Mittwoch, 29. September 2010

Ich kann alles erklären

Die Kollegin Rueber hat hier die drei häufigsten Antworten gesammelt auf die Frage, ob man vor der Polizei eine Aussage gemacht habe. "Mit Fug und Recht" differenziert daraufhin hier zwischen Nichtaussage und der originellen Form einer Aussage "unter Vorbehalt".

Richtig gefährlich wird es allerdings, wenn der Mandant bereits vor der Rueber'schen Frage von sich aus sagt, dass das Ermittlungsverfahren sich eigentlich schon erledigt hätte, schließlich habe er "der Polizei alles erklärt".

Dann ist meistens alles verloren.

Dreimal ist Ordnungshütern Recht

Mandant sitzt im Auto, das auf zweispuriger Straße vor einer roten Lichtzeichenanlage, vulgo Ampel, steht. Neben dem Fahrzeug des Mandanten steht ein Polizeiwagen mit zwei Beamten. Die Beamtin auf dem Beifahrersitz steigt aus, um den Mandanten zu ermahnen, da dieser am Steuer telefoniert. Als sie genauer hinsieht, sieht sie, dass der Mandant nicht angeschnallt ist. Als der Mandant sie wortreich anzuflirten beginnt, bemerkt sie, dass der Mandant betrunken ist.

Ergebnis dieser Polizeikontrolle:

Ein Strafbefehl wegen Trunkenheit im Straßenverkehr,
ein Bußgeldbescheid wegen Benutzung eines Mobilfunkgerätes am Steuer,
ein Bußgeldbescheid wegen Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes.

Strafbefehl und Bußgeldbescheid wegen einer der beiden OWis sind auch noch von verschiedenen Gerichten ausgestellt, da der Mandant mit seinem Fahrzeug genau auf der Zuständigkeitsgrenze zweier Amtsgerichte stand und die bearbeitenden Ordnungsbeamten offenbar unterschiedlicher Meinung über die Zuständigkeit waren.

Als ich in der mündlichen Verhandlung vor Gericht einen der Beamten frage, warum für eine einzige Tat insgesamt drei Strafen verhängt werden, sagt der: "Das machen wir immer so".

Na, dann mal gute Weiterfahrt.

Dienstag, 28. September 2010

Zahnlos und desinteressiert im Elfenbeinturm

Liebe Nichtanwälte! Ja Sie meine ich. Ich habe eine Frage.

Vor kurzem habe ich mich hier darüber gewundert, dass so viele Menschen einen Bogen um Rechtsanwälte machen und mit ihren Rechtsproblemen lieber z. B. ihren Steuerberater fragen. Mir sind auch mehrere Fälle bekannt, in denen Menschen mit ihren Rechtsfragen zuerst an ihren Banksachbearbeiter herangetreten sind. Obwohl sie doch eigentlich wissen müssten, dass weder Steuerberater noch Bankangestellte vertiefte Rechtskenntnisse haben.

Auf meinen Beitrag schreibt jemand mit dem treffenden Namen "Moneypenny" sich seine Meinung über Rechtsanwälte vom Leib. Kurz zusammen gefasst: Rechtsanwälte seien inaktiv, desinteressiert, weltfremd (es ist von einem Elfenbeinturm die Rede) sowie "signifikant teurer" als Steuerberater und würden sich unverständlich ausdrücken. Möglicherweise hat Moneypenny schlechte Erfahrungen gemacht, ich weiß es nicht. Einer meiner Mandanten scheint es jedenfalls nicht zu sein.

Jetzt aber zu meiner Frage, liebe Nichtanwälte: Wie kommt es, dass derartige (Vor)Urteile über Rechtsanwälte herrschen? Ich gehe nämlich einfach mal davon aus, dass nicht jeder wirklich schlechte Erfahrungen gemacht hat, dazu kenne ich zu viele gute Rechtsanwälte. Es scheint sich vielmehr um hartnäckige Vorurteile zu handeln, oder? Aber wo kommen die her?

Antworten Sie bitte zahlreich und schonungslos, ich bin einiges gewohnt! Für den besten Beitrag lobe ich eine Rechtsberatung in einem Rechtsgebiet Ihrer Wahl aus, wahlweise einen Tipp für einen guten Steuerberater.

Schlecht beraten und stolz darauf

Wie die Kollegin Braun zutreffend anmerkt, gehen die meisten Menschen davon aus, dass sie niemals einen Strafverteidiger brauchen werden. Oder sagen wir mal: Sie hoffen es. Und sie hoffen mit einigem Recht, denn die Mehrzahl der Menschen braucht im Leben wirklich nie einen Strafverteidiger. Gleichwohl sollte man einen kennen, falls man doch mal einen braucht, denn das kann schneller passieren als man denkt.

Natürlich ist die optimistische Einstellung der meisten Zeitgenossen verständlich. Nicht verständlich hingegen ist die Einstellung einiger Menschen, was Rechtsanwälte an sich angeht.

So begegnen mir immer wieder potentielle Mandanten, die rechtliche Hilfe dringend nötig hätten, aber den Rechtsanwalt scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Unvergessen der Patriarch eines Familienbetriebes, der mit stolzgeschwellter Brust mir gegenüber angab, dass seine Familie in der über hundertjährigen Firmengeschichte noch niemals etwas mit Rechtsanwälten zu tun gehabt hätte. Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen, und war es auch in diesem Fall nicht.

Gerade in der mittelständischen Wirtschaft scheint es in Deutschland weit verbreitet zu sein, aus Prinzip keinen Rechtsanwalt um Rat zu fragen. Man könnte denken, dass dies auf unternehmerischem Starrsinn oder Egozentrismus beruhte, muss dann aber feststellen, dass dieses zweifelhafte unternehmerische Prinzip sich anscheinend nur auf Rechtsanwälte, nicht auf andere Berater bezieht.

Merkwürdigerweise klopfen sich dieselben Mandanten zufrieden auf die Schulter, was für einen tollen Steuerberater sie haben, und selbst Unternehmensberater werden häufig konsultiert - obwohl deren wirtschaftlicher Nutzen weit fraglicher sein dürfte als der eines guten Rechtsberaters.

Unübertroffen aber sind diejenigen Unternehmer, die mit sämtlichen Rechtsproblemen bis hin zur Strafverfolgung zu ihrem Steuerberater gehen, der davon in der Regel genauso wenig versteht wie sie selbst. Steuerberater werden beauftragt, Gesellschaftsverträge aufzusetzen, Bußgeldbescheide anzufechten und Zivilrechtsstreits zu führen.

Das ist etwa so, als würde man seine Haare vom Metzger schneiden lassen, nur weil der auch ein Messer und eine Schere hat. Darüber mag man sich mal irren, aber den Irrtum zum Prinzip zu erklären, ist eine Verhaltensweise, mit der Rechtsanwälte bisher vergeblich kämpfen.

Mittwoch, 22. September 2010

Nicht unsachlich aber schrecklich

Das ist ja wie bei den Wikingern: Der Kollege Haeger (nicht Hägar) aus Bochum schreibt seit geraumer Zeit regelmäßig E-Mails, in denen er unter der Firma "DerAnwaltsDiscounter.de" unter anderem behauptet, er habe 140.000 freie Mitarbeiter-Stellen und biete Kunden (sagt man da noch Mandanten?) einen revolutionären Einheitspreis von 36 Euro an.

Dazu ließe sich eine Menge sagen; ich lasse es hier und konzentriere mich auf eine weitere Absonderlichkeit:

Wie der Kollege Hoenig hier berichtet, hat die zuständige Rechtsanwaltskammer Hamm wegen des durch dessen "Pressemitteilungen" verbreiteten Eindrucks ein Verfahren gegen den Kollegen Haeger eingeleitet, angeblich u. a. wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot, § 43a Abs. 3 BRAO.

Wollen wir hoffen, dass das nicht wahr ist, sonst müssten wir uns um den Rechtsverstand der RAK Hamm ernsthafte Gedanken machen. Denn das Verhalten des Kollegen mag alles Mögliche sein - ein befreundeter Unternehmensberater würde es wahrscheinlich als Konkursvorbereitung bezeichnen - gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt es aber schon deshalb nicht, weil § 43a Abs. 3 BRAO nur Verhalten im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten betrifft.

Und soweit ist der Kollege noch nicht. Macht aber nichts. Kommt bestimmt noch.

Montag, 20. September 2010

Urheberrecht für Einzeiler

Viele kennen Twitter. Nicht ganz so viele wissen, was Twitter eigentlich soll, aber schon gibt es Streit. Denn immer öfter kommt es offenbar vor, dass irgendwelche Leute sich ihren kargen 140-Anschläge-Beitrag nicht selbst ausdenken, sondern von anderen übernehmen. Ohne Zitat. Einfach so. Das ist frech.

Das Thema wird hier aufgegriffen und eifrig diskutiert. Mit dem urheberrechtlichen Zwischenergebnis, dass die Meinung derzeit offenbar dahin geht, dass so genannte "twits" eher nicht die für den Urheberrechtsschutz erforderliche Schöpfungshöhe erreichen. Das ist möglicherweise zu kurz gedacht, zumal die Schöpfungshöhe nicht von der Länge, sondern in erster Linie von der Originalität abhängt.

Interessant fand ich allerdings diesen Satz des oben zitierten Twittikers:

(Es gibt noch kein Urteil, aber soviel ich weiß, schätzen die Juristen die Schöpfungshöhe der Tweets als zu gering ein (Warum eigentlich? (Und was qualifiziert Juristen überhaupt dazu sowas pauschal einschätzen zu können/dürfen?)))

Na, das haben wir gerne! Erst sich über angebliche Rechtsverstöße beschweren, und dann auch noch den berufenen und unabhängigen Vertretern in allen Rechtsfragen die Legitimation zur Einschätzung absprechen! Was hätten die Herren Twittiker denn gerne? - eine unabhängige Netzpolizei? Oder gleich die ganz große Lösung, so wie der Herr von der CSU, der sich am Sonntag in der BAMS versuchen durfte?

P.S.: Den tollen letzten link habe ich beim Kollegen Udo Vetter ge....funden. Danke.

Mittwoch, 15. September 2010

Vor den Türen des Gerichts

In der Skinnerbox geht es hier um das schöne Amtsgericht Tiergarten und dessen Verhältnis zu Anwaltsausweisen. Zum Amtsgericht Tiergarten später mehr.

Wundern muss man sich zunächst einmal über die Einlass-Schranken an deutschen Gerichten an sich. Richter und Staatsanwälte dürfen z. B. in Hamburg durch eine Extratür eintreten, die ihnen spätestens gegen Vorlage ihres Dienstausweises geöffnet wird. Eine Schleuse gibt es an diesem Eingang nicht.

Rechtsanwälte müssen sich mit dem gemeinen Volk an einem Justizbeamten im Glaskasten vorbei durch eine Schleuse quälen. Gegen Vorlage eines Anwaltsausweises bleibt ihnen die Durchleuchtung ihrer Taschen erspart. Falls gerade eine vollständig erschienene Sinti-Familie vor einem steht, kann sich die Prozedur hinziehen.

Bedenkt man, dass Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte gleichberechtigte "Organe der Rechtspflege" sind, kann einen diese unterschiedliche Behandlung nur wundern. Beschwert hat sich offenbar noch nie jemand ernsthaft dagegen.

Am AG Tiergarten ist es in der Tat noch deutlich schlimmer. Als ich nach einer halben Stunde des Wartens endlich am Wachposten war, wollte der trotz Anwaltsausweises auch noch meine Tasche durchwühlen. Das habe ich ihm untersagt. Er verwies mich dann auf eine angebliche Anordnung des Gerichtspräsidenten, mit der das angewiesen worden sei.

Ich habe den Wachposten dann beim zuständigen Richter anrufen lassen, der den Einlass - ohne Taschenkontrolle - telefonisch genehmigt hat. Der Richter lachte später über den Vorfall und meinte, eine entsprechende Anordnung des Gerichtspräsidenten sei ihm nicht bekannt. Er sei aber Sicherheitsbeauftragter des Gerichts und könne ausschließen, dass es sie gäbe.

Na dann.

Die Anklage als Zeuge

Es gibt Neues und prozessual Interessantes vom Wetterfrosch: Die Verteidigung hat nach Presseberichten gestern beantragt, beide Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft als Zeugen zu laden und zu vernehmen. Da bekommt der Titel "Zeuge der Anklage" eine völlig neue Bedeutung.

Schön, und dem bisherigen Verfahrensverlauf durchaus angemessen, ist das Beweisthema: Die Staatsanwälte sollen der Belastungszeugin - wie auch immer sie heißt - im Rahmen der staatsanwaltlichen Vernehmung versprochen haben, "Kachelmann nicht aus der U-Haft zu lassen".

Über den Antrag muss das arme Gericht jetzt entscheiden. Man kann sich kaum vorstellen, dass sie dem Antrag nicht stattgeben könnten, denn das Beweisthema dürfte von höchster Brisanz sein. Und wer selbst die hinterletzte Geliebte des Angeklagten vernehmen will, nur weil die möglicherweise irgendetwas über dessen Sexualpraktiken sagen könnte, der sollte auch diese Zeugen keinesfalls ungehört übergehen. Ansonsten droht der nächste Befangenheitsantrag, und der womöglich mit Recht.

Die Staatsanwaltschaft wird sich dann wohl neue Sitzungsvertreter suchen müssen. Zwar wäre es wohl rechtlich möglich, einen Sitzungsvertreter als Zeugen zu vernehmen und den jeweils anderen weiter als Sitzungsvertreter fungieren zu lassen - das Vertrauen in die Objektivität der Strafverfolgung dürfte das aber kaum stärken. Oder, um mit Heidi Kabel zu sprechen: Wie sähe denn das aus. Da sitzt die Justiz jetzt also in der Zwickmühle.

Denkbar ist auch, dass das Gericht die Beweisanträge als unbedeutend zurückweist. Das wäre bei dem Beweisthema aber eher tollkühn. Denn die Verteidigung wird wissen, was sie beantragt. Und wenn deren Behauptung sich beweisen lassen sollte, dann wäre das ganze Verfahren endgültig zum Skandal verkommen.

Wir warten gespannt, wie die Kammer darüber wohl entscheiden wird.

Montag, 13. September 2010

Man fühlt sich sicher

Gestern, am 12.09., setzte ich mich im Abflugbereich des Flughafens Wien auf eine Wartebank. Kurz darauf sprach mich ein Herr vom Flughafenpersonal an, ob die Tasche neben mir mir gehöre. Da bemerkte ich, dass neben meinem Sitz eine schwarze Notebooktasche stand. Sie gehörte mir nicht, was ich auch wahrheitsgemäß angab.

Daraufhin trollte sich der Flughafenbedienstete zunächst und kam wenig später mit einer Dame zu seiner Verstärkung wieder. Die Dame richtete einen kurzen Blick auf die Tasche, fragte mich nochmals ob diese mir gehöre. Tat sie nicht. Dann fragte sie ihren Kollegen, wie lange die Tasche denn da schon herrenlos stünde. Das wusste der nicht.

Man bat mich nebst Begleitung (ja, es war Mausi) aufzustehen und uns zu entfernen. Jetzt stellte sich die Flughafenbedienstete neben die Tasche und scheuchte fortan alle Personen fort, die sich in unmittelbarer Nähe der Tasche setzen wollten. Kurz darauf kam ein Durchruf über Lautsprecher, dass die Polizei herrenloses Gepäck vernichten würde.

Dann kam die Polizei höchstselbst. Zwei Beamte inspezierten die Tasche, einer hob sie sogar hoch! Nach kurzer Beratung entschloss man sich, die Tasche zur Abfertigung zu tragen und einmal durch die Röntgenkontrolle fahren zu lassen. Offenbar ohne Befund; wenig später kam der Beamte mit der Tasche wieder zurück. Er übergab sie seinem Kollegen, der sie außer Sichtweite trug.

Und ich hatte einen kurzen Moment lang schon gedacht, sie würden jetzt den Flughafen räumen!

Mittwoch, 1. September 2010

Eine kurze Geschichte der Fachanwaltschaft

Früher gab es Rechtsanwälte, heute gibt es Fachanwälte. Laut einer Studie des Soldan Institutes für Anwaltsmanagements sollen angeblich 80 % der Mandanten bei der Rechtsanwaltssuche Wert darauf legen, dass der Rechtsanwalt auch Fachanwalt ist.

Fachanwalt für was, fragt sich da nur. Denn als ob es nicht für den potentiellen Mandanten schon schwer genug wäre, einen Rechtsanwalt zu finden, gibt es nun auch noch eine ganze Reihe von Fachanwaltschaften und es werden ständig mehr. Derzeit gibt es zwanzig verschiedene Fachanwaltschaften von A wie Agrarrecht bis V wie Verwaltungsrecht. Eine Fachanwaltschaft mit W, X, Y oder Z gibt es noch nicht.

Was es ebenfalls nicht gibt, ist ein wie auch immer geartetes Anforderungsprofil oder eine Struktur bei der Einführung von Fachanwaltschaften. In der Masse bilden die Fachanwaltschaften für den Rechtssuchenden deshalb einem dichten Dschungel, der mehr Fragen eröffnet als beantwortet. Was macht ein Fachanwalt für Verkehrsrecht, was ein Fachanwalt für Versicherungsrecht nicht macht? Macht ein Fachanwalt für Sozialrecht Sozialversicherungsrecht oder braucht man dafür doch eher einen Fachanwalt für Versicherungsrecht?

Im Ergebnis brauchen Sie mitunter einen Rechtsanwalt allein für die Beantwortung der Frage, was für einen Fachanwalt Sie für Ihr Problem brauchen. Vielleicht gibt es demnächst ja einen Fachanwalt für Anwaltsvermittlung. Der hätte jedenfalls was zu tun.

Schuld daran ist die Anwaltschaft selbst. Denn zunächst folgte die Einführung von Fachanwaltschaften durchaus einem Prinzip: Für diejenigen Rechtsgebiete, die eine eigene Prozessordnung haben, sollte es eigene Fachanwaltschaften geben, für die ein Rechtsanwalt besondere prozessuale Kenntnisse benötigt. Die ersten Fachanwaltschaften waren dementsprechend Steuerrecht, Familienrecht, Sozialrecht, Arbeitsrecht, Verwaltungsrecht und Strafrecht.

Der Fachanwalt für Erbrecht bricht dann schon mit dem Prinzip - aber immerhin: Für Erbrecht gibt es noch ein eigenes Buch im BGB. Danach brachen die Deiche aber vollends - à propos: Einen Fachanwalt für Deichrecht gibt es noch nicht. Jahrelang haben sich die Versicherer noch gegen die Einführung eines Fachanwaltes für Verkehrsrecht gewehrt, wenn auch aus dem falschen Grund: Nicht etwa weil er schlicht unsinnig ist, sondern weil sie die Pfründe der Fachanwälte für Versicherungsrecht schwinden sahen. Dann mussten auch sie nachgeben und die bis dato unsinnigste aller Fachanwaltschaften wurde doch noch eingeführt.

Der Fachanwalt für Verkehrsrecht ist nämlich keine Spezialisierung, sondern deren genaues Gegenteil. Alles, was mit Straßenverkehr zu tun hat, ist eben genau so wenig ein Rechtsgebiet wie Pferderecht, Tierrecht, Blondinenrecht oder Millionärsrecht. Früher gab es mal Armenrecht, aber das war etwas anderes.

Die Spitze des Unsinns hat die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer - die ist für die Einführung der Fachanwaltschaften zuständig - dann mit dem Fachanwalt für Informationstechnologie erreicht. Immerhin hat irgendjemand noch rechtzeitig vor der Verabschiedung bemerkt, dass Informationstechnologie kein Rechtsgebiet ist, so dass die Versammlung dem Vorschlag geistesgegenwärtig noch schnell ein -recht anhängen konnte.

Was bleibt, ist die sprachliche Grausamkeit des Unwortes Technologie - das es in gutem Deutsch nach wie vor nicht gibt - gepaart mit der völligen Unklarheit, was denn wohl das die "Informationstechnologie" betreffende Recht sein soll. Irgendwas mit Computern wahrscheinlich.

Der Kunde steht vor diesem Wust und ihm graust. Es gibt übrigens lauter werdende Stimmen in der Anwaltschaft, die ersten Fachanwaltschaften wieder abzuschaffen.