Mittwoch, 15. September 2010

Vor den Türen des Gerichts

In der Skinnerbox geht es hier um das schöne Amtsgericht Tiergarten und dessen Verhältnis zu Anwaltsausweisen. Zum Amtsgericht Tiergarten später mehr.

Wundern muss man sich zunächst einmal über die Einlass-Schranken an deutschen Gerichten an sich. Richter und Staatsanwälte dürfen z. B. in Hamburg durch eine Extratür eintreten, die ihnen spätestens gegen Vorlage ihres Dienstausweises geöffnet wird. Eine Schleuse gibt es an diesem Eingang nicht.

Rechtsanwälte müssen sich mit dem gemeinen Volk an einem Justizbeamten im Glaskasten vorbei durch eine Schleuse quälen. Gegen Vorlage eines Anwaltsausweises bleibt ihnen die Durchleuchtung ihrer Taschen erspart. Falls gerade eine vollständig erschienene Sinti-Familie vor einem steht, kann sich die Prozedur hinziehen.

Bedenkt man, dass Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte gleichberechtigte "Organe der Rechtspflege" sind, kann einen diese unterschiedliche Behandlung nur wundern. Beschwert hat sich offenbar noch nie jemand ernsthaft dagegen.

Am AG Tiergarten ist es in der Tat noch deutlich schlimmer. Als ich nach einer halben Stunde des Wartens endlich am Wachposten war, wollte der trotz Anwaltsausweises auch noch meine Tasche durchwühlen. Das habe ich ihm untersagt. Er verwies mich dann auf eine angebliche Anordnung des Gerichtspräsidenten, mit der das angewiesen worden sei.

Ich habe den Wachposten dann beim zuständigen Richter anrufen lassen, der den Einlass - ohne Taschenkontrolle - telefonisch genehmigt hat. Der Richter lachte später über den Vorfall und meinte, eine entsprechende Anordnung des Gerichtspräsidenten sei ihm nicht bekannt. Er sei aber Sicherheitsbeauftragter des Gerichts und könne ausschließen, dass es sie gäbe.

Na dann.

11 Kommentare:

  1. Turmstraße oder Kirchstraße?

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  2. Und Sie zeigen jetzt diesen Mann wegen Falschaussage im Dienst nicht an?

    Oder kann man die Polizei bzw. diesen Polizisten wegen diesem Vorfall nicht belangen?

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  3. Ähm.
    Also hier in Hamburg-Mitte ist es doch völlig üblich, als Anwalt an der Schlange der Wartenden vorbeizuschlendern, mit dem Ausweis zu winken und das Drehkreuz zur Schleuse zu passieren. SIE sind also der Kollege, der sich brav anstellt und zu fast jedem Termin hoffnungslos zu spät kommt?

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  4. Hömma! Wir lassen doch hier nicht jeden x-beliebigen Anwalt von Auswärts in unser schönes Kriminalgericht.

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  5. @ Anonym: Stimmt grundsätzlich. Also bis auf das Zuspätkommen natürlich. Aber mit Schlendern schaffe ich das nicht, dazu ist der Durchgang doch zu eng. Das geht nur mit Durchdrängeln. Und das ist doch auch unwürdig, oder?

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  6. Als demokratischer Anwalt und Orkan der Rechtspflege stehe ich gerne mit dem "gemeinen Volk" an.

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  7. @Heinz:

    "Orkan" der Rechtspflege - Krawallverteidiger? ;)

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  8. "Orkan der Rechtspflege" finde ich auch schön. So sollte ein Blog, ein Buch oder ein Film heißen! Würde bestimmt ein Renner werden... :-)

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  9. @Anonym, 00:13

    Nö, ich nicht. Aber es gibt einige Kollegen hier, die wir gerne so nennen, insbesondere, wenn sie mal wieder penetrant auf ihrer Organstellung herumreiten. Dann heißt es immer spöttisch: "Da kommt ja der Orkan der Rechtspflege"... :-)

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  10. Dass die Richter durch ihre "Extratür" kommen, wundert mich wenig - schließlich arbeiten sie im Gericht, ebenso wie die Geschäftsstellen, die Rechtspfleger und die Wachtmeister. Unsere Richter haben auch einen "Chip", um den Personaleingang betreten zu können - da muss der Dienstausweis nicht gezeigt werden ;)

    Rechtsanwälte (insbesondere die "üblichen Verdächtigen") werden hier auch durchgewunken und können am wartenden Publikum vorbeigehen (bei zu viel Publikum, das auch noch gerade durchleuchtet wird, kommt die Anwaltschaft auch nicht selten durch den Personaleingang) ;-)

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