Montag, 12. Januar 2015

Vor dem Berufungsgericht


Landgericht, Kleine Strafkammer, Berufungsverhandlung. Das bedeutet, es gibt bereits ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts, gegen das - meistens der Angeklagte bzw. sein Verteidiger - Berufung eingelegt hat. Die Berufung muss nicht begründet werden; in ausgesuchten Fällen tue ich es trotzdem - dann nämlich, wenn das Amtsgericht es allzu doll getrieben hat und die Rechtsfehler einem aus seinem Urteil geradezu entgegen springen.

Eigentlich ist so eine Berufungsbegründung ein nützlich Ding für das Gericht; der Vorsitzende Richter der Berufungskammer weiß dann schon vor der Verhandlung, wo es langgehen wird und kann sich darauf einstellen, Zeugen laden usw. Auf diese Weise kann man eine Menge Zeit sparen, wenn man es richtig anstellt.

Ich sitze also in der Berufungsverhandlung, der Richter arbeitet die Formalien ab, beugt sich dann leicht nach vorne und fragt den Angeklagten mit angewidertem Gesicht: "Was wollen Sie mit der Berufung eigentlich erreichen?"

Das ist der Moment, in dem ich das Wort ergreife und dem Vorsitzenden Richter sage, dass das alles in meiner Berufungsbegründung stehe. Der Richter starrt mich entgeistert an. Das hätte ihm doch jemand sagen müssen! Dann hätte er - vielleicht - sogar die Akte gelesen. So weiß er leider nicht, worum es geht.

Da kann sich der Vorsitzende Richter sicher sein, dass der dann folgende Antrag, jedenfalls nicht in Verschleppungsabsicht gestellt wird. Sondern in der Absicht, dass sich mit dem Fall endlich mal jemand befasst, der seine Amtspflichten zumindest im Ansatz ernst nimmt.

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