Dienstag, 21. April 2015

Kaffeerunde


Eben habe ich beim Amtsgericht angerufen, um mich nach einer Sache zu erkundigen, die bei eben diesem Amtsgericht seit etwa einem Jahr unbearbeitet herumliegt. Das hat mir der zuständige Richter am Telefon bestätigt. ("Liegt hier.")

Der Vorwurf ist alles andere als eindeutig und den Vorgang finden eigentlich alle ziemlich überflüssig; nur hat sich bisher keiner getraut, das Verfahren zu beenden, obwohl dazu durchaus Anlass und Gelegenheit bestanden hätten. Wo wir jetzt aber gerade schon über dieses unangenehme Ding sprechen, könnten wir doch eigentlich auch gleich einen Verhandlungstermin abstimmen, meint der Richter. Aber bitte nicht an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit, die ich vorschlage, denn da sei am Gericht doch Kaffeerunde.

Warum ich das hier erzähle? Weil es so perfekt zu dem passt, was der Kollege Laudon heute in seiner Strafakte schreibt. Lesen Sie dort bitte insbesondere den Absatz mit dem Zwischentitel "Die heilige Mittagspause".

P.S.: Bevor ich hier wieder Kommentare ernte, die mich des grundlosen Richter-Bashings bezichtigen, folgender Disclaimer:

Nein, ich habe nichts gegen Richter. Es gibt gute Richter und weniger gute Richter, genauso, wie es gute und weniger gute Strafverteidiger, Fliesenleger oder Kaminkehrer gibt. Im Unterschied zu Fliesenlegern oder Kaminkehrern, die hier stellvertretend für zahlreiche andere Berufe stehen, die eine gewisse Tätigkeit erfordern, sind Richter in ein System eingebettet, das es ihnen erlaubt, unter Berufung auf die richterliche Unabhängigkeit (§ 25 DRiG) sehr viel Zeit mit sehr wenig Arbeit zu verbringen. Das bedeutet nicht, dass das auch alle tun (bzw. nicht tun), sondern nur, dass manche es tun und dies vom System begünstigt wird.

Wie sich das auf die Psyche mancher Richter auswirkt, kann man an diesem schönen Fall sehen.






1 Kommentar:

  1. Das ist aber gemein. Es gibt zwischen Nixtun und Arbeiten doch noch so viele andere Möglichkeiten. Die sollte man nicht von vornherein ausschließen, wenn es um die sog. Belastung (nie aber: Überlastung) der Justiz geht.

    "Da sitzt der Mann an der Arbeitsstatt,
    der ein Sekretariat und ein Vorzimmer hat,
    (über jenen, die an ihren Arbeitsstätten
    gern ein Sekretariat und ein Vorzimmer hätten).

    Hier wird der Deutsche erst richtig heiter:
    kein Mensch mehr – nur noch Abteilungsleiter.
    Hier regiert er und wirkt und macht und tut ...
    Das Telefon klirrt, die Gehirntätigkeit ruht –
    denn zwischen Arbeiten und Promenieren
    gibts noch ein Drittes: Organisieren.
    ...
    Sie meinen sich, und sie sprechen von Gruppen,
    von Verbandsinteressen und Gemeinschaftsideen
    und können nicht bis zur Türe sehn.

    Hör zu, mein Kind:
    Diese Leute sind

    in geschäftiger Faulheit und wackrer Routine
    der Leerlauf der deutschen Verwaltungsmaschine."
    http://www.textlog.de/tucholsky-ortskrankenkasse.html

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