verfahren aber ist: Wenn einmal ein Psychiater - und ihm folgend ein Gericht - Sie fälschlicherweise für gemeingefährlich gehalten hat, gibt es für Sie so gut wie kein Zurück. Denn spätere Gutachten prüfen nicht mehr, ob Sie wirklich gemeingefährlich sind. Spätere Gutachten prüfen nur noch, ob Ihre psychische Situation sich gegenüber der Ausgangssituation verändert hat. Und waren Sie anfangs harmlos und sind es jetzt immer noch, bleiben Sie für Gericht und Psychiatrie gemeingefährlich. Ein für allemal.

Davor sollten Sie mal richtig Angst haben.

Freitag, 4. Juni 2010

Mit dem Bauch gegen die Staatsmacht

Udo Vetter widmet sich hier nochmals der angeblichen Zunahme von Straftaten gegen Polizeibeamte und dem Vorschlag des niedersächsischen Innenministers, doch die Strafandrohung für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte anzuheben. Zum rechtlichen ist den Worten des Kollegen Vetter nichts hinzuzufügen, höchstens einigen der Kommentare.

Zum Thema Abschreckung - und warum es sie nicht gibt - ist eigentlich auch schon alles gesagt, deshalb möchte ich hier stattdessen von einem erschütternden Fall exzessiver Gewalt gegen Polizeibeamte berichten.

Der Mandant, ein etwa einen Meter sechzig großer Rentner mit einem veritablen Körperumfang, war - wie sich später herausstellte, unberechtigt - in den Verdacht geraten, unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug geführt zu haben. Also suchten ihn des Nachts mehrere Polizeibeamte in seiner Wohnung auf, wo sie meinen Mandanten bereits im Schlafanzug antrafen. Nachdem sich die Beamten Zugang zur Wohnung verschafft hatten, kam es zum Showdown in der Küche, wo sich der größere der beiden Beamten - nur knapp über 190 cm - an meinem Mandanten vorbei ins Kücheninnere drängeln wollte. Dabei verlor der Beamte zeitweise die Balance.

In der Anklageschrift las man dann, der Mandant hätte eine Widerstandshandlung gegen einen Vollstreckungsbeamten verübt, indem er den Polizeibeamten mittels seines Bauches durch Herausfahren desselben umgestoßen habe.

Die Anklage wurde ernsthaft erhoben, zugelassen und der Mandant verurteilt. Dass nicht einmal die Amtshandlung der Beamten rechtmäßig gewesen war, hat dann auch keinen mehr gestört.

Richter kennen keine Gebühren, sie kriegen Gehalt

Vor einiger Zeit habe ich einen Kollegen vor dem Amtsgericht Rostock in einer Honorarklage vertreten. Es war beeindruckend zu sehen, zu was Richter fähig sind, wenn eine Partei ein Rechtsanwalt ist. Der Hass und Neid auf selbständige Rechtsanwälte muss wirklich sehr tief sitzen.

Der Kollege hatte einen eher wohlhabenden Mandanten erbrechtlich beraten. Er hatte dessen gesamte Familiensituation aufgenommen, über grundsätzliche Gestaltungsmöglichkeiten unterrichtet und ein bereits vorhandenes Testament überprüft. Die gesamte Besprechung hatte etwa eine Stunde gedauert.

Danach meldete sich der Mandant nicht mehr wieder. Die abgerechnete Beratungsgebühr - noch aus Zeiten der gesetzlich geregelten Beratungsgebühr der Nr. 2100 VV RVG - bezahlte er nicht, so dass wir Klage einreichten.

In der mündlichen Verhandlung vertrat der vorsitzende Richter die Rechtsauffassung, für eine Stunde juristischer Arbeit wäre gleichwohl keine Gebühr angefallen, schließlich sei dem Mandanten kein Rat erteilt worden. Meinen zarten Hinweis, dass diese Rechtsauffassung im krassen Gegensatz zur Gesetzeslage wie auch zur Rechtsprechung aller bundesdeutschen Gerichte seit Gründung der Bundesrepublik stünde, ignorierte der Vorsitzende. Meine Bitte, wenigstens die Berufung zuzulassen, ignorierte er ebenfalls.

Vielleicht hätte der Kollege dem Mandanten zum Abschluss des Beratungsgesprächs den Weg zur Tür weisen sollen, dann hätte er nach der Auffassung dieses Richters wenigstens seine Gebühr verdient.

Dazu fällt einem nichts mehr ein. Außer vielleicht ein Ausspruch des großartigen Egon Schneider, den ich hier (sinngemäß) zitieren möchte:

"Wenn Richter immer so viel Sorgfalt an den Tag legen würden, wie dabei, Rechtsanwälten ihre mühsam verdienten Gebühren streitig zu machen, dann hätten wir eine bessere Rechtsprechung."


Donnerstag, 3. Juni 2010

Heute mal Mandant

Heute war ich mal Mandant. Nicht mein eigener - Gott bewahre. Ich hatte meine Prozessbevollmächtigte dabei.

Der Rechtsanwalt sollte zu Recht niemals, aber auch wirklich niemals in eigener Sache auftreten: Wer das tut, der merkt, was Befangenheit wirklich bedeutet. Denn natürlich habe ich Recht und der andere nicht. Das muss das Gericht doch merken! Sonst säßen wir doch nicht hier.

Leider lässt es sich auch bei eingeschalteter Prozessbevollmächtigter nicht vermeiden, dass das Gericht Fragen an mich als Naturalpartei richtet, sei es im Wege der bloßen informatorischen Anhörung zur Sachverhaltsaufklärung oder im Wege der Parteivernehmung. So genau zu trennen scheinen Richter das sowieso nicht. Natürlich kann man auch einen instruierten Vertreter schicken, aber wie das läuft, hat man dann heute auf der Gegenseite gesehen: Der instruierte Vertreter wirkt irgendwie fehl am Platze und kann in den meisten Fällen gerade zu den entscheidenden Fragen keine Auskunft geben.

Also habe ich mein Begehr doch persönlich erläutert. Das ist sehr sehr anstrengend und zehrt an meinen Nerven. Ich mache jetzt Feierabend.

Ich möchte kein Mandant sein.


Mittwoch, 2. Juni 2010

Ich sag ja gar nichts...

"Ich sag ja gar nichts, ich meine ja nur...", pflegt ein Freund von mir in Situationen ähnlich der hier geschilderten zu sagen, wenn er nämlich etwas sagen will, aber die daraus sich ergebenden Konsequenzen umgehen möchte.

So geht es eben vielen Menschen: Einige davon rufen Rechtsanwälte an und wollen nur mal eben was fragen. Das kann doch nichts kosten, schließlich heißt es im Volksmund ja auch: "Fragen kostet nichts". Nun fällt die Gebühr genau genommen nicht für die Frage, sondern für die Antwort an, aber jetzt werde ich schon wieder pingelig. Typisch Jurist.


Ist der Tod noch sein eigener Herr?

Another one greift hier eine rechtlich brisante und hoch philosophische Frage auf. Der BGH muss in dem angesprochenen Verfahren darüber entscheiden, wer "Herr über Leben oder Tod" ist.

Grundsätzlich sollte man meinen, dass der Tod sein eigener Herr ist. Zumindest hat es der Mensch in seiner Geschichte bisher stets so gesehen und den Tod nicht umsonst häufig personifiziert als Sensenmann mit Sanduhr dargestellt. Wer den Tod zur Unzeit herbeirief, wurde von jeher hart bestraft.

Seit geraumer Zeit gibt es nun Menschen, die den Tod zumindest eine Zeit lang am Eintreten hindern können. Das ist eine glückliche Entwicklung, so lange es dem Willen des Menschen entspricht. Irgendwann kann dieses Glück in ein Unglück umkippen, wenn es nämlich dem Willen des betroffenen Menschen nicht mehr entspricht. Viele Menschen versuchen diesen Zeitpunkt mit Hilfe von Patientenverfügungen oder ähnlichen Erklärungen frühzeitig für sich festzulegen - nur klären sie damit in Wahrheit kaum etwas.

Einige entscheidende Fragen nämlich werden bleiben:

Wer muss sich an den einmal geäußerten Willen halten, wenn es wirklich darauf ankommt?
Mit welcher Sicherheit muss dabei der einmal geäußerte Wille noch fortbestehen?

Diese Fragen eindeutig zu beantworten hieße, sich nun seinerseits zum Herr über Leben oder Tod aufzuschwingen. So lange aber diese Fragen nicht allgemeinverbindlich beantwortet sind, wird man es keinem Arzt verübeln können, wenn er aus Angst vor Strafverfolgung den Stecker immer wieder in die Steckdose steckt, auch wenn der Betreuer ihn vorher herausgezogen hat. An diesem Dilemma wird keine Patientenverfügung, kein Betreuer und letztlich auch kein Gericht etwas ändern können.

Diesmal ist der BGH wirklich nicht zu beneiden. Auf seine Entscheidung bin ich wirklich gespannt.

WM-Spezial: Verträge sind zum Brechen da

Während uns die Fußball-WM ablenkt, werden die so genannten "Scouts" der Profivereine wieder darauf lauern, potentielle Weltstars zu entdecken und von ihren aktuellen Vereinen abzuwerben. Wir freuen uns auf eine vollbesetzte Gerüchteküche: Boateng zu Manchester City? Aogo zu Inter Mailand? Mertesacker zu Juventus Turin?

Landauf, landab wird dann wieder das Klagelied ertönen, vom Söldner, der der Fußballprofi doch ist, und wer - Lena würde sagen: altsprachlich unterwegs ist - der weiß auch den passenden lateinischen Satz dazu: Pacta sunt servanda.

Der Hamburger wird wieder von seinem "Uns" Uwe Seeler schwärmen, der in der Steinzeit des Fußballs ein Angebot von Inter Mailand sausen ließ und lieber daheim in Hamburg geblieben ist. Das waren Zeiten, werden Sie hören, da waren Fußballspieler noch bodenständige, ehrliche Arbeiter, die mit D-Mark bezahlt wurden und bei der Nationalhymne aus Überzeugung mitgesungen haben. Heute erleben wir ein Heer von selbstverliebten Weicheiern, die sofort nach Mailand oder Madrid türmen, wenn dort gerade ein Oligarch mit dem Geldkoffer winkt.

Und wenn Sie dann noch an einen etwas nationalistisch veranlagten Zeitgenossen geraten, wird er Ihnen verraten, womit der Niedergang eingeläutet wurde: Es sind die Ausländer! Überall Neger! Die machen mittlerweile nicht einmal mehr vor unserer Nationalelf Halt: Wo früher ehrliche Tilkowskis, Kuzorras und Libudas schufteten, schlurfen heute die Boatengs, Aogos und Cacaus übers Feld.

Und kaum, dass denen mal jemand richtig Geld hinhält, sind die weg. Das ist den Schland-Schreiern mit der Uwuseeler-Tröte dann aber auch wieder nicht recht.

Denn schließlich hatten die doch Vertrag.

Dienstag, 1. Juni 2010

Der Anwalt als Trottel oder Verbrecher

Die Kollegin Braun möchte offenbar nicht Fachanwältin für kleine Streitwerte werden und will sich auch nicht auf eine geplante Liste der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer setzen lassen.

Die Kammer möchte auf dieser Liste all diejenigen Kollegen versammeln, die bereit seien, "auch ohne zusätzliche Gebühren" in PKH-Verfahren tätig zu werden. Das lässt zweierlei Interpretation zu:

Entweder ist es wörtlich gemeint, dann käme der Eintrag auf eine solche Liste der Erklärung gleich, dass man keine Gebührenüberhebung, § 352 StGB (Vorsicht Dunkelnorm!), begehen werde. Denn § 121 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verbietet es dem Rechtsanwalt, gegen seinen Mandanten eine Vergütung geltend zu machen, wenn PKH gewährt wurde. Das wäre für den unterzeichnenden Rechtsanwalt eine Selbstverständlichkeit, für die übrigen der verbriefte Generalverdacht, Straftaten zu Lasten der eigenen Mandanten begehen zu wollen.

Es könnte aber auch so gemeint sein, wie die Kollegin insinuiert: Dann wäre der Beitritt zur Liste gleichbedeutend mit dem generellen Verzicht auf gesetzlich anfallende Gebühren. Das wäre wohl kaum rechtswirksam und ansonsten auch ziemlich blöd.

Ein entsprechender Brief an meine Kammer ist unterwegs.






Folter

Nun ist es soweit:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Markus G. mit seiner Beschwerde Recht gegeben und Deutschland wegen Androhung von Folter verurteilt. Zwar hat der Gerichtshof ausdrücklich hervorgehoben, dass damit keine Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden sein könne, aber darum ging es auch nicht.

Es ging um einen Polizeipräsidenten, der dem festgenommenen G. die Zufügung schlimmster körperlicher Schmerzen angedroht hatte, wenn er nicht verrate, wo sich sein Opfer befinde. Und der für dieses rechtsstaatliche Glanzleistung in der Öffentlichkeit teilweise auch noch Lob geerntet hatte.

Um festzustellen, dass das verboten ist, hat es also des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bedurft.