Das parkende Fahrzeug des Mandanten hat einen rechten Schaden erlitten, weil es von dem bei der Gegenseite versicherten Fahrzeug gerammt wurde. Der Unfallhergang ist strittig, aber es gibt eindeutige Abriebspuren, die sich dem gegnerischen Fahrzeug eindeutig zuordnen lassen.
Die Richterin führt in den Streitstand ein, würdigt die Beweislage und guckt mich traurig an. Da begreife ich den Ernst der Lage und frage nach, ob ihre Worte etwa bedeuten sollen, dass mein Mandant die Klage verlieren könnte. Die Richterin nickt.
Das lässt mich aufgrund der aus meiner Sicht eindeutigen Beweislage einen Moment sprachlos, dann bringe ich einige Worte zur Darlegungs- und Beweislast heraus, die ich glücklicherweise mit einem höchstrichterlichen Urteil belegen kann. Sowas hilft bei jungen Richtern ja häufig.
Die Richterin hört sich meine Worte an. Auf meine Frage, ob meine Rechtsausführungen sie möglicherweise hätten umstimmen können, sagt die Richterin:
"So genau weiß ich das noch nicht. Da muss ich erst einmal jemanden fragen, der sich damit auskennt."
Derjenige, der sich damit auskennen soll, ist ihr Dezernatskollege, der viel mit Verkehrsrecht mache, der sei aber noch einige Wochen im Urlaub. Deswegen beraumt sie einen langfristigen Entscheidungstermin an, zu dem ein uns vollumfänglich Recht gebendes Urteil ergeht.
Da hatte die Richterin offenbar doch noch jemanden gefunden, der sich damit auskannte.
Glückwunsch! Da hat die Richterin doch super reagiert:
AntwortenLöschenEigene Lücke erkannt, souverän das Ziviilprozessrecht zur Überbrückung bis zur Erkenntnismöglichkeit genutzt und dann das richtige Urteil gefällt. Dabei auch noch offen und selbstbewusst agiert.
@ Anonym: Da sagen Sie was! Deswegen ist der Beitrag auch nur ansatzweise als Kritik (allenfalls an den mangelnden Rechtskenntnissen) gedacht, sondern in erster Linie ein Appell daran, die eigene Meinung offensiv darzulegen. Und Richter,die ihre Meinung ändern, sind mir die liebsten!
AntwortenLöschenKomisch. Ich dachte Richter, die ihre Meinung ändern seien ein Skandal.
AntwortenLöschenMeint zumindest der Professor von Watchthecourt.org (zum Urteil des OLG München; Deeplink abstruserweise nicht möglich).
Ich schätze junge Richter sehr. Die meisten geben sich noch Mühe und prüfen einen Fall schulmäßig durch. Das "praktische" Denken vom Ende des Falles her (früher erster Termin, Nötigung der Parteien zum Vergleich), fehlt ihnen meistens noch. Außerdem sind sie flexibel und scheuen sich nicht, ihren Standpunkt noch einmal zu revidieren. Älteren Richtern scheint das mitunter körperliche Schmerzen zu bereiten.
AntwortenLöschenAllein die Darlegungs- und Beweislastverteilung scheint vielen Proberichtern noch Schwierigkeiten zu bereiten. Ist aber auch schwer. Insbesondere die "sekundäre Darlegungslast", die den Beklagten überraschend zwingen soll, sich zu dem unsubstantiierten Geschwätz des Klägers zu äußern, scheint in frühen Jahren noch unbekannt zu sein.