Dienstag, 16. November 2010

Es fehlte einfach ein Stück Film

Es gibt keine Kennzeichnungspflicht für Beamte. Weil der zugrunde liegende Sachverhalt so empörend ist, hier nochmal der link zur bereits zitierten Erklärung des Innenministeriums des Landes Sachsen-Anhalt.

Bei der Diskussion denkt sich der Normalbürger vielleicht zunächst, wozu auch sollte es so eine Kennzeichnungspflicht geben? Beamte sind ja Staatsdiener, die sind auf die Verfassung vereidigt, warum sollte man die unter Generalverdacht stellen? Im Gegenteil: Die armen Säue müssen für uns wackere Bürger regelmäßig den Kopf hinhalten, wenn wieder mal ein paar Chaoten die Revolution proben.

Und dann passiert einem vielleicht so etwas wie dem Jura-Studenten einer privaten Hochschule vor einigen Jahren. Der hatte friedlich für bessere Studienbedingungen demonstriert und bei einem Polizeieinsatz schwere Verletzungen davon getragen. Er hatte nicht provoziert, er hatte keine Gewalt angewendet, er kam aus einem vornehmen Teil der Stadt und war entsprechend gekleidet. Mehrere Polizeibeamte hatten ihn aus dem Demonstrationszug weg in einen Vorgarten gedrängt und dort nach Strich und Faden vermöbelt.

Aber der Demonstrationszug wurde von der Polizei gefilmt. Es gab also Videoaufzeichnungen von allem, und die Polizei musste diese Aufzeichnungen herausgeben. Auf dem Film sah man den Studenten, man sah, dass er einfach nur die Straße entlang lief, man sah, dass er in keiner Weise gewalttätig war oder provozierte, und man sah, wie einige Polizeibeamte auf ihn zukamen. Dann folgte ein Schnitt. Oben rechts in der Ecke sprang die in Echtzeit mitlaufende Uhr um zehn Sekunden nach vorne. Danach sah man, dass der Student verletzt am Boden lag. Die zehn Sekunden dazwischen fehlten. Einfach weg. Von wem gelöscht? Keine Ahnung. Ist auch egal. Jedenfalls konnte man den Polizeibeamten nichts nachweisen, denn Beweise gab es ja keine.

Wenn man so etwas das erste Mal erlebt, mag man nicht glauben, dass so etwas in einem demokratischen Rechtsstaat nicht nur möglich ist, sondern auch noch ungeahndet bleiben kann. Aber seither haben mir immer wieder Kollegen erzählt, dass sie ganz ähnliche Fälle bearbeitet hätten.

Nur komischerweise scheinen bestimmte Politiker von diesen Geschehnissen nie Kenntnis zu erlangen. Oder wie ist es möglich, dass diese Politiker sogar ernsthaft dafür plädieren, auch noch jegliche Identifizierung von Polizeibeamten unmöglich zu machen?

4 Kommentare:

  1. Wenn Repraesentanten des Staates sich vermummen oder anderweitig anonymisieren muessen, ist etwas faul.
    Mich erinnert das an die Henker mit Kapuze.

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  2. Wie hätte denn eine Identifizierbarkeit der Polizeibeamten in diesem Fall weitergeholfen?

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  3. Ganz einfach: Man hätte die entsprechenden Täter anklagen und verurteilen können.
    Meines Erachtens hätten dafür schon die Aussage des Tatopfers, wenn Sie einigermaßen glaubhaft ist, und das Video ausreichen müssen. Auch aus dem Fehlen der 10 Sekunden lassen sich Rückschlüsse ziehen. Sie werden sicherlich nicht deshalb fehlen, weil sich Polizei und Demonstrant in der Zeit friedlich die Hand gegeben haben.

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  4. Man möchte wirklich nicht glauben, dass so etwas in Deutschland möglich ist.

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