Montag, 2. Juli 2012

Weiße Langbinder

In Bayern darf ein Rechtsanwalt vor dem Strafgericht als Verteidiger zurückgewiesen werden, wenn er keinen weißen Langbinder trägt. Ein Rechtsanwalt hatte sich geweigert, war ausgeschlossen worden, hatte Verfassungsbeschwerde eingelegt und - verloren. Z. B. Damm Legal* berichtet hier.

Ein Gesetz, das dem Rechtsanwalt die weiße Krawatte vorschriebe, gibt es nicht. Man schaue bei dieser Gelegenheit mal in § 20 BORA und wird möglicherweise erstaunt sein, was dort als Amtstracht des Rechtsanwalts tatsächlich geregelt ist. Das Oberlandesgericht München hatte ungeachtet dessen befunden, der Beschwerdeführer hätte "eine von der berufsrechtlichen Regelung unabhängige verfahrensrechtliche Pflicht" verletzt, sogar eine "schwer wiegende". Da drängt sich ja nun die Frage auf, wo diese Pflicht herkommen soll. Gilt in Bayern eine andere Prozessordnung und wir haben es hier oben nur noch nicht mitbekommen?

Andernorts ist das Tragen weißer Krawatten sogar verpönt, nämlich Richtern und Staatsanwälten vorbehalten. In Bayern scheinen die Sitten anders zu sein - aber eben nur die Sitten, nicht die Gesetze. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht wohl so gesehen, denn es hat die Beschwerde nicht etwa für offensichtlich unbegründet gehalten, sondern ihr lediglich die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung aberkannt.

Für den Beschwerdeführer Steine statt Brot.

* Früher stand hier Beck Blog. Das war von mir falsch verlinkt.

12 Kommentare:

  1. Dann eben überall mit weißem Binder auftreten - oder es mal mit weißer Fliege probieren? Und sei es noch so verpönt. Ein Grund mehr, den Staatsanwalt mal schön anzugrinsen.

    Oder warum sich nicht eine Robe mit Samtbesatz kaufen? Mal sehen, ob man dafür als Verteidiger aus dem (bayerischen) Gerichtssaal fliegt.

    AntwortenLöschen
  2. Die Robe mit Samtbesatz darf offiziell von allen Rechtsanwälten im Kammerbezirk Stuttgart getragen werden. Eignet sich daher leider für einen Skandal ;)

    AntwortenLöschen
  3. Tja, aber ein heimtückischer Angriff durch Polizeibeamte z.Nt. eines schwerstbehinderten im Rollstuhl wird als minderschwere Nötigung von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Begründung:" Kein öffentliches Interesse". www.dirtycop.de zeigt den Fall, der mit Live-Kamera dokumentiert ist.

    AntwortenLöschen
  4. Und die Kollegen in Stuttgart haben dann eine Zweitrobe, wenn sie außerhalb ihres Bezirks vor Gericht tätig sind? Eigenartige Sitten im Süden...

    AntwortenLöschen
  5. Eine schwachsinnige Debatte. Unsere Aufgabe ist es, den Interessen der Mandanten zu dienen. Und wenn denen besser mit einer weissen Krawatte gedient ist, haben wir sie halt umzubinden. Der Kollege, der wegen einem solchen Unfug einen Prozesszwischenfall heraufbeschwört, den ja nicht er, sondern sein Mandant auszubaden hat, handelt unverantwortlich.

    AntwortenLöschen
  6. @Christian
    Ich finde diese Stuttgarter Sitte als Karlsruher Kollegin (also auch aus dem Süden) auch eigenartig. Ich habe mich sogar während des Referendariats, als ich diese Sitte noch nicht kannte, gewundert, wieso sich die Kollegen dort anmaßen eine Robe mit Samtbesatz zu tragen. Leider ist mir nicht bekannt, ob jeder von Ihnen ein Zweitexemplar in seinem Fundus hat :D

    AntwortenLöschen
  7. Keine Sorge, in Bayern tut es auch eine farbige Krawatte: OLG München, NJW 2006,3097. Auf diese Entscheidung stützt sich auch weitgehend unter wörtlicher Zitierung die neue OLG-Entscheidung, die Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war.

    AntwortenLöschen
  8. Wegen sowas 'ne VB?
    Und seit Monaten klagt die Anwaltschaft landauf landab wegen der geplanten Mutwilligkeitsgebühr.

    AntwortenLöschen
  9. In München wird von den Gerichten ganz überwiegend eine Krawatte in normalen Farben akzepiert. Mit dem angeblichen Gewohnheitsrecht, dass zum Tragen einer weißen Krawatte verpflichten soll, ist es also nicht weit her. Letzte Woche saß mir sogar vor dem Amtsgericht München (Zivilsachen) eine Kollegin gegenüber, die Leggings trug. Es hat sich niemand empört; es war ja auch heiß :-).

    AntwortenLöschen
  10. Ich bin vor dem Sozialgericht München, Richelstraße, 2004 von einem Fachanwalt für Sozialrecht vertreten worden, sogar mit PKH, der im März bei Schmuddel-Winter-Wetter mit einem hellenCordanzug und einem schwarzen Rollkragenpullover kam. Den Pullover kannte ich schon aus der Kanzlei. Vielleicht hat er sogar mehrere davon. Der Richterin war das egal.

    Später kam der bekannte Prozess vor dem Strafgericht, wo ein Rechtsanwalt in Badelatschen und T-Shirt rausgeschmissen worden ist, weil er (bei 35 °C im SChatten) zu einer Erörterung die Würde des Gerichtes verletzt hätte. Darüber hatte die Münchner Tageszeitung ausführlich berichtet.

    AntwortenLöschen
  11. "Die Robe mit Samtbesatz darf offiziell von allen Rechtsanwälten im Kammerbezirk Stuttgart getragen werden"

    Bei meinem ersten Auftritt am AG Stuttgart wurde ich erstmal richterlich darauf hingewiesen, dass man am AG S OHNE ROBE verhandele. Ich kam mir sehr nackt und entblößt vor. Die Sache hab ich gewonnen, dafür hat das Gericht meine Klageerweiterung vergessen (mußte nachträglich korrigiert werden) und zwei entgegenstehende Kostenfestsetzungsbeschlüsse erlassen, was auch einigen Wirbel verursacht hat. MIT Robe wäre das sicher nicht passiert.

    AntwortenLöschen
  12. Auch in Karlsruhe wird vor den Amts- und Arbeitsgerichten ohne Robe verhandelt. Ich saß auch schon ohne Robe im Landgericht, weil weder der Kollege noch ich sie aus der Tasche holte. Allerdings handelt es sich dabei immer um Zivilangelegenheiten. Im Strafrecht ist ohne Robe undenkbar. Die Gepflogenheiten im Verwaltungsprozess sind mir persönlcih nicht bekannt. Ja im Süden laufen wohl die Uhren wirklich etwas anders. In Bayern zu streng in BW zu locker :)

    AntwortenLöschen