Donnerstag, 27. November 2014

Der König der Zauderer


Vom mündigen Bürger wird erwartet, dass er seine Entscheidungen selbst trifft. Mittlerweile kann sich jeder bei Bedarf in fast allen Lebensbereichen fachkundiger Hilfe bedienen, ob er dies aber tut, entscheidet wiederum nur jeder allein. Das Problem ist das subjektive Empfinden des Bedarfs.

Mit soviel Freiheit ist mancher überfordert. Das Ergebnis ist Zaudern; die Kollegin Braun beschreibt diesen Typus hier. Der Entscheidungsträger verfängt sich in einer tückischen Schleife: Selbst entscheiden, was zu tun ist, kann er nicht. Sich entscheiden, ob er jemanden fragen soll, mag er aber auch nicht. Was tun?

Der König der Zauderer weiß Rat: Er fragt einfach jemanden, ob er jemanden fragen soll. Und was läge da näher, als denjenigen zu fragen, den man gefragt hätte, wenn man sich hätte entscheiden können, jemanden zu fragen. In der Praxis sieht das dann so aus:

Der (potentielle) Mandant fragt den Anwalt, ob er einen Anwalt brauche. Und manchmal fügt er hinzu: "Aber bitte geben Sie mir eine ehrliche Antwort!"

Stellen Sie sich mal vor, sie gingen in den Sanitärfachhandel und fragten den Verkäufer, ob sie vielleicht eine neue Toilettenschüssel bräuchten. Die alte sei eigentlich noch ganz gut, aber andererseits auch etwas abgenutzt. Wie das denn so sei mit Toilettenschüsseln. Weiß man ja nicht, kennt man sich ja nicht mit aus. Was meinen Sie denn als Fachmann dazu?

Als Kunde werden Sie da entweder an einen normalen Menschen geraten; dann wird der sie verwirrt anstarren und fragen, was sie eigentlich wollen. Muss doch schließlich jeder selbst wissen, was er will. Oder Sie geraten an ein Verkaufstalent, der es versteht, ihre Notlage auszunutzen. Der wird dann vielleicht sagen:

"Ja selbstverständlich brauchen sie eine neue Toilettenschüssel! Man sollte die Toilettenschüssel schon aus hygenischen Gründen spätestens alle drei Jahre auswechseln! Von den ästhetischen Gründen mal ganz abgesehen! Auch Toilettenschüsseln sind schließlich einer Mode unterworfen. Wie alt war ihre nochmal?"

Psychologisch ist es wohl zumeist so, dass derjenige, der Hilfe sucht, bereits beschlossen hat, dass er sie braucht. Nur mancher kennt sich halt nicht so genau und versteht sich nicht. Aber wer soll ihn verstehen, wenn er sich schon selbst nicht versteht?






Kostenloses Zivilrecht für alle!


Warum gibt es eigentlich noch keinen online verfügbaren BGB-Kommentar, der konsequent von den Möglichkeiten des Internets Gebrauch macht? Dachte ich bis neulich. Da rief mich ein freundlicher Herr an und wies mich darauf hin, dass es das doch gibt. Und kostenlos ist es auch noch. Hammer!

Das ganze findet sich unter www.bgb.kommentar.de.

Leider sind noch nicht alle Paragraphen kommentiert. Wer sich also zur Kommentierung seiner Lieblingsnorm berufen fühlt, mag mit den Herausgebern Kontakt aufnehmen. Damit das Werk schnell vollendet wird.

An die Arbeit!

Dienstag, 25. November 2014

Sieht nicht gut aus


Der weiße Polizist, der in Ferguson einen schwarzen Teenager erschossen hatte, wird nicht angeklagt. Ich verweise insoweit auf den Kollegen Siebers und die Tagespresse. Entschieden haben das nicht etwa Richter, sondern eine Jury aus zwölf Geschworenen.

Das ist ein Fall aus der Kategorie "wissen wir nicht", "waren wir nicht dabei" und "überhaupt haben die USA ein ganz anderes Rechtssystem". Geschenkt.

Aber man darf sich wundern. Warum entscheiden Laien über eine Rechtsfrage, wenn der genaue Tathergang unklar ist? Müsste man den Tathergang dann nicht erst einmal aufklären? Ist nicht gerade dann, wenn die Staatsgewalt im Verdacht steht, besondere Sorgfalt geboten? Wäre nicht gerade die Polizei gut beraten, jeden Anschein rechtswidrigen Handelns zu vermeiden? Wäre nicht jedes Gericht gut beraten, insbesondere jeden Anschein von Rassismus zu vermeiden, wo Opfer ein Schwarzer und Täter ein Weißer ist, und sei es, um die erwarteten Randale weitest möglich zu verhindern? Polizei und Justiz scheint das nicht zu kümmern.

Über Besonderheiten des Einzelfalles - soweit bekannt - haben wir da noch gar nicht geredet, z. B. darüber, dass der zuständige Bezirksstaatsanwalt aus einer Polizistenfamilie stammt und sein Vater dereinst von einem Schwarzen erschossen wurde. Anstatt sich einfach aus der Entscheidung herauszuhalten hat der dann auch noch ohne Not - und augenscheinlich ohne nähere Kenntnisse vom Sachverhalt - der Jury geraten, gegen eine Anklage zu stimmen. Das mag rechtlich alles irgendwie zu begründen sein, aber manchmal kommt es darauf gar nicht mehr an. Es sieht einfach nicht gut aus.

Es liest sich, als hätten Polizei und Justiz es geradezu darauf abgesehen, einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Da muss man sich fragen, welche Interessen dahinter stehen mögen und ob es möglich ist, dass diese Interesse irgendwann auch hierzulande mächtiger werden.

Davor kann einem nur grausen.


Montag, 24. November 2014

Nachts und am Wochenende


Die Kollegin Braun hat eine Notfall-Rufnummer, andere Kollegen - ich z. B. - nicht. Dafür finden Sie meine Mobilfunknummer relativ problemlos im Netz und können es gerne versuchen, auch nachts. Manchmal schlafe ich allerdings.

Andere machen es anders. Strafverteidigerorganisationen, die etwas auf sich halten, unterhalten regelrechte Notruftelefone, deren Rufnummern zumeist werbewirksam auf den Frontseiten der Telefonbücher platziert werden. Jedes Mitglied der Organisation darf dann ein-, zweimal im Jahr für eine Woche das Telefon an sich nehmen und es sich unter das Kopfkissen legen.

Und jetzt kommt die Überraschung: Es ruft fast nie jemand an. Falls doch, ist es meist ein Betrunkener, den die Polizei um 2:30 Uhr aus Verzweiflung mit auf die Wache genommen hat und der dort von seinem aus Funk und Fernsehen verbrieften Recht Gebrauch macht, einen Anwalt anzurufen. Ob der Rechsanwalt sich dann auf den Weg machen will, muss jeder selbst wissen. Häufig ist der nächtliche Anrufer auch schon wieder auf freiem Fuß, bevor der Rechtsanwalt anrücken kann. Häufig folgt auch gar kein Strafverfahren und der Rechtsanwalt hatte einen unvergüteten Ausflug auf Kosten seiner Nachtruhe. Es mag hart klingen, aber: Es gibt wirksamere Methoden, das Vertrauen potentieller Mandaten zu gewinnen. Richtige Kriminelle kennen sowieso andere Wege, einen Rechtsanwalt zu finden. Viele von denen kennen auch schon einen, dem sie vertrauen, und den sie nachts anrufen können.

Manche von denen wissen sogar, dass der Rechtsanwalt nachts und am Wochenende rein gar nichts für sie tun kann. Zugegeben, es sind die ganz abgezockten, die langmütig bis Montag warten, wenn die Haftabteilung wieder besetzt ist. Aber auch den anderen bleibt gar nichts anderes übrig als abzuwarten.


Freitag, 21. November 2014

Keine Begründung


Manche Richter oder Staatsanwälte tun sich mitunter schwer, ihre Entscheidungen zu begründen. Echte Entscheider raisonnieren eben nicht gern. Udo Vetter berichtet hier von so einem Fall. Die Staatsanwaltschaft hatte ihr Rechtsmittel mit nur einem Satz begründet, der überdies den Anforderungen an eine Begründung in keiner Weise genügt.

Bei der Aussage, die verhängte Strafe wäre "nicht tat- und schuldangemessen" handelt es sich nämlich nicht um eine Begründung, sondern allenfalls um eine Behauptung, die ihrerseits begründet werden müsste. Dabei schreibt Nr. 156 RiStBV der Staatsanwaltschaft vor, dass sie ihre Rechtsmittel zu begründen hätte.

Und es kommt noch viel besser: In Nr. 147 Abs. 1 Satz 3 RiStBV ist sogar ausdrücklich geregelt, dass zur Nachprüfung des Strafmaßes grundsätzlich gar kein Rechtsmittel eingelegt werden solle - sondern nur in strengen Ausnahmefällen, dann nämlich, "wenn die Strafe in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Schwere der Tat steht".

Und zum nächsten Mal überlegen wir uns, wann ein Missverhältnis vorliegt und wann dieses Missverhältnis "offensichtlich" ist. Denn etwas Offensichtliches braucht man ja nicht zu begründen, oder?





Donnerstag, 20. November 2014

Kommunikation durch Kappe


Am gestrigen Abend konnte man im Fernsehen die Verfilmung des Buches (und teilweise Lebens) der 2010 verstorbenen Jugendrichterin Kirsten Heisig sehen. Das Erste stellt den Film hier zur Verfügung, allerdings erst ab 20:00 Uhr. Der Film zeigt unter anderem eine Auswahl leichter bis mittelschwerer Jugendkriminalität sowie mehr oder minder jugendtypisches Verhalten mit einigen dramaturgischen Verkürzungen.

Anschließend gab es eine Diskussion unter anderem mit einer Jugendrichterin aus Neukölln und einem Jugendstaatsanwalt. Die Diskussion konnte das Niveau des Films leider nicht durchgehend halten.

Eingangs der Diskussion wurde die Jugendrichterin gefragt, ob sie denn einige der Szenen aus dem Film "wieder erkenne". Ihre Antwort war bemerkenswert. Die Richterin ging nämlich auf keine der zahlreichen Straftaten ein, sondern fühlte sich insbesondere durch eine Szene unangenehm an ihren realen Alltag erinnert, in der der jugendliche Delinquent vor Gericht sein Basecap nicht abnimmt und Kaugummi kaut. Das sei ihr auch schon passiert. Unerhört. Diese Jugend von heute, ist man versucht zu schimpfen.

Das kann man fast schon symptomatisch finden für einen Einstellung, an der vielleicht auch die reale Kirsten Heisig gelitten hat: den subjektiv erlebten Zwang, anderen die eigene Werte vermitteln zu müssen. Man könnte es auch dabei belassen, Straftaten zu ermitteln und zu ahnden.

Dem liegt möglicherweise auch eine falsche Interpretation jugendlichen Verhaltens zugrunde. Denn der Jugendliche, der sich so verhält, tut das meist nicht, weil er es nicht besser wüsste. Das wird im Film übrigens sehr schön gezeigt. Der Jugendliche tut es als Protest, als eine Form der Kommunikation, die von Erwachsenen leider viel zu häufig als bloßes Erziehungsdefizit wahrgenommen wird.

Der Jugendliche will dem Gegenüber damit zeigen, dass er dessen Regeln nicht ohne weiteres akzeptiert. Hier ist der Dialog nicht zu Ende, hier beginnt er. Die Kunst, derartige nonverbale Kommunikation zu erkennen und angemessen darauf einzugehen, beherrschen leider bei weitem nicht alle Menschen.


Mittwoch, 19. November 2014

Lückenlos geregelt


Als der Bundesjustizminister vor kurzem verkündete, er wolle nun doch das Sexualstrafrecht verschärfen, da hatte er sich offenbar auch von Frauenrechtsorganisationen leiten lassen, die beim Straftatbestand der Vergewaltigung eine "Regelungslücke" entdeckt zu haben meinten. Im Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion taucht in diesem Zusammenhang das Wort "Gesetzeslücke" auf, beim Bundesjustizminister heißen sie "Schutzlücken", und mitunter ist auch gleich von "Strafbarkeitslücken" die Rede.

Alle Begriffe haben das ansprechende Bild der Lücke gemein; da stellt man sich mit Christian Morgenstern sogleich einen Lattenzaun vor, bei dem eine Latte fehlt, die es offensichtlich zu ersetzen gilt. Deshalb wird die Regelungs-, Gesetzes-, Strafbarkeits- oder Sonstwas-Lücke dann auch selten begründet, sondern gleich selbst als Begründung missbraucht genutzt, um mit ihr wiederum die gewünschte Gesetzesänderungen zu begründen. Fehlt ja schließlich eine Regelung.

Nun ist das Recht aber kein Lattenzaun, und ob im Gesetz etwas fehlt, entscheidet einzig und allein der Gesetzgeber. In der Regel wird er die Erforderlichkeit einer Änderung begründen müssen und der Umstand, dass es die beabsichtigte Regelung noch nicht gibt, dürfte da kaum ausreichen. Denn es gibt (unendlich) viele Regelungen nicht, und in den allermeisten Fällen aus gutem Grunde.

Eine Gesetzesänderung kann daher im Grunde nur in zwei Konstellationen in Frage kommen: Entweder, wenn sich die tatsächlichen Umstände geändert haben, oder, wenn sich die Wertvorstellungen in der Bevölkerung geändert haben. Oberflächlich betrachtet mag es dann noch den Fall geben, dass der Gesetzgeber eine Konstellation nicht in Betracht gezogen und eine Regelung schlicht "vergessen" hat; bei Lichte betrachtet dürfte es sich dabei aber um einen Unterfall der ersten Alternative handeln.

Ob es dann einer neuen Regelung bedarf, ist einzig und allein in einem sachlichen Diskurs zu klären. Das Wort von der "Lücke" ist da der erste Schritt in die Unsachlichkeit.

Dienstag, 18. November 2014

Straftat Chef


Die WELT befasst sich mit dem Fall Middelhoff und fragt gleich in der Überschrift programmatisch: "Ist Chefsein strafbar?"

Da scheint klar, dass auch die WELT nicht ernsthaft meinen wird, dass hier jemand für seine Managertätigkeit bestraft wurde - und nicht etwa für Straftaten, die er allenfalls anlässlich dieser Tätigkeit begangen hat. Danach wäre der Titel reine Polemik.

Wenn man den Artikel dann aber liest, beschleicht einen der Verdacht, der Autor könnte es doch ernst gemeint haben mit seiner Überschrift. Tatsächlich scheint der Autor der Auffassung zu sein, hier wäre einem Manager großes Unrecht geschehen. Ob dem so ist, wissen wir nicht. Einiges spricht dagegen. Damit wir uns hier nicht missverstehen: Wir alle wissen nicht, was in den schriftlichen Urteilsgründen stehen wird. Aber wie bitte sollen solche Äußerungen zu verstehen sein, wie sie der WELT-Autor im halben Dutzend tätigt?

"Sicher", schreibt er, "das Gericht sah es als erwiesen an, dass der einstige Arcandor-Chef in seinem Unternehmen knapp 500.000 Euro Schaden angerichtet hat. Aber drei Jahre Gefängnis?" Das mutet schon etwas merkwürdig an, kennt doch jeder Strafverteidiger Mandanten, die für weit weniger zu weit höheren Strafen verurteilt wurden. "Rückt ... alltägliches Tun von Managern in die Nähe von Kriminalität?" fragt er weiter rhetorisch. Als wäre es alltäglich, dass jemand mit dem Hubschrauber zur Arbeit fliegt und sich für die Festschrift auf seinen Förderer mal eben eine sechsstellige Summe aus der Kasse nimmt.

Als Nachweis für seine krude These wird in der WELT allen Ernstes angeführt, dass bisher kaum Manager wegen Untreue verurteilt worden seien, ja dass die Vorstände der HSH-Nordbank sogar freigesprochen worden seien. Warum diese Fälle auch nur ansatzweise vergleichbar sein sollen, erfahren wir nicht. Dafür wird ein auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierter Verteidiger mit den Worten zitiert, die Haftstrafe wirke "demoralisierend".  Bei allem Respekt, das müsste der Kollege mir mal näher erläutern.

Möchte er damit die besondere Moralität im Handeln des Thomas Middelhoff hervorheben, die durch eine drohende Haftstrafe jetzt unterminiert werde? Worin läge diese Moralität wohl seiner Ansicht nach? Und: Sollen Haftstrafen nicht eigentlich eher die Moral stärken?

Was dann noch folgt, ist der mittlerweile unvermeidliche Vergleich mit dem Fall Uli Hoeness: Kaum mehr Strafe, viel mehr Schaden. Als wenn es allein darauf ankäme. Spätestens an dieser Stelle muss man sich fragen, ob der Autor der WELT uns hier für blöd verkaufen will oder ob er einfach selbst so blöd ist. Scheinheilig fragt er weiter: "Müssen sich Vorstände nun Sorgen mache, dass jeder Hauch einer Vermischung von Privat- und Berufsleben gleich mit einer Verurteilung endet?"  Ja, wenn es denn eine Straftat ist, möchte man ihm hinterherrufen.

Nun mag jeder von uns seine eigenen Vorstellungen davon haben, was ein Manager so tut, tagein tagaus. Interessant aber wäre zu erfahren, warum das Tun eines Managers anders zu beurteilen sein sollte als das Handeln anderer Menschen. Niemand rückt deren Verhalten "in die Nähe von Kriminalität" außer eben, es ist kriminell. Das Risiko einer fehlerhaften Beschuldigung natürlich immer mitgedacht.

Über die entscheidet das Gericht.






Von der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege


Wann immer gefordert wird, Rechte der Strafverteidigung einzuschränken, ist in der Regel von der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege die Rede, die nämlich ansonsten gefährdet sein soll. Der Kollege Ulrich Sommer hat hierzu in der aktuellen Ausgabe der StraFo einen hervorragenden Aufsatz geschrieben.

So hat der Kollege diverse Fälle recherchiert, in denen das Bundesverfassungsgericht Beschuldigtenrechte mit dieser Argumentationsfigur eingeschränkt hat. Es hat damit gerechtfertigt u. a.

  • die Verwendung beschlagnahmter Unterlagen einer Drogenberatung,
  • ebenso privater Tonaufnahmen oder
  • gesetzeswidrig angeordneter Telefonüberwachungen
  • die Verwendung intimer Tagebücher
Um die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege nicht zu gefährden könne auch
  • dem Zeugen ein Rechtsbeistand verweigert werden oder
  • einem Tierarzt das Zeugnisverweigerungsrecht oder
  • dem Angeklagten das Antragsrecht entzogen werden.
Allesamt Grundrechtseingriffe. Was aber ist diese ominöse Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege, derentwegen das Bundesverfassungsgericht reihenweise Grundrechte eingeschränkt aber noch niemals ein einziges Beschuldigtenrecht begründet oder erweitert hätte?

Es gibt sie nicht. Niemand befürchtet ernsthaft, der Rechtsstaat könne zusammenbrechen, weil ein Beschuldigter sich auf seine Grundrechte beruft. Mit den Worten des Kollegen Sommer: 

"Eingebettet in zahlreiche andere Ordnungsvorschriften zur sozialen Kontrolle abweichenden Verhaltens "funktioniert" die Strafjustiz seit Jahrzehnten ohne jeden Anschein existentieller Defizite."

Wenn die Funktionstüchtigkeit in Gefahr sei, dann höchstens, weil in der Justiz Stellen gestrichen und Verfahrensrechts eingeschränkt würden. Das hat das Bundesverfassungsgericht allerdings bisher noch nicht zur Sorge gereicht. Der Topos der "Gefährdung der Strafrechtspflege" diene dem Bundesverfassungsgericht daher auch nicht zum existenziellem Erhalt des Rechtsstaates, sondern zur Implementierung des eigenen Rechtsverständnisses, dort wo andere Argumente fehlen.

Richtig schön wird es aber erst, wenn der Kollege Sommer argumentiert, und das tut er brillant:

Der Rechtsstaat setze begrifflich voraus, dass es Instanzen zur Kontrolle staatlicher Macht gebe. Rechtsstaatlichkeit sei "der Versuch, die Art der Ausübung der Macht zu kontrollieren." Diese Kontrollinstanzen mit dem Argument der Funktionsfähigkeit ihrerseits einzuschränken, sei ein "systembedingter Widerspruch".

Diese Argumentation sollte so mancher mal auf sich wirken lassen.



Montag, 17. November 2014

Auch sonst von mäßigem Verstand


Es gibt Menschen, die suchen einen Rechtsanwalt. Das ist an sich einmal löblich. Rechtsanwälte bieten in vielen Lebenslagen eine unschätzbare Hilfe. Natürlich soll es nicht irgendein Rechtsanwalt sein, sondern ein richtig guter.

Aber wie finde ich den? Die Kollegin Braun berichtet hier von einem solchen Versuch. Der zitierte Zeitungsausriss ist auf twitter zu bestaunen. Ob der Inserent inzwischen wohl einen guten Anwalt gefunden hat? Zumindest haben jetzt genügend Menschen seine Telefonnummer.

Was aber sucht jemand, der einen "guten Anwalt" sucht? Den Ausspruch von Ludwig Thoma "er war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand" wird der Inserent kaum vor Augen gehabt haben. Wohl eher handelt es sich um den recht naiv kommunizierten Anspruch, vollständig und zutreffend beraten und vertreten zu werden. Dazu ist jeder beauftragte Rechtsanwalt rechtlich verpflichtet. So gesehen wäre der "gute Anwalt" eine Tautologie, ein weißer Schimmel.

Oder geht es dem Inserenten um noch etwas anderes? Aber um was? Je länger man darüber nachdenkt, desto mehr verschwimmt die Antwort vor den Augen. Möchte er eine Erfolgsgarantie? -Die gibt es nicht. Oder möchte er einen Anwalt, dem er vertrauen kann? - Das wird er nur selbst von Angesicht zu Angesicht entscheiden können, sicherlich nicht per Inserat.

Warum geht der Inserent nicht einfach zu einem Anwalt?



Freitag, 14. November 2014

Auf zur Krönung!


Der König von Deutschland steht vor Gericht. Nein, nicht Rio Reiser - der ist leider tot - sondern ein anderer. Strafakte berichtet hier, die FAZ hier.

Und was lernen wir daraus? Das Betreiben einer eigenen Krankenkasse steht unter Strafe, das Betreiben eines eigenen Königreichs hingegen nicht.

Donnerstag, 13. November 2014

Seriosität durch Chauffeur


In der Anwaltschaft stellt man sich häufig die Frage, was eigentlich den Erfolg eines Rechtsanwaltes ausmacht. Für die Mandantschaft sollte es eigentlich die Qualität seiner Arbeit sein, aber mancher hegt die berechtigte Befürchtung, dass dem leider allzu häufig nicht so ist.

Vertrauen spielt wohl eine Rolle; aber wem schenkt man Vertrauen und warum? Der Fall eines Anwaltsehepaares aus Brühl fügt diesen Überlegungen einen interessanten Aspekt hinzu. Die Kollegin Braun hat den Fall hier aufgegriffen, der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet hier. Das Pärchen war im Kirchenvorstand tätig und hatte sich "in verschiedenen Senioren-Organisationen" engagiert. Dort hatte man offenbar durch "seriöses Auftreten" das Vertrauen der betagten Opfer gewonnen.

Und wie macht man das? Hier möchte ich den Kölner Stadt-Anzeiger wörtlich zitieren:

"Um entsprechend Seriosität zu zeigen, wurden die Senioren zu den Anwaltsterminen von einem Chauffeur abgeholt und zurückgefahren."

Harry, hol schon mal den Rentner.


Mittwoch, 12. November 2014

Beratungsresistent


Der Mandant hatte einen Autounfall und wollte den Schaden an seinem Fahrzeug ersetzt haben. Damit kam er zu mir und schilderte einigermaßen empört den Sachverhalt. Er hatte aus einer Parklücke rückwärts ausgeparkt und war dabei mit einem hinter ihm fahrenden Fahrzeug kollidiert. Da sind die Chancen vor Gericht eher überschaubar, denn wer rückwärts fährt, muss dabei besondere Sorgfalt an den Tag legen. Die Argumentation des gegnerischen Versicherers war da kaum angreifbar. Ich habe dem Mandanten daher von einer Klage abgeraten.

Was macht da der Mandant? Er geht zu einem anderen Anwalt, der dann für ihn die begehrte Klage einreicht und verliert. Dieser Anwalt war dann wohl einer von den Rechtsanwälten, von denen Joachim Wagner oder Norbert Blüm behaupten, sie würden arme Mandanten in aussichtslose Rechtsstreits treiben.

Tatsächlich war es wohl hier eher der Mandant, der den Rechtsanwalt in einen aussichtslosen Rechtsstreit getrieben hat. Meiner Erfahrung nach ist dieser Fall übrigens deutlich häufiger als die von den Herrn Wagner und Blüm geschilderte Variante. Über die fehlenden Erfolgsaussichten jedenfalls war der Mandant im Eingangsfall - zumindest durch mich - ausführlichst aufgeklärt worden. Daran kann es also nicht liegen.

Die Ursache für den Rechtsstreit liegt wohl eher darin, dass viele Menschen gar nicht beraten werden wollen, sondern wollen, dass der Rechtsanwalt ihre Interessen vertritt. Daran ist an sich auch nichts Verwerfliches, wenn der Rechtsanwalt die Mandanten über die Risiken hinreichend aufklärt. Wer das Risiko dann sehenden Auges eingeht, soll das tun dürfen. Nur soll er seinem Rechtsanwalt hinterher nicht die Schuld dafür in die Schuhe schieben.

Das eigentliche Problem ist allerdings, das viele Gerichte offenbar ein völlig falsches Mandantenbild haben. Da regiert oftmals die Vorstellung eines emotionslosen Rationalisten, der sich der Einschätzung seines Rechtsanwalts ohne zu murren unterwirft und den Rechtsanwalt dafür auch noch gerne bezahlt.

Mit der Realität hat das leider wenig zu tun.


Montag, 10. November 2014

Falsche Frage


Die Schweigepflicht ist fast die einzige Berufspflicht, die den Rechtsanwälten noch geblieben ist.

Eigentlich wissen das auch alle. Wenn man aber dringend Informationen braucht, vergessen es einige gerne vorübergehend. Die Kollegin Braun berichtet hier von einem krassen Fall. Auch vor Gericht kommen ähnliche Fragen nicht selten vor.

Dann fragt der Richter - möglicherweise ohne sich etwas dabei zu denken: "Wo ist denn ihr Mandant?" oder "Haben sie etwas von ihrem Mandanten gehört?" Fast tragikomisch ist schon der verzweifelte Versuch, vom Verteidiger die ladungsfähige Anschrift des Mandanten in Erfahrung zu bringen. "Wenn ich die wüsste, dürfte ich sie ihnen nicht sagen", ist da aus berufsrechtlicher Sicht schon zuviel der Antwort.

Jetzt mal ehrlich, liebe Polizei, liebe Staatsanwaltschaft, liebes Gericht: Ist das euer Ernst, wenn ihr so etwas fragt? Denn wenn das so wäre, müssten wir eure Rechtsstaatstreue ernsthaft in Frage stellen. Dass ihr nämlich selbst derart fundamentale Rechtsprinzipien wie die anwaltliche Schweigepflicht ernsthaft nicht kennen solltet, möchte euch kein wohlmeinender Verteidiger unterstellen. Schließlich ist die Verletzung dieser Pflicht sogar strafrechtlich sanktioniert!

Wenn ihr es aber gar nicht so meint, ist es dann etwa eine gemeine List, um unerfahrene Kollegen in die Strafbarkeit zu locken? Das wäre fast noch schlimmer und rechtsstaatlich mindestens ebenso bedenklich.

Ihr, die ihr Verteidigern solche Fragen stellt, könnt euch euer Motiv also aussuchen, löblich ist allerdings keines von beiden.

Nazis und Arschlöcher: ein Vergleich


Landgericht, Große Strafkammer. Alles geht seinen geregelten Gang. Aber dann! Der Staatsanwalt ergreift das Wort und vergleicht die Angeklagten mit denjenigen, die einst Juden ins KZ transportierten. Grobes Foul. Der Kollege Hoenig berichtet hier.

Im Gerichtssaal - wie in der Sprache an sich - wird die Durchschlagskraft des Argumentes in der Regel krass überschätzt. Argumentation ist nichts, Wirkung ist alles. Deswegen steht dieser Satz auch nicht am Anfang des Beitrages, sondern hier. An den Anfang gehört ein Kracher, Eye-catcher sagt man heute.

Das schönste Mittel, um in der Rede Wirkung zu erzielen, ist das Sprachbild. Dessen einfachste Form dürfte der Vergleich sein: einfach zu bedienen und einfach zu verstehen. Das ist wichtig, um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen. Will man den Gegner schmähen, bietet sich als Vergleich daher etwas an, das allseits negativ konnotiert ist. Da gibt es im Pluralismus der Postmoderne gar nicht mehr so viel. Alt hergebrachte Schimpfwörter wie "Hornochse" oder "Arschloch" sind längst zu schwach, um die Monstrosität auszudrücken, die es gerade als Rechtsanwalt vor Gericht immer wieder zu bezeichnen gilt. Man muss schon etwas am Tabu rütteln, um genügend Aufmerksamkeit zu erheischen.

Da bleibt fast nur soch der Vergleich mit Personen, Einrichtungen oder Ansichten des Nationalsozialismus' übrig. Dieser Konsens lässt sich meist schnell finden, und sei er auch nur oberflächlich. Der Kollege Siebers hat es erkannt. Während der Urteilsverkündung "das ist ja wie bei Freisler" zu schreien, hat seine Wirkung daher selten verfehlt, kommt aber prozessual etwas spät. Außerdem gilt es genau zu sein, Freislers kennt allein Wikipedia deren sechs, immerhin zwei davon waren Juristen. Der Vorteil am Nazivergleich ist aber auch, dass das Denken beim Zuhörer meist prompt aussetzt, um theatralischer Empörung Platz zu machen.

So können sich dann beide Seiten sicher sein, dass es in den nächsten Stunden nicht mehr um die Sache geht.







Freitag, 7. November 2014

Menschenrechte als Problem


Das Sexualstrafrecht soll mal wieder verschärft werden. Der Bundesjustizminister möchte "Lücken im Strafrecht schließen", heißt es. Betroffen sei insbesondere § 177 StGB, der die Vergewaltigung unter Strafe stellt. Kurz: Es werde derzeit nicht alles als Vergewaltigung bestraft, was eigentlich Vergewaltigung sei.

Die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung ergibt sich möglicherweise - ganz einig ist man sich da nicht - aus Art. 36 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11. Mai 2011 (ETS 210), der so genannte "Istanbul-Konvention" (I-K). Dieses Abkommen wurde von Deutschland bisher nicht ratifiziert, soll jetzt aber umgesetzt werden. Eine schöne Darstellung der derzeitigen Rechtslage findet sich bei HRRS.

Dazu will das Bundesjustizministerium jetzt einen Referentenentwurf vorlegen. Das hat der Bundesjustizminister gestern angekündigt. Deshalb die rege Presseberichterstattung zu diesem Thema.

Künftig soll "jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung" unter Strafe gestellt werden. Wie das funktionieren soll, wird nicht gesagt. Dieser Schwäche scheint man sich im BMJ auch einigermaßen bewusst zu sein. Der Bundesjustizminister wird mit den Worten zitiert, es bliebe

"allerdings wohl das Problem, dass im Falle von Vergewaltigungen oft Aussage gegen Aussage stehe und es dann heiße, im Zweifel für den Angeklagten." 

Man mag es kaum glauben. Hier bezeichnet ein Bundesjustizminister den  Grundsatz "in dubio pro reo" - der Zweifelssatz -  als "Problem". Es sei daher "Sorgfalt notwendig, um die Situation von betroffenen Frauen auch wirklich zu verbessern."

Was soll das denn heißen? Vielleicht, dass man sehr sorgfältig sein muss, wenn man die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) umgehen will? Damit es möglichst keiner merkt?

Mittwoch, 5. November 2014

Recht und Krawall


Unter meinem Beitrag über Unhanseatische Verteidigung findet sich unter anderem ein schöner Kommentar, den ich den Lesern, die vielleicht nicht bis zu den Kommentaren gekommen sind, keinesfalls vorenthalten möchte:

"Andere Ansicht"schreibt :

"Ich bin anderer Auffassung. Zu einer guten Strafverteidigung gehört m.E., dass man sich nicht nur innerhalb der Grenzen des Rechts bewegt, sondern auch Anstand, Respekt und Moral nicht vermissen lässt.
Es gibt hanseatische Kaufmannspflichten, die für einen Strafverteidiger auch gelten sollten, etwa wass man Wort hält, wenn man etwas (mündlich) zugesagt hat.
Und wenn man durch eine aufbrausende, undistanzierte Art der Verteidigung auffällt, ist das keine Konfliktverteidigung, sondern Krawallverteidigung. Das muss m.E. auch nicht sein.
"

Trotz seines Titels muss ich "Andere Ansicht" hier zunächst einmal voll zustimmen. Anstand, Respekt und Moral sind unbedingt wünschenswert, wenn nicht sogar notwendig. Bei den hanseatischen Kaufmannspflichten bin ich mir nicht ganz so sicher, aber das ist eine andere Geschichte.

Gar nicht wünschenswert ist eine aufbrausende, undistanzierte Art der Verteidigung. Auch wenn einige Mandanten diese Form der Verteidigung sehr schätzen, aber auch das ist eine andere Geschichte.

Nur: Darum geht es doch gar nicht.

Jeder gute Verteidiger wird bestrebt sein, in einer angenehmen Atmosphäre in höflichem Tonfall sachlich zu verhandeln. Wer das nicht will, den kann man Krawallverteidiger nennen, auf jeden Fall wäre so jemand in meinen Augen kein guter Verteidiger. Wer von Anfang an sein Ego in den Vordergrund stellt, schadet im Zweifel den Interessen seines Mandanten und nutzt nur seinen eigenen. Aber das ist eine Binse.

Die eigentliche Frage ist: Wie soll ein Verteidiger reagieren, wenn Gericht oder Staatsanwaltschaft es an notwendiger Neutralität, Anstand und Rechtschaffenheit missen lassen? Hier wird der Mandant sich nicht nur einen Verteidiger wünschen, der dem entschlossen entgegentritt, er hat sogar einen Anspruch darauf. Sonst bräuchte man nämlich gar keine Verteidigung.

Zu einigen Zeiten und in einigen Staaten war (und ist) das so.


Dienstag, 4. November 2014

Unhanseatische Verteidigung


Ich erinnere mich an eine etwas streitigere Verhandlung vor dem Amtsgericht in Strafsachen, in der ich einige Anträge gestellt hatte, die der Anklagebehörde wohl etwas unangenehm waren. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft - ein Oberstaatsanwalt - warf mir daraufhin vor, mein Verteidigungsstil wäre "unhanseatisch".

Das fand ich einigermaßen verwirrend, dachte ich doch bis dato, es gelte die Strafprozessordnung -und nur die. Aber dieser Oberstaatsanwalt war offenbar der Auffassung, dass es jenseits des Gesetzes noch etwas anderes gäbe, etwas Größeres. Aber da irrte er.

Ich habe seither immer wieder beobachtet, dass Menschen die Flucht in ein paralleles Subsystem antreten, wenn ihnen irgendein Ergebnis der Rechtsanwendung nicht passt. Sie verlangen dann von allen anderen, sie mögen sich bitte nicht nur an das Gesetz, sondern auch noch an die Regeln ihrer privaten Parallelwelt halten. Das ist bestenfalls ein Bauerntrick; wenn Menschen eine derartige Argumentation aber ernst meinen, wird es zur Gefahr für die Rechtsordnung.

Nicht nur der besagte Oberstaatsanwalt verfährt so, auch in der Politik ist diese rhetorische Unart beliebt. Jedes Mal, wenn bei irgendwelchen Koalitonsverhandlungen die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit einer ungeliebten - meist linken - Partei zur Debatte steht, kommen moralisierende Mahner und behaupten, dass ginge aber nicht. Da für eine solche Behauptung jede rechtliche Grundlage fehlt, werden als "Argumente" gerne Chimären wie Moral, Anstand oder der gesunde Menschenverstand bemüht. Oder eben der eingangs erwähnte Hanseatismus.

In Wirklichkeit sind das alles nur Synomyme für ein und dasselbe, nämlich für angebliche Regeln, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Mit denen man selbst natürlich besser da stünde als man es in Wirklichkeit tut.

Die Unsitte gibt es sogar im Sport. Rudi Völler tat sich nach dem Spiel des Hamburger SV gegen Bayer Leverkusen dadurch hervor, dass er beklagte, der Schiedsrichter hätte seine Spieler "besser schützen" müssen. Womit wir wieder bei der unhanseatischen Verteidigung wären. Vor was der Schiedsrichter seine Spieler hätte schützen müssen, hat Rudi Völler nicht gesagt. Gemeint hat er wahrscheinlich: vor der Niederlage. Aber das konnte er ja nicht aussprechen.

Die Wahrheit ist: Es gibt Regeln, die gelten für alle. Und nur die.


Montag, 3. November 2014

Dienstmütze mit Sehschlitzen?


Der NSU-Prozess dauert noch immer an. Der Spiegel widmet aktuell wieder einen Artikel der wohl mysteriösesten aller Taten der NSU: Dem Polizist(inn)enmord von Heilbronn.

So unheimlich die Geschichte sich liest, scheint es sich tatsächlich um eine ungewöhnliche Aneinanderreihung von Zufällen zu handeln. Gelernt habe ich, dass es in Baden-Würtemberg offenbar eine Ortsgruppe des Ku-Klux-Klan  gibt.  Man lernt eben nie aus.

Eines aber verwundert mich nachhaltig: Wie kann es angehen, dass ein Polizeibeamter in leitender Position Mitglied des Ku-Klux-Klan war? Ist der immer noch im Beamtenverhältnis? Wenn ja, wie lässt sich das mit seinem Amtseid vereinbaren? Wusste das niemand? Warum weiß man es jetzt?