Freitag, 24. Oktober 2014

Diese gierigen Rechtsanwälte!


Von Rechtsanwälten heißt es ja öfters, sie würden das Recht verdrehen. Das es auch anders geht, beweist die SZ: Die verdreht in ihrem Beitrag über die Abrechnung eines Kollegen selbst das Recht nach Belieben.

Es geht - mal wieder - um die Honorarforderung eines Kollegen. Der Artikel eröffnet gleich mal mit der rhetorischen Frage, "welcher halbwegs normal denkende Mensch ... freiwillig für ein paar Stunden Durchschnittsarbeit 55.846,22 Euro" bezahle. "Skandal", soll da der doofe Durchschnittsleser denken, "diese Rechtsanwälte sind doch alles Halsabschneider".

Auch eine Richterin halte "die Honorarforderung für bedenklich" und wolle "nun die Rechtsanwaltskammer einschalten". Klingt dramatisch - soll es wohl auch - ist aber ein völlig normaler Vorgang: Ist vor Gericht die Angemessenheit eines Rechtsanwaltsvergütung im Streit, muss das Gericht ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer einholen, § 14 Abs. 2 RVG. Bis hierhin also ist alles ganz normal. Worum aber geht es jetzt in der Sache?

Ein Italiener hatte seinen deutschen Arbeitsvertrag als Geschäftsführer eines "weltweit agierenden Ingenieurdienstleisters" überprüfen lassen und sich über die Höhe der Rechnung gewundert. Sein neuer Rechtsanwalt hat die Rechnungssumme dann schnell mal auf Arbeitsstunden umgerechnet und ist dabei auf ein Stundensalär von EUR 5.500,00 gekommen. Verglichen mit dem, was Lady Gaga pro Stunde verdient, sind das Peanuts. "Darum geht es doch gar nicht", wird der geneigte Leser jetzt sagen, und er hat recht. Um die - fiktive - Stundenvergütung geht es wirklich nicht. Denn der Rechtsanwalt hat offenbar nach dem Gegenstandswert abgerechnet. Der dürfte bei einem zugrunde gelegten Gehalt von einer halben Million und einem Maserati als Dienstwagen durchaus korrekt berechnet sein.

Trotzdem eine Ungeheuerlichkeit, diese Abrechnung, findet die SZ, habe der Mandant doch einen Stundensatz von - durchaus moderaten - EUR 290,00 vereinbaren wollen. "Weiter hinten" habe der durchtriebene Rechtsanwalt dann aber "eine Passage" formuliert, derzufolge "der Mandant tatsächlich mindestens die doppelte Anwaltsgebühr bezahlen solle". In seiner Rechnung habe der Jurist "schließlich gar den 2,5fachen Gebührensatz, dazu noch eine 1,5fache Einigungsgebühr" verlangt. Vereinbart war also offenbar, dass die gesetzlichen Gebühren gelten sollen, wenn das Honorar diese nicht erreicht. Das ist üblich und der gesetzliche Regelfall. Der Mandant hat es obendrein unterschrieben.

Da hat sich dieses Schwein von Rechtsanwalt doch glatt ans Gesetz gehalten. Die 1,5fache Einigungsgebühr fällt bei Abschluss einer Einigung auf den - gesetzlich geregelten - Gegenstandswert an, § 13,14, Nr. 1000 VV RVG. Der 2,5fache Satz für die eigentliche Tätigkeit ist zugegebenermaßen die Höchstgebühr, bedenkt man aber, dass die Höhe der Rahmengebühr sich nach Bedeutung der Sache (es stand ein Arbeitsverhältnis im Raum), der rechtlichen Schwierigkeit (kenne ich nicht, der Vertrag wird aber nicht eben kurz gewesen sein), der tatsächlichen Schwierigkeit (der Mandant war Italiener und möglicherweise nicht ganz einfach) und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mandanten (verdiente eine halbe Million im Jahr) richtet, könnte die Höchstgebühr sogar angemessen gewesen sein.

Erzählt uns das aber die SZ? Nein, die polemisiert bis zum Ende gegen den Rechtsanwalt, der einen armen italienischen Manager ausnimmt.

Joachim Wagner wird es gerne hören.




6 Kommentare:

  1. Naja, anwaltliches Gebührenrecht ist bekanntlich eine Materie für sich (die auch und gerade Gerichte oft nur unzureichend beherrschen).

    Und ob hier tatsächlich „eine 1,5-fache Einigungsgebühr, weil der Vertrag letztlich so geschlossen worden sei" angefallen ist, mag durchaus bezweifelt werden, vgl. Nr. 1000 VV Abs I N. 1 RVG:

    „Die Gebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird".

    Da muss die „Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis" schon sehr großzügig ausge-legt werden. Die ratio legis ist ersichtlich eine andere.

    Man darf auf das Kammergutachten gespannt sein.

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  2. P.S.: „Joachim Wagner wird es gerne hören." Nobby auch. ;-)

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  3. "(der Mandant war Italiener und möglicherweise nicht ganz einfach)" - sollte man vielleicht durch "nicht zu verstehen" o. ä. ersetzen. Klingt ansonsten irgendwie diskriminierend.

    Ansonsten: Gesetz ist Gesetz. Wehe es bricht einer (der böse Angeklagte gestand, die Bank überfallen zu haben), wehe es hält sich einer daran (der böse Angeklagte schwieg). Alles ein Riesenskandal. Dieses Mal ausnahmsweise auf dem weniger presseträchtigen Gebiet des Zivilrechts. Aber Hauptsache die Journaille hat was zu schreiben.

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  4. Warum die Zahlenden das als Skandal ansehen, hat zwei Gründe:
    Zum Einen ist es ja nicht so, dass der Rechtsanwalt sich auch bei geringen Streitwerten an die Gebühren des RVG hält, sondern dann muss natürlich eine Zusatzvereinbarung getroffen werden, weil die Gebühren des RVG ja die Kosten nicht decken.
    Zum Zweiten und das ist das wirklich unerträgliche ist das RVG eher eine Alimentationsordnung als eine Abrechnungshilfe. Ein Rechtsanwalt erhält danach auch dann "seine" Gebühren, wenn er sehr schlecht bis gar nicht arbeitet, bzw. seine Tätigkeit keinen Wert für den Kunden (ach ihr sagt ja meistens immer noch Mandanten) hat.
    Für solche Gebührentabelle gibt es m.E. weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung, sie sind schlicht aus der Zeit gefallen.

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  5. @Matthias,

    Der Rechtsanwalt ist dazu verpflichtet, auf eine Gebührenvereinbarung hinzuwirken. Von daher ist es nicht ehrenrührig, wenn Honorarvereinbarungen geschlossen werden. RVG ist schließlich nur der Mindestlohn und selbst den bekommt der Anwalt auch nicht immer.

    Im Übrigen ist es in einer Marktwirtschaft auch nicht verboten, sich wirtschaftlich verhalten. Gerade den Kleinkrams, wo noch nicht mal ein Gebührensprung drin ist, kann man sich ab einer gewissen Menge an Mandantschaft wirtschaftlich nicht mehr leisten. Mitarbeiter wollen auch ihr Geld haben, der Anwalt muss auch in die Versorgung pünktlich einzahlen und seine Miete bezahlen. Wenn ein Streitwert so gering ist, dass ein Anwalt damit in Anbetracht des zeitlichen Aufwands nichts verdienen kann, kann man nicht erwarten, dass hier jemand umsonst arbeitet.

    Anwälte geben regelmäßig ein Sonderopfer ab, wenn sie über Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe entlohnt werden sollen. Von den oft schleppenden oder zu späten Zahlungen der Staatskasse will ich hier schon gar nicht reden.

    Gerade im Arbeitsrecht verdienen die Mandanten oftmals wesentlich mehr netto als der Anwalt. Ist das eine gute Kombination? Eher nicht.

    Man kann das System der Streitwertabhängigkeit schlecht finden, aber das Rahmengebühr-System ist üblicherweise auch nicht viel gerechter im Einzelfall, nämlich wenn der Mandant es bezahlen soll. Dann ist jeder Preis bei einigen Mandanten viel zu hoch. Am besten kostenlose Beratung, kostenloses Prozessieren und Verhandeln.

    Übrigens habe ich kein Verständnis für Menschen, die bei einem Jahreseinkommen über 100.000 Euro sich nicht mal ne Rechtsschutzversicherung leisten wollen. Damit kann man die meisten rechtlichen Probleme ganz gut halbwegs kostenneutral über den Anwalt abwickeln lassen.

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    1. sehr vernünftiger Vorschlag! Gerade vermögende Mandaten sparen gern die Versicherungsprämie und wollen dann die bei der ersten Rücksprache schon eine halbe Stunde lang die Honorierung "drücken". Solche werden bei mir schnell hinaus komplimentiert!

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