Donnerstag, 29. Januar 2015
Diskussion mit Wagner
Gestern hatte die hiesige Rechtsanwaltskammer zu einer Podiumsdiskussion geladen, bei der Joachim Wagner sein Buch "Vorsicht Rechtsanwalt" vorstellte. Das habe ich mir gemeinsam mit der Kollegin Braun und dem angehenden Kollegen von der Strafakte natürlich angesehen. Im Anschluss an eine Zusammenfassung des Buches gab es eine Diskussion mit den Kollegen Henning von Wedel und Johann Schwenn sowie dem Richter am Oberlandesgericht Tully.
Das Buch von Joachim Wagner dürfte den meisten geläufig sein, hier vorsorglich noch einmal ein Link zur Erinnerung. Nachdem ich seine Thesen jetzt von ihm selbst gehört habe, kann ich mir die Leküre seines Buches wohl endgültig ersparen.
Joachim Wagner hat zahlreiche Einzelfälle mutmaßlich schlechter Anwaltsleistungen zusammengetragen (vom Kammerpräsidenten als "Fleißarbeit" bezeichnet) und möchte daran den Verfall der Sitten innerhalb der Anwaltschaft belegen. Das ist in etwa so, als würde ich Straftaten von Brillenträgern sammeln und dann behaupten, die Brillenträger seien ein Problem für die Gesellschaft, weil sie so viele Straftaten begingen. Es fehlt einfach die Gegenprobe.
Aber auch die Einzelfälle, die Joachim Wagner heranzieht, sind bedenklich und geben Anlass zu der Vermutung, dass Herr Wagner eine reichlich merkwürdige Vorstellung von Ethik hat. Er geißelt beispielsweise Rechtsanwälte als unmoralisch, die massenhaft Verfahren gegen Hartz IV-Bescheide führen. Warum? Es ist das rechtsstaatlich verbürgte Recht der Empfänger, gegen diese Bescheide vorzugehen und sich dabei eines Anwaltes zu bedienen. Wenn sie im Unrecht sind, werden sie das schon merken. Das war die Stelle im Vortrag des Herrn Wagner, bei der der Kollege von Wedel mit der flachen Hand auf das Podium schlug und aufschrie, die Behörden sollten doch einfach richtige Bescheide erlassen. Im Boxkampf hätte der Ringrichter an dieser Stelle abgebrochen und auf technischen K.O. des Herrn Wagner entschieden.
Natürlich muss sich die Anwaltschaft der Kritik von außen stellen, aber es ist ein bisschen wie bei Pegida: Was macht man mit Kritik, die einfach völlig unsinnig ist? Wehrt man sie ab, bestätigt man nur die Vorurteile der Kritiker, lässt man sich aber auf unsinnige Kritik ein, kommt dabei heraus: eine unsinnige Diskussion.
Aber interessant war's.
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Verfahren gegen Hartz IV-Bescheide haben eine recht hohe Erfolgsquote - soll es "moralisch" sein, rechtswidrige Bescheide rechtskräftig werden zu lassen ?
AntwortenLöschenBei aller berechtigten Kritik an Herrn Wagner, einen guten Anwalt zu finden ist schon wirklich schwer.
AntwortenLöschenNach mehr als 250 Verfahren weis ich so ungefähr von was ich poste :(
So manche meiner Kontrahenten haben Ihren Prozess nur verloren weil Ihr Anwalt erbärmlich gepfuscht hat.
In der Tat dürfte Herr Dr. Wagner gestern Abend ein wenig damit daneben gelegen haben, dass er sich nicht vorstellen könne, Ämter könnten bewusst rechtswidrige Bescheide erlassen.
AntwortenLöschenJedem Strafverteidiger sind beispielsweise die apokryphen Haftgründe bestens bekannt, die unter fadenscheiniger Heranziehung vermeintlicher Flucht- oder Verdunkelungsgefahr viel zu oft den eigentlichen Grund für die Anordnung der Untersuchungshaft darstellen. Eine lesenswerte Abhandlung zu diesem Thema hat Herr Lutz Eidam vorvergangenes Jahr in der HRRS veröffentlicht: http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/13-08/index.php?sz=10
Interessant wäre in dem Zusammenhang gestern auch gewesen, wie viele der angeblich 6.000 angegriffenen Bescheide erfolgreich angefochten wurden. Vermutlich wird es der Großteil gewesen sein.
Leider Strafrechtslastig, die Veranstaltung.
AntwortenLöschenBerechtigt die strukturelle Kritik an den fehlenden Zulassungsbeschränkungen. ("Sammelbecken"), die allerdings ausgeglichen werden durch Durchfallquoten von 40 % nach dem ersten Semester. Umintellektuell - wie jede Verallgemeinerung - die Verallgemeinerung objektiv schlechter Beratung bzw. objektiver Geldschneiderei durch das Puschen sinnloser Strategien.
Intolerabel, unterirdisch und offenbar rein ideologisch motiviert Wagner's Kritik an Kanzleien mit vielen gleichartigen Mandaten. Deren Optimierung der Durchlaufzeiten ist eine reelle und erfolgreiche Marketingstrategie, durch die gerade eine zügige und beständige Mandatsbearbeitung sichergestellt wird.
Mir fehlte die Debatte über die Schlussfolgerungen (mehrfach erfolglos durch Otmar angemahnt). Bestandsaufnahmen allein sind folgenlos.
Herzliche Grüße in die Grindelallee, Ihre Johanna Busmann
"Risiko Strafverteidiger". Nach über neun Jahren Schöffentätigkeit und als Berufsöffentlichkeit in über 6.000 HVs konnte ich gute und damit erfolgreiche Strafverteidiger nur im unteren zweistelligen Bereich erleben.
AntwortenLöschenHaben Sie überhaupt verstanden, was Herr Wagner in seinem (aus anderen Gründen ziemlich schlechtem und schlecht lektorierten) Buch an der Praxis der "Hartz-IV-Anwälte" kritisiert?
AntwortenLöschenEs geht um Anwälte, die aus der Kombination der Besonderheiten, dass einerseits "Hartz-IV-Klagen" immer und in jedem Fall vom Staat bezahlt werden (entweder als Erstattung oder als VKH) und andererseits das Sozialgericht eine Amtsermittlungsverpflicht trift, eine Lizenz zum Gelddrucken entwickelt haben. Anwälte, die Flyer in den Jobcentern verteilen lassen, dass sie "kostenlos jeden Bescheid auf Fehler prüfen" und die dann einfach die Bescheide nehmen, kopieren (für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft und ggf. sogar für jede Anhörung eine gesonderte Klage) und die Klage mit einem Standardsatz einfach auf die Rückseite stempeln. Denn das reicht ja, um die Amtsermittlungspflicht der Gericht auszulösen. Anwälte, denen es nur um den eigenen Profit geht und für die im Extremfall sogar neue Stellen bei den Arbeitsämtern und Gerichten geschaffen werden mussten, um der Klageflut zu begegben.
Halten Sie das ernsthaft für moralisch? Wenn das der Sinn der Vorschrift wäre, könnte man den dazwischengeschalteten Anwalt gleich weglassen und jeden Brief, den das Jobcenter schreibt, erst einmal gerichtlich überprüfen lassen.
Lesen Sie doch einfach mal das Buch.
Hallo Anonym lies doch mal zu Abwechslung wie es in der "Gelddruckmaschine" wirklich aussieht. http://www.info-also.nomos.de/fileadmin/infoalso/doc/Aufsatz_infoalso_14_04.pdf
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