Montag, 3. Juni 2013

Das Recht ist kein Verschiebebahnhof


Vor dem Landgericht Berlin ist der Prozess gegen mehrere Angeklagte wegen der Prügelattacke vom Alexanderplatz (Fall Johnny K.) "geplatzt". Das Gericht hat angekündigt, das Verfahren auszusetzen. Ob dabei dem Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen einen Schöffen stattgegeben werden wird, ist noch nicht bekannt. Für das Verfahren ist das aber relativ egal. Wenn der Prozess ausgesetzt wird, muss er irgendwann - vor einem neu besetzten Spruchkörper - neu begonnen werden. Es ist in jeder Hinsicht unwahrscheinlich, dass dann derselbe Schöffe nochmals über diese Anklage zu Gericht sitzen wird.

Vorausgegangen war dem Befangenheitsantrag ein Wortgefecht des Schöffen mit einem Zeugen, bei dem sich der Schöffe wohl ein wenig in der Wortwahl vergriffen hatte ("Sind Sie zu feige oder wollen Sie uns verarschen?") und dazu dann auch noch der Presse ein Interview gegeben haben soll. Soll.

Der Verlauf ist ärgerlich, die Entscheidung rechtsstaatlich wohl geboten. Interessant ist aber, was der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zum Befangenheitsantrag der Verteidigung gesagt haben soll: Der soll das Verhalten des Schöffen zwar ebenfalls kritisiert haben, sich aber ausdrücklich gegen eine Ablösung des Schöffen eingesetzt haben.

Prozesse wären einfacher, fairer und wahrscheinlich auch effizienter, wenn sich alle Beteiligten ab und zu drei Regeln vor Augen führen würden:

  1. Das Recht gilt immer und für jeden gleichermaßen. Es muss dementsprechend auch immer und auf jeden gleichermaßen angewendet werden.
  2. Das gilt in persona besonders auch für Laienrichter, Berufsrichter, Staatsanwälte und - wir wollen die hier ruhig dazu nehmen - Polizisten.
  3. In der Sache gilt das Recht inbesondere auch dann, wenn es einem oder mehreren Prozessbeteiligten Mühe und Kosten bereitet. Das Recht ist kein Verschiebebahnhof, hat ein Verfassungsrichter dazu mal gesagt.





4 Kommentare:

  1. Es ist für den Rechtsstaat ein Schrecken und eine Schande, dass solche Staatsanwälte weiter ihr Unwesen treiben dürfen und nicht auf dem Fusse fristlos gefeuert werden.

    Es liegt wohl am Grundübel, dass die Justiz nicht zur Selbstreinigung in der Lage ist.

    AntwortenLöschen
  2. Ach nein. Unmutsäußerungen gegenüber einem Zeugen sind etwas anderes als Unmutsäußerungen gegenüber dem Angeklagten oder Verteidiger. Das hier war unschön, aber noch hinnehmbar (anders als die späteren Äußerungen gegenüber der Boulevardzeitung, wenn sie denn so gefallen sind).

    AntwortenLöschen
  3. Nunja. Schöner wäre gewesen, der Schöffe hätte von vornherein seine Befangenheit erklärt, aber machen wir uns nichts vor: die 3 Nebgenschen Gesetze sind ebenso rechtsstaatlich zentral wie grenzenlos naiv. Wenn man aber die Wahl hat, zwischen Richtern, die ihre Vorurteile aussprechen und solchen, die sie im fein säuberlich revisionssicher gehaltenen Urteil ausleben, hab ich da meine Prioritäten. Also muss ich tatsächlich mal der Boulevardpresse beipflichten: Hurra für Richter, die ehrlich ihre Meinung sagen!

    AntwortenLöschen
  4. Eigentlich müsste ja schon die Zulassung zur Anklage den Befangenheitsantrag auslösen, da der Richter damit erklärt, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist.

    AntwortenLöschen