Montag, 29. Dezember 2014

Großbudendämmerung


Wussten Sie, dass es ein "Management-Magazin für den Rechtsmarkt" gibt? Sehen Sie, so kurz vor Jahresende doch noch etwas dazu gelernt. Dann wussten Sie sicherlich auch nicht, dass "tangente" - so heißt das "Management-Magazin für den Rechtsmarkt" - eine Umfrage bei Großkanzleien gemacht hat, wie die ihre eigene Zukunft sehen. Wenn Sie das wirklich interessieren sollte, können Sie es in der LTO hier nachlesen.

Dort lesen Sie auch, dass das "tangente Trend-Barometer die Stimmung zur Veränderungsdynamik im deutschen Rechtsmarkt" erfassen möchte. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da galt ein Satz, in dem die Worte "Recht" und "Markt" vorkamen, per se als Widerspruch in sich; heutzutage kann man beide Worte sogar ungestraft zu einem einzigen Wort zusammenfügen. So schnell kann das gehen.

Okay, 168 auswertbare Rückmeldungen von Großbudenkollegen sind vielleicht nicht gerade sehr aussagekräftig, zumal es sich darüber hinaus noch nicht einmal um harte Fakten, sondern nur um persönliche Einschätzungen handelt. Aber bitte. Here are the results of the unknown jury:

41 % der - LTO nennt sie hochtrabend "Studienteilnehmer" - sind der Meinung "die Kanzleien" hätten sich bereits sehr gut angepasst oder seien auf einem guten Weg. 42 % hingegen waren der Ansicht, die Kanzleien "hätten noch keine vernünftigen Antworten auf die bevorstehenden Herausforderungen". Das ist die relative Mehrheit. Sie könnte eine kleine Koalition eingehen mit den 14 % totalen Miesepetern; die glauben nämlich, dass sich "die Kanzleien der Veränderungsdynamik gar nicht bewusst seien". 97 % der Befragten teilten allerdings nicht mit, wer "die Kanzleien" ihrer Ansicht nach eigentlich sind.

Doch es wird noch richtig sensationell: 18 % der Befragten waren der Ansicht, "dass der Erfolg einer Kanzlei künftig von der Innovationskraft des zugrundeliegenden Geschäftsmodells abhängig sein wird". Anders ausgedrückt: Der Erfolg wird demnächst davon abhängen, was man macht und wie man es macht! Und das glauben volle 18 %! Das ist genau die Zahl, die Guido Westerwelle damals auf seinen Schuhsohlen hatte.

An eine "Konsolidierungswelle" unter "den Kanzleien" glauben dagegen nur schlappe 30 % der Befragten. Über 50 % sind der Meinung, dass sie demnächst heftig Konkurrenz von außerhalb bekommen werden, mutmaßlich dieselben über 50 % nehmen diese Konkurrenz aber jetzt schon nicht ernst. Das ist doch schön, dass man das weiß.

81,5 % glauben, dass Borussia Dortmund nicht absteigt, 2,3 % haben darauf gewettet, dass Hennes der Achte innerhalb der nächsten sechs Monate aus dem Kölner Zoo geklaut werden wird. 31,8 % sind sich sicher, dass Paderborn vielleicht die Klasse halten kann. 8 % haben auf ihrem Smartphone eine Standleitung nach China und glauben, dass das klatschende Geräusch eben von einem umgefallenen Sack Reis stammt. Stimmt aber nicht. War das Trendbarometer.




Freitag, 19. Dezember 2014

Lehren aus dem Fall Reus


Zunächst sei angemerkt: Nur Menschen mit gutem Geschmack fahren Aston Martin. Der Kollege Siebers weiß, wovon er spricht und schreibt. Für alle anderen gilt: Man muss keinen Aston Martin fahren, um guten Geschmack zu zeigen. Guter Geschmack und Aston Martin stehen also in einer nicht eindeutig umkehrbaren Beziehung zueinander.

Wenn man aber Aston Martin fährt, sollte man eine Fahrerlaubnis haben. Das sollte man auch bei jedem anderen erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeug, sicherlich. Nur wenn man einen Aston Martin fährt, fällt es eben mehr auf. Dann steht da überall, dass man nicht nur keine Fahrerlaubnis hat, sondern auch einen Aston Martin. Und das ist ungerecht, denn viele Leute mit Fahrerlaubnis haben keinen Aston Martin. Auch der Besitz einer Fahrerlaubnis und der Besitz eines Aston Martin stehen also nicht in einem Verhältnis eindeutiger Umkehrbarkeit zueinander.

Was lehrt uns der Fall Marco Reus sonst noch? Nicht viel, möchte ich meinen.


Mittwoch, 17. Dezember 2014

Typologie der Großbudenanwälte



Viele Rechtsanwälte arbeiten nicht allein verantwortlich, sondern in großen Zusammenschlüssen, die mittlerweile sogar als Kapitalgesellschaften organisiert sein dürfen. Man mag von diesen "law firms" halten, was man will. Hier ist jedenfalls ein ganz anderer Menschenschlag zuhause als bei den Einzelanwälten, die wir gestern hier abgehandelt haben. Auch diese Kollegen kann man schön kategorisieren. Wir fangen mal oben an:
  1. Der Seniorpartner - Der Seniorpartner ist Namensgeber seiner Sozietät, z. B. Denny Crane in Crane, Poole & Schmidt. Der Seniorpartner ist - der Name deutet es an - in erster Linie alt.  Es gibt angestellte Rechtsanwälte, die den Seniorpartner ihrer eigenen Sozietät noch nie zu Gesicht bekommen haben. Nennenswerte operative Tätigkeit übt der Seniorpartner nicht mehr aus, er betreut allenfalls noch einige Mandanten aus frühen Tagen, die mindestens genauso alt sind wie er selbst. Der Seniorpartner residiert in einem Büro weitab von der arbeitenden Masse, bestenfalls in einem eigenen Stockwerk. Das macht den Seniorpartner zur Zielscheiben von Witzeleien und Gerüchten. Eine gelungene Parodie des Seniorpartners findet sich in der Serie Ally Mc Beal: In der ersten Folge darf Ally den sagenumwobenen Seniorpartner ihrer Kanzlei aufsuchen. Der geschätzt hundertjährige Mann sitzt in einem sehr kleinen Raum am Ende des Ganges, vollgestellt mit Büchern und altem Zeugs, und macht den Eindruck der fortgeschrittenen Mumifizierung. Ein weiteres schönes Beispiel des Seniorpartners in der Anwaltsserie ist der schon erwähnte Denny Crane, dessen fortschreitendes Alzheimer-Leiden sich als running gag durch die Serie zieht. Normale Menschen werden dem Seniorpartner niemals begegnen, außer, er ist zufällig ihr Nachbar.
  2. Der Partner - Der Partner hat sein Leben lange gearbeitet. Er hat eine Ehefrau und zwei Kinder. Der Partner hatte seine erste Lebenskrise, als sein Erstgeborener ihn im Alter von zwei Jahren einmal nicht wieder erkannt hat und bei seinem Anblick zu Heulen begonnen hat. Das war, als der Partner am Wochenende wegen eines Stromausfalls ausnahmsweise früher nach Hause gekommen war. Zu diesem Zeitpunkt war der Partner beruflich sehr eingespannt, wie eigentlich immer, nur noch mehr. Die Aufgabe des Partners ist die Akquise und die Delegation. Dazu ist er führendes Mitglied in der jeweils stärksten Partei am Orte, in mindestens fünf Vereinen, in denen er jeweils mindestens das Amt des Schatzmeisters bekleidet; er wird auf alle wichtigen Veranstaltungen eingeladen, wo er die Sozietät repräsentiert. Wenn er damit fertig ist, arbeitet er. Er geht fremd mit seiner Assistentin. Das hat sich irgendwann nachts so ergeben.
  3. Der angestellte Rechtsanwalt - der angestellte Rechtsanwalt trägt die Last der Kanzlei auf seinen Schultern. Aufgrund seiner hervorragenden Examina wurde ihm die Gnade er Einstellung zuteil, jetzt arbeitet er bis zur vollständigen Erschöpfung die Akten ab, die der ihm zugeordnete Partner ihm hinschiebt. Natürlich hat der angestellte Rechtsanwalt das Ziel, auch einmal Partner zu werden. Das schafft je nach Größe und Zielvorgabe der jeweiligen law firm vielleicht jeder Zehnte, Hundertste oder Fünfhundertste. Der Rest wird irgendwann von den Partnern zu einem vertraulichen Gespräch gebeten, in dem die Partner ihm mit Sorgenfalten auf der Stirn eröffnen, dass er intern zu den Minderleistern gehöre und man beabsichtige, seinen Vertrag einvernehmlich aufzulösen. Das Einvernehmen wird dabei stillschweigend vorausgesetzt. Dem zukünftigen ehemaligen Angestellten wird mit auf den Weg gegeben, dass Kündigungsschutzklagen unter Anwälten übrigens verpönt seien, und er ja vielleicht noch einmal woanders eine Anstellung finden wolle. Das führt uns direkt zum
  4. Angestellten Rechtsanwalt zweiten Grades - Der a.RA.2.Gr. ist wie 3, nur arbeitet er zusätzlich auf Bewährung, meist bei einer etwas kleineren law firm, zu der er gewechselt ist, nachdem er bei seinem ersten Arbeitgeber freigesetzt wurde. Passiert ihm das ein zweites Mal - die Statistik spricht dafür - wird sich der a.RA2.Gr. mit dem Gedanken vertraut machen müssen, sich einen anderen Beruf zu suchen. Sich selbständig zu machen scheidet aus, denn als selbständiger Rechtsanwalt wäre er heillos überfordert. Der a.RA2.Gr. weiß nämlich nicht einmal, wo sich das örtliche Gericht befindet, denn dort ist er noch nie gewesen.



Dienstag, 16. Dezember 2014

Die Liga der Anwaltschaft


Wo heutzutage soviel über Rechtsanwälte geredet und geschrieben wird, möchte ich den Ratsuchenden hiermit ebenfalls eine kleine Hilfe an die Hand geben, sich zurecht zu finden im Anwaltsdschungel von aktuell etwas 163.000(Quelle: Die Welt) zugelassenen Rechtsanwälten .

Wenn auch die Bundesrechtsanwaltskammer immer wieder die Homogenität der Anwaltschaft hervorhebt, bietet es sich an, zwischen zwei Sorten von Rechtsanwälten zu unterscheiden, nämlich zwischen den Einzelanwälten einerseits und anderseits den Rechtsanwälten, die in so genannten "law firms" arbeiten. Es gibt auch noch eine dritte Sorte - die Syndikusanwälte - aber die lasse ich hier mal weg. Beginnen wollen wir mit den Einzelanwälten.

Nicht in die Typologie geschafft hat es der vielbeschrieene Anwalt aus der Not, der aufgrund seiner schlechten Examensnoten gezwungen war, sich als selbständiger Rechtsanwalt niederzulassen. Nicht dass es den nicht gäbe - es gibt ihn - nur taugt er nicht als Kategorie. Es gibt hervorragende Rechtsanwälte, die nur äußerst mäßige Abschlüsse geschafft haben. Die Qualität der Examina sagt einfach nichts aus über die Qualität als Rechtsanwalt.


  1. Der Staranwalt - Der Staranwalt ist ein Meister seines Fachs, bekannt aus Film, Funk und Fernsehen. Sein Fachgebiet ist mit Vorliebe das Strafrecht, manchmal auch irgendwas mit Medien. Er agiert bundesweit mit gelegentlichen Abstechern zum Europäischen Gerichtshof. Er ist elegant, wortgewaltig und neigt zum Größenwahn. Dort wo er agiert, zahlt es sich aus, wenn man von sich überzeugt ist. Der Staranwalt wäre gerne auch  Schauspieler geworden, aber das stand nicht zur Debatte. Bayern München der Anwaltschaft, nur das es mehrere davon gibt.
  2. Der Provinzfürst - Der Provinzfürst agiert ähnlich wie der Staranwalt, jedoch auf seinen Kammerbezirk beschränkt. Auf der ganz großen Bühne fühlt er sich merkwürdig unwohl, zum ganz großen Durchbruch fehlt ihm die Mondänität. In der Bundesliga wäre er Hannover 96.
  3. Die Ein-Mann-Boutique - Die Ein-Mann-Boutique hat sich auf ein Fachgebiet spezialisiert und hält wacker daran fest. Macht nur, was er kann, und hat ein weit gespanntes Netzwerk Gleichgesinnter, mit denen er Mandante tauscht. Nie ganz oben, aber konsequent. Greuther Fürth. 
  4. Der Dorfschulze - Der Dorfschulze ist Anwalt in einem kleineren Ort. Dort ist er eine Instanz, die Einwohnerschaft wendet sich mit allen Anliegen vertrauensvoll an ihn. Eine fachliche Spezialisierung hat er nicht, aus Angst, die Leute könnten ihm dann nicht alle ihre Probleme anvertrauen. Die Kollegen aus der Stadt nehmen den Dorfschulzen nicht ernst, und meistens haben sie damit Recht. Preußen Münster. Sehr alte Menschen erinnern sich daran, dass er früher mal ein Jahr in der Bundesliga gespielt hat. 
  5. Der Feld-Wald-und Wiesenwalt - Der Feld-Wald-und Wiesenanwalt ist wie der Dorfschulze Generalist, nur praktiziert er in der Stadt. Dort fehlt ihm der Rückhalt, denn er muss sich sein Revier mit mit immer mehr Kollegen teilen. Traut sich nicht, mit einer Spezialisierung den Sprung zur Boutique zu wagen. Böse Menschen sagen: Macht alles und kann nichts. Seit jeher Amateurliga. Suchen Sie sich irgendeinen Verein aus.



Montag, 15. Dezember 2014

Zeit für Exhumierungen


Zutreffend ist, dass in Oldenburg ein Krankenpfleger im Verdacht steht, für den Tod von knapp zweihundert Patienten verantwortlich zu sein. Der NDR berichtet hier. Allein 174 Todesfälle werden derzeit von einem von der Staatsanwaltschaft beauftragen Gutachter untersucht.

Dazu sollen diverse mögliche - bisher nicht als solche erkannte - Mordopfer exhumiert werden. Das wird nach Auskunft der Staatsanwaltschaft aber nicht mehr in diesem Jahr passieren. Die Polizei hat ihre Ermittlungen mit einem katholischen Weihbischof und dem evangelischen Bischof von Oldenburg abgestimmt. Gemeinsam sei man zu dem Ergebnis gekommen, die Ermittlungen insoweit vorerst ruhen zu lassen, denn Graböffnungen kurz vor Weihnachten passten "nicht in die Zeit".

Unzutreffend ist allerdings, dass Graböffnungen in Abstimmung mit der christlichen Kirche jetzt nur noch zu Ostern stattfinden sollen.


Freitag, 12. Dezember 2014

Season's Greetings


Der vom Kollegen Hoenig hier aufs Korn genommene Kommentar der BILD-Zeitung ruft in mir amüsierte Erinnerungen an eine Verhandlung vor dem Zivilgericht vom vergangenen Mittwoch wach. Die Zeitung mit den vier Buchstaben mokiert sich über das Ansinnen, Weihnachtsmärkte aus religiöser Rücksichtnahme in Wintermärkte umzubenennen.

Letzten Mittwoch also, vor dem Landgericht, vertrat ich eine Partei mit Migrationshintergrund gegen eine andere Partei mit Migrationshintergrund. Es ging um Rufschädigung. Beide Parteien waren persönlich zugegen.

Nachdem wir uns verglichen hatten, verabschiedete sich die Richterin freundlich, aber etwas gehemmt. Weil ich noch im Saal war, als alle anderen schon gegangen waren, verriet sie mir auch warum: Sie habe eigentlich allen "Frohe Weihnachten" wünschen wollen, sich dann aber angesichts der Parteien nicht getraut. Man weiß ja nie.

In England behilft man sich aus diesem Grund übrigens schon seit langem mit der anschauungsneutralen Formel "Season's Greetings".


Pathologische Einstellungen Gedeihen In Der Angst


Manchmal kann das Kind nicht einschlafen. Es hat Angst, unter dem Bett könnte sich ein großes, böses Monster versteckt halten, das droht, es aufzufressen. Die Eltern müssen das Kind dann in den Arm nehmen und trösten. Pädagogen raten in dieser Situation übrigens davon ab, dem Kind mit rationalen Argumenten beibringen zu wollen, dass da gar kein Monster sei, ja, es gar keine Monster gäbe. Die Angst vor dem Monster ist real, und nur darauf reagiert das Kind. Nur Verständnis hilft.

Was macht man aber, wenn Erwachsene Angst vor Dingen haben, die sie sich nur einbilden? Was, wenn sich die gleich gesinnten Angstbürger zusammenfinden und allmontaglich öffentlich fordern, gegen das Monster unter dem Bett mit aller Härte vorzugehen? Zehntausend halluzinierende Erwachsene kann man nicht in den Arm nehmen und trösten.

Nimmt man aber die Schrotflinte und feuert ein paar Mal auf das imaginäre Monster unter dem Bett, wird sich das Kind kaum wohler fühlen und das Bett ist hin. Das sollte man daher tunlichst unterlassen. Aber was kann man tun?

Der Pädagoge empfiehlt, die Ängste des Kindes ernst zu nehmen. Bei der Therapie hilft häufig ein Placebo, z. B. ein Anti-Monster-Spray.

Für die Erwachsenen Angsthasen wird nach einem passenden Placebo noch gesucht. "Bart-ab - Das Anti-Islamisten-Spray" wird es kaum jemals in den Handel schaffen. Aber einige Politiker sind vielleicht der Lösung schon etwas näher gekommen, wenn sie z. B. ein Burka-Verbot fordern. Bei geschätzt 100-200 Burkaträgerinnen in Deutschland käme des vom Wirkstoffgehalt einem Placebo schon sehr nahe.

Vielleicht klappt es ja.



Mittwoch, 10. Dezember 2014

Mehr herausholen aus Ihrem Anwalt


Wie ich der BILD entnommen habe, hält das unlängst zitierte Buch einer Anwaltstochter (siehe hier) viel mehr bereit als nur die titelgebenden Gründe, Anwälte zu hassen: Es enthält offenbar auch eine Art Bedienungsanleitung. Das ist natürlich toll. Die BILD zitiert aus dem Buch der Anwaltstochter (nicht zu verwechseln übrigens mit Zahnarztfrau) Wer nicht bei BILD nachlesen mag, dem möchte ich die Ratschläge hier - mit einer kleinen Kommentierung versehen -vorstellen:


  1. Kommen Sie mit realistischen Erwartungen zu Ihrem Anwalt! Sehr richtig. Realistische Erwartungen sind immer gut und helfen einem, Enttäuschungen zu verhindern. Es lohnt sich sicherlich, darüber im klaren zu sein, dass Ihr Anwalt Ihnen nicht über Liebeskummer hinweghelfen kann. Dafür bräuchten Sie einen Therapeuten. Einer der 111 Gründe, Anwälte zu hassen, war übrigens, dass Anwälte keine Therapeuten sind. Fazit: Binse. 
  2. Informieren Sie sich! Googeln Sie am besten vor dem Anwaltsbesuch ihr Rechtsproblem, jeder Anwalt wird sie lieben. Informieren Sie sich im Internet über Atomkraftwerke und gehen dann zu ihrem örtlichen Stromversorger und erzählen dem mal, wie das wirklich ist mit dem Atomstrom. Fazit: Das ist Schritt eins in den pathologischen Querulantenwahn. 
  3. Holen Sie eine zweite Meinung ein! Oder auch eine dritte und vierte, wie die Autorin empfiehlt. Kann man machen. Doof nur: Man wird auch den zweiten, dritten und vierten Anwalt bezahlen müssen. Im Unterschied zum Arzt kommt es beim Anwalt übrigens selten auf die Diagnose an, sondern in der Regel auf die Therapie. Und was machen sie mit vier Therapievorschlägen? Ganz klar: Sie fragen einfach einen fünften Anwalt, welchem Ratschlag sie folgen sollen. Fazit: Grober Unfug
  4. Geben Sie sich nicht mit Geschwurbel zufrieden! Auf keinen Fall! Anwälte verstecken hinter Geschwurbel häufig schwache Argumente, teilt die Expertentochter uns mit. Recht hat sie. Vielleicht sind es allerdings Ihre eigenen schwachen Argumente, denen der Anwalt auf diese Weise zu einem bisschen Glanz verhilft. Es kommt eben immer auf die Sichtweise an. Fazit: Binse. 
  5. Wenn Sie keine 50 Seiten lesen wollen, fordern Sie eine Zusammenfassung! Rechtsanwälte schreiben angeblich lieber mehr als wenig, um sich abzusichern. Ob das stimmt, weiß ich nicht.  Mache Mandanten rufen nach Erhalt eines Briefes auch an und fragen, was in dem Brief drin stand. Nicht, weil sie ihn nicht verstanden haben, sondern weil sie ihn nicht geöffnet haben. Zur Länge der Darstellung mag als Faustformel gelten: Komplizierte Sachverhalte erfordern mitunter eine etwas längere Darstellung. Schließlich ist es letztlich der Mandant, der nach allen Seiten abgesichert sein möchte. Fazit: Kann man machen, verfehlt aber das Problem.
  6. Lassen Sie sich Ihren Anwalt empfehlen! Eigentlich ein guter Ratschlag, nur: Auf wessen Empfehlung soll man vertrauen? Nur weil die beste Freundin zufrieden war, müssen sie es noch lange nicht sein. Das ist das allgemeine Problem aller Bewertungsportale: Woher weiß ich, ob ich gleicher Meinung wäre? Letztlich hilft nur eins: Selbst ausprobieren. Aber für den Einstieg langt's. Fazit: Sehr nah an der Binse.
  7. Achten Sie auf die Sekretärin - sie verrät einiges über die Kanzleikultur! Stimmt. Vielleicht ist die Sekretärin gepierct oder tätowiert? Dann stimmt vielleicht etwas mit der Kanzleikultur nicht. Merken Sie etwas? Fazit: Oberflächlicher Unfug. Einige der besten Anwälte, die ich kenne, tragen zerschlissene Jeans und haben gar keine Sekretärin. Und nein, damit meine ich nicht mich selbst.
  8. Wenn Sie auf Mitleid hoffen, sind Sie bei Anwältinnen besser dran! Die seien auch eher bereit, auf ihr Honorar zu verzichten, rät Frau Engelken. Das ist also eine Anleitung zum Eingehungsbetrug. Fazit: Dafür gehört Frau Engelken der Arsch versohlt.
  9. Behalten Sie den Terminkalender im Auge! Rufen Sie Ihren Anwalt an, wenn ein Fristablauf bevorsteht, Anwälte übersehen Fristen gerne. Am besten fangen sie zwei Wochen vor Fristablauf an und melden sich dann in immer kürzer werdenden Intervallen, bis sie am Tag des Fristablaufs stündlich anrufen. Fazit: Das ist kein Schritt in den Querulantenwahn, das ist schon der Querulantenwahn höchstselbst. Wenn Sie schon soweit sind: Gehen Sie zum Psychiater und nicht zum Anwalt.
  10. Nerven Sie Ihren Anwalt nicht zu Tode! Endlich ein Ratschlag, dem ich uneingeschränkt zustimmen kann.  Obwohl man bei diesem Buch manchmal den Eindruck bekommt, nur ein toter Anwalt wäre ein guter Anwalt. 



Dienstag, 9. Dezember 2014

Der erste Grund, Anwälte zu hassen


Die Kollegin (?) Eva Engelken hat ein Buch geschrieben, das sich perfekt als Weihnachtsgeschenk für freundliche Kollegen eignet. Es heißt: "111 Gründe, Anwälte zu hassen". Das Buch steht in einer Reihe mit Klassikern wie "111 Gründe, Schalke 04 zu lieben" oder "111 Gründe, Lehrer zu sein". Etwas beunruhigend finde ich, dass es nach meiner Recherche dass erste Buch seiner Art ist, dass sich statt zur Liebe offen zum Hass bekennt. Und dann ausgerechnet gegen Anwälte. Das finde ich entsetzlich.

Offenbar hat der Verlag aber ein gutes Produktmarketing; dieser Tage findet sich in zahlreichen Käseblättern Lokalzeitungen eine gleichlautende Rezension, die zehn - wohl die schönsten - dieser Hassgründe vorstellt. Ein willkommener Anlass, sich selbstkritisch mit diesem Feedback aus der Bevölkerung auseinanderzusetzen.

Ich möchte beginnen mit Grund 1. Er lautet, beispielhaft zitiert nach der Frankfurter Rundschau: "Sie sagen immer, "es kommt darauf an"". Diese Antwort ist zugegeben relativ unpräzise, was von vielen Mandanten als wenig befriedigend empfunden wird. Ich kann das verstehen. Grund für diese vielschichtige Antwort sei laut Autorin unter anderem, dass viele Anwälte "Schiss" hätten, wegen einer eindeutigen aber falschen Aussage zur Verantwortung gezogen zu werden. Mag sein, dass es solche Fälle gibt.

Aber ich möchte zu bedenken geben: Es kommt darauf an.

Nämlich darauf, was man fragt. Stellt man eine vage, unpräzise Frage, ist die Gefahr größer, dass man auch nur eine vage, unpräzise Antwort bekommt. "Herr Anwalt, wie sind meine Chancen?" wäre eine solche Frage, die zu beantworten jedem Anwalt schwer fällt. Erstaunlicherweise freuen sich viele Mandanten darüber, wenn man ihnen ihre Chancen in Prozent angibt, obwohl das barer Unsinn ist. Wer als Anwalt "Ich schätze die Erfolgschancen auf 81,5 %" sagt, erntet meist gefälliges Nicken beim Mandanten.

Kollegen, die sich nach der Liebe ihrer Klienten sehnen, möchte ich empfehlen, eine Erfolgschance von 99% anzugeben. Das kommt beim Gegenüber meist gut an und wenn sie trotzdem verlieren: Dann handelte es sich halt um das vermaledeite eine Prozent. Es kommt eben drauf an.

Rettungsanker gegen überbordende Anklagepraxis


Am vergangenen Freitag fand in Hamburg eine feine Fortbildung der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e. V. (WisteV) statt. Thema war "Einstellungen gegen Auflagen und Weisungen in Wirtschaftsstrafschen, verbunden mit der titelgebenden Frage "Fluch oder Segen". Es gab vier Vorträge und eine zaghafte Diskussion.

Leider nicht anwesend - wenn auch in etwa jedem zweiten Wortbeitrag angesprochen - war Bernie Ecclestone, seines Zeichens Nutznießer der wohl spektakulärsten Einstellung gegen Geldauflage in den letzten Jahren. Dessen Verteidiger, Dr. Sven Thomas, führte dementsprechend auch die Fraktion derjenigen an, die die Einstellung gegen Auflagen für einen Segen halten. Als Einstieg hatte der Kollege Auszüge aus einem Werk des Sozialwissenschaftlers Heinrich Popitz gewählt, "Über die Präventivwirkung des Nichtwissens". Eine These dieses Buches ist, dass nicht jeder Normenverstoß bestraft werden dürfe, weil sonst die Akzeptanz der Norm in der Bevölkerung sinke. Es lohnt es sich, darüber zweimal nachzudenken.

Die Fluch-Fraktion wurde durch den Hamburger Generalstaatsanwalt von Selle vertreten. Der kündigte zwar an, Argumente gegen die Einstellung von Strafverfahren anführen zu wollen; ich kann mich allerdings nicht erinnern, eines gehört zu haben. Im Gedächtnis ist mir geblieben, dass er mehrfach das Wort "Gerechtigkeit" erwähnt hat.

Den abschließenden Vortrag hielt ein ausgewiesener Experte und Autor einer Kommentierung des § 153a StPO, Rechtsanwalt Professor Werner Beulke. Der hat erstaunlicherweise herausgefunden, dass der Satz der Einstellungen gegen Geldauflage seit deren Einführung gleichbleibend bei 4-5% liegt. Faszinierend: Der Satz der in Strafverfahren verurteilten Bürger liegt seit 1884 gleichbleibend bei einem Prozent der Gesamtbevölkerung. Seine Schlussfolgerung steht hier daher noch einmal als Schlusswort: § 153a StPO sei "der Rettungsanker gegen eine überbordende Anklagepraxis".

P.S.: Der Generalstaatsanwalt hat es gehört; gefallen hat es ihm wohl nicht.

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Mandantentypen: Der Sparfuchs


Nachdem wir hier und hier bereits den Zauderer kennen gelernt haben, begegnet uns heute der Sparfuchs. Weil der Sparfuchs sich irgendwie auch als Schlaufuchs empfindet, hat er eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen.

So kommt er beim Anwalt an. Der Sparfuchs hat ein kompliziertes Problem mit vielen rechtlichen Facetten, das er gerne lang und ausführlich schildert. Er ist ja rechtsschutzversichert, wie er eindrucksvoll versichert. Seit gestern, wie sich bei der Gelegenheit gerne herausstellt. Den Hinweis des Anwalts, dass das dann wohl nichts würde mit der Deckungszusage, überhört der Sparfuchs, um mit der ausladenden Schilderung seines Problems fortzufahren. Je nach Länge des anwaltlichen Geduldsfadens kann dieses Mandat danach noch Stunden, Wochen oder Monate fortdauern, am Ende steht unweigerlich eine Rechnung.

Eine Rechnung, die der Sparfuchs nicht bezahlt. Schließlich ist er ja rechtsschutzversichert. Häufig fragt der Sparfuchs dann auch noch den Anwalt, wozu er denn dann eine Rechtsschutzversicherung habe, wenn die doch nicht zahle. Seinen Versicherungsvertrag gelesen hat der Sparfuchs nicht. Sich vorher beim Versicherer erkundigt hat er auch nicht. Das kann doch eigentlich auch gleich noch der Anwalt machen, schließlich ist er ja rechtsschutzversichert, der Sparfuchs.

Solche Mandate sind überaus unerfreulich und jeder Rechtsanwalt tut gut daran, sie schnellstmöglich zu beenden.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Unbemerkt vernommen


Da ist jemand Beschuldigter eines Strafverfahrens. Er wird von der Polizei aufgesucht und wird vernommen. Er erzählt viel, auch vieles, das ihn selbst zum Täter diverser Straftaten macht. Am Ende der Vernehmung weigert er sich, das Protokoll zu unterschreiben. Er begründet dies damit, dass er am Anfang der Vernehmung nicht verstanden bzw. gewusst habe, dass er Beschuldigter sei.

Da hat es wohl ein Missverständnis gegeben. Allemal interessant ist, wie die Polizei es sieht; das hat sie fein säuberlich protokolliert.

Man habe den Beschuldigten zu zweit an seiner Wohnanschrift aufgesucht. Nach einleitenden Worten habe man ihn "nach § 164 StGB darüber belehrt, dass er sich strafbar mache, wenn er durch wissentliche falsche Angaben absichtlich einen anderen zu Unrecht verdächtige, die Bestrafung anderer vereitele (§ 258 StGB), einen anderen begünstige (§ 257 StGB) oder eine Straftat nach § 145d StGB vortäusche". Dem Beschuldigten sei erklärt worden, "dass er ein Zeugnisverweigerungsrecht habe, wenn er mit dem / der Beschuldigten verlobt, verheiratet oder verschwägert" sei, § 52 (1) StPO. Weiterhin sei der Beschuldigte belehrt worden, "dass er gemäß § 55 (1,2) StPO die Auskunft auf Fragen verweigern kann, durch die (gemeint wohl: deren) Beantwortung er sich selbst oder einen der in § 52 (1) StPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden".

An dieser Stelle sei eine Anmerkung erlaubt: Der zweite Teil der "Belehrung" ist die übliche Belehrung eines Zeugen. Man erkennt das unschwer an dem ausdrücklichen Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht. Das haben - der Name deutet es an - nur Zeugen.

Die vernehmenden Beamten haben das - vom Beschuldigten nicht unterzeichnete - Protokoll mit einigen Anmerkungen versehen. Einleitend heißt es: "Am Ende der Vernehmung verweigerte der BS die Unterschrift zur Belehrung und zur Tonbandaufnahme. Er selbst gab an, dass er anfangs nicht verstanden oder gewusst haben will, dass er im hiesigen Strafverfahren beschuldigt ist. Ich entgegnete (ihm) überrascht, was er denn eben sonst für selbst belastenden Angaben gegenüber uns gemacht hätte."

Ich fasse das noch einmal zusammen: Nachdem die Beamten den Beschuldigten nicht bzw. fehlerhaft belehrt hatten und den Beschuldigten die gesamte Vernehmung über in dem irrigen Glauben belassen hatten, er wäre Zeuge, sind sie "überrascht", dass der Beschuldigte das Protokoll über seine Erklärungen nicht unterzeichnen möchte, wo er doch "sich selbst belastenden Angaben" gemacht habe.

Für dieses seltsame Verhalten hat man sogar eine Begründung gefunden; wiederum wörtlich aus dem Protokoll: "Nach hiesiger Einschätzung war diese Verweigerung allerdings ein Versuch, seine Aussagen zurück zu nehmen."

Es steht zu befürchten, dass die vernehmenden Beamten hier allen Ernstes der Ansicht waren, rechtmäßig zu handeln und sich anschließend ehrlich gewundert haben. Vielleicht wundern sie sich noch heute.