Donnerstag, 4. August 2016
Cry Baby
Donald Trump hört sich gerne reden. Gar nicht gerne hat er es, wenn andere ihn dabei stören. Selbst, wenn sie sehr jung und unerfahren sind.
Nun wurde Donald Trump am Dienstag auf einer Wahlkampfveranstaltung von einem schreienden Säugling gestört, Aufnahmen seiner Reaktion plus einen schönen Kommentar gibt es im Guardian. Der Vorfall selbst gehörte eher zu den unbedeutenderen Ausfällen des Donald, sein Verhalten zeigt aber sehr schön, wie er tickt.
Er redet, das Kind schreit. Er nimmt das wahr und es stört ihn. Das ist zutiefst menschlich und ginge den meisten von uns kaum anders. Der sozialisierte Mensch wird dem ersten Impuls widerstehen, sich in das Schicksal fügen und - so gut es geht - einfach weitersprechen. Schon diese erste Stufe der Sozialisation schafft Donald Trump nur mit Mühe - er vermag nicht, das Geschrei einfach zu ignorieren, sondern thematisiert es sogleich. Das tut er auf die ihm eigene übertriebene Weise - er versichert, dass er Kinder und deren Geschrei liebe ("I hear that baby crying and I like it.") "Overdoing" nennt das der Engländer. Schon dabei versagt ihm die Mimik den Dienst, er guckt, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. Ein klassisches Lügensignal: Inhalt und Mimik passen nicht zu einander.
Als das Kind weiter schreit, wird Trumps Verhalten vollständig konfus: Er nimmt seine beschwichtigen Worte zurück ("Actually, I was only kidding") und "erlaubt" der jungen Mutter, den Saal zu verlassen, was aber mehr wie ein Befehl klingt ("You can get the baby out of here."). Auf dieser Stufe versagt dann auch sein Sozialverhalten endgültig: Er ruft der Frau vorwurfsvoll hinterher, dass Sie ihm seine vorherige Lüge offenbar geglaubt habe ("I think she believed me that I love having a baby crying while I'm speaking") und schließt mit einer Beleidigung, in die er gleich auch noch alle anderen einbezieht ("That's okay. People don't understand").
Man mag sich nicht vorstellen, wie dieser Mann reagiert, wenn ihm etwas Bedeutenderes widerfährt als ein schreiendes Kind im Publikum. Wird er seinen Colt ziehen? Oder gibt es den Zeitpunkt, in dem sein Ego zusammenbricht und er sich schreiend auf dem Boden wälzt?
Für einen Präsidenten wäre beides gleichermaßen unangebracht.
Aber viele Amerikaner scheinen ihn zu lieben.
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