Dienstag, 17. Juli 2012

Warnung! Dieser Post könnte religiöse Gefühle verletzen!


Meine Anhänger, es ist soweit! Zwar habe nicht ich die Wahrheit erblickt, aber ich kenne einen, der sie kennt. Dem hat sein Gott die Wahrheit verkündet in der Form von zehn Ausgaben des Micky-Maus-Heftes und der Name seines Gottes ist Goofy.

Selbstverständlich ist alles, was in den zehn Heften steht, die reine Wahrheit, nichts als die Wahrheit und als solche absolut wörtlich zu nehmen. Wehe dem, der diese Worte nicht ehrt! Und hütet euch vor Katzen, sonst seid Ihr des Kater Karlos!

Lasst uns denn alle den Goofy ehren und seinesgleichen werden! Wie? Trottelig seid Ihr schon? Und eine große Nase habt Ihr auch? Aber habt Ihr euch mal eure Hände angeschaut? Vier Finger und ein opponierbarer Daumen? Pech gehabt! Goofy hat nämlich nur drei Finger.

Und deshalb ordnen die Hüter des Goofyismus' an, dass jeder Anhänger des Goofyismus spätestens am 23. Tag nach der Aufnahme in die Gemeinde sich die kleinen Finger seiner beiden Hände amputieren lassen muss. Bei Neugeborenen der Gemeinde gilt der 23. Tag nach ihrer Geburt.

Dies ist ein Geschenk für jeden, denn ohne diesen minimalen Eingriff ist er nicht würdig und nicht in der Lage, die einzige und alleinige Wahrheit zu erblicken. Hätte sonst der Goofy selbst nicht mehr als nur drei Finger?

Und wenn es ein Gericht wagen sollte, dieses göttliche Geschenk des Goofyismus' als Körperverletzung zu geißeln, dann werde ich schreien: Das ist der ungeheuerlichste Eingriff in das Menschenrecht auf religiöse Selbstbestimmung, seit es die Bundesrepublik Deutschland gibt!

Wehret den Anfängen!

Montag, 16. Juli 2012

Die Einführung der religiösen Indikation


"Die Beschneidung des Rechtsstaates" betitelt der Kollege Stadler seinen Beitrag und mokiert sich über eilfertige Politiker über alle Parteigrenzen hinweg, die aufgrund des Urteils des LG Köln eine "gesetzliche Regelung" zur Legalisierung der Beschneidung schaffen wollen. Werner Siebers findet den Beitrag schlicht brillant, und gleich der erste Kommentator wirft beiden Kollegen vor, nicht verstanden zu haben, "worum es bei Religion eigentlich geht".

Recht hat der Kollege Stadler mit seiner Äußerung, dass es eigentlich um eine verfassungsrechtliche Frage gehe. Schade finde ich, dass der Beitrag mit dieser Feststellung praktisch auch schon zu Ende ist, denn damit fängt die Diskussion meines Erachtens erst an. Die gesamte juristische Abhandlung vorab ist eher eine Zusammenfassung der Rechtswirklichkeit, und dürfte zumindest von Juristen kaum ernsthaft in Frage gestellt werden.

Eine Klarstellung sollte man vielleicht noch machen: Würde man die Beschneidung de lege lata erlauben - also praktisch eine "religiöse Indikation" einführen - wäre das ein Rechtfertigungsgrund für jeden Betroffenen. Dieser Rechtfertigungsgrund wäre der rechtlichen Überprüfung durch die einfachen Gerichte entzogen; die Tatgerichte könnten also nur noch überprüfen, ob eine "religiöse Indikation" vorliegt und müssten vom Vorwurf der Körperverletzung zwingend freisprechen, sobald nichts Gegenläufiges festgestellt würde, also praktisch immer.

Die interessante Frage ist, welchen Stellenwert die Religion im Staat haben soll. Hierüber hätte bei Einführung der religiösen Indikation früher oder später das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden. In der Frage selber blüht derzeit ein ganzer Strauß bunter Meinungen, von denen einige durchaus bemerkenswert sind, im Guten wie im Schlechten.

Es dürfte feststehen, dass keiner Religion ein Vorzug zu geben ist, denn es gibt keine Staatsreligion. Dieses Statut kann man verwässern, indem man am Begriff der Religion als solchem herumdoktert, wie das z. B. bei Scientology immer wieder versucht wird. Einige Menschen halten bestimmte Gruppierungen nicht für Religionen, wobei die Gründe hierfür nicht immer überzeugen. Diesen Ansatz halte ich zudem für gefährlich, weil man damit eine Inhaltskontrolle für Religionen einführen würde und sich zwangsläufig die Frage anschließen müsste, nach wessen Kriterien beurteilt werden soll. Also wird man alles als Religion behandeln müssen, was sich selbst (ernsthaft) als Religion auffasst. Damit wäre allenfalls die Lehre vom fliegenden Spaghettimonster ausgenommen, sonst aber fast nichts.

Welchen Stellenwert soll nun die Religion in der Gesellschaft haben? Einen hohen, sagen die religiösen Würdenträger, schließlich herrsche Religionsfreiheit. Das ist allerdings ein Zirkelschluss, der die Antwort vor die Frage stellt. Jeder darf glauben, was er will, nur: Darf er deshalb die persönliche oder gar körperliche Integrität seines Kindes verletzen?

Hard-Core-Säkularisten möchten bereits die persönliche Integrität des Kindes schützen, und zwar, indem sie jegliche religiöse Einflussnahme auf Kinder unterbinden möchten. Diesen Ansatz hat in der Diskussion bei Anne Will letzte Woche die muslimische Rechtsanwältin Seyran Ates zeitweise vertreten. Jeder Mensch solle über seine Religiosität selbst und erst entscheiden, wenn er mündig sei. Ich erinnere mich an einen katholischen Geistlichen, der dieser Forderung entgegen gehalten hat, dass dann die meisten Menschen für die Religion "verloren" wären. Damit hat er recht, bringt aber wohl eher ungewollt auch zum Ausdruck, dass Religionen fast nur noch Unmündige zu überzeugen vermögen. Nicht gerade ein Ruhmesblatt für die Religion.

Wenn auch in der Sache einiges für sie spricht, dürften diese Hard-Core-Säkularisten mit der Durchsetzung ihrer Ansicht einen schweren Stand haben. Man müsste schon eine religiöse Gedankenpolizei einführen, um ihr Anliegen durchzusetzen. Das wollen wir lieber nicht. Aber eigentlich haben sie Recht: Eigentlich sollte jeder für sich selbst entscheiden, was er glaubt und was nicht. Frühkindliche Prägung verhindert da eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit der Sache. Das Problem aller Religionen ist, dass sie ihrer Natur nach Allgemeingültigkeit beanspruchen und ihre Vertreter daher ständig andere Menschen zu bekehren suchen. Jeder Bürger muss aber das Recht haben, sich der Bekehrung wirksam zu widersetzen, auch wenn Religiöse das gar nicht gerne hören.

Umso wichtiger wird die Frage der körperlichen Integrität. Auch hier reklamieren religiöse Fundamentalisten das Elternrecht für sich, um den Fortbestand ihrer Religion zu sichern. Der jüdische Rabbi bei Anne Will hat dies damit zu begründen versucht, dass die Beschneidung ein "Geschenk" wäre, das dem Kind den Weg zu Gott bzw. Jahwe ebne. Das ist erst recht ein Zirkelschluss, weil auch hier die Religiosität vorausgesetzt wird, bevor man ihr Anliegen überprüft hat. Bemerkenswert, dass ein gelehrter Mann sich so etwas in einer Diskussion mit Wissenschaftlern ernsthaft zu sagen traut.

Einigen religiösen Teilnehmern in der Diskussion scheint diese Schwäche ihrer Argumentation aufgefallen zu sein, denn sie argumentieren nicht mehr religiös, sondern medizinisch, dass die Beschneidung medizinisch sinnvoll sei. Das allerdings ist nach herrschender Meinung in der Medizin falsch.

Es bleibt daher bei der Frage nach dem Stellenwert, den die Religion in der Gesellschaft soll einnehmen dürfen, und das ist ein höchstpersönliche Frage. In einer aufgeklärten Gesellschaft kann ich mir allerdings nur schwer vorstellen, welche Argumente für eine religiöse Auffassung sprechen sollten.

Mir fallen einfach keine ein.


Donnerstag, 5. Juli 2012

Richtig, aber nicht schön


Das Landgericht München hat den Fußballprofi Breno (Vinicius Rodrigues Borges) vom FC Bayern München wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.  Uli Hoeness hatte die Inhaftierung seinerzeit für lächerlich befunden, jetzt wird sie wohl Gewissheit. Das sind die Fakten. Es ist außerordentlich unwahrscheinlich, dass der für eine etwaige Revision zuständige BGH den Schuldspruch oder das Strafmaß bemängelt.

Wenn zu meinen Studienzeiten jemand in der Strafrechtsvorlesung ein Problem zwar inhaltlich richtig, aber im Ergebnis doch sehr ungeschickt gelöst hatte, pflegte Professor Hansen das Ergebnis mit sich überschlagender Stimme rhetorisch zu hinterfragen: "Das ist zwar richtig - aber ist es auch SCHÖN?" Das hieß dann, dass das Ergebnis seiner Meinung nach ganz und gar nicht schön war. Es ging zumeist sehr viel schöner und dabei vor allen Dingen genauso richtig.

Nun ist "schön" kein juristischer Maßstab. Der gute Professor Hansen meinte mit "schön" allerdings auch nicht ästhetisch, er meinte etwas anderes, umfassenderes. Er wollte, dass man inmitten der Paragraphen nicht nur ein Ergebnis findet, sondern eine Lösung. Etwas, das auch Umstände berücksichtigt, über die man vielleicht auch als Richter einige Momente nachdenken muss. Die Verhältnismäßigkeit ist einer dieser Umstände.

Im Sinne von Prof. Hansen wäre das Urteil gegen Breno nicht schön. Es ist nicht falsch, aber es ist unnötig und realitätsfern. Eine Bewährungsstrafe hätte es auch getan. Breno ist ein Fußballspieler am Anfang seiner Karriere, die mit dem stattdessen verkündeten Urteil auch beendet sein dürfte. Nach teilweiser Haftverbüßung wird er in sein Heimatland Brasilien abgeschoben werden (müssen). Schwer vorstellbar, dass er jemals wieder in irgendeiner Profession Fuß fassen wird.

Hätte man ihn maßvoll verurteilt, wäre er in ein anderes Land gewechselt, in dem er vielleicht mehr Glück gehabt hätte als in Deutschland. Hier ist er offenbar an den Ansprüchen verzweifelt. Zuletzt soll der Profi (!) eine Flasche Whiskey am Tag konsumiert und sich aus der Apotheke seines Vereins mit Schlafmitteln eingedeckt haben. Mehr als Sachschaden hat er nicht angerichtet. Das ist strafbar, aber mit Geld zu heilen. Geld, das zu verdienen, man ihm jetzt untersagt. Stattdessen wird er den Staat Geld kosten, wenn er in Haft sitzt.

Das ist ganz und gar nicht schön. Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger richtig finde ich es auch.

Montag, 2. Juli 2012

Weiße Langbinder

In Bayern darf ein Rechtsanwalt vor dem Strafgericht als Verteidiger zurückgewiesen werden, wenn er keinen weißen Langbinder trägt. Ein Rechtsanwalt hatte sich geweigert, war ausgeschlossen worden, hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt und - verloren. Z. B. Damm Legal* berichtet hier.

Ein Gesetz, das dem Rechtsanwalt die weiße Krawatte vorschriebe, gibt es nicht. Man schaue bei dieser Gelegenheit mal in § 20 BORA und wird möglicherweise erstaunt sein, was dort als Amtstracht des Rechtsanwalts tatsächlich geregelt ist. Das Oberlandesgericht München hatte ungeachtet dessen befunden, der Beschwerdeführer hätte "eine von der berufsrechtlichen Regelung unabhängige verfahrensrechtliche Pflicht" verletzt, sogar eine "schwer wiegende". Da drängt sich ja nun die Frage auf, wo diese Pflicht herkommen soll. Gilt in Bayern eine andere Prozessordnung und wir haben es hier oben nur noch nicht mitbekommen?

Andernorts ist das Tragen weißer Krawatten sogar verpönt, nämlich Richtern und Staatsanwälten vorbehalten. In Bayern scheinen die Sitten anders zu sein - aber eben nur die Sitten, nicht die Gesetze. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht wohl so gesehen, denn es hat die Beschwerde nicht etwa für offensichtlich unbegründet gehalten, sondern ihr lediglich die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung aberkannt.

Für den Beschwerdeführer Steine statt Brot.

* Früher stand hier Beck Blog. Das war von mir falsch verlinkt.

Wann ist ein Rassist ein Rassist?



Fußballfans sind Bier saufende tätowierte Prolls. Manchmal sind sie auch überdrehte Intellektuelle, die mit ihrer passiven Liebe zum Fußball die fünf im Sportunterricht kompensieren wollen, über die sie nie hinweggekommen sind.


Und sie sind rassistisch. Das zumindest meint der geschätzte Kollege Hoenig - aber hier hat er sich vergaloppiert. Da war vielleicht etwas zu viel des Klischees im Spiel.


In derselben Kolumne, der das corpus delicti entstammt, hat man sich schon über das Aussehen zahlreicher Fußballspieler oder -trainer lustig gemacht: Martin Jol wurde z. B. zu Shrek, Sergio Ramos zu Alf oder der griechische Stürmer Samaras zum Geier aus dem Dschungelbuch. Unbeanstandet. Warum ist es jetzt rassistisch, Mario Balotelli neben ein Bild von Pittiplatsch zu stellen? Nur, weil er schwarz ist?


Der Gedanke entsteht beim Betrachter, möchte man meinen. Okay, man kann dem Gedanken Vorschub leisten, aber tut das nicht derjenige, über den man sich dort lustig macht, selber? Oliver Kahn wurde früher von gegnerischen Fans mit Bananen beworfen. Das mag man unschön finden; darum geht es hier nicht. Wichtig ist: Das hatte sicherlich nichts mit seiner Hautfarbe zu tun, Oliver Kahn ist eher blässlich. Man kann eben auch als Weißer an einen Affen erinnern.


Nun ist es zweifellos unhöflich, hierauf aufmerksam zu machen. Aber Fußballfans wollen ja in der Regel auch keine Höflichkeiten austauschen. Rassistisch ist es jedoch nicht. Rassistisch wäre es, jemanden wegen seiner Hautfarbe abzuwerten.


Im Falle Balotelli haben wir es wohl höchstens mit einer einfachen Beleidigung zu tun. Wenn er sich dadurch beleidigt fühlen sollte, mit Pittiplatsch verglichen zu werden.