Dienstag, 28. September 2010

Schlecht beraten und stolz darauf

Wie die Kollegin Braun zutreffend anmerkt, gehen die meisten Menschen davon aus, dass sie niemals einen Strafverteidiger brauchen werden. Oder sagen wir mal: Sie hoffen es. Und sie hoffen mit einigem Recht, denn die Mehrzahl der Menschen braucht im Leben wirklich nie einen Strafverteidiger. Gleichwohl sollte man einen kennen, falls man doch mal einen braucht, denn das kann schneller passieren als man denkt.

Natürlich ist die optimistische Einstellung der meisten Zeitgenossen verständlich. Nicht verständlich hingegen ist die Einstellung einiger Menschen, was Rechtsanwälte an sich angeht.

So begegnen mir immer wieder potentielle Mandanten, die rechtliche Hilfe dringend nötig hätten, aber den Rechtsanwalt scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Unvergessen der Patriarch eines Familienbetriebes, der mit stolzgeschwellter Brust mir gegenüber angab, dass seine Familie in der über hundertjährigen Firmengeschichte noch niemals etwas mit Rechtsanwälten zu tun gehabt hätte. Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen, und war es auch in diesem Fall nicht.

Gerade in der mittelständischen Wirtschaft scheint es in Deutschland weit verbreitet zu sein, aus Prinzip keinen Rechtsanwalt um Rat zu fragen. Man könnte denken, dass dies auf unternehmerischem Starrsinn oder Egozentrismus beruhte, muss dann aber feststellen, dass dieses zweifelhafte unternehmerische Prinzip sich anscheinend nur auf Rechtsanwälte, nicht auf andere Berater bezieht.

Merkwürdigerweise klopfen sich dieselben Mandanten zufrieden auf die Schulter, was für einen tollen Steuerberater sie haben, und selbst Unternehmensberater werden häufig konsultiert - obwohl deren wirtschaftlicher Nutzen weit fraglicher sein dürfte als der eines guten Rechtsberaters.

Unübertroffen aber sind diejenigen Unternehmer, die mit sämtlichen Rechtsproblemen bis hin zur Strafverfolgung zu ihrem Steuerberater gehen, der davon in der Regel genauso wenig versteht wie sie selbst. Steuerberater werden beauftragt, Gesellschaftsverträge aufzusetzen, Bußgeldbescheide anzufechten und Zivilrechtsstreits zu führen.

Das ist etwa so, als würde man seine Haare vom Metzger schneiden lassen, nur weil der auch ein Messer und eine Schere hat. Darüber mag man sich mal irren, aber den Irrtum zum Prinzip zu erklären, ist eine Verhaltensweise, mit der Rechtsanwälte bisher vergeblich kämpfen.

11 Kommentare:

  1. Die Anwälte "kämpfen" eben nicht, sondern erwecken aus Sicht der (potentiellen) mittelständischen Kundschaft den Eindruck, in ihrem juristischen Elfenbeinturm festzustecken und sich weder für die Wirklichkeit noch für die Probleme ihrer Mandanten zu interessieren. Abgesehen davon können sie sich typischerweise nicht so ausdrücken, dass der Mandant es versteht. Nicht zuletzt sind sie signifikant teurer als der Steuerberater. Solange alles dies sich nicht ändert, haben am Ende beide den Schaden - der potentielle Mandant (mangels kundigen Rechtsrats), aber auch der Anwalt (mangels Umsatzes).

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  2. @ Moneypenny: Vielen Dank für Ihren aufschlussreichen Beitrag, der vielen Rechtsanwälten sicher zu denken geben sollte. Mich würde ernsthaft interessieren, wie Ihr Eindruck von Rechtsanwälten entstanden ist. Liegen dem eigene Erfahrungen zugrunde, und wenn ja, welche? Was hat Sie bewogen, von Ihrem Eindruck auf die Fülle der Rechtsanwälte insgesamt zu schließen?

    Wie gesagt, das würde mich ehrlich interessieren. Sie können mir auch gerne per Mail antworten: anwalt@nebgen.net

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  3. Hätte ich Dir bloß nicht erzählt, wer alles zu meinem Onkel geht.. ;-)

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  4. Lustigerweise befinden sich Rechtsanwälte und Steuerberater in einer umgekehrten Erlaubnissituation: der RA darf alles, was der StB darf (so steht es zumindest im StBerG), macht es aber nur, wenn er davon etwas versteht. Der StB darf nach RDG und den Prozessordnungen außerhalb Steuer kaum etwas, viele machen es aber obwohl sie nicht dürfen, unabhängig, ob sie etwas davon verstehen.

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  5. >> Unübertroffen aber sind diejenigen Unternehmer, die mit sämtlichen Rechtsproblemen bis hin zur Strafverfolgung zu ihrem Steuerberater gehen, der davon in der Regel genauso wenig versteht wie sie selbst. Steuerberater werden beauftragt, Gesellschaftsverträge aufzusetzen, Bußgeldbescheide anzufechten und Zivilrechtsstreits zu führen. <<

    Wobei es dann zwei Dumme gibt. Den Unternehmer, der den Steuerberater beauftragt und den Steuerberater, der annimmt und unerlaubte Rechtsberatung tätigt.

    Da ich selbst in der Steuerberatung tätig bin, kann ich bestätigten, dass die Steuerberater für manche Mandaten die ersten Ansprechpartner für alle Arten von Rechtsproblemen sind.

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  6. >> der RA darf alles, was der StB darf, macht es aber nur, wenn er davon etwas versteht. <<

    Vor kurzem hat mir ein Finanzbeamter erzählt, dass immer mehr RA Steuerberatung anbieten und mangels vernünftiger Ausbildung mit katastrophalen Ergebnissen für die Mandanten.

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  7. Lieber Herr Nebgen,
    wie in jeder Berufssparte gibt es auch bei Anwälten solche und solche.
    Ich kenne (ein paar wenige) Anwälte, die sind hervorragende Juristen, üben ihren Beruf verantwortungsbewusst aus und bemühen sich, ihren Mandanten deren Situation objektiv und so zu erklären, dass auch ein Normalsterblicher es versteht. Das sind keine Mietmäuler, die für jeden arbeiten, der sie bezahlt. Die können es sich auf Grund ihrer Kompetenz leisten, Mandate von Querulanten und Neurotikern abzulehnen.
    Ich kenne aber auch Anwälte (das ist die Mehrzahl), die suhlen sich in ihrer vermeintlichen Genialität, üben ihre Mandate vorwiegend unter honoraroptimierten Aspekten aus und verbergen ihre Unfähigkeit in Bergen von substanzlosem Geschreibsel. Natürlich unter exzessiver Anwendung des juristischen Satzes
    http://ml.42.org/nick-fun/msg00408.html
    Natürlich ist die Rechtslage völlig klar und der gegnerische Anwalt ein Stümper.
    Und wenn der Prozess in die Hose geht, hatte der Richter keine Ahnung, keine Lust oder spielt mit dem Gegner Tennis.
    BTW: Auch mein Vater war "Patriarch" eines Familienbetriebes und zeitlebens stolz darauf, mit Anwälten und Gerichten nichts zu tun zu haben.
    Leute, die wegen "5 Mark" zum Kadi rennen, waren zu seiner Zeit krasse Ausnahmen.

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  8. @ Sebi
    das mit der Steuerberatung der RA ohne entsprechende Kenntnisse war mir neu. Schauderhaft.

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  9. @ Axel John

    "BTW: Auch mein Vater war "Patriarch" eines Familienbetriebes und zeitlebens stolz darauf, mit Anwälten und Gerichten nichts zu tun zu haben.
    Leute, die wegen "5 Mark" zum Kadi rennen, waren zu seiner Zeit krasse Ausnahmen."

    Ich glaube, Ihrer Ausführung liegt die völlig falsche Annahme zu Grunde, dass man Anwälte nur dann braucht, wenn man Probleme mit Anderen hat. Dann ist es aber häufig schon zu spät!!!

    Wichtig ist, dass man Anwälte schon vorab konsultiert um Sachverhalte vernünftig zu gestalten und absehbare Problemfälle schon vorab zu berücksichtigen. Nicht selten trifft man bei den sogenannten Patriarchen-Betrieben auf rechtliche Strukturen, bei denen jeder Gesellschaftsrechtler die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde, weil persönliche Haftungen nicht richtig minimiert worden sind oder weil einzelne betriebliche Risiken nicht sinnvoll getrennt sind.

    Kreditrisiken bezüglich der Geschäftspartner sind nicht sinnvoll optimiert oder halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand, AGB sind unwirksam, rechtliche Fallstricke (insb. im Arbeits-, Bau- und Mietrecht) werden nicht rechtzeitig bedacht...

    Wenn alles gut läuft, hat man natürlich das Geld für die teuren Anwälte gespart, wenn's Scheiße läuft kann man aber nachher wegen einfach vermeidbarer Fehler alles verlieren und voll in der persönlichen Haftung drinhängen.

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  10. Rechtsanwälte sollten aber ihrerseits auch ohne einen Fachanwaltstitel keine Steuerberatung anbieten, obwohl sie es dürften, siehe Steuerberatungsgesetz, was ich für gefährlich halte.

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  11. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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