Donnerstag, 19. März 2015

"...da dürfen wir alles"


Wann immer in Deutschland über Justizirrtümer gesprochen wird, darf der Fall des Bauern Rudolf Rupp nicht fehlen. Das war der, den seine Angehörigen angeblich umgebracht und die Leiche den Schweinen zum Fraß vorgeworfen haben sollten, siehe hier. Einige Angehörige waren als mutmaßliche Täter vom Landgericht Landshut unter bemerkenswerten Umständen verurteilt worden. Selbst das spätere Auftauchen der unversehrten Leiche hatte die Staatsanwalt und Gericht seinerzeit nicht veranlasst, die offensichtlichen Fehlurteile zu überprüfen.

Der Nachklapp zum Fall Rupp verschlägt einem jetzt vollständig die Sprache. Der Kollege Laudon berichtet hier.

Schon im Ursprungsverfahren war bekannt geworden, dass die Polizei einige Aussagen - vorsichtig ausgedrückt - auf nicht ganz gesetzeskonforme Weise erlangt hatte. Ein Zeuge hat sich nach Wiederaufnahme des Verfahrens in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht beschwert.
Er sei von den Beamten zu einem Geständnis gedrängt worden. Dabei habe ein Beamter ihm eine Schusswaffe an die Schläfe gehalten und dazu gesagt: "Es geht schließlich um Mord, da dürfen wir alles".

An dieser Stelle holen wir einmal tief Luft und versuchen, ganz nüchtern und ohne unziemlichen Krawall zu umreißen, was im Anschluss daran eigentlich hätte passieren müssen: Die Staatsanwaltschaft hätte ein Ermittlungsverfahren gegen diesen Beamten und etwaige Mittäter einleiten müssen, denn aufgrund der Aussage bestand ein Anfangsverdacht. Da es sich bei den Vorwürfen gegen den Beamten um eine Straftat handelt, wäre die Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines Strafverfahrens nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet gewesen, § 152 Abs. 2 StPO. Das mögliche Absehen von der Verfolgung wäre schon aufgrund der Deliktsnatur - es handelt sich um Amtsdelikte - nicht opportun gewesen.

Was aber hat die Staatsanwaltschaft tatsächlich gemacht? Sie hat ein Strafverfahren wegen Uneidlicher Falschaussage, § 153 StGB, eingeleitet - gegen den Zeugen. Da holen wir nochmals tief Luft und fragen uns: Kann das richtig sein? Dazu müsste die Staatsanwaltschaft ja einen Anfangsverdacht gegen den Zeugen gehabt haben, siehe oben. Hat sie aber nicht, zumindest hat das Amtsgericht in erster Instanz keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Zeuge gelogen haben könnte und hat ihn freigesprochen.

Warum steht der ehemalige Zeuge und derzeitige Angeklagte jetzt aber nochmals vor Gericht? Weil die Staatsanwaltschaft nach dem Freispruch Berufung zum Landgericht eingelegt hat. Wir holen ein drittes Mal tief Luft und fragen uns mit der gebührenden Sachlichkeit, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt sie das wohl getan haben mag. Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiSTBV) handelt es sich bei der Einlegung von Rechtsmitteln um eine Ermessensentscheidung. Das Rechtsmittel muss nicht, soll aber dann eingelegt werden, wenn wesentliche Belange der Allgemeinheit dies gebieten und das Rechtsmittel aussichtsreich ist (Nr. 147 Abs. 1, Satz 1).

Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, mag der geneigte Leser selbst entscheiden.








3 Kommentare:

  1. Ähm, Sie bringen da ein paar Sachen durcheinander.
    Die erste Verhandlung war in Ingolstadt gegen die Angehörigen des Toten, dort wurde verurteilt, in Landshut lief das Wiederaufnahmeverfahren, dort wurde freigesprochen.
    Nach dem Legalitätsprinzip hat die StA zu ermitteln, wenn TATSACHEN einen Anfangsverdacht begründen. Dazu genügt es weder, dass irgendjemand eine Strafanzeige schreibt und behauptet, es würden schlimme Dinge geschehen, noch genügt es, wenn ein Zeuge, dessen Glaubwürdigkeit eher zweifelhaft ist eine etwas unrunde Story erzählt (der Polizei kann es völlig wurst sein, ob ein Zeuge ein Vernehmungsprotokoll unterschreibt, weil die Unterschrift keine Gültigkeitsvoraussetzung ist, wozu also die Pistole?) begründet nicht zwingend einen Anfangsverdacht.
    Abgesehen davon ist auch die Darstellung etwas lückenhaft. Der Zeuge wurde in Landshut vor dem Amtsgericht nur wegen der falschen Verdächtigung bezüglich der Pistolen-Geschichte freigesprochen, wegen einer weiteren uneidlichen Falschaussage im Rahmen des "Rupp"_ Wiederaufnahmeverfahrens aber verurteilt. Ob man einem solchen Zeugen zwingend die Pistolengeschichte glauben muss und ob das alles also ein Skandal ist, daran habe ich jedenfalls meine Zweifel.

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    1. Es dürfte zumindest jetzt klar sein, wem auf keinen Fall geglaubt werden sollte: den Polizisten, Richtern und Staatsanwälten in Süddeutschland. Reden wir jetzt wirklich über den Leumund einer der wenigen (!) beteiligten Personen, die nicht ganz offensichtlich mindestens Rechtsbeugung begangen haben?

      Wenn unbedingt jemand wegen uneidlicher Falschaussage verurteilt werden sollte, könnte man ja vielleicht mal eine etwas längere Liste erstellen. Ich hätte ein paar Leute im Kopf.

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