Früher gab es Rechtsanwälte, heute gibt es Fachanwälte. Laut einer Studie des Soldan Institutes für Anwaltsmanagements sollen angeblich 80 % der Mandanten bei der Rechtsanwaltssuche Wert darauf legen, dass der Rechtsanwalt auch Fachanwalt ist.
Fachanwalt für was, fragt sich da nur. Denn als ob es nicht für den potentiellen Mandanten schon schwer genug wäre, einen Rechtsanwalt zu finden, gibt es nun auch noch eine ganze Reihe von Fachanwaltschaften und es werden ständig mehr. Derzeit gibt es zwanzig verschiedene Fachanwaltschaften von A wie Agrarrecht bis V wie Verwaltungsrecht. Eine Fachanwaltschaft mit W, X, Y oder Z gibt es noch nicht.
Was es ebenfalls nicht gibt, ist ein wie auch immer geartetes Anforderungsprofil oder eine Struktur bei der Einführung von Fachanwaltschaften. In der Masse bilden die Fachanwaltschaften für den Rechtssuchenden deshalb einem dichten Dschungel, der mehr Fragen eröffnet als beantwortet. Was macht ein Fachanwalt für Verkehrsrecht, was ein Fachanwalt für Versicherungsrecht nicht macht? Macht ein Fachanwalt für Sozialrecht Sozialversicherungsrecht oder braucht man dafür doch eher einen Fachanwalt für Versicherungsrecht?
Im Ergebnis brauchen Sie mitunter einen Rechtsanwalt allein für die Beantwortung der Frage, was für einen Fachanwalt Sie für Ihr Problem brauchen. Vielleicht gibt es demnächst ja einen Fachanwalt für Anwaltsvermittlung. Der hätte jedenfalls was zu tun.
Schuld daran ist die Anwaltschaft selbst. Denn zunächst folgte die Einführung von Fachanwaltschaften durchaus einem Prinzip: Für diejenigen Rechtsgebiete, die eine eigene Prozessordnung haben, sollte es eigene Fachanwaltschaften geben, für die ein Rechtsanwalt besondere prozessuale Kenntnisse benötigt. Die ersten Fachanwaltschaften waren dementsprechend Steuerrecht, Familienrecht, Sozialrecht, Arbeitsrecht, Verwaltungsrecht und Strafrecht.
Der Fachanwalt für Erbrecht bricht dann schon mit dem Prinzip - aber immerhin: Für Erbrecht gibt es noch ein eigenes Buch im BGB. Danach brachen die Deiche aber vollends - à propos: Einen Fachanwalt für Deichrecht gibt es noch nicht. Jahrelang haben sich die Versicherer noch gegen die Einführung eines Fachanwaltes für Verkehrsrecht gewehrt, wenn auch aus dem falschen Grund: Nicht etwa weil er schlicht unsinnig ist, sondern weil sie die Pfründe der Fachanwälte für Versicherungsrecht schwinden sahen. Dann mussten auch sie nachgeben und die bis dato unsinnigste aller Fachanwaltschaften wurde doch noch eingeführt.
Der Fachanwalt für Verkehrsrecht ist nämlich keine Spezialisierung, sondern deren genaues Gegenteil. Alles, was mit Straßenverkehr zu tun hat, ist eben genau so wenig ein Rechtsgebiet wie Pferderecht, Tierrecht, Blondinenrecht oder Millionärsrecht. Früher gab es mal Armenrecht, aber das war etwas anderes.
Die Spitze des Unsinns hat die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer - die ist für die Einführung der Fachanwaltschaften zuständig - dann mit dem Fachanwalt für Informationstechnologie erreicht. Immerhin hat irgendjemand noch rechtzeitig vor der Verabschiedung bemerkt, dass Informationstechnologie kein Rechtsgebiet ist, so dass die Versammlung dem Vorschlag geistesgegenwärtig noch schnell ein -recht anhängen konnte.
Was bleibt, ist die sprachliche Grausamkeit des Unwortes Technologie - das es in gutem Deutsch nach wie vor nicht gibt - gepaart mit der völligen Unklarheit, was denn wohl das die "Informationstechnologie" betreffende Recht sein soll. Irgendwas mit Computern wahrscheinlich.
Der Kunde steht vor diesem Wust und ihm graust. Es gibt übrigens lauter werdende Stimmen in der Anwaltschaft, die ersten Fachanwaltschaften wieder abzuschaffen.