Dienstag, 9. August 2016

Keine Entscheidung


Die Gerichte sind ja bekanntlich überlastet. Dafür braucht man viel Arbeit. Ist trotz Überlastung nicht genug Arbeit da, kann man sich die Arbeit auch selbst machen. Wie das geht, zeigt anschaulich das Beispiel eines Rechtspflegers an einem Hamburger Amtsgericht:

Der Angeklagte ist freigesprochen worden, die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt und diese vor Begründung wieder zurückgenommen. Hier ist beim Rechtsanwalt eine Gebühr angefallen, deren Erstattungsfähigkeit - Burhoff sei Dank - mittlerweile auch weitgehend akzeptiert zu sein scheint.

Den Antrag auf Kostenfestsetzung und -erstattung lehnt der Rechtspfleger gleichwohl gekonnt ab mit der Begründung, es fehle die Kostengrundentscheidung des Gerichts. Das stimmt auch; der zuständige Richter hat sie schlicht vergessen. Was der Rechtspfleger verkennt: Das Gericht, das ist auch er selbst. Aber anstatt seiner Verpflichtung nachzukommen, einen Beschluss herbeizuführen - gegebenenfalls durch Vorlage der Akte beim zuständigen Richter - lehnt er lieber den Antrag des Rechtsanwaltes ab. Nach dem Motto: War ich gestern untätig, darf ich auch heute untätig bleiben.

Was folgt: Erinnerung, Beschwerde, Vorlage beim Richter, Beschluss des Richters. Nach nur knapp einem Jahr liegt jetzt die Entscheidung vor; die Kostenfestsetzung dauert fort. Was man in zehn Minuten rechtskonform hätte erledigen können, hat man so elegant auf ein Jahr Bearbeitungszeit gestreckt.

Und jetzt ist erst einmal Mittagspause.


1 Kommentar:

  1. Man hätte auch in 2 Minuten rechtskonform den nicht vom Rechtspfleger, sondern vom Anwalt zu stellenden Antrag auf Nachholung der Kostenentscheidung stellen können und anschließend einen neuen Antrag stellen statt Erinnerung und Beschwerde einzulegen, wenn man es schon besser weiß...

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