Montag, 29. Juli 2013

Solche Leute zu verteidigen gehört sich nicht


Wie der Presse zu entnehmen ist, verlässt die Rechtsanwältin Anja Sturm "ihre" Kanzlei in Berlin. Zwar "verliert" sie nicht ihren Job, wie die WELT schreibt, immerhin aber wechselt sie die Stadt. Das ist bitter.

Hintergrund ist augenscheinlich der Umstand, dass Anja Sturm eine der Verteidigerinnen der Hauptangeklagten im NSU-Prozess ist. Damit war Kollegin Sturm zuvor auch schon bei der Vereinigung Berliner Strafverteidiger angeeckt, bei der sie erfolglos für den Vorstand kandidiert hatte. Man habe ihr zu verstehen gegeben, es "gehöre sich nicht, Neonazis zu verteidigen". Rechtsanwälte, die sich derart äußern, haben ihren Beruf nicht verstanden; das wird man leider sagen müssen. Näher muss man darauf wohl nicht eingehen. Rechtsstaat und so.

Deutlich komplizierter liegt die Situation allerdings bei der Bürogemeinschaft, aus der Kollegin Sturm jetzt ausscheidet. Man wird den Kollegen unterstellen dürfen, dass sie sich mit der Problematik etwas intensiver auseinandergesetzt haben. Hier geht es nicht um Moral, sondern (auch) um wirtschaftliche Gesichtspunkte.

Eine Rechtsanwaltskanzlei lebt von ihren Mandanten, und bei vielen Mandanten dürfte das Rechtsstaatsverständnis noch weit weniger ausgeprägt sein als bei den Berliner Verteidigern, von denen oben die Rede war. Die Ex-Kanzlei der Kollegin Sturm lebt offenbar von vielen Mandanten, die sich nicht damit anfreunden können, dass eine "Ihrer" Anwälte auch Nazis verteidigt. Den Impuls bei diesen Menschen kann ich verstehen, mehr aber auch nicht. Man sollte ihnen den Rechtsstaat erklären. Aber ist das die Aufgabe ihrer Rechtsanwälte?

Kann ich am Ende von einer Kanzlei erwarten, dass sie auf einen Großteil ihrer Einnahmen verzichtet, nur um nicht vor der Borniertheit ihrer Mandanten zu kapitulieren? Das ist eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.



Freitag, 26. Juli 2013

Es wird richtiger, wenn es schrumpft


Es gibt richtige Urteile und es gibt Urteile, über die man sich mit guten Gründen streiten kann. Leider gibt es aber auch Urteile, die sind einfach nur falsch.

Von einem solchen Urteil berichtet - offenbar ohne es zu merken - der Kollege Lampmann. Da hat das Berliner Kammergericht über die beliebte Angabe auf den Briefbögen schlechter Rechtsanwälte geurteilt: Es wäre nicht irreführend, wenn auf dem Briefkopf stünde: "Zugelassen bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten". Das sei keine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit, soweit die Angabe nicht besonders hervorgehoben werde.

Ob etwas eine Selbstverständlichkeit ist, soll danach also von der Schriftgröße abhängen. Das ist konfuser Unsinn. Eine Angabe ändert ihren Inhalt nicht dadurch, wie groß man schreibt. Nichts wird richtiger, wenn es schrumpft. Es ändert dadurch höchstens seine Form. Dass erfahrene Richter so etwas in ein Urteil schreiben, ist schon erschütternd genug, dass Kollegen es auch noch gut finden - sorry, Kollege Lampmann - verursacht  bei mir nur noch Kopfschütteln.

Das Erstaunlichste aber ist, dass das Kammergericht in seinem Urteil ausdrücklich davon ausgeht, dass es sich bei dem streitigen Zusatz "zugelassen bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten" um eine "objektiv richtige Angabe" handelte. Das ist nämlich - unabhängig von der Schriftfette - keinesfalls selbstverständlich, sondern offensichtlich falsch.

Gemäß § 12 Bundesrechtsanwaltsordnung ist der Rechtsanwalt nur bei einer einzigen Stelle zugelassen, nämlich bei der für seinen Bezirk zuständigen Rechtsanwaltskammer. Man fragt sich, wovor sich der rechtssuchende Mandant da eigentlich mehr gruseln soll - vor Rechtsanwälten, die nicht einmal wissen, wo sie zugelassen sind, oder vor Gerichten, die die Gesetzeslage nicht kennen?

Donnerstag, 25. Juli 2013

Braun steht ihr nicht


Manch einer zieht sich einfach falsch an und versaut sich damit vielleicht sein ganzes Leben. Einmal nicht in Anzug und Krawatte beim Vorstellungsgespräch gewesen und: abgelehnt. Einmal in weißen Socken beim Date und: sie hat nie wieder angerufen.

Kleider machen Leute, dass wusste schon Gottfried Keller, jetzt weiß es auch die BILD-Zeitung. Und wen hat sie gefragt? Natürlich nicht Gottfried Keller - der ist ja schon lange tot - sondern eine echte Instanz in Sachen Mode: Beate Zschäpe. Die hatte immerhin an fast jedem Prozesstag etwas anderes Schickes an. BILD zitiert sie zu ihrem Leben vor der Prominenz in diesem aufsehenerregenden Beitrag mit den Worten:

"Allein durch meinen Bekleidungsstil lag mein Selbstbewusstsein in Bodennähe."

Jetzt hingegen hat sie in ihrer Zelle einen Schrank, der sogar mehrere Fächer hat! Das hat die BILD beim Direktor der JVA extra erfragt.

So geht investigativer Journalismus! Knallhart am Thema! Dranbleiben! Kisch wäre stolz gewesen.

Aber der ist auch schon tot.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Naiv und verlogen


Stellen wir uns einmal vor, Sie wären Drogenhändler. Wenn jetzt die so genannten Ermittlungsbehörden einen so genannten Tatverdacht gegen Sie hätten und den für dringend hielten, dann würde die Staatsanwaltschaft bei Gericht wahrscheinlich eine Maßnahme nach § 100a StPO beantragen. Das Gericht würde diesem Antrag aller Wahrscheinlichkeit stattgeben, und damit dürften die Staatsanwaltschaft und ihre kleinen Helfer von der Polizei dann Ihre gesamt Telekommunikation überwachen.

Das gleiche ginge übrigens auch dann, wenn Sie nicht des Drogenhandels, sondern eines anderen Delikts aus einer ständig länger werdenden Liste so genannter "Katalogtaten" verdächtigt wären. Der Katalog der tauglichen Taten allein aus dem Strafgesetzbuch reicht derzeit von § 100a Abs. 2 Ziffer 1.

lit. a) (Straftaten des Friedensverrates, des Hochverrates und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80 bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 94 bis 100a) 

bis zu § 100a Abs. 2 Ziffer 1

lit t) (Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334).

Unter den Ordnungsziffern 2. bis 11. folgen noch etliche weitere Straftatbestände aus Sondergesetzen. Mit jeder Gesetzesänderung wird der Katalog länger.

Jährlich werden etwa 20.000 solcher Überwachungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt. Mehr wäre kaum möglich, weil hierzu das Personal der Ermittlungsbehörden nicht ausreichte. Irgendjemand muss sich das ganze Gerede und Getexte ja auch noch anhören, durchlesen und auswerten, von übersetzen ganz zu schweigen. Viele der Gespräche werden nämlich gar nicht auf Deutsch geführt.

Irgendwelche nennenswerten Proteste der Bevölkerung gegen diese Handhabung sind mir nicht bekannt. Im Gegenteil: Jede Verschärfung der Prozessordnung wird in der Regel stürmisch begrüßt, weil man damit ja angeblich den bösen Buben besser ans Leder gehen kann.

Umso mehr verwundert es, wie die so genannte Netzgemeinde derzeit mit dem Bekanntwerden des Umstands umgeht, das amerikanische und britische Geheimdienste die gesamte Kommunikation über das Internet abhören. Sascha Lobo will angesichts der Enthüllungen eine Entwicklung der Gefühle von Erstaunen (Stufe 1) über Entsetzen, Empörung, Irritation, Ohnmacht und Wut bis hin zu Ekel (Stufe 7) durchlebt haben; Udo Vetter mokiert sich bei den Menschen über "demonstrativ zur Schau getragene Resignation" und "milden Unglauben", in der Hoffnung, der Ernst der Lage möge diese doch noch in "legitimen Protest" verwandeln.

Jetzt mal im Ernst, liebe Freunde des Internets: Habt Ihr ernsthaft geglaubt, die informationsbeschaffenden Behörden würden sich die Chance des Internets entgehen lassen? Statt vor den Risiken des Internets zu warnen,  empört Ihr euch lieber über die Geheimdienste und die Regierungen, die nur das tun, was sie immer schon getan haben. Nur, dass Euch die Geheimdienste und Regierungen dank des Internets jetzt viel effektiver ausschnüffeln können als früher.

Das werft Ihr jetzt den Geheimdiensten und Regierungen vor und regt euch über das blöde Volk auf, das sich nicht mit euch empört.

Ist das nicht ein bisschen - Verzeihung - naiv und verlogen?

Dienstag, 23. Juli 2013

Wer nichts sagt, ist schuld


Der Mandant war wohl etwas angetrunken nach Hause gekommen. Es gab Stress im Treppenhaus, im Zuge dessen kam es zu einem Gerangel mit einem Mitbewohner. Als die Polizei anrückte, lag der Mandant blutend und regungslos am Treppenabsatz, der Mitbewohner stand daneben.

Das äußere Bild hat die Staatsanwaltschaft nicht davon abgehalten, Anklage gegen meinen Mandanten zu erheben. Denn der Mitbewohner hatte ihn bei den eintreffenden Polizeibeamten kurzer Hand wegen allerlei Delikte angezeigt.

Mal wieder interessante Einblicke in die Weltanschauung von Polizeibeamten erlaubte der Termin zur mündlichen Hauptverhandlung gegen den Mandanten. Auf Nachfrage, warum man denn den offenbar verletzten und regungslos am Boden liegenden Mandanten als Täter und nicht etwa als Opfer angesehen habe, legte der Beamte seine Sichtweise dar:

Man habe den Mandanten als Täter angesehen, weil der gegenüber der Polizei keine Angaben habe machen wollen.

Auf weitere Nachfrage fügte der Beamte hinzu: Da man von der immer noch am Boden liegenden Person keine sachdienlichen Hinweise habe erhalten können, sei man von der Schilderung des anderen Beteiligten ausgegangen.

Auf die weitere Nachfrage, ob das wirklich sein Ernst sei, hat der Beamte zunächst etwas fragend geguckt und die Nachfrage dann bejaht.

Merke also: Täter ist, wer von seinem Schweigerecht Gebrauch macht.
Merke des weiteren: Wer noch steht, sagt die Wahrheit. Wer bewusstlos daneben liegt, ist schuld.



Montag, 22. Juli 2013

Ohne Akt geht nichts


Vor einiger Zeit habe ich mal einen Mandanten an einem fernen Ort verteidigt. Das örtliche Gericht hatte mich beigeordnet und so habe ich meine Gebühren gegenüber dem zuständigen Amtsgericht abgerechnet. Und - wie das bei Staatskassen leider regelmäßig erforderlich ist - nach einem halben Jahr angemahnt.

Jetzt erreicht mich ein herziges Schreiben des - unzuständigen - Landgerichts, das mir folgendes schreibt:

"Ihr Schreiben vom 04.07.2013, mit dem Sie an die Kostenfestsetzung erinnern, ging heute hier ein, weitergeleitet vom Amtsgericht. Zuständig für die Kostenfestsetzung ist das Amtsgericht, da allerdings in diesem Verfahren Berufung eingelegt wurde, befindet sich die Akte derzeit zur Entscheidung über das Rechtsmittel am Landgericht. Eine Kostenfestsetzung ohne Akte ist nicht möglich, derzeit ist es auch nicht möglich, die Akte dem Amtsgericht zur Bearbeitung zuzuleiten."

Aha. Das zuständige Amtsgericht leitet also Schreiben, die es nicht bearbeiten möchte, an ein unzuständiges Gericht weiter. Und das schreibt mir dann, dass es unzuständig sei. An eine falsche Adresse übrigens.

Das mache ich demnächst auch mal so: Ich schreibe auf lästige Mahnungen einfach:

"Tut mir leid, Ihre Rechnung habe ich leider in einem Ordner abgeheftet, der sich zurzeit in meinem Ferienhaus in Kampala befindet. Ohne Vorlage der Originalrechnung kann ich ihre Rechnung leider nicht begleichen. Voraussichtlich werde ich wegen der anhaltenden Krisensituation vor Ort erst im Jahr 2015 wieder in mein Ferienhaus reisen. Bis dahin haben Sie bitte Geduld."

Ob die Staatskasse, das Finanzamt und all die anderen Gläubiger auf dieses Schreiben hin vielleicht endlich damit aufhören werden, immerzu diese dusseligen Mahnungen zu schreiben? Ich hoffe doch.

Dienstag, 16. Juli 2013

Die Diktatur der Kunst grüßt


Jonathan Meese ist Künstler. Als Ausdruck seiner Kunst grüßt Herr Meese gerne und häufig. Und da er für die Diktatur der Kunst eintritt, grüßt er auf die ihr eigene Weise; man sieht das beispielsweise auch auf seiner Homepage.

Nun war Herr Meese vor einiger Zeit zu einem Gespräch mit dem "Spiegel" verabredet. Auch die beiden anwesenden Redakteurinnen und das Publikum hat er begrüßt, angeblich sogar mehrfach. Der Spiegel berichtet in seiner aktuellen Printausgabe, eine Vorschau mit sehenswertem Photo sieht man hier.

Das hat die Staatsanwaltschaft nicht ruhen lassen und sie hat einen Strafbefehl gegen Jonathan Meese beantragt wegen des "Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen", § 86a StGB. Das Gericht hat eine mündliche Hauptverhandlung anberaumt für übermorgen. Wahrscheinlich wollte das Gericht diesen seltsamen Menschen nur mal sehen und hat deshalb den Strafbefehl nicht erlassen.

Hätte man einfach nur das Gesetz angewendet, hätte man den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nur ablehnen dürfen, denn eine strafbare Handlung ist weit und breit nicht ersichtlich. Wie man sich denken kann, bedroht § 86a StGB nur denjenigen mit Strafe, der verfassungsfeindliche Kennzeichen ernsthaft und im eigentlichen Sinne verwendet, verbreitet oder herstellt. Im Kommentar von Thomas Fischer ist etwas gestelzt die Rede von "Handlungen, welche nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, bei objektiven Beobachtern den Eindruck einer Identifikation des Handelnden mit den Zielen der verbotenen Organisation zu erwecken".

Damit siebt die höchstrichterliche Rechtsprechung all jene Handlungen aus, die so etwas wie einen ironischen Unterton haben oder gar künstlerischen Zwecken dienen. Da können einem bei Jonathan Meese schon bestimmte Gedanken kommen, sieht man beispielsweise das Photo, auf dem er ein Plüschbambi im nicht grüßenden Arm hält. Aber mit Ironie tut sich die Justiz von jeher schwer, und Kunst duldet sie höchstens, wenn sie still und alt im Gerichtsflur hängt.

Und so eröffnet das Amtsgericht Kassel dem Künstler Jonathan Meese am Donnerstag die Möglichkeit, seine Performance an einem Ort zu veranstalten, zu dem er sonst keinen Zutritt hat: im Gerichtssaal.

Vielleicht grüßt er ja auch wieder.


Donnerstag, 11. Juli 2013

Alle hören zu, alle wissen Bescheid


Vor etlichen Jahren konnte ich einen erfahrenen Kollegen dabei beobachten, wie er etwas tat, das ich bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte: Er beauftragte einen Privatdetektiv. Anders als Dr. Renz seinen Matula, habe ich den Detektiv nie persönlich gesehen, wohl aber seine Ergebnisse. Die waren beeindruckend.

Der Detektiv konnte binnen weniger Tage den gesamten Fax- Telefon- und Mailverkehr (sowohl ein- als auch ausgehend) der Zielperson präsentieren, und das über einen praktisch beliebigen Zeitraum. Wie er das geschafft hat, wollte keiner wissen und hat ihn auch niemand gefragt. Ein Prinzip, das sich im Umgang mit vertraulichen Informationen immer wieder bewährt hat. Seither gehe ich davon aus, dass, wer wirklich will, jede erdenkliche Information über jede erdenklich Person bekommen kann.

Da ich bereits in den Achtzigern auch ein umfangreiches Werk über die US-Geheimdienste gelesen hatte (Bob Woodward, Geheimcode Veil, Reagan und die geheimen Kriege der CIA), stand für mich seit jeher fest, dass Geheimdienste jede Information sammeln, die sie irgendwie kriegen können. Dabei wird man getrost davon ausgehen können, dass die Mittel der amerikanischen Geheimdienste diejenigen eines selbständigen Privatdetektivs bei weitem übersteigen. Besonders beeindruckend fand ich damals, dass der CIA schon in den siebziger Jahren Gespräche abhören konnte, indem man mittels Peilsendern die Schwingungen von Fensterglasscheiben aufnahm und später wieder in Sprache umsetzte, die im Raum gesprochen worden war. Das dürfte lächerlich sein, im Vergleich zu dem, was heute möglich ist.

Und nun kommt die Frau Dr. Angela Merkel und behauptet, von Abhörprogrammen des US-Geheimdienstes NSA hätte sie nie etwas gewusst. Sie habe davon - ebenso wie der Innenminister - "erst durch die Medienberichterstattung erfahren". Das kann allerdings auch bedeuten, dass man von konkreten Details gar nichts wissen wollte. Das Prinzip wurde ja oben bereits im Zusammenhang mit dem Privatdetektiv erwähnt. So wird auch der berühmte Edward Snowden zitiert: "Die anderen Behörden fragen uns nicht, woher wir die Hinweise haben, und wir fragen sie nach nichts."

Das war übrigens auch bei der Stasi nicht anders. Jeder wusste, dass es sie gab und was sie tat - und stellte sich darauf ein. Gleichwohl weist die Kanzlerin den Vergleich mit der Stasi scheinbar entrüstet zurück; das wäre eine "Verharmlosung der Stasi". Hält man sich vor Augen, wie vergleichsweise mühsam die Stasi ihre vergleichsweise spärlichen Informationen über die Bürger sammeln musste, scheint mir diese Behauptung durchaus fragwürdig.

Aber vielleicht hat die Kanzlerin auch hier etwas ganz anderes gemeint: Die Stasi war schließlich böse, und die USA sind gut.

Wenn dass mal kein plumper Amerikanismus ist.



Montag, 8. Juli 2013

Umordentliche Kollegen


Kommt ein Mandant, geht ein Mandant: Das tägliche Brot des Strafverteidigers hat der Kollege Wings hier prächtig dargestellt. Und auch sein Dilemma: Sagt der Verteidiger dem inhaftierten Mandant, wie es wirklich um ihn steht, wird der das nicht hören wollen und im Zweifel einen konkurrierenden Kollegen beauftragen, der ihm ein besseres Ergebnis in Aussicht stellt. Diese Art von Kollegen wird gelegentlich auch als Knastmarder bezeichnet. Sie schleichen durch die Gänge und knabbern an Mandatsverhältnissen.

Viele Inhaftierte fallen darauf herein. Man kann ihnen das noch nicht einmal wirklich übel nehmen. Wer würde sich nicht an den Strohhalm klammern, wenn er einem angeboten wird?

Nur ist das Angebot des gemeinen Knastmarders kein Strohhalm, sondern allenfalls die Fata Morgana eines Strohhalms. Der Inhaftierte kriecht ihr auf den Leim und am Ende ist da - nichts. Das könnte wissen, wer seine Lage realistisch einschätzt, aber wer kann das schon in einer solchen Krisensituation.

Alle Verteidiger werden mit dieser menschlichen Schwäche ihrer Mandanten leben müssen; die Frage ist nur, wie der jeweilige darauf reagiert. Entweder er verhält sich ordentlich und nimmt dabei in Kauf, Haftmandate über kurz oder lang an Knastmarder zu verlieren; oder er wird selbst zum Knastmarder. Das ist wohl eine Frage für die Ethikkolumne in der Süddeutschen Zeitung. Rechtlich relevant wird es aber, wenn man einen Schritt weiter denkt.

Der gemeine Haftmandant hat nämlich kein Geld. Er ist daher in der Regel ein Fall für die so genannte Pflichtverteidigung, die notwendige Verteidigung gem. § 140 StPO. Da zahlt der Staat, zumindest zunächst. Ein Teil der Gebühren ist also gesichert. Pflichtverteidiger kann aber in der Regel nur einer sein, deshalb wird der Knastmarder nicht nur versuchen, seinen unliebsamen Kollegen aus dem Mandat zu schubsen. Er wird  auch danach trachten, dessen spärliche Staatsvergütung abzugreifen. In Hamburg tun etliche "Kollegen" das gerne unter Hinweis darauf, dies sei in Hamburg "üblich". Man lese dazu gerne nochmals diese Moritat. Die Knastmarder beantragen dann bei Gericht etwas, das sie "Umbeiordnung" nennen und wollen den Kollegen nötigen, auf seine bereits verdiente Vergütung zu verzichten. Aus welchen Rechtsgrund bleibt dabei notwendigerweise unklar, denn es gibt keinen. Das könnte bzw. müsste man auch als Richter eigentlich wissen, weil aber ein Blick in das Gesetz anstrengend ist, glauben viele Richter den Knastmardern diesen Unfug einfach.

Letztens trug mir eine Richterin doch tatsächlich ein solches Gesuch an mit dem Zusatz, die Umbeiordnung erfolge "zu den üblichen Konditionen". Auf meine schriftliche Nachfrage, welche Konditionen das wohl seien, schrieb die Richterin zurück, sie wisse das nicht, das habe der Kollege so ausgedrückt.