Mittwoch, 12. Mai 2010

Die Wahrheit über die Top-Kanzlei

Der Kollege Melchior berichtete hier über eine Kanzlei, die sich auf ihrem Briefkopf rühmte, zu den "Top-20-Kanzleien im Revier" zu gehören, deren Schriftsätze diese Selbsteinschätzung qualitativ jedoch eher nicht unterstützten.

Das Phänomen ist gleichermaßen bekannt wie ärgerlich. Es geht in etwa so:

Ein Rechtsanwalt gründet eine Kanzlei. Vielleicht hat er einen oder mehrere Partner, jedenfalls verstehen sich die meisten sehr gut auf Akquise. Die Qualität der Rechtsberatung ist dabei zunächst nebensächlich, denn die kann der normale Mandant sowieso nicht beurteilen.

Deshalb investiert man auch lieber in eine teure Adresse und in Mahagoni-Schreibtische. Denn die kennt und schätzt der Mandant aus dem gehobenen Segment und vertraut ihren Besitzern. Dank guter Kontakte hat die Kanzlei bald einen Ruf wie Donnerhall und hat mehr Mandate, als die Rechtsanwälte bearbeiten können. Um der vielen Arbeit Herr zu werden, beschließt man daher, einen zusätzlichen Rechtsanwalt einzustellen.

Dabei bieten sich solche an, die erst jüngst die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erlangt haben; denn die haben noch keine störende Persönlichkeit ausgebildet und schonen die Ertragslage. Zur Auswahl lässt man sich diverse Bewerbungsmappen kommen, lädt die fünf Kandidaten mit den besten Examensnoten ein und entscheidet sich dann für einen verheirateten Promotionskandidaten mit zwei Kindern. Dabei spielt hauptsächlich die Erwägung eine Rolle, dass dieser Kandidat sozial und familiär eingebunden ist und daher alles mit sich machen lassen muss.

Der neue Kollege bekommt dann den ehemaligen Abstellraum am hinteren Ende des Ganges zugewiesen. Fortan lassen ihm die Altvorderen all diejenigen Akten zur Bearbeitung vorlegen, an denen sie selbst bereits gescheitert sind, zu deren Bearbeitung sie keine Lust haben oder die lediglich einen Streitwert von 18 Euro 26 haben, aber dennoch bearbeitet werden müssen, weil der Mandant aus irgendeinem Grund für wichtig gehalten wird.

Der neue Kollege wird dafür schon nach kurzer Einarbeitung mit Stirnrunzeln beäugt, weil er den Ertrag nicht steigert und dabei auch noch freudlos guckt. Etwas später legen sie dem jungen Kollegen dann nahe, sich eine neue Stelle zu suchen, weil man sich das alles irgendwie ganz anders vorgestellt hat.

Und von diesem armen Tropf hatte der Kollege Melchior einen Schriftsatz auf dem Schreibtisch liegen.

4 Kommentare:

  1. Mir scheint, da berichtet jemand aus seiner dunklen Vergangenheit ;-)

    AntwortenLöschen
  2. Trauring aber wahr, wie wir Familienrechtler zu sagen pflegen.

    AntwortenLöschen
  3. Besser als zu der schlechtesten Kanzlei im Revier zu gehören. In der Gervinusstraße 10.
    Der Anwalt wechselte im Ganzen 20 Worte mit mir als Mandant. Auf Fragen antwortete er nicht und ließ mich sichtlich erkennen, daß ich in seinen Augen minderwertig sei.

    AntwortenLöschen