Montag, 2. Januar 2012

Der Junior unter dem Fach

Es gibt Rechtsanwälte und es gibt Fachanwälte. Letztere sind auch Rechtsanwälte, haben aber besondere theoretische und praktische Kenntnisse in einem Spezialgebiet nachgewiesen. Deswegen gibt es die Bezeichnung "Fachanwalt" nur in Verbindung mit einem Spezialgebiet, z. B. "Fachanwalt für Agrarrecht". Die Bezeichnung "Rechtsanwälte und Fachanwälte", wie sie auf den Briefköpfen etlicher Kollegen zu finden ist, dürfte daher irreführend sein. Aber das nur am Rande.

Viele Rechtsanwälte wären gerne Fachanwalt für irgendetwas, haben aber bisher die erforderlichen Nachweise nicht erbringen können, was  auch daran liegen mag, dass die Erfordernisse zum Teil - zurückhaltend ausgedrückt - nicht gerade realitätsnah sind. Aber auch das nur am Rande. Findige Kollegen haben seit jeher versucht, diese Anforderungen zu umschiffen, indem sie den "Fachanwalt" durch ein möglichst ähnlich kompetent klingendes aber nicht geschütztes Synonym ersetzt haben, z. B. "Spezialist".

Dem hat das der Bundesgerichtshof auf die Klage eines Kollegen mit einem gnadenlos vergurkten Urteil einen Riegel vorgeschoben. Zuvor hatte dieser Kollege sich als "Spezialist für Verkehrsrecht" bezeichnet und sich bei der für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer selbst angezeigt, um einen Rechtsstreit zu provozieren. Der BGH orakelt in diesem Urteil unter anderem, dass Fachanwälte eigentlich gar keine Spezialisten wären und diffamiert mal wieder Rechtsanwälte. Aber auch ist nicht das eigentliche Thema. Seit diesem "Spezialisten-Urteil" darf man sich jedenfalls nur noch dann Spezialist nennen, wenn für das vereinnahmte Spezialgebiet noch kein Fachanwaltstitel erhältlich ist. "Spezialist für Agrarrecht" kann man also z. B. nicht (mehr) sein, auch wenn man es ist.

Die Rechtsanwaltskammern diskutieren seit längerem, ob es gleichwohl erlaubt sein soll, die Nachfrage dieser Kollegen trotzdem zu bedienen und einen "kein Fachanwalt für" einzuführen. Die Frage drängt, denn die Weiterbildungsbranche wittert zusätzliche Einnahmequellen bei Nicht-Fachanwälten. Euphemistisch ausgedrückt wird dieser Nicht-Fachanwalt "Spezialisierungshinweis unterhalb der Fachanwaltsschwelle" oder ähnlich genannt. Gerne wird auch "Junior-Fachanwalt" dazu gesagt, wahrscheinlich, weil das etwas nach Junior-Professur klingt. Als ob das ein Renommee wäre.

Jetzt hat das Soldan Institut herausgefunden, dass 80 % der Rechtsanwälte solch eine zertifizierte Qualifizierung ablehnen. Aber das zählt nicht. Relativierend erklärt man deshalb gleich dazu, dass in der Gruppe der Nicht-Fachanwälte nur 46 % gegen die Einführung des zertifizierten Nicht-Fachanwalts seien. Das ist in etwa so, als wenn nur 46 % der Hausschweine gegen die Einführung des zertifizierten Vegetariers wären.

Wenn also sogar knapp die Hälfte der durch eine Regelung eigentlich Begünstigten noch gegen diese Regelung votieren, dann scheint mit der Regelung etwas nicht zu stimmen. Und so ist es auch. Die Regelung ist Unsinn. Wenn sie ein Anwaltsprekariat einführen wollen - soweit es das nicht sowieso bereits gibt - auf diese Weise schaffen sie es auf jeden Fall.


3 Kommentare:

  1. Herr Kollege nebgen, das dürfte Ihnen eigentlich nicht passieren:

    das Urteil ist doch vom BVerfG, ihr Link ist auch vollkommen richtig dorthin gesetzt, Sie reden aber vom BGH
    TSTSTS :-)

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  2. Der Kollege hat genug damit zu tun, gegen den BuPrä zu hetzen, da kann er sich nicht mit feinen Differenzierungen bei den Bundesgerichten aufhalten...

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  3. Auf meinem Briefkopf steht nur "Rechtsanwalt". Ich habe (bewußt) keinen Fachanwaltstitel, obgleich ich bescheiden sagen darf, daß ich in ein oder zwei Gebieten ganz gut bin. Ich nenne mich aber auch nicht "Spezialist" oder sonstwie. Die Leute, die mich aufsuchen, wissen, daß ich in jenen Gebieten gute Arbeit zu leisten vermag.

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