An dieser Stelle möchte ich noch schnell auf den Kommentar des Kollegen Stadler hinweisen, den dieser zum letzten Beitrag hier abgegeben hat. Zentrale Aussage, wenn ich es so richtig zusammenfasse: "Wir müssen darüber reden, welches Urheberrecht wir als Gesellschaft wollen". Da sind sich wohl alle einig.
Dem Kommentar ging noch ein kurzer Dialog via Twitter voran:
Stadler: Ich überlege mir ernsthaft, ob ich jetzt auch hierauf noch antworten soll. Aber habe ja jetzt eine lange Zugfahrt vor mir.
Nebgen: Ja bitte, los! Ich möchte endlich mal Argumente hören! ;-)
Stadler: Ich hätte gerne mal eine fundierte Erwiderung gelesen. ;-)
Nebgen: Erwiderung worauf?
Meine letzte Antwort habe ich nicht mehr abgeschickt, sondern hier weiter geschrieben.
Ich finde, der Dialog zeigt sehr schön, woran die Diskussion krankt. Offenbar haben beide Seiten ein derart festgefügtes Vorverständnis, dass sie Dinge für Argumente halten, die nach dem Verständnis des jeweils anderen ohne jede Bedeutung sind. Vielleicht sollte man daher das Vorverständnis etwas beleuchten, statt sich die immer gleichen Vorwürfe an den Kopf zu werfen.
Ich fange mal an:
- Jedes Recht ist in der Gesellschaft ist letztendlich disponibel. Es gibt kein Recht, dass überall und zu jeder Zeit gegolten hätte. Das gilt natürlich auch für das Urheberrecht.
- Das gilt daher genauso für das Eigentum. Deshalb hat ein anonymer Kommentator völlig Recht, wenn er es seinerseits als Taschenspielertrick bezeichnet, das geistige Eigentum als "juristisches Konstrukt" zu bezeichnen. Das tut nämlich so, als wäre Eigentum zwingend, geistiges Eigentum aber nicht. Wer so argumentiert, geht von einer falschen Prämisse aus. Richtig ist, dass beides juristische Konstrukte sind, die einer Legitimation bedürfen.
- An diesen Punkt schließt meine Kritik an, dass ich keinen zwingenden Unterschied in der Behandlung von "materiellem" und "geistigen" Eigentum sehe. Dass ein Musiktitel kein Flachbildschirm ist, weiß ich selber. Aber warum man das eine zwingend soll bezahlen müssen, während das andere umsonst ist, erschließt sich mir nicht.
- Dafür habe ich nach wie vor von niemandem ein schlüssiges Argument gehört. Wer eins hat, möge es nennen. Ich antworte gerne.
- Der "soziale Prozess" jedenfalls ist kein solches Argument. Den Link des Kollegen Stadler finde ich zwar durchaus instruktiv, aber irreführend. Jeder Schöpfungsakt baut auf gesellschaftlichen Errungenschaften auf. Das ist das, was Isaac Newton mit "Standing on the shoulders of giants" bezeichnet hat. Trotzdem ist der schöpferische Akt eine Eigenleistung.
- Von dieser schöpferischen Eigenleistung als "geistiges Eigentum" zu sprechen findet z. B. Julia Schramm, "ekelhaft", was sie allerdings nicht daran hindert, aus ihren eigenen kruden Thesen Profit zu ziehen. Eine schöne Darstellung findet sich hier. Was daran ekelhaft sein soll, eigene Ideen zu verdienen, erschließt sich mir nicht. Frau Schramm tut es ja auch selbst.
- Diese - aus meiner Sicht verlogene - Auffassung scheint innerhalb der Piratenpartei weit verbreitet zu sein, zumindest wird sie aus deren Reihen immer wieder geäußert. Da können deren Anhänger noch so oft beteuern, dass sie das Urheberrecht nicht abschaffen, sondern reformieren wollen - so lange solcher Unsinn toleriert wird, sind Piraten für mich unwählbar.
- Die Notwendigkeit, geistige Leistungen im Internet anders zu behandeln als in der richtigen Welt, erschließt sich mir ebenfalls nicht. Wer es begründen kann, ist ebenfalls herzlich eingeladen, es zu versuchen. Ich sage ja nicht, dass es kein Argument gibt. Ich sage, dass ich bisher keines gehört oder gelesen habe.