Dienstag, 14. Dezember 2010

Nein, nein, nein, Herr Tolmein

In der FAZ vom heutigen Tage äußert sich der Hamburger Kollege Oliver Tolmein hier über einen Aufsatz, den der ebenfalls Hamburger Kollege Johann Schwenn in der Dezember-Ausgabe der Fachzeitschrift "Der Strafverteidiger" veröffentlicht hat. Dort kritisiert Schwenn auch das Verhalten einiger Rechtsanwälte, die sich dem "Opferschutz" verschrieben haben. Das wiederum kritisiert Herr Tolmein, der seine Hamburger Kanzlei übrigens "Menschen und Rechte" genannt hat. Man kann das tun, aber man muss nicht.

Schwenn sieht einen "strukturellen Widerspruch" zwischen "Opferschutz" und Unschuldsvermutung. Dem kann man eigentlich kaum seriös widersprechen, der Kollege Tolmein tut es trotzdem und scheitert dramatisch.

Denn der Widerspruch zwischen "Opferschutz" und Unschuldsvermutung liegt schon sprachlich auf der Hand. Solange die Unschuldsvermutung gilt, kann es keinen Täter geben - und ohne Täter keine Tat, ohne Tat kein Opfer. So weh es dem Geschundenen tun mag: Vor Gericht ist er Zeuge, nicht mehr und nicht weniger. Ob er auch Opfer ist, muss die Hauptverhandlung entscheiden.

Eine Hauptverhandlung, die sich schon vorher auf die Terminologie "Opfer" festlegt, hat die Verurteilung eines Täters bereits fest im Visier. Da zur Verurteilung aber zumeist nur ein Angeklagter zur Wahl steht, ist die Konsequenz in den Augen vieler so genannter "Opferanwälte" klar: Der Angeklagte muss verurteilt werden, denn die Tat muss gesühnt werden. Selten sieht man so deutlich, wie bereits anhand der verwendeten Terminologie das eigentliche Ziel der Strafverfahrens - die Sachaufklärung - aus dem Blickfeld gerät und das Strafverfahren zur unreflektierten Jagd auf den wird, den man für einen Täter hält.

Diese Form der Voreingenommenheit kommt z. B. dann zum Ausdruck, wenn der Richter vom "Opfer" spricht, wo er noch gar keine Tat festgestellt hat. Diese Wortwahl begründet nicht nur die Besorgnis der Befangenheit, sie beweist die Befangenheit bereits. Eine richterliche Entgleisung, die unverständlicherweise kaum jemals geahndet wird.

Wenn ich die Kritik des Kollegen Tolmein lese - an einem, der die grundlegenden Prinzipien eines rechtsstaatlich legitimierten Strafverfahrens verteidigt, dann wird mir mulmig zumute. Und ich kann nur hoffen, dass es möglichst vielen ähnlich geht.

26 Kommentare:

  1. Ihre Argumente verfangen insoweit nicht, als eine Person durchaus ein Opfer sein kann, ohne dass es ein Opfer gerade des Beschuldigten oder Angeklagten sein muss.

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  2. Die Argumentation erinnert an ihren legendären " Keine Auktion bei Ebay" Beitrag.

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  3. 100% Zustimmung!

    Anzumerken ist, dass auch die Medien für ihre sprachlichen Entgleisungen zur Verantwortung gezogen werden müss(t)en. Und hoffentlich mit spürbaren, d.h. wirksamen Schadenersatzklagen auch tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden. Einzelne Medien spielen sich mit ihren sprachlichen Entgleisungen aus niederen Beweggründen als Vorab-Richter auf und betreiben gezielte Hetzjagd auf Menschen. Auflagenstarke Populärmedien unterwerfen sich bwusst, willentlich und zielgerichtet einer radikalen menschenverachtenden, d.h. Frauen wie Männer gleichermaßen entwürdigenden und entmündigenden, radikal-fanatischen Ideologie.

    Bleibt zu hoffen, dass Herr RA Johann Schwenn die gegen ihn und andere Experten betriebene Diffamierung nicht unbeantwortet hinnimmt.

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  4. Darf man fragen, ob Sie dann grundsätzlich gegen das Institut der Nebenklage sind?

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  5. Ich sehe das eher wie Anonym 2:32. In der Allgemeinheit kann man eben nicht sagen, dass vor Verurteilung nie von "Opfer" gesprochen werden kann.

    Es fällt mir schwer zu verstehen, warum bspw. eine vor Zeugen von vermummten Leuten zusammengeschlagene Person nicht als Opfer bezeichnet werden sollte, selbst wenn der vermummte Schläger nicht gefasst oder verurteilt wird. Oder Trickbetrogene sind für mich auch Opfer (eines Trickbetügers).

    Das Problem, ein "Opfer" "Opfer" zu nennen, kann sich mMn nur dann stellen, wenn es einen Zweifel an der Tat selbst gibt. Und das ist ja beileibe nicht immer der Fall.

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  6. *PopcornundBierbereitstell*

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  7. Angenommen, ich würde Ihnen den Schädel einschlagen:
    Sollte es mir, wie auch immer gelingen, mich der Strafjustiz zu entziehen, bin ich unschuldig. D.h. ich bin kein Täter und somit wurde Ihnen auch nicht der Schädel eingeschlagen.

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  8. @Kanzleiundrecht

    Anwtwort: Nein.

    Anmerkung:
    GRUNDSÄTZLICH muss man m.E. dagegen sein, dass(durchaus sinnvolle) G r u n d s ä t z e zu Regelfällen im Sinne von "stets und immer" bzw. fanatischen Ideologien entarten.

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  9. Dass ein Beitrag wie der von Tollmein in der FAZ erscheinen darf, ist m.E. keine Empfehlung für die sonst sprachlich und inhaltlich gemäßigte FAZ.

    Er schreibt, zutreffender unterstellt, dort eine angbliche Grundannahme des Herrn RA Schwenn: "Schon die Grundannahme von Schwenns Attacke ist nicht zutreffend: Opferschutz ist im deutschen Strafrecht keine der Unschuldsvermutung vergleichbare Maxime."
    Herr Schwenn behauptet eine solche "Grundannahme" nicht! Herr Schwenn gibt Lebenswirklichkeiten zutreffend wieder.

    Die Grundannahme einer radikalen HasspredigerInnen jedoch, dass eine in Mitteleurapa übliche Höflichkeits- und Anerkennungsgeste, wie z.B. die Überreichung eines Blumenstrauß an eine Frau, als "Attacke" gemeint sei, die ist falsch. Und Beweiss, das diese geistig und geschlechtlich verwirrte Frau nicht ernst genommen werden darf. Die Annahme wurde übrigens panisch verweigert und dem eher widerwillig in der Nähe befindlichen Mann "aufgewaltigt". Als Zeugen können hier Millionen ZDF-Zuschauer fungieren und zudem Videobeweise herangezogen werden.

    Schließlich sollte nicht vergessen werden: Strafrecht ist Individualrecht und Grundsätze bleiben Grundsätze. Nur Menschen- und damit auch Frauenverachtende Ideologien wollen Allgemeinwahrheiten implementieren.

    Um die im vorliegenden Fall massiven Fehlentwicklungen zweifelsfei zu erkennen, bedarf es noch nicht einmal einer juristischen Vor- bzw. Verbildung.

    Die (möglicherweise berechtigte) Empörung und der Bestrafungseifer der Allgemeinheit ist m.E. Beweis, dass eine Frau, die das Wort "Vergewaltigung" ausspricht, durchaus (selbstverständlich richtigerweise) Schutz genießt und ganz selbstverständlich ernst genommen wird.
    Aufgabe der Justiz und Berechtigung für das staatliche Gewaltmonopol ist es, Kurzschlusshandlungen wie etwas Lynchjustiz zu verhindern und seriöse Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Und im Falle der Schuld, möglicherweise auch hart, zu strafen.
    Bereits im Interesse tatsächlicher Vergewaltigungsopfer ist m.E. aber auch Verleumdung und Herbeiführung falscher Verdächtigungen zu strafen.
    Vorsätzliche Emotionalisierung eines Strafverfahrens durch Staatsanwälte stehen in krassem Widerspruch zu Aufgabe und Amt, sind m.E. möglicherweise gar selbst kriminell. Und der Rechtspflege und Opferschutz extrem schädlich.

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  10. @Anonym 02:32

    Sie stellen einen ganz allgemein denkbaren Fall in einen künstlich hergestellten Gegensatz zur auf einen konkreten Fall bezogenen Aussage. Was soll das? Sie "widerlegen" etwas, was niemand behauptet hat.

    @Anonym 03:33

    Auch Ihre Ausführungen sind g r u n d s ä t z l i c h richtig.

    Grundsätzlich im Sinne von stets und immer muss man aber gegen Kontextentrfemdung von Aussagen sein. Weil solche sinnenststellend und damit i.d.R. wahrheitswidrig sind.

    Und grundsätzlich sollten juristische Termini nicht allgemeinsprachlich verwendet bzw. verstanden werden. Was oft mit eindeutiger Zielsetzung gemacht wird. Die Hauptanklägerin, die oft "Zeugin" genannt wird, ist hier das "Opfer".

    In der speziellen Fallkonstellation sollte m.E. auch das Opfer Gesicht zeigen (müssen) und sich nicht hinter "Persönlichkeitsrechten" verstecken (dürfen).

    Abschließend könnten zum Problemkreis "Institut der Nebenklage" auch Gedanken zum "Institut Zeugenschutzprogramm" einen Beitrag leisten.

    Ideologien aber, die grundsätzlich jede (geschlechtliche) Penetration eines Mannes bei einer Frau als 'Vergewaltigung' definieren wollen dürften zu massiven gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Problemen führen -bzw. haben bereits dazu geführt. Zudem "vergewaltigen" solche Ideologien den erklärten Willen von Millionen nicht frust- und hasserfüllter, glücklicher Frauen

    @Axel John

    Sie schreiben den gleichen Unfug wie ein Oliver Tolmein in der FAZ. Letzterer will sich als Trittbrettfahrer der öffentlichen Aufmerksamkeit des Herrn Schwenn auf dessen Kosten profilieren.

    Warum schreiben sie solchen Unsinn?

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  11. Zwecks Vermeidung von Missverständnissen:

    Obige Ausführungen betreffen den PROZESS als solchen und machen bislang keine Aussage zur Schuld oder Unschuld eines gewissen Herrn Kachlemann.

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  12. @Anonym 6:00

    1. 'Anynom' bitte, so viel Zeit muss sein. Ich benutze immerhin ein Pseudonym.

    2. H i e r geht es aber nicht (nur) um den Vergewaltigungsprozess. Der Blogeintrag bezieht sich zwar auf den Artikel von Tolmein und benutzt diesen als Aufhänger, verwehrt sich aber ganz Allgemein gegen die Verwendung des Begriffs "Opfer", wenn noch kein Urteil gesprochen ist. Ich kann in dem Blogeintrag keine Einschränkung auf diesen speziellen oder einen allgemeinen Vergewaltigungsprozess erkennen. Und deshalb halte ich die Aussage, man könne nicht von "Opfer" sprechen, bevor der Täter verurteilt ist, für falsch. Das habe ich kritisiert und meine Auffassung dargelegt, wann ich es für angemessen halten würde, nicht von "Opfer" zu reden.

    Wenn der Eintrag ausschließlich auf den K-Prozess gemünzt sein sollte, würde ich das gerne klar aus dem Eintrag erkennen können. Kann ich aber nicht.

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  13. Auch bei einer zweifelsfrei begangenen Tat - o.g. Beispiel der Körperverletzung durch Vermummte - sollte der Begriff des Opfers in dem Strafverfahren nicht so ohne weiteres auftauchen. Vor Gericht wird ja eine spezifiscche Tat des Angeklagten verhandelt.

    Dass der geschädigte Zeuge - schon erheblich neutraler - Opfer einer Straftat geworden ist, macht ihn halt eben nicht zum Opfer der Angeklagten Straftat. Und nur für diese würde der Begriff des Opfers zulässig sein.

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  14. „Alle Sachbearbeiter von Sexualdelikten sind sich einig, dass deutlich mehr als die Hälfte der angezeigten Sexualstraftaten vorgetäuscht werden.
    www.polizei.bayern.de/.../vergewaltigung_und_sexuelle_n_tigung_in_bayern_bpfi.pdf

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  15. Ich finde es schon spannend, wozu die Unschuldsvermutung in letzter Zeit so herhalten muss. Dass nun Opfer keine Opfer mehr sein sollen, solange kein Täter verurteilt ist, ist allerdings die steilste These, die mir bislang untergekommen ist.

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  16. @SMG

    Können Sie auch noch aufzeigen wo und von wem die von Ihnen erwähnte (irrsinnige!) "These" aufgestellt worden sein soll - außer von Ihnen selbst?

    Kann es sein, dass Sie sich hier über Ihre eigene Dummheit empören?

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  17. @Malte S.

    Ich kann zwar nachvollziehen, was Sie meinen, ich denke aber dass ein Opfer dies auch im Gerichtssaal bleibt. Oder andersherum: Nur weil ich den Geschädigten "Opfer" nenne, impliziere ich nicht, dass der Angeschuldigte der "Täter" ist.

    "Dass der geschädigte Zeuge - schon erheblich neutraler - Opfer einer Straftat geworden ist, macht ihn halt eben nicht zum Opfer der Angeklagten Straftat"

    Denn dieser Satz ist mMn schon in sich widersprüchlich. Wenn der geschädigte Opfer einer Straftat geworden ist und diese Straftat angeklagt wird,... ja dann ist das Opfer doch zwingend ein Opfer eben dieser Straftat. Nur ist der Angeschuldigte nicht unbedingt der Täter dieser Straftat. Aber wie ich schon gesagt habe: Man sollte sich den Begriff "Opfer" dann sparen, wenn es Zweifel an der Straftat gibt.

    @Anonym 15:33:

    Beim Antworten auf Kommentare empfiehlt es sich, vorher den entsprechenden Blogbeitrag zu lesen. Dann hätten Sie sich Ihre (dumme(?)) Frage gleich selbst beantworten können: Herr Nebgen behauptet das("Solange die Unschuldsvermutung gilt, kann es keinen Täter geben - und ohne Täter keine Tat, ohne Tat kein Opfer.)

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  18. @Anonym 01:25

    Sowohl der in Rede stehende Artikel von Herrn RA Johann Schwenn wie das von Tolmein t(r)olle Geschwätz behandeln Sexualdelikte mit i.d.R ausschließlich 2 Beteiligten. Eine (mögliche) Beteiligung Dritter ist in diesen Fallkonstellationen ausgeschlossen - inbesondere auch von den sog. Opfern selbst.

    Der Versuch, auch mit Zitaten, Aussagen des Blogbeitrages als unsinnig dazustellen oder ad absurdum führen zu wollen geht daher ebenso fehl, wie die Argumentation des Tolmein ins Leere zielt.

    Die zu Recht kritisierte Voreingenommenheit und Festigung durch den verwendeten Sprachgebrauch, insbesondere wenn dieser in der Presse unkritisch, oder bewusst zielgerichtet übernommen wird, ergibt aus dem reinen Geschehensablauf. Und der bei diesem Ablauf entstehenden Sprachregelung. Danach "gewinnt" immer derjenige, der zuerst zur Polizei rennt. Dieser ist dann "Geschädigter" (Geschädigtenvernehmung) bzw. "Opfer" und der andere "Beschuldigter" bzw. "Täter".

    Die Reihenfolge der polizeilichen Vernehmung / bzw. das Anschuldigungsverhalten jedoch kann kein Kriterium sein, solche Vorfestlegungen zu rechtfertigen - und zu publizieren.

    (agressives) Anzeigeverhalten kann u.U. auch reinen Verleumdungscharakter haben, frustrationsbedingt sein oder der Erpressung dienen. Es ist der Lebenserfahrung entsprechend nicht zwingend ein Indiz für ein tatsächlich begangenes Verbrechen.

    Im Übrigen, die Fähigkeit zu lesen wird durch "Textverständnis" sinnvoll ergänzt.

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  19. Anonym 3:14

    Da geht mMn gar nichts fehl. Das die Herren Schwenn und Tolmein über den Vergewaltigungsprozess schreiben, mag ja gerne so sein. Und auch Ihren Ausführungen kann ich zustimmen (ausgenommen den Absätzen eins und zwei). Beschweren Sie sich aber doch bitte bei Herr Nebgen, dass der seinen Eintrag so allgemein schreibt, dass man ihn so verstehen muss, wie ich es getan habe. Denn wenn der Eintrag nur auf die Vergewaltigungsprozesse zielt, weshalb wird dann der Fall, in dem eine Tat nicht feststeht nur als ein Beispiel (wohl unter vielen) genommen ("Diese Form der Voreingenommenheit kommt z. B. dann zum Ausdruck, wenn der Richter vom "Opfer" spricht, wo er noch gar keine Tat festgestellt hat.")?

    Damit wird impliziert, dass es theoretisch immer so sei, dass das Opfer kein Opfer ist, während ich der Auffassung bin, dass "diese Form der Voreingenommenheit" nur dann zum Ausdruck kommen kann, wenn die Tat nicht feststeht. Entweder scheint präzises Formulieren nicht die Sache von Herr Nebgen zu sein (glaube ich nicht), oder Herr Nebgen verallgemeinert hier fälschlicherweise (glaube ich schon).

    Im Übrigen, man muss die Fähigkeiten "Lesen" und "Textverständnis" dann noch anwenden ;)

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  20. @Anonym 03:44

    "Und auch Ihren Ausführungen kann ich zustimmen..."

    Wenn mich (m) ein "Textverständnis" nicht täuscht, meine ich Sie also so zu verstehen, dass in der Kernproblematik Übereinstimmung festgestellt werden kann.

    Der Rest, insbesondere das mit den "Implikationen" ist halt so eine Sache .... Nicht wahr?

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  21. @Anonym 1:25:
    Dann muss z.B. ich aber auch in jedem Verfahren als Opfer bezeichnet werden, da ich mind. einmal Tatsubjekt einer gef. Körperverletzung war. Das hat zwar nichts mit den Verfahren zu tun, aber Opfer bin ich wohl.

    Ebenso verhält es sich mit dem Opfer der angeklagten Tat. Es wird schließlich der Verbund "Tat und Täter" angeklagt. Dies kann damit begründet werden, dass zu der Tat zwingend der subjektive Tatbestand gehört. Dieser ist aber personengebunden. Gilt die Unschuldsvermutung und erfolgt keine rechtskräftige Verurteilung, so muss dieser Teil jedenfalls als nicht geschehen / vorhanden gelten. Damit aber fehlt ein Teil der Tat.

    Eine künstliche Trennung nach Opfer aus objektiver (vor der Verurteilung) und Opfer aus gesamtrechtlicher Sicht (nach rechtskräftiger Verurteilung) ist nicht möglich.

    Es spricht auch ein weiteres Argument dagegen. Der Richter darf erst nach dem Ende der Beweisaufnahme entscheiden - mit der Bezeichnung als Opfer (auch im objektiven Sinne, s.o.) gibt er jedoch eine vorweggenommene Entscheidung zu erkennen.

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  22. @ Anonym 2010 06:00
    Warum schreiben sie solchen Unsinn?

    Natürlich ist es Unsinn. Mein Beispiel folgt exakt der Logik:
    Solange die Unschuldsvermutung gilt, kann es keinen Täter geben - und ohne Täter keine Tat, ohne Tat kein Opfer.

    Wenn dem Nicht-Opfer der Schädel eingeschlagen wurde, es aber weder Täter, noch Tat noch Opfer gibt, kann es sich eigentlich nur um eine Halluzination handeln. (Oder einen Riss in der Matrix).

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  23. @ Malte S.

    Meinen Sie vielleicht einfach Unschuldig IM SINNE DER ANKLAGE, und nicht Opfer IM SINNE DER ANKLAGE?

    @Axel John

    auf den Kontext bezogen scheint mir die Formulierung im Blogbeitrag nicht nachlässig. Wenn man sie m.E. unsinnig verstehen WILL, kann man sie so (m.E. jedoch vorsätzlich falsch) verstehen.

    Sie schreiben zudem "....kann es sich eigentlich nur um eine Halluzination handeln. (Oder einen Riss in der Matrix)."

    Ich möchte anfügen: Oder um Vorbereitung einer Straftat, Verleumdung, Erspressung, Audruck von ADS, oder vorsätzliche Herbeiführung einer falschen Verdächtigung mit dem Ziel der Existenzvernichtung .....usw.

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  24. @Malte S:

    Ihr erster Absatz gibt ja nicht das wieder, was ich behauptet habe. Denn das objektive Opfer einer Straftat ist doch eben das Opfer dieser Straftat. Und die Straftat hat sehr wohl etwas mit dem Verfahren zu tun, in dem diese Straftat angeklagt wird. Wohingegen in Ihrem Beispiel jemand, der in einem ersten Zusammenhang Opfer war, selbstverständlich nicht Opfer in einem Verfahren genannt werden sollte, der in einem zweiten Zusammenhang steht. Irgendwie logisch, finde auch ich.

    Ein mMn sehr klares Beispiel für einen recht eindeutigen Sachverhalt: Ein auf offener Straße ermordeter Generalstaatsanwalt kann doch nicht plötzlich nicht zum Mordopfer werden, nur weil der Mörder nicht bekannt ist. Das ist doch noch nicht einmal Juristenlogik. Denn dass es hier einen Mörder geben muss, ist doch klar. Insofern ist die Tat selbstverständlich auch personengebunden. Aber eben nicht notwendigerweise an die Person des Angeklagten, sondern an die des Mörders.

    Deshalb ist es, ich wiederhole das gerne noch einmal, bei einem klaren und eindeutigen Sachverhalt keine Vorverurteilung von einem Opfer zu sprechen.

    Wenn der Richter den Begriff "Opfer" benutzt ist das einzige, was er zu erkennen gibt, das er am Tatbestand selbst keinen Zweifel hat. Das kann durchaus ein Grund sein, Befangenheit anzunehmen (wenn der Sachverhalt eben nicht klar ist). Es ist aber nicht grundsätzlich ein zwingender Grund es zu tun. Das der Richter den Tatbestand aber als gegeben ansieht sagt überhaupt nichts darüber aus, ob der Richter den Angeklagten für schuldig hält.

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  25. @Anynom 8:32:

    Ich muss meinen letzten Satz dahin ergänzen, dass der Tatbestand den Angeklagten nicht als Täter implizieren darf (wie bspw. in einer (möglichen) Vergewaltigungsanzeige).

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  26. Darf ich hier mal eine Frage stellen, die man als "Umkehrschluss" sehen könnte?
    (insbesondere an diejenigen adressiert, die Strafrecht ihrer Kernkompetenz zuordnen)

    Im Falle eines Freispruchs wird doch -ebenfalls- deutlich, dass die Anzeigenerstatterin die Justiz manipuliert und instrumentalisiert hat.

    Der Strafrechtler Steffen Ufer schreibt hier
    http://www.focus.de/panorama/welt/justiz-dann-sage-ich-du-hast-mich-vergewaltigt_aid_516630.html

    im letzten Absatz
    "Theoretisch müsste sie in einer solchen Konstellation mit mehreren Jahren Gefängnis rechnen, unter anderem wegen Freiheitsberaubung und falscher Anschuldigung. In der Praxis wird die Staatsanwaltschaft ihre Belastungszeugin allerdings bis zum letzten Blutstropfen verteidigen – schon um selbst das Gesicht zu wahren."

    Welche Straftatbestände sind in einem solchen Falle erfüllt? Und gibt es Urteile diesbezüglich? Oder ist es wirklich so, wie S. Ufer schreibt und solche Fälle für die Anzeigenerstatterin praktisch konseqenzenlos bleibt?

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