Mittwoch, 14. September 2011

Zukunft in dunkler Zeit

Die Welt ist schlecht. Es gibt kein Recht, und wenn, dann kostet es Geld. Es herrschen Ungerechtigkeit, Jammer und Verzweiflung.

Während die einen mit dem Bürzel im Goldbad eintauchen, nagen die anderen am Hungertuch. Die einen: das sind beispielsweise die Staranwälte in den Großkanzleien, von früh bis spät im Einsatz für das Großkapital, dem sie selbst angehören. Paläste, soweit das Auge reicht.

Die anderen: das sind die vom Geldadel gedemütigten und ausgebeuteten Proletarier am Ende der Nahrungskette. Arme, geschundene Kreaturen, die durch dunkle Gassen schleichen auf der erfolglosen Suche nach Rat und ihrem guten Recht.

Aber damit macht einer jetzt Schluss! Es tritt an für Sie der edle Rächer der Entrechteten, der Vater Courage der Mahagonischreibtischplatten , die Mutter Teresa des kompetenten Rechtsrats und er ist angetreten, den finsteren Moloch der Bezahlberater in die Knie zu zwingen. ER ist es! Nur ER kann uns retten! Denn ER ist der Haeger, ER ist Welf Haeger, und er präsentiert uns jetzt: (Fanfaren) ZUKUNFTSJURISTEN!

(Mehr Fanfaren) ER wird den Staranwalt am Schopfe packen und ihn zwingen, zu Bettellöhnen den Armen ihr Recht zu verschaffen! ZUKUNFTSJURISTEN holt die Anzugträger aus ihren Datenräumen und zwingt sie, den Erwerbslosen ihre Antragsformulare auszufüllen! Mit ZUKUNFTSJURISTEN taucht die Zunft ein in eine neue, nie dagewesene Phase der Moralität.

Heil dem Erlöser, Beratungshilfe für alle!

P.S.: In Hamburg, wo ich meinen Kanzleisitz unterhalte, gibt es keine Beratungshilfe. Ihr Kollegen am Neuen Wall, am Jungfernstieg, am Ballindamm und wo Ihr alle sitzt: Glück gehabt!


Dienstag, 13. September 2011

Hier schreibt die Kavallerie

Es gibt Dinge, die muss man wohl nicht verstehen.

So ist mir z. B. bis zum heutigen Tage rätselhaft, welches Selbstverständnis bei Staatsanwälten der Generalstaatsanwaltschaften bzw. des Generalbundesanwaltes herrschen mag. Deren Aufgabe besteht laut Gesetz unter anderem darin, Revisionsbegründungen der Angeklagten zu würdigen und einen eigenen Antrag zum Revisionsgericht zu stellen.

Was dabei herauskommt, ist in der Regel unter aller Sau. In den zumeist aus maximal einer DIN A-4-Seite bestehenden Pamphleten wird in 99 % der Fälle die Zurückweisung der Revision als offensichtlich unbegründet beantragt, und zwar völlig unabhängig von den erhobenen Rügen. Die Begründungen bestehen durchweg aus vorgefertigten Textbausteinen, die in der Regel keinerlei Bezug zum konkreten Fall aufweisen. Kollege Hoenig zitiert hier eine solche Antragsschrift. Allerdings würde ich die erbärmliche Qualität weniger auf Ahnungslosigkeit als auf Faulheit (und manchmal auch auf Bösartigkeit) zurückführen wollen.

1.
Der erste Baustein ist stets der Antrag, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. In fünfzehn Jahren Berufstätigkeit, von denen ich mich neun vorrangig mit Revisionen im Strafrecht befasst habe, habe ich genau einmal erlebt, dass die Generalstaatsanwaltschaft einen von mir gerügten Rechtsfehler als solchen akzeptiert hätte. Die Regel gilt selbst für solche Fälle, in denen die gerügten Fehler so offensichtlich sind, dass das Revisionsgericht die Revision nur noch mit dünnen Sätzen begründet durchwinkt. Aus Sicht des Generalbundesanwaltes ist die Revision des Angeklagten per se unbegründet, egal, was in seinem Antrag steht.

2.
Rügt man Fehler in der Beweiswürdigung des Tatgerichts, schließt sich dem Antrag des Generalbundesanwaltes regelmäßig die Floskel an, die Revision ersetze lediglich die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene. Das ist bereits argumentativ eine Fehlleistung, denn gerügt wird ja nicht - zumindest nicht, wenn die Revision von mir stammt - gerügt wird ja nicht, dass das Gericht Beweise anders hätte würdigen müssen, sondern dass es bei seiner Würdigung Fehler gemacht hat. Das kümmert den durchschnittlichen Beamten beim Generalbundesanwalt aber nicht einmal dann, wenn man - als umsichtiger Verteidiger - bereits mit der Revisionsbegründung selbst auf diesen Unterschied hingewiesen hat. Die Floskel kommt in 90 % der Revisionen unabhängig davon, ob sie passt oder nicht; schließlich will der Kollege diesen Baustein ja damals nicht umsonst geschrieben haben.

3.
Der staatsanwaltschaftliche Rechtsbaukasten schließt zumeist mit einigen uralten Leerfloskeln, die wahrscheinlich schon Staatsananwalts Urgroßvater auf Ärmelschonern in seine Stoßstangenschreibmaschine gehämmert hat und die seither in den Resopaltischen hängen. Man erkennt sie an ihrem altmodischen Stil:
  • Gegen den Rechtsfolgenausspruch ist nichts zu erinnern,
  • Die Sachrüge greift nicht durch.
  • Der Vortrag des Revisionsführers deckt keinerlei Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.
4.
Ausfertigen, unterschreiben, fertig ist die Laube. Nur mit der Rechtslage im konkreten Fall hat das alles leider gar nichts zu tun.

Montag, 12. September 2011

Kindisch oder kriminell?

Letztens fand ich in meinem E-Mail-Postfach eine Nachricht von einem mir persönlich nicht bekannten Absender. Es ging um einen so genannten Rotlichtverstoß. Der gute Mann hatte eine Sachverhaltsschilderung angehängt und sprach mich mit "Sehr geehrte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte" an.

Man kann also davon ausgehen, dass etliche weitere Kollegen seine Bewerbung als Mandant bekommen haben. Von zweien weiß ich es bereits definitiv. Dafür, dass der Möchtegern-Mandant wahrscheinlich gleich alle 116.000 Mitglieder der AG Verkehrsrecht im DAV angeschrieben hat, hat er auch einen Grund. Der Möchtegern-Mandant umschreibt ihn wörtlich so:

"Da der Versicherungsumfang eine Selbstbeteiligung von 150,00 € vorsieht, würde ich Ihre Leistung nur in Anspruch nehmen wollen, wenn sie von der Selbstbeteiligung von 150,00€ absehen würden und lediglich die Kosten mit meiner Rechtsschutzversicherung abrechnen.
Wenn sie nicht auf die 150,00€ verzichten wollen, würde die Inanspruchnahme ihrer Leistung mir mehr Geld kosten, als der Bußgeldbescheid. Deshalb würde ich in dem Fall keine Rechtshilfe in Anspruch nehmen.
"

Da hat der gute Mann einen wichtigen wirtschaftlichen Zusammenhang bereits erkannt: Was mehr kostet als es nützt, ist unökonomisch. Aber mit der Umsetzung dieses Grundsatzes hapert es noch, denn offensichtlich möchte der Kandidat ja trotzdem anwaltlich vertreten werden. Möglicherweise hat er unbewusst erkannt, dass anwaltlicher Beistand durchaus einen eigenen Wert haben kann, der sich nicht in bloßem Zahlenwerk widerspiegelt. Immerhin macht er sich nicht unerhebliche Mühe, einen Rechtsanwalt zu finden. Nur bezahlen will er ihn nicht.

Was aber macht jemand, der etwas haben möchte, gleichzeitig aber nicht bezahlen will? Da hat man grob zwei Möglichkeiten: Klauen oder Betteln. Wobei Klauen hier selbstverständlich als Oberbegriff für alle Eigentums- und Vermögensdelikte zu verstehen ist.

Immerhin hat dieser Herr sich für die legale Methode entschieden - das Betteln: Damit steht er auf einer Stufe mit dem schlecht erzogenen Hund am Esstisch dem quengelnden Kleinkind am Süßigkeitenregal. In der Wertigkeit deutlich darüber steht bereits der Obdachlose, denn der hat das Betteln in der Regel nötig. Dieser Herr bettelt hingegen aus Prinzip.

Denn er ist Beamter, wie er mir und allen Kollegen in seiner rührenden Nachricht offenherzig mitteilt.

Donnerstag, 8. September 2011

Lustig ist das Polizistenleben

Was machen sächsische SEK-Beamte eigentlich abends, wenn sie in Hamburg tagsüber auf einer Schulung waren? Richtig, sie gehen auf die Reeperbahn. Kennt man ja.

Dumm nur, wenn man dann im Bordell mit den Prostituierten in Streit gerät und es mitsamt Baseballschläger zur handfesten Prügelei mit den Wirtschaftern kommt. Bis die Kollegen von der berühmten Davidwache anrücken müssen, um das Sondereinsatzkommando aus der Lausitz vor dem Hamburger Nachtleben zu retten. Nachzulesen in der Hamburger Tagespresse hier.

Ja, was soll man dazu sagen?

Donnerstag, 1. September 2011

Raten mit der Staatsanwaltschaft

Der Mandant wurde vom Amtsgericht zu einer ziemlich hohen Geldstrafe verurteilt. Im Urteil hat das Amtsgericht ihm gewährt, die Geldstrafe in monatlichen Raten von EUR 250,00 zu zahlen. Weil der Mandant als Selbständiger ein unregelmäßiges Einkommen hat, wollte der Mandant auf Nummer sicher gehen, und hat zum ersten Termin EUR 1.000,00 gezahlt, also drei Raten im voraus.

Zum fünften Termin hat er es genauso gehandhabt, hat also bisher EUR 2.000,00 gezahlt und liegt damit derzeit EUR 750,00 über seinem Soll.

Daraufhin erreichte ihn ein Schreiben der Staatsanwaltschaft mit der Aufforderung, binnen einer Woche den Restbetrag in deutlich fünfstelliger Höhe zu zahlen. Begründung: Er sei seiner Ratenzahlungsverpflichtung nicht nachgekommen, weshalb diese widerrufen werde. Es sei "der Eindruck entstanden, dass bei Ihnen kein Bedarf nach einer monatlichen Ratenzahlung" bestehe.

Kollege Burhoff meldet hier stattliche drei Fehler in einer Entscheidung, ebenso viele finde ich auch hier, und zwar wie folgt:

1.
Die Staatsanwaltschaft möchte hier ein gerichtliches Urteil eigenmächtig widerrufen. Das geht zum Glück nicht; wahrscheinlich gäbe es sonst gar keine Freisprüche mehr.

2.
Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass man einer Ratenzahlungsvergünstigung auch dann nicht nachgekommen wäre, wenn man sie tatsächlich übererfüllt hat. Das ist bodenloser Quatsch, denn die Ratenzahlung ist - daher der Name - eine Vergünstigung, kein Zwang.

3.
Dass ihre Argumentation nicht so ganz schussfest ist, scheint die Staatsanwaltschaft auch selbst irgendwie geahnt zu haben; warum sonst hätte sie uns noch zusätzlich mitteilen sollen, dass bei ihr der Eindruck entstanden sei, der Mandant hätte eine Ratenzahlung nicht nötig? Unsinnig ist allerdings auch das: Wer in acht Monaten EUR 2.000,00 schuldet und diese auch zahlt, nur eben anders gestückelt, der wird kaum anders zu behandeln sein als derjenige, der brav in der ausgeurteilten Stückelung zahlt.

Es bleibt die Frage: Was soll die unsinnige Verfügung? Will man den Mandanten ärgern? Oder hat dort ein Beamter mal wieder zu wenig zu tun? Und: Glaubt der Beamte den Unsinn, den er da verzapft hat, eigentlich wirklich?