Donnerstag, 21. Juni 2012

Spekulieren macht Spaß


Was mag wohl dahinterstecken, dass in Münster der Verteidiger verhaftet wurde? Wir wissen es nicht, die Presseinformationen sind ungewohnt dünn, aber gerade das macht die Sache so spannend. Spekulieren macht außerdem Spaß und schließlich tut es die Staatsanwaltschaft ja auch ständig. 


Einige Kommentatoren haben schon damit begonnen, also mache ich hier mal weiter. Es ist nämlich so einiges seltsam an dem, was man so erfahren hat. Als Quellentext habe ich wieder den der Welt zugrunde gelegt. Zutreffende Berichterstattung immer vorausgesetzt, natürlich.


  1. Nach dem "letzten" (gemeint ist wohl der vorherige, denn offenbar gab es ja einen weiteren Verhandlungstag) soll sich ein Zeuge an die Staatsanwaltschaft gewandt und behauptet haben, der Verteidiger hätte ihm Geld geboten. Viel Zeit, den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung zu überprüfen, kann sich die Staatsanwaltschaft nicht genommen haben, denn schon am nächsten Verhandlungstag - der üblicherweise binnen Wochenfrist stattfindet - hat man zugeschlagen. Aufgrund einer einzigen Zeugenaussage?
  2. Zu weiteren Ermittlungen hätte wohl einiger Anlass bestanden. Der Verteidiger - den die WELT als "Pflichtverteidiger" bezeichnet - hat ja objektiv keinen Grund, einen Zeugen zu bestechen. Warum sollte er das tun? Die Frage mag überflüssig erscheinen für den voreingenommenen Beobachter, der Rechtsanwälte per se für gedungene Lügner hält, allen anderen sollte sie sich aufdrängen.
  3. Der notwendige Verteidiger der vom Gericht beigeordnet wurde würde - wenn auch spärlich - vom Staat bezahlt. Warum sollte der EUR 50.000,00 an einen Zeugen weiterleiten? Aus eigener Tasche? Wer macht denn so was und warum?
  4. Er kann das Geld doch eigentlich nur im Namen und auf Kasse des Mandanten angeboten haben und da stelle ich mir die Frage, warum er das Geld nicht erst einmal als Vergütung vom Mandanten gefordert hat. Das liegt doch viel näher und ist obendrein noch erlaubt.
  5. Letzteres wäre also vernünftig nur erklärbar, wenn er als Vergütung mindestens genauso viel schon selbst vom Mandanten bekommen hätte. Dann würde sich aber die Frage stellen, warum er sich überhaupt hat beiordnen lassen, zumal er sich damit unter Umständen auch noch die Möglichkeit abschneidet, eine angemessene Wahlverteidigervergütung zu fordern. Oder wurde er etwa ungefragt vom Gericht bestellt?
  6. In letzterem Fall wiederum wäre umso erstaunlicher, dass der Verteidiger ein derart hohes Risiko für einen Mandanten eingeht, der ihm vom Staat zugeteilt wurde. Das ist kaum vorstellbar.
  7. Der Verteidiger "wurde vom Gericht umgehend entpflichtet" heißt es. Ohne Gelegenheit zur Stellungnahme? Ich traue Gerichten viel zu, aber das? Sicherer kann man sich die Aufhebung durch das Revisionsgericht doch gar nicht einhandeln.
  8. Im Prozess übrigens soll es laut "WELT" um "illegale Machenschaften auf einem Schrottplatz" gegangen sein. Das mag jetzt für manchen Leser unangemessen penibel klingen, aber etwas genauer hätte ich es dann doch schon gerne gewusst. Aus dieser Formulierung lässt sich jedenfalls nicht einmal erahnen, um welches Delikt es in dem Verfahren überhaupt gegangen ist.
Das mag fürs Erste genügen, eine Frage aber habe ich noch und die ist mir wichtig: 

Warum war die Ehefrau des Verteidigers bei der Verhandlung zugegen?



6 Kommentare:

  1. Die Festnahme ist von einem Fernsehteam aufgezeichnet worden:
    http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/rueckschau/2012/06/19/lokalzeit_muensterland.xml?noscript=true&offset=1052&autoPlay=true&#flashPlayer
    Die in dem Beitrag gelieferten Informationen klären viele der aufgeworfenen Fragen.

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  2. Gehen wir einmal davon aus, die Vorwürfe gegen den Verteidiger seien zutreffend. Ist es dann dann trotzdem rechtmäßig, geschweige denn stilsicher, daß ein Herr Oberstaatsanwalt den Verteidiger in der Hauptverhandlung verhaftet (Haftbefehl? Haftgrund?) oder vorläufig festnimmt (Rechtsgrundlage?) und das vor laufenen Kameras?

    Was hat denn der Kammervorsitzende als Inhaber der sitzungspolizeilichen Gewalt zu diesem peinlichen Auftritt gesagt? Oder blickte er bloß stumm, in dem ganzen Saal herum?

    Wie so viele derartiger Aktionen dürfte sich dieser Auftritt unabhängig von der Berechtigung der Vorwürfe schnell als Bumerang für die Staatsanwaltschaft erweisen. Spätestens das BVerfG wird einmal mehr deutliche Worte finden.

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  3. Fröhlicher Spekulatius:
    - Wie kommt ein Mandant in einem Strafprozess zu - laut westfälischen Blättern - einem Pflichtverteidiger neben drei weiteren Verteidigern????
    Zu den Fragen Herrn Nebgens:
    Nr. 3-5
    - gibt es Pflichtverteidiger,die von ihrem Mandanten dennoch Geld verlangen, das über die Pflichtvergütung hinausgeht und damit drohen, sonst keinen Finger krumm zu machen ? Gibt es. Siehe bei Herrn Burhoff unter Ohne Moos nix los
    - gibt es Mandanten, die ihren Anwalt beauftragen, Geld (des Mandanten) an Zeugen zu übergeben, damit die Aussage schön angepasst wird ? Vielleicht.
    zu Nr. 4. Die Frage stellen heißt sich zu fragen: Vielleicht hat er ja die Vergütung bekommen und die 50 TEUR zum Weitergeben oben drauf, also wieso sollte er etwas von dem Zeugenbestechungsgeld einbehalten (wär dann wohl auch noch eine Untreue gewesen ;)

    zu Nr. 6:
    - glauben Straftäter, dass sie erwischt werden und lassen sie deshalb die Finger vom Straftatentun? Na ja, sieht man ja täglich und wir unter dem Aspekt Generalprävention diskutiert.
    - gibt es Anwälte, die versuchen, Handies in JVAs im Kaffee zu schmuggeln? Gibt es, siehe den blog von RA Hoenig.Glauben die, dass sie ertappt werden?

    zu Nr. 7:
    ob und welche Verfahrensregeln eingehalten wurden werden Sie einem Pressebericht, in dem zentrales Thema nicht die Entpflichtung ist, kaum entnehmen können.
    zu Nr. 8
    Es geht um Steuerhinterziehung, wie dem wdr-Beitrag und der westfälischen Landpresse zu entnehmen ist

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  4. Einige Ihrer Fragen hätten sich beantworten lassen, wenn Sie zur Abwechslung mal aus verschiedenen Quellen abgeschrieben hätten statt wie so oft nur aus dem LawBlog.

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  5. Da Mr. Nebgen eh nicht antwortet, kann man sich die direkte Ansprache an ihn sparen. Da hat er was mit UV gemeinsam, der ebenfalls Halbwahrheiten in seinen Artikeln - auch nachdem sie aufgeflogen sind - unkommentiert stehen lässt.

    Man fragt sich dann allerdings, warum überhaupt eine Kommentarfunktion eröffnet wird.

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  6. Damit wir Herrn Nebgen an seine herrlichen Überlegungen zum Thema ebay erinnern können.

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