Dienstag, 2. Dezember 2014

Unbemerkt vernommen


Da ist jemand Beschuldigter eines Strafverfahrens. Er wird von der Polizei aufgesucht und wird vernommen. Er erzählt viel, auch vieles, das ihn selbst zum Täter diverser Straftaten macht. Am Ende der Vernehmung weigert er sich, das Protokoll zu unterschreiben. Er begründet dies damit, dass er am Anfang der Vernehmung nicht verstanden bzw. gewusst habe, dass er Beschuldigter sei.

Da hat es wohl ein Missverständnis gegeben. Allemal interessant ist, wie die Polizei es sieht; das hat sie fein säuberlich protokolliert.

Man habe den Beschuldigten zu zweit an seiner Wohnanschrift aufgesucht. Nach einleitenden Worten habe man ihn "nach § 164 StGB darüber belehrt, dass er sich strafbar mache, wenn er durch wissentliche falsche Angaben absichtlich einen anderen zu Unrecht verdächtige, die Bestrafung anderer vereitele (§ 258 StGB), einen anderen begünstige (§ 257 StGB) oder eine Straftat nach § 145d StGB vortäusche". Dem Beschuldigten sei erklärt worden, "dass er ein Zeugnisverweigerungsrecht habe, wenn er mit dem / der Beschuldigten verlobt, verheiratet oder verschwägert" sei, § 52 (1) StPO. Weiterhin sei der Beschuldigte belehrt worden, "dass er gemäß § 55 (1,2) StPO die Auskunft auf Fragen verweigern kann, durch die (gemeint wohl: deren) Beantwortung er sich selbst oder einen der in § 52 (1) StPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden".

An dieser Stelle sei eine Anmerkung erlaubt: Der zweite Teil der "Belehrung" ist die übliche Belehrung eines Zeugen. Man erkennt das unschwer an dem ausdrücklichen Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht. Das haben - der Name deutet es an - nur Zeugen.

Die vernehmenden Beamten haben das - vom Beschuldigten nicht unterzeichnete - Protokoll mit einigen Anmerkungen versehen. Einleitend heißt es: "Am Ende der Vernehmung verweigerte der BS die Unterschrift zur Belehrung und zur Tonbandaufnahme. Er selbst gab an, dass er anfangs nicht verstanden oder gewusst haben will, dass er im hiesigen Strafverfahren beschuldigt ist. Ich entgegnete (ihm) überrascht, was er denn eben sonst für selbst belastenden Angaben gegenüber uns gemacht hätte."

Ich fasse das noch einmal zusammen: Nachdem die Beamten den Beschuldigten nicht bzw. fehlerhaft belehrt hatten und den Beschuldigten die gesamte Vernehmung über in dem irrigen Glauben belassen hatten, er wäre Zeuge, sind sie "überrascht", dass der Beschuldigte das Protokoll über seine Erklärungen nicht unterzeichnen möchte, wo er doch "sich selbst belastenden Angaben" gemacht habe.

Für dieses seltsame Verhalten hat man sogar eine Begründung gefunden; wiederum wörtlich aus dem Protokoll: "Nach hiesiger Einschätzung war diese Verweigerung allerdings ein Versuch, seine Aussagen zurück zu nehmen."

Es steht zu befürchten, dass die vernehmenden Beamten hier allen Ernstes der Ansicht waren, rechtmäßig zu handeln und sich anschließend ehrlich gewundert haben. Vielleicht wundern sie sich noch heute.



1 Kommentar:

  1. Die Einschätzung der Beamten dürfte zutreffen - und die Frage einer etwaigen Verwertbarkeit unabhängig davon sein, ob der Beschuldigte nun unterschreibt oder nicht. Denn da ist die Rechtslage ziemlich eindeutig:

    Keine Belehrung = keine Verwertung.

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