Mittwoch, 29. Februar 2012

Politische Argumentation

Die letzten Worte zum Bundespräsidenten Wulff sind gesprochen. Er bekommt seinen Ehrensold. Sagt das Bundespräsidialamt. Diese kurze Nachricht gibt es z. B. in der FTD.

Die Frage des Ehrensoldes hängt bekanntlich daran, ob der Präsident "aus politischen Gründen" zurückgetreten ist. Das will das Bundespräsidialamt jetzt also geprüft haben. Es ist zu dem Schluss gekommen, der Rücktritt wäre aus politischen Gründen geschehen und begründet das dem Vernehmen nach damit, dass "objektive Umstände für eine erhebliche und dauerhafte Beeinträchtigung der Amtsausübung" gegeben gewesen wären.

Nun: Hätte der Bundespräsident seine Frau erschlagen, eine Sprengstoffexplosion ausgelöst oder eine Bank überfallen, wäre seine Amtsausübung sicherlich auch erheblich und dauerhaft beeinträchtigt worden. Gleichwohl hätte er seinen Ehrensold sicherlich nicht bekommen. Daran sieht man, dass es bei der Frage des "politischen Grundes" eben nicht darum gehen kann, ob die Amtsausübung beeinträchtigt wird. Es geht darum, warum die Amtsausübung beeinträchtigt wird - um das zugrunde liegende Verhalten des Präsidenten nämlich.

Und das hatte mit seiner Amtsausübung schon deshalb nichts zu tun, weil der Präsident zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht im Amt war.

Die Argumentation des Bundespräsidialamtes aber bleibt in seiner Unsinnigkeit erschütternd. Wer so argumentiert, der kann sich eine Rechtsprüfung eigentlich auch gleich ganz sparen und hat offenbar auch keine Not damit, das zu zeigen.

Montag, 27. Februar 2012

Wer den Urheber schützt, ist böse

Als ich jüngst in meinem Internet blätterte, stieß ich auf einen in mancher Hinsicht bemerkenswerten Beitrag mit dem Titel „Generation der Verbrecher“ in dem blog „Indiskretion Ehrensache“ von Thomas Knüwer.

Zunächst einmal: Der Autor tut, was der Internet-User offenbar am liebsten tut: Er lamentiert und pöbelt darüber, dass andere Menschen nicht seiner Meinung sind. Aber wie er es macht! Da wird beklagt, dass die Jugend, wenn sie doch nur kreativ sein wolle, stattdessen kriminalisiert würde; als leuchtendes Beispiel wird ein naiv-dümmlicher vor Grammatikfehlern und unfreiwilligen Stilblüten („ich und meine Freunde“) strotzender Text einer 16-jährigen Facebook-Userin lobhudelnd zitiert; und Ansgar Heveling muss auch mal wieder herhalten. Es ist ein Graus.

Angeblich werde eine ganze Generation kriminalisiert, indem man vor der Ausstrahlung – urheberrechtsgeschützter – Filme eine Warnung einblende, dass das Fertigen von Raubkopien strafbar sei. „Jeder Zuschauer ein potentieller Gangster“ steht da wörtlich zu lesen und von Generalverdacht ist die Rede. Nur wird durch die Warnung noch niemand kriminalisiert – durch die Warnung auf einer Zigarettenschachtel bekommt man ja auch keinen Krebs. Hier wird mal wieder munter die Wirkung mit der Ursache verwechselt. Dabei handelt sich doch bloß um einen Hinweis auf die Gesetzeslage, den mancher bitter nötig zu haben scheint, wenn man sich so im Internet umguckt.

Der Autor lobt dafür das Verhalten von Halbwüchsigen, die auf Youtube kleine eigene Filmchen einstellen, in denen sie gegen das teuflische Gesetzeswerk wettern, als „Kreativität“. Einer wird sogar durch Verlinkung explizit herausgehoben. „Er ist kreativ, er macht Dinge – und ist dafür ein Verbrecher?“ Spätestens da hofft man nur noch, bei dem ganzen Beitrag möge es sich um einen Hoax handeln. Aber ich fürchte, Herr Knüwer meint es ernst. „Dinge machen“: Das kann doch nicht strafbar sein!

Schließlich feiert er den Protest der Jugendlichen als Akt politischen Handelns. Und auch da irrt er sich.

Der Protest ist in erster Linie ein Akt puren Egoismus': Von politischem Denken sind die zitierten Beispiele meilenweit entfernt. Wer gegen ACTA protestiert, mag vor allem nicht wahr haben, dass es Gesetze gibt, an die er sich eigentlich halten sollte. Die dabei angeführte Argumentation ist an Narzissmus und Oberflächlichkeit kaum noch zu überbieten. Und sie erinnert fatal an die Argumentation mancher Steuersünder, die ihre Straftaten damit rechtfertigen, wie schlimm der Staat sie doch behandeln würde, während andere fürs Nichtstun auch noch geschenkt kriegten. Da muss man dann doch auch ein bisschen betrügen dürfen.

Leider vergessen diese Menschen immer wieder eins: Der Staat ist nicht etwa ein böses Monster, das irgendwo da draußen lauert und sie auffressen will – der Staat, das sind sie selbst.

Und der Staat hat schlicht und einfach verboten, anderer Leute geistiges Eigentum zu klauen. Das hat mit ACTA direkt noch nicht einmal etwas zu tun, sondern mit dem deutschen Urheberrechtsgesetz. Womit auch über die Qualität der Gesetzeslage noch nichts gesagt ist. Über den Urheberschutz muss man in Zeiten von facebook sicherlich diskutieren. Aber dann sollte man das auch tun.

Nur vermittelt der durchschnittliche Internet-User den Eindruck, dass er genau das nicht will. Er will nicht diskutieren, er will Recht haben. Er will nicht einmal eine Revolution. Er will pöbeln.


Donnerstag, 23. Februar 2012

Organ zweiter Klasse

Gestern traf ich den Kollegen Hoenig in der Besucherschleuse des Strafjustizgebäudes in Hamburg. Das Erlebnis dieser Schleuse hat der Kollege auch in seinem blog kommentiert und beschreibt den Zustand dort recht zutreffend.

Am Bemerkenswertesten an der Hamburger Regelung allerdings finde ich, das Berufsrichter und Staatsanwälte sich der entwürdigen Prozedur beim Betreten oder Verlassen nicht unterwerfen müssen und vom Pförtner gegen Vorlage eines Dienstausweises einfach an der Pförtnerloge vorbeigewinkt werden.

Rechtsanwälte müssen sich dagegen beim Betreten an der zumeist langen Besucherschlange vorbeidrängeln und vor dem finalen Drehkreuz möglichst auffällig mit ihrem Anwaltsausweis wedeln, damit das Wachpersonal sie in den Schleusenraum lässt. Beim Verlassen muss man sich in eine leider sehr unzuverlässige Klappenkonstruktion von Tür quetschen, deren Automatik auch bei weniger beleibten Menschen öfter mal versagt, so dass sie dann vom Wachpersonal befreit werden müssen.

Angesichts der gesetzlich festgeschriebenen Gleichstellung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten als gleichberechtigte "Organe der Rechtspflege" finde ich diese Ungleichbehandlung nach wie vor erstaunlich. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Mittwoch, 22. Februar 2012

Rauchzeichen aus Karlsruhe

Vor einiger Zeit sprach ich mit einer Mandantin, die mir eher beiläufig ihr Problem schilderte. Sie betreibe eine Gaststätte auf einem Autohof, der größtenteils von Truckern genutzt werde, die ihre gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen dort verbrächten.

Zunächst hatte die vorvorletzte Regierung sie gesetzlich gezwungen, für teures Geld einen separaten Raucherraum einzurichten, damit die rauchenden Gäste die anderen Gäste nicht belästigen. Schon darüber kann man sich mokieren, denn die Gäste rauchen praktisch alle. So sind sie, die Fernfahrer. Cowboys eben.

Kaum war der Raucherraum da, änderte sich die Regierung, und die neue Regierung änderte das Gesetz: Das Rauchen wurde ihren Gästen jetzt vollständig untersagt mit der Begründung, dass im Lokal nebenbei auch Speisen angeboten werden. Und wo Speisen angeboten werden, darf in Hamburg nicht geraucht werden, so die Gesetzeslage laut dem Hamburgischen Passivraucherschutzgesetz (HmbPSchG). Bis gestern.

Diese Situation war für die Mandantin wirtschaftlich von existentieller Bedeutung. Nicht nur, dass ihre Gäste fast ausschließlich Raucher sind, sie sind auch auf der Durchreise. Und in den umliegenden Bundesländern ist das Rauchen in dafür vorgesehenen Raucherräumen erlaubt. Nun erklären Sie bitte einmal einem LKW-Fahrer, dass er im Raucherraum eines Autohofs in Hamburg nicht rauchen darf, in den Raucherräumen auf den Autohöfen der umliegenden Bundesländer aber schon. Da macht der LKW-Fahrer auf dem hohen Absatz kehrt, und verraucht seine Ruhepause lieber in Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern. Und die Gaststätte der Mandantin bleibt leer.

Das das nicht rechtmäßig sein kann, fand ich so eindeutig, dass ich mich ausnahmsweise bereit erklärt habe, ein verwaltungsrechtliches Mandat zu übernehmen und einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gestellt habe. Leider wollte sich weder die Ausgangsbehörde noch die Widerspruchsbehörde mit unserer Argumentation auseinandersetzen, sondern verwies auf die Gesetzeslage, an deren Rechtmäßigkeit wir ja gerade zweifelten.

So landete das Ganze vor dem Verwaltungsgericht, und an einem verregneten Freitag teilte die zuständige Kammer mir mit, dass man meine Argumentation teile und die Frage zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorlegen wolle. Hurra! Endlich jemand, der uns verstand!

Und nun meldete sich gestern doch tatsächlich das Bundesverfassungsgericht. Das Ergebnis findet sich hier. Die Mandantschaft freut sich und der Rechtsanwalt fühlt sich in seinem Präjudiz bestätigt. Wenigstens dieses eine Mal.

Dienstag, 21. Februar 2012

Alles für kein Geld

Über Rechtsanwälte und ihre Bezahlung wird gerade im offenbar extra zu diesem Thema eingerichteten blog des Kollegen Lutje alles gesagt. Die ersten beiden Teile sind ausgesprochen viel versprechend.

Ich bin gespannt auf den Teil, in dem das Mandat "pro bono" behandelt wird, insbesondere diejenigen  Mandanten, die den Rechtsanwalt mit Virtualien, wie z. B. Ruhm, Ehre oder Fernsehauftritte bezahlen möchten und dafür in Aussicht stellen, vielleicht das Folgemandat bezahlen.

Dass es solche "Geschäftspartner" nicht nur bei Rechtsanwälten, sondern auch bei anderen Freiberuflern zu genüge gibt, zeigt dieser schöne blogeintrag bei kunstundso. Dem Kommentar im ersten dort verlinkten Interview ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Dienstag, 14. Februar 2012

ÖRA-Resistent

In fast allen Bundesländern gibt es Beratungshilfe. Über ein Problem der Beratungshilfe berichtet z. B. der Kollege Wings hier.

In den Stadtstaaten Hamburg und Bremen gibt es bekanntlich keine Beratungshilfe. Hier tritt gemäß § 12 Abs. 1 des "Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen" die Öffentliche Rechtsauskunft (ÖRA) an die Stelle der Beratungshilfe. Die ÖRA wird teilweise aus öffentlichen Geldern, zu einem Teil aber auch aus den Beiträgen der Rechtsanwälten zu den Rechtsanwaltskammern finanziert. Die Rechtsanwaltschaft hat sich von der Pflicht zur Übernahme von Beratungshilfemandaten also sozusagen "freigekauft".

Nun ist Hamburg eine Großstadt mit vielen guten Rechtsanwälten. Im schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Umland ist die anwaltliche Besiedlung dünner. Das führt dazu, dass öfter mal Bürger eines Nachbarlandes mit einem dortigen Beratungshilfeschein bei einem Hamburger Rechtsanwalt auftauchen. Der steht dann vor der Frage, ob er in solchen Fällen zur Übernahme des Mandats verpflichtet ist oder nicht. Kleine Denkhilfe: Die ÖRA dürfte diese Menschen nicht nur wegschicken, sie wäre nach ihrer Satzung sogar dazu verpflichtet. Voraussetzung der Beratung bei der ÖRA ist nämlich, dass man seinen Wohnsitz im Stadtgebiet hat.

Kann für einen Hamburger Rechtsanwalt etwas anderes gelten? Das ist schwer denkbar, wird aber immer wieder vertreten. Nur: Warum gibt es die ÖRA dann überhaupt?

Freitag, 10. Februar 2012

Mammuts in Sibirien

Gestern erst gab es Jurassic Park III im Fernsehen, heute schon begeistert die BILD-Zeitung mit einem Film, in dem ein richtiges Mammut zu sehen sein soll. Ein Ingenieur soll das Mammut in Sibirien beim Durchwaten eines Flusses gefilmt haben.

Das hat zwar nicht direkt etwas mit Recht oder Gesetz zu tun, außer vielleicht ein bisschen Urheberrecht, aber so vor dem Wochenende... Oder ist das vielleicht doch Urkundenfälschung?

Eine wissenschaftlich einwandfreie Kritik des Filmchens gibt es auch schon, hier.

Vielleicht sind die Mammuts doch ausgestorben.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Keine Grammatik in Jenfeld

Jenfeld ist ein Stadtteil  an der nordöstlichen Stadtgrenze Hamburgs. Es gibt dort eine Autobahnabfahrt. Und ein Haus. In dieses Haus sollen Menschen einziehen, Menschen, die einen Großteil ihres bisherigen Lebens wegen schwerer Straftaten in Haft und anschließend in Sicherungsverwahrung verbracht haben. Nun sind sie frei. Und sollen nach Jenfeld ziehen. Einen schönen Hintergrundbericht dazu gibt es hier.

Aber die Jenfelder wollen nicht, dass ehemalige Sicherungsverwahrte in ihre Nachbarschaft ziehen. Die könnten ja gefährlich sein. Oder kriminell. Oder gewesen. Oder überhaupt. Seit der Hamburger Senat die Ansiedlung der ehemaligen Sicherungsverwahrten beschlossen hat, versammeln sich daher regelmäßig Anwohner, um dagegen zu protestieren. Ihr Stadtteil soll schließlich sauber bleiben. Die Jenfelder tragen selbstgebastelte Schilder um den Hals, auf denen steht in schönstem falschen Deutsch: "Keine Sicherungsverwahrte nach Jenfeld!". Wer es nicht glaubt: Ein Photo davon gibt es hier.

Das ist leider auch das Niveau, auf dem ein Großteil der Debatte um die Sicherungsverwahrung verläuft. Wenn es darum geht, Menschen "wegzusperren", sind alle stark dafür - wenn es aber darum geht, diese Menschen anschließend wieder zu resozialisieren, will keiner etwas damit zu tun haben. Im Englischen gibt es für diese unangenehmen Menschen einen eigenen Ausdruck: NIMBY. Das steht für "Not In My Back Yard"

Schon gar nicht in Jenfeld.

Montag, 6. Februar 2012

Ende der Debatte

In Vereinen, Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Wohnungseigentümergemeinschaften gibt es regelmäßig Versammlungen, auf denen man als Mitglied Anträge stellen kann. Das macht vielen Vereinsmitgliedern Spaß; es vermittelt dem einfachen Mitglied häufig ein Gefühl der Macht. Man hebt die Hand, redet los, und schon müssen alle so lange sitzen bleiben, wie die eigene Rede dauert.

Wenn zu viele zu lange über immer dasselbe reden, stellt das Recht den Mitgliedern einen förmlichen Rechsbehelf zur Seite: Man kann das Ende der Debatte beantragen. Man tut dies in der Regel, in dem man nicht eine Hand hebt, sondern beide. Aufgrund dieses Antrags muss dann unter den Anwesenden abgestimmt werden. Bei Mehrheitsbeschluss für den Antrag ist dann Schluss.

Mancher wünscht sich den beidhändigen Antrag offenbar auch in der Politik, gerne und besonders dann, wenn das zu behandelnde Thema ihm nicht genehm ist. Wir erinnern uns z. B. an Herrn Altmaier aus der CDU, der im frühen Stadium der Äffaren des Bundespräsidenten Wulff auf diese Weise weitere Kritik unterbinden wollte. Das scheint in Mode zu kommen: In Schwaben empört man sich derzeit darüber, dass ein notorischer Antisemit und Anhänger der Lehre vom "Herrenvolk" vom Landkreis gleichwohl geehrt werden soll.

Den zugrunde liegenden Sachverhalt mag man kaum glauben, ein gleichwohl glaubwürdiger Bericht findet sich in der SZ. Und statt den eigenen Faux-pas einzugestehen, fordert der CDU-Landrat was? Genau. Ende der Debatte. Denn: "Wenn man Dreck weit zieht, dann stinkt er weit."

Schöner Spruch, muss ich mir merken. Passt hier nur nicht. Denn man muss den stinkenden Dreck ja nicht gleich ehren.

Grüß Gott? Aber hallo!

Es gibt Wörter in der deutschen Sprache, die mag ich einfach nicht. "Prima" und "lecker" sind solche Wörter. Ihr Gebrauch vermittelt mir den Eindruck selbstgefälliger Ignoranz; höre ich diese Wörter, muss ich mir einen dicken, auf grenzdebile Weise zufriedenen Mann beim Essen vorstellen. Ich möchte den Gebrauch dieser Wörter am liebsten verbieten.

Andere Menschen hingegen mögen andere Wörter nicht. An einer Schule im Freistaat Bayern gibt es zum Beispiel eine Schulleiterin, die mag die Wörter "Tschüß" und "Hallo" nicht. Das tue ihr in den Ohren weh, sagt sie -zumindest wird sie im Stern so zitiert. Deswegen hat sie an ihrer Schule den Gebrauch dieser Wörter per Dekret verboten. Die Schüler sollten lieber "Grüß Gott" bzw. "Auf Wiedersehen" sagen. Damit hätten die Kinder auch später auf dem Arbeitsmarkt viel bessere Chancen, denn Bayrische Unternehmer seien höfliche Menschen, die auf ordentliche Grußformeln Wert legten.

Das verwundert, legt doch auch der Freistaat großen Wert darauf, dass seine Bürger im Zeitalter der Globalisierung weltweit reüssieren. Und ob der Asiate ein herzhaftes "Grüß Gott" so sehr zu schätzen weiß wie ein Bayrischer Kleinunternehmer, das mag bezweifelt werden. Vielleicht geht es im wirklichen Leben doch um ganz andere Dinge.

Wenn es dagegen um die Frage geht, wo enge Stirnen und kleine Karos nach wie vor ganz hoch im Kurs stehen, dann wird die Mittelschule St. Nicola in Passau sicherlich ganz weit oben geführt werden.

Freitag, 3. Februar 2012

Der liebe Mandant

Den lieben Kollegen gibt es auch, zumindest habe ich von ihm gelesen.

Bei mir war heute allerdings wieder der liebe Mandant. In Form einer Mandantin. Hat mich beauftragt, Strafsache, alles unheimlich wichtig, muss schnell gehen, ist sehr anspruchsvoll.

Meine Vorschussrechnung bezahlt sie nicht. Auf meinen Mahnanruf drei Monate nach Rechnungsstellung (!) reagiert sie unverschämt: Was fällt ihnen eigentlich ein? Sie denken auch nur ans Geld!

Da steht man sprachlos vor. Ich habe es schon an anderer Stelle gefragt, hier frage ich es noch einmal: Ob sich solche Leute im Restaurant auch beschweren, dass sie eine Rechnung bekommen?

Donnerstag, 2. Februar 2012

Geständnis zweiter Klasse

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat uns mal wieder mit einer der Strafprozessordnung bisher unbekannten Rechtsfigur beglückt. Zum Nachteil des Angeklagten, versteht sich. Was war geschehen?

In Hamburg hatte vor einiger Zeit ein Taxifahrer eine Frau in den Kofferraum seines Taxis gesperrt und war mit ihr nach Hause gefahren. Dort war er dann ohne sich weiter um die Frau zu kümmern schlafen gegangen. Die Frau konnte sich bemerkbar machen und wurde nach einigen Stunden aus dem Kofferraum befreit. So weit, so beknackt.

Jetzt steht der Mann wegen Freiheitsberaubung vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft hat gestern auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten plädiert. Das bewegt sich wohl im Bereich des Normalen .

Zur Begründung ihrer Strafzumessung hat die Staatsanwaltschaft dann allerdings Bemerkenswertes geleistet. Dem Angeklagten, der zuvor bei seinem Opfer und seiner eigenen Familie (!) um Verzeihung gebeten hatte, warf sie vor - so wohl wörtlich - ein "Geständnis zweiter Klasse" abgelegt zu haben. Zweiter Klasse - also minderwertig - deshalb, weil der Taxifahrer "kein Motiv für die unfassbare Tat" angegeben habe.

Das geht von einer erstaunlichen Fehlvorstellung der menschlichen Psyche aus, die man bei Strafjuristen in dieser Form eher nicht erwarten sollte. In der Physik mag nichts ohne Grund geschehen, aber lässt sich das so ohne weiteres auf den Menschen übertragen? Und vor allem: Wer sagt, dass sich ein Mensch der Motive seines Tuns jederzeit bewusst sein muss?

Wir alle tun ständig Dinge, deren "Motiv" - wenn man es denn so nennen will - uns nicht bewusst ist. Wenn wir Motive für unser Tun angeben, dann konstruieren wir diese in der Regel nachträglich, um damit unser Handeln zu rechtfertigen. Manche Hirnforscher gehen inzwischen bekanntlich sogar so weit, dem Menschen seinen freien Willen vollständig abzusprechen.

Zwischen all diesen im Nachhinein aufgebauten Rechtfertigungs- und Entschuldigungskonstrukten wirkt es aus Sicht meiner geradezu entwaffnend ehrlich, wenn jemand zugibt nicht zu wissen, warum er etwas getan hat. Aber die Staatsanwaltschaft vermag auch hieran nur Negatives zu finden. Erstaunlich.