Dienstag, 6. Januar 2015
Liegen lassen lernen
Im September 2014 habe ich einen sensationellen Freispruch erwirkt; die Staatsanwaltschaft ist in Berufung gegangen. Mitte Dezember 2014 rief mich der Vorsitzende Richter der für das Berufungsverfahren zuständigen Kleinen Strafkammer am Landgericht an, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Das klingt ganz normal, ist es aber nicht. Normal ist das hier:
Im Dezember 2012 wurde eine Mandantin von mir vom Amtsgericht verurteilt, gegen das Urteil habe ich für die Mandantin aus diversen Gründen Berufung eingelegt. Bis heute habe ich nicht einmal eine Eingangsbestätigung bekommen, geschweige denn ein Aktenzeichen des Landgerichts oder gar so etwas wie einen Verhandlungstermin. Still ruht der See.
Derartige Verschleppung durch die Gerichte können manche Mandanten ganz gut ertragen, andere gar nicht. Das hängt von deren Persönlichkeit ab. Gerechtfertigt ist ein derartiger Zeitablauf wohl kaum jemals. Es gibt einfach Akten, auf die haben Richter keine Lust. Das kann ich gut verstehen. Dieses Verhalten ist menschlich, aber das sind die angeklagten Taten auch. Darum geht es nicht. Richter werden dafür bezahlt, dass sie Akten bearbeiten, nicht dafür, dass sie Akten langsam auf der Fensterbank ausbleichen lassen.
Der Verteidigung gegenüber ist dieses Verhalten eine Unverschämtheit - zumal dieselben Richter, die hier guten Gewissens Verfahren über Jahre verschleppen, Verteidigern gerne Verschleppungsabsicht unterstellen, wenn diese es in der Hauptverhandlung wagen, auch nur einen Antrag zu stellen. Dem Angeklagten gegenüber ist es einfach nur eine grobe Respektlosigkeit. Denn der hat sich ja nicht freiwillig in die Hände der Justiz begeben.
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Ich dachte immer, ein ewig langes Verfahren wirkt sich strafmildernd aus.
AntwortenLöschenWenn dem so ist, liegt es halt an Ihnen, dem Mandanten die nötige Gelassenheit beizubringen
Füße stillhalten, irgendwann verjährt alles, denn Mord kanns nicht gewesen sein(Amtsgericht).
AntwortenLöschenWarum erhebt der Anwalt keine Verzögerungsrüge?
AntwortenLöschenSchauen Sie doch mal nach: Vielleicht ist das erstinztanzliche Urteil ja längst rechtkräftig?
AntwortenLöschenIch frage mich allerdings, woraus Sie, wo Sie doch noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung, geschweige denn ein Aktenzeichen (und daher ganz, ganz sicher keine Akteneinsicht) erhalten haben, folgern, dass hier ein Richter mit Sicherheit "einfach keine Lust" hatte.
Übrigens: Glückwunsch zu dem sensationellen Freispruch, den Sie erwirkt haben! Vielleicht möchten Sie berichten, weshalb der so sensationell war und weshalb er ohne Ihr zutun nicht erfolgt wäre?
"Denn der hat sich ja nicht freiwillig in die Hände der Justiz begeben."
AntwortenLöschenWenn wir jetzt mal davon ausgehen, dass Ihre Mandantin was gemacht hat, was nicht 100% deckungsgleich mit den geltenden Gesetzen ist, dann hat sie doch aber schon eine gewisse Mitschuld daran, dass die Justiz sich nun mit ihr beschäftigt, oder?
Das jemand unschuldig auf der Anklagebank gesessen hätte, hat es glücklicherweise ja noch nie gegeben.
Löschen"Das jemand unschuldig auf der Anklagebank gesessen hätte, hat es glücklicherweise ja noch nie gegeben."
AntwortenLöschenNicht der Rede wert. In der Justizgeschichte sind das doch nur bedauerliche Einzelfälle, millionenfache Einzelfälle!