Über einige meiner Erfahrungen mit Bestellungen zum Pflichtverteidiger hatte ich hier und hier berichtet. Ein Kollege weist in seinem Kommentar zum ersteren Beitrag darauf hin, dass die Pflichtverteidigervergütung unter der Wahlverteidigervergütung liegt. Da hat er Recht.
Gerade deshalb wird man aber feststellen müssen, dass Pflichtverteidigung Verteidigung zweiter Klasse ist. Damit wir uns auch ja nicht missverstehen: Ein Verteidiger, der eine Pflichtverteidigung übernimmt, ist deswegen kein schlechterer Verteidiger. Aber auch ein Verteidiger muss wirtschaftlich kalkulieren. Und die Rechnung ist relativ simpel:
Für das Vorverfahren bei späterer Zuständigkeit des Amtsgerichts bekommt der Pflichtverteidiger EUR 264,00 zzgl. Auslagen und Umsatzsteuer. Die Berufsorganisationen gehen derzeit davon aus, dass ein Rechtsanwalt einen Stundensatz von mindestens EUR 150,00 ansetzten muss, um rentabel zu arbeiten. Das bedeutet eineinhalb Stunden Tätigkeit im Vorverfahren, danach ist bei wirtschaftlicher Betrachtung Schluss.
Eine Pflichtverteidigung rentiert sich für den Verteidiger erst ab etwa dem dritten Verhandlungstag vor Gericht.
Bedenkt man, dass die Weichen für das spätere Verfahren aber gerade im Vorverfahren gestellt werden, müsste der Verteidiger gerade im Vorverfahren besonders viel tun - und zwar mit dem Ziel, eine Hauptverhandlung nach Möglichkeit zu verhindern. Und damit seine Haupteinnahmequelle zu zerstören. Hierin besteht ein nicht zu überbrückender Gegensatz zwischen dem Interesse des Mandanten und dem Interesse des Rechtsanwalts.
Die Strafverteidigerorganisationen haben den Strafverteidigern einen Bärendienst erwiesen, indem sie immer wieder öffentlich verbreitet haben, Pflichtverteidigung wäre keine Verteidigung zweiter Klasse. Das mag ein frommer Wunsch sein, ignoriert aber die tatsächlichen Gegebenheiten. Pflichtverteidigung IST Verteidigung zweiter Klasse, und zwar kraft Gesetzes.
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