Pokern ist ein Glücksspiel. Der BGH hat gesprochen, berichtet wurde unter anderem
hier. Eine seltsame Entscheidung.
Der Leitsatz des BGH ist leider schon sprachlich völlig unverständlich. Er lautet:
"Ob ein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV vorliegt, beurteilt sich nach den durchschnittlichen Fähigkeiten eines Spielers; unerheblich ist, ob professionelle Spieler oder geübte Amateure, die sich gegebenenfalls auch Lehrbuchwissen angeeignet haben, ihre Erfolgschancen steigern können."
Der erste Satz - der vor dem Semikolon - ist inhaltsleer; ob ein Glückspiel vorliegt, soll sich danach "nach den durchschnittlichen Fähigkeiten" beurteilen.
Völlig unklar, was das heißen soll. Es kann sich ja nur auf die Masse der Spieler beziehen, aus der ein Durchschnitt gebildet wird. Und dann? Je mehr Blöde irgendwo mitspielen, desto eher wird deren Betätigung zum Glücksspiel? Wenn Albert Einstein würfelt, hebt er selbst Kniffel auf das Niveau eines Geschicklichkeitsspiels? (Ja, Einstein ist tot, weiß ich. War ein Beispiel. Diente der Verdeutlichung.)
Wer hofft, der BGH würde einem das in seiner Entscheidung erklären, wird enttäuscht. Die Gründe beschränken sich auf zwei Absätze, hiernach wörtlich wieder gegeben:
"In Übereinstimmung mit jüngerer Rechtsprechung der Oberverwaltungsgericht (...) hat das Berufungsgericht angenommen, Poker in der Variante "Texas hold' em" sei ein Glücksspiel gemäß § 3 Abs 1 GlüStV, weil der Gewinn überwiegend vom Zufall abhänge (grammatisch korrekt: abhinge, Anm. d. Verfassers). Denn der Gewinn eines Spielers richte sich danach, ob seine Mitspieler früher ausstiegen als er und welche Karten sie letztlich offenlegten. Auch der Erfolg eines Bluffs sei von der aus Sicht des Spielers, der dieses Mittel nutze, ungewissen Reaktion der Mitspieler abhängig. Zwar stünden die im Falle des Showdowns schließlich aufzudeckenden Karten bereits vorher fest, der jeweilige Spieler könne davon aber keine sichere Kenntnis haben."
Der erste Satz dieser "Begründung" lautet zusammengefasst, dass Glück sei, was vom Zufall abhinge. Das ist eine Tautologie und somit aussagelos. Das der Erfolg auch vom Verhalten anderer abhängt, ist dagegen eine Binse und schon denklogisch nicht geeignet, ein Glücksspiel zu begründen.
Mit dieser Argumentation würde selbst Schach zum Glücksspiel, weil man ja nicht weiß, ob der Gegner vielleicht irgendwann aufgibt. Auch beim Elfmeter im Fußball weiß ich nicht, wohin der Torwart springen wird, also ist der Schütze "von der ungewissen Reaktion seines Mitspielers" abhängig. Ergo wäre auch Fußball ein Glücksspiel.
Aber der BGH hat seiner Entscheidung ja noch einen zweiten Absatz gewidmet:
"Die Revision zeigt keine Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts auf. Dabei ist von Bedeutung, dass entsprechend dem gesetzlichen Schutzzweck für die glücksspielrechtliche Beurteilung nicht mehr als durchschnittliche Fähigkeiten eines Spielers maßgeblich sind (...). Unerheblich ist, ob professionelle Spieler oder geübte Amateure, die sich gegebenenfalls auch Lehrbuchwissen angeeignet haben ihre Erfolgschancen steigern können. Das Berufungsgericht hat auch die Möglichkeit eines bewussten Bluffs und deren Auswirkungen auf das Spielerverhalten berücksichtigt. Soweit die Revision im Ürigen auf ihren instanzgerichtlichen Vortrag verweist, versucht sie lediglich, ihre Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen."
Da ist sie wieder, die unverständliche Formulierung mit den durchschnittlichen Fähigkeiten. Erläutert wird sie nicht. Unerheblich soll aber sein, dass man Fähigkeiten erwerben kann, die die eigenen Gewinnchancen erhöhen. Das überrascht. Der Umstand, dass man etwas erlernen kann, soll dem Glücksspielcharakter nicht entgegenstehen? Warum soll etwas Glück sein, dass man durch eigene Leistung beeinflussen kann? Diesen diametralen Gegensatz hätten wir gerne aufgelöst gesehen, steht er doch jeglicher Denklogik entgegen - Pustekuchen.
Das war es nämlich schon an Begründung vom höchsten Gericht. Der Rest ist Formalismus, Zulässigkeitsgeschwafel und ein bisschen Europarecht.
Ach ja: Und der dem Strafrechtler wohlbekannte Satz, der immer kommt, wenn man etwas sonst nicht begründen kann: Der Petitent setzte "seine Tatsachenwürdigung an die Stelle" derer des Gerichts. Eine Hohlphrase ist auch das - wenn die Tatsachenwürdigung des Petitenten richtig und die des Gerichts falsch ist, dann ist entsprechend zu entscheiden. Nur darauf kommt es an und das muss man begründen.
Von alledem im Urteil: Kein Wort. Setzen, sechs. Und diese sechs war nicht gewürfelt.