Donnerstag, 30. Mai 2013

NEU: Der Fachanwalt für gute Rechtsvertretung


Die Geschichte der Fachanwaltschaften ist eine Geschichte voller Missverständnisse und Fehlentwicklungen. Ich verweise gerne noch einmal auf diesen meinen Beitrag, mit dem ich seinerzeit sogar in der LTO zitiert wurde.

Mittlerweile gibt es neue - offenbar ernsthaft in Erwägung gezogene - Kreationen, z. B. den Fachanwalt für europäisches (!) Wirtschaftsrecht. Nach einigen unsäglichen Darbietungen aus der Anwaltschaft im Münchner NSU-Prozess hat jüngst ein Kollege einen "Fachanwalt für Opferrechte" gefordert. Ob der Aufsatz in der StraFo 2013, 199 - 203, ernst gemeint oder vielleicht doch Satire sein soll, ist mir nach wie vor nicht ganz klar. Die Kollegen Zaborowski (Schönen Gruß aus Hamburg!) im blog des Kollegen Hoenig und der Kollege Selk haben sich daran schon abgearbeitet.

Kurz zusammengefasst: Der Autor verlangt einen Fachanwalt für Opferrechte, weil viele Anwälte mit dieser Rolle im Prozess offenbar heillos überfordert sind. Wenn das denn überhaupt eine Rolle ist, woran man schon aus prozessualen Gründen erhebliche Zweifel haben kann. Warum aber ruft der Autor nach einer (weiteren) Fachanwaltschaft? Das Problem ist doch offenbar, dass viele Rechtsanwälte einfach ihren Job nicht beherrschen. Da hilft keine Fachanwaltschaft - da helfen nur solide Grundkenntnisse, und zwar nicht nur juristischer Natur, sondern auch in Psychologie, Sozialwissenschaften und Philosophie.

Wer die nicht hat, ist ein schlechter Rechtsanwalt, da kann er noch so viele abstruse Fachanwaltstitel führen oder von mir aus auch über die 32 geläufigsten Theorien zum Besitzkonstitut promoviert haben.


Das Singen im Walde


Stellen Sie sich einmal vor, ein Patient ginge wegen leichter Beschwerden in der Lendengegend zum Arzt. Der Arzt untersucht den Patienten gründlich und diagnostiziert Krebs im Anfangsstadium. Er teilt dem Patienten mit, dass die Krankheit ernst sei, aber bei sofortigem Behandlungsbeginn gute Chancen auf Heilung bestünden. Daraufhin schüttelt der Patient ungläubig den Kopf, geht und sagt, er frage doch lieber seinen Friseur nach einer Diagnose und behandele sich anschließend selbst.

Was würden sie wohl von so jemandem halten? Wäre ein solches Verhalten noch nachvollziehbar, vielleicht sogar sinnvoll?

Wahrscheinlich würden sie sagen, diesem Patienten sei nicht mehr zu helfen. Nicht weil er körperlich krank sei, sondern weil mit seinem Geist offenbar etwas nicht stimme. Der Patient schadet sich selbst und düpiert den Arzt noch obendrein. "Bite the hand that feeds" nennt man so ein Verhalten im Englischen.

Ich weiß nicht, wie viele solcher Fälle Medizinern täglich begegnen. Bei Rechtsanwälten sind es erschütternd viele. Menschen, die mit einem Problem zum Anwalt gehen und wissen, dass sie ein Problem haben - sonst würden sie ja nicht zum Anwalt gehen. Menschen, die dann aber, wenn der Anwalt ihnen einen Lösungsweg aufzeigt, einfach so tun, als wäre das alles gar nicht ihr Problem. Wahrscheinlich singen diese Menschen auch laut im Wald, legen ihre Hände vor die Augen und denken, man sähe sie dann nicht.

Es ist manchmal zum Verzweifeln.


Freitag, 10. Mai 2013

Montag, 6. Mai 2013

Durchsuchung und Qual


Es war zu erwarten. Der Vorsitzende Richter am OLG München wurde wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Begründung, die dafür gegeben wurde, rührt am Kern demokratischer Rechtsstaatlichkeit.

Der Vorsitzende Richter hatte nämlich angeordnet, dass die Verteidiger vor jeder Verhandlung eine Durchsuchung zu erdulden hätten. Das kennt man irgendwoher. Natürlich hat es die Verteidigung auch nicht an dem Hinweis mangeln lassen, dass Richter, Bundesanwälte und andere Prozessbeteiligte nicht durchsucht würden. Auch das kennt man irgendwo her. Darüber ist schon so viel diskutiert worden, das ist nach den Prozessen von Stammheim ein für alle Mal vorbei, denkt man. Falsch gedacht.

Selbstverständlich sind Verteidiger als die viel zitierten Organe der Rechtspflege allen anderen Prozessbeteiligten gleichgestellt. Es gibt keinen einzigen denkbaren Grund, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung in Einklang zu bringen wäre, die Verteidiger anders zu behandeln. Sonst kämen wir möglicherweise wieder dort hin, wo die NSU hinwollte.

Die Nebenklage habe gegen den Antrag der Angeklagten protestiert, heißt es. Die Angeklagte quäle sie mit diesem Antrag. Aber da irrt die Nebenklage gewaltig. Die Sprache des Prozesses sind Antrag und Beschluss, pflegte mein Ausbilder zu sagen. Von Qual kann da keine Rede sein.

Eine Qual ist allenfalls ein Gericht, das schon am ersten Verhandlungstag nicht einmal den Bodensatz prozessualer Ordnung einhält, und damit indirekt genau den Vorurteilen Vorschub leistet, mit denen die Gegner des Rechtsstaats gegen diesen angetreten sind.

Das war bei den Prozessen in Stammheim so und das scheint auch heute noch so zu sein.



Heer, Sturm und Stahl


Es könnte sein, dass ich einer der ersten war, der sich über die Namen der drei Verteidiger von Beate Zschäpe mokiert hat. Der Kommentar war denkbar kurz: "Die Verteidiger von Beate Zschäpe heißen übrigens Sturm, Stahl und Heer". Weniger als 140 Zeilen. Und eigentlich völlig unspektakulär, wären da nicht ... na, eben diese Namen. "Hier ist der Name ja dreifach Programm", könnte man denken, oder: "Na, so ein Zufall".

Und jetzt kommt Georg M. Oswald - ein von mir durchaus geschätzter Schriftsteller und Kollege - der behauptet, das könne auch kein Zufall sein. Er schreibt unter der Überschrift "Die Namen Heer, Sturm und Stahl sind kein Zufall" in der WELT. Die Überschrift nennt das Missverständnis bereits beim Namen: Natürlich sind diese Namen für jeden ihrer Träger Zufall. Aber dieses Argument gehe daneben, meint Oswald. Ausschlaggebend sei, dass Beate Zschäpe sich die Verteidiger diesen Namens ausgesucht habe. Und er halte es durchaus für möglich, dass System hinter dieser Wahl stecke.

Das Motiv liefert Oswald auch gleich mit, und spätestens hier erzielt er einen nachhaltigen Treffer: Es könne sich um eine Verhöhnung des Rechtsstaates handeln, Zschäpe habe durch diese Wahl provozieren wollen. Das klingt beim ersten Lesen abwegig, aber je mehr man darüber nachdenkt, desto weniger abwegig wird es. Rechtsradikale seien immer schon "sehr geschickt darin, mit Symbolen zu spielen", schreibt Oswald, Hohn sei stets "Gestaltungsmittel rechtsradikaler Symbolik" gewesen und nennt auch aktuelle Beispiele. Dabei bezieht er sich zum Beispiel auf T-Shirts mit dem Aufdruck "Schwarze, Juden, Türken, Schwule, Lesben, alles nette Leute...".

Aber dann kommt der eigentliche Hammer: Wenn die Verteidigerwahl nämlich blanker Hohn sei - wovon man ausgehen müsse - dann ließen sich die Verteidiger von ihrer Mandantin instrumentalisieren, und das wirft er ihnen vor. Das geht bis zu der Empfehlung, das Mandat niederzulegen.

Und spätestens hier ist man bei einer wirklich ernsten Frage angelangt: Was muss ein Rechtsanwalt tun, um sich von seinem Mandanten zu distanzieren? Muss er insbesondere aktiv dem Eindruck entgegentreten, dass er die Gesinnung seiner Mandanten teile? Wolfgang Heer hat sich offensichtlich dagegen entschieden und wird von Oswald dafür hart kritisiert. Vor allem diese Passage des Beitrags ist sicherlich diskussionswürdig.

Aber der schale Eindruck, dass sich drei Rechtsanwälte hier von ihrer Mandantin am Nasenring durch die Manege führen lassen, der bleibt. Und das Hervorrufen dieses Eindrucks könnte für die Szene ein Sieg sein, der jedes noch so harte Urteil in den Schatten stellt.




Donnerstag, 2. Mai 2013

Die Kategorie Online


Da hat es das Bundesverfassungsgericht doch glatt gewagt, "Online-Medien" bei seiner Auslosung für Presseplätze beim NSU-Prozess nicht zu berücksichtigen. Udo Vetter berichtet.

Soweit damit allerdings der Eindruck erweckt wird, "online"-Journalisten würden generell nicht zu dem Prozess zugelassen, ist das falsch. Zutreffend ist, dass ein freier Journalist, der sich beworben hatte, aber nicht ausgelost worden war, mit seinem Eilantrag gescheitert ist. Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts ist kurz, aber durchaus aussagekräftig.

Der Journalist hatte unter anderem beanstandet, dass "Online-Medien" kein eigenes Platzkontingent erhalten hatten. Türkische Medien hatten nach dem Erfolg der ersten Verfassungsbeschwerde ein Kontingent von fünf Plätzen zugewiesen bekommen, ausländische Presseorgane und inländischer Hörfunk bzw. TV hatten ebenfalls Kontingente erhalten. Ausgelost worden war dann nur noch unter den Bewerber innerhalb eines Kontingentes.

Es geht hier also eher um die Frage, ob Online-Journalismus eine eigene Kategorie von Journalismus ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht verneint, wie ich finde, zu Recht.


Ode an den Mittelstand


Aus den Aussagen im Interview mit Uli Hoeneß - erschienen in der ZEIT vom heutigen Tage - ragt eine Aussage heraus, die auch schon verschiedentlich - z. B. hier - zitiert wurde. Diese Aussage ist ebenso erstaunlich wie bezeichnend für einen ganz bestimmten Typus, nennen wir ihn mal vereinfacht "Mittelstand".

Die Aussage lautet:

"Der Privatmensch Hoeneß hatte bis dahin doch keinen Anwalt. Ich brauchte doch nie einen. Bis zu diesem Morgen dachte ich, ich habe ein Steuerproblem, aber kein strafrechtliches Problem. Ich war in keiner Weise darauf vorbereitet. Ich war mir todsicher, dass ich das irgendwie alleine hinkriege."

Der durchschnittliche Mittelständler hat einen Steuerberater, auf den er große Stücke hält - Hoeneß hatte drei - sieht aber Rechtsanwälte als etwas an, das mit seinem Leben nichts zu tun hat. Gelegentlich hört man ihn damit prahlen, dass er sein Unternehmen in dritter Generation führt, aber noch niemals etwas mit Rechtsanwälten zu tun hatte. Das sagt er nicht ohne bei dem Wort "Rechtsanwalt" die Nase zu rümpfen, als hätte er einen schlechten Geschmack im Mund.

Den Gesellschaftsvertrag? Hat der außerordentlich fähige Steuerberater gemacht. Großartiger Mann. Was der uns schon gespart hat. Der hat zwar in der Regel weder von Gesellschaftsrecht noch von Strafrecht irgendeine Ahnung, aber die wahre Qualität merkt man ja auch erst, wenn man das Vertragswerk hinterfragt. Das tut man in der Regel erst, wenn etwas schief gelaufen ist. Dann ist es in der Regel zu spät - das kriegt der Rechtsanwalt zu spüren, den man daraufhin widerwillig beauftragen musste. Unfähiger Kerl, hat uns nichts genutzt und für ein paar Schreiben hat der Tausende Euro haben wollen. Kein Wort von den Unsummen, die man all die Jahre dem Steuerberater für Tätigkeiten in den Rachen geworfen hat, für die der weder geeignet noch ausgebildet ist. Das ist in etwa so, als würde man sich vom Metzger frisieren lassen und dann dem Friseur die Schuld geben, dass der die Frisur nicht mehr retten kann.

Das Testament? Hat die Hausbank gemacht. Außerordentlich kulante Leute. Haben die umsonst nebenher gemacht. Gut, die haben als erstes Testamentsvollstreckung angeordnet und sich selbst zum Testamentsvollstrecker eingesetzt, obwohl die Vermögenssituation überschaubar ist und es einen Alleinerben geben wird. Da hat man der Hausbank dann mal eben ohne Not einen beachtlichen Teil des Nachlasses geschenkt; aber wenn man Glück hat, war das Testament ja ungültig.

Erst wenn der Mittelständler die Sache vollständig an die Wand gefahren hat, darf ein Rechtsanwalt dann die Scherben aufkehren und sich anhören, warum alles so teuer ist. Sorry, lieber so genannter Mittelstand, aber das musste mal raus.