Mittwoch, 3. November 2010

Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft

Nein, das "h" ist kein Schreibfehler, das schrieb man damals so. Damals, das ist im Vorrevolutionsjahr 1847, als Julius Herrmann von Kirchmann seine berühmt gewordene Rede dieses Namens gehalten hat. Dankenswerterweise findet sich im Internet hier sogar die Originalschrift: Für alle die, die gerne Sütterlin lesen.

Für alle anderen: Aus dieser Rede stammt unter anderem der berühmte Ausspruch vom Strich des Gesetzgebers, "der ganze Bibliotheken zu Makulatur" werden ließe. Kirchmanns Diagnose des Zustands der Rechtswissenschaft ist brillant und liest sich teilweise so, als wäre sie erst gestern von einem kritischen Geist geschrieben worden.

Die vom damaligen Staatsanwalt Kirchmann vorgeschlagene Therapie gegen den diagnostizierten Missstand allerdings ist weit weniger brillant, wenn auch mindestens ebenso aktuell. Er schlug nämlich vor, die Jurisprudenz solle sich weniger auf die Juristen verlassen, sondern stattdessen auf etwas, das er "das Recht, wie es im Volke wohnt", nannte. Weniger denken, mehr fühlen; weniger Geist, mehr Bauch; weniger Richter, mehr Laien. Bei seinem berühmten Nachfolger Friedrich Carl von Savigny hieß das später "Volksgeist", noch später bei Adolf "gesundes Volksempfinden". Heute heißt es möglicherweise RTL oder BILD-Zeitung.

Immer aber war es eins: Populistische Stimmungsmache zu Lasten der Schwachen. Trotzdem lohnt sich das Lesen. Unbedingt!

6 Kommentare:

  1. Immer zu Lasten der Schwachen?

    Das ergibt sich woraus? Indem man das Volk, die Schwachen selbst, befragt?

    Ich sehe da eine Lücke in der Argumentationskette.

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  2. Friedrich Carl von Savigny? Nachfolger von Kirchmanns? Jetzt ist aber nicht der "berühmte" von Savigny gemeint, u.a. Autor von "Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft", oder? Gab es noch einen anderen Juristen dieses Namens?

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  3. Und ich dachte immer, Sütterlin sei eine Schreibschrift.

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  4. @ Alexander: Nein, Sütterlin war ein Mensch. Die nach ihm benannte Schrift ist die Schreibvariante der so genannten deutschen Schrift, in ihrer Druckform zumeist Fraktur genannt. Aber der Beitrag handelte eigentlich von etwas anderem, oder?

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  5. Sie schreiben: "Weniger denken, mehr fühlen; weniger Geist, mehr Bauch; weniger Richter, mehr Laien. Bei seinem berühmten Nachfolger Friedrich Carl von Savigny hieß das später "Volksgeist"".

    Totaler kann die Unkenntnis von Savignys Lehre kaum sein. Der Volksgeist hat bei Savigny rein gar nichts mehr mit dem "Volk" als sozialer Realität zu tun. Nach Savigny hat zwar das Volk, auch durch Priester oder Laienrichter, das Recht ursprünglich in der Tat selbst verwaltet. Nachdem dieses aber in entwickelten Gesellschaften zu kompliziert geworden sei, sei zur Rechtserkenntnis und -fortbildung "heute" - d.h. zur Zeit Savignys - nurmehr ausschließlich der wissenschaftlich gebildete Jurist berufen, der als „Organ“ des Volkes ein Monopol für Theorie und Praxis des Rechts erhalten habe. (Das Ganze findet sich bei Savigny übrigens 30 Jahre vor v. Kirchmann.)

    Und die Behauptung, ein in Fraktur gesetztes Druckwerk sei irgendwie in "Sütterlin" (Schreibschrift), ist nun wirklich ebenfalls Unfug.

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  6. 1. Der Beitrag handelt von Sütterlinschrift.

    2. Hauptsächlich will Rough Justice wohl belehren, dass es eine Abfolge von Kirchmann über Savigny und "Adolf" zu Bild, bzw. RTL gibt. Überzeugend ist das auch nicht.

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