Der vom Gericht beauftragte Sachverständige meinte, dass könnte alles so nicht gewesen sein, worauf der Mandant auf anwaltlichen Rat seine Klage zurückgenommen und auf den geltend gemachten Anspruch sogar verzichtet hat.
Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Betruges. Dagegen fällt mir allerlei ein, z. B. dass die Klagerücknahme wohl ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch ist, § 24 Abs. 1 StGB. Diese Vorschrift wird von der Staatsanwaltschaft eigentlich nie angewendet; viele Staatsanwälte, die man darauf anspricht, kennen diese Vorschrift nicht einmal (mehr). Offenbar haben sie diese Norm im Verfolgungsrausch erfolgreich verdrängt, denn im Studium ist es eine der zentralen Normen, auf die man acht geben sollte.
Also bekommt die Staatsanwaltschaft von mir eine fünfseitige Stellungnahme im Vorverfahren, mit der ich die rechtlichen Voraussetzungen des Rücktritts ausführlich darlege, den Sachverhalt darunter subsumiere und das Ganze mit Rechtsprechung unterlege.
Drei Wochen später wird dem Mandanten die Anklageschrift zugestellt, von der Problematik darin kein Wort. Das verwundert nur mäßig, denn der Staatsanwalt bestätigt auf Nachfrage, dass er die Stellungnahme der Verteidigung nicht gelesen habe. Davon war ich ausgegangen, aber die Offenheit verwundert dann doch. Gerade als neutrale Ermittlungsbehörde sollte man sich von den Rechtsansichten anderer um gar keinen Preis beirren lassen, deshalb ignoriert man sie am besten ganz. Das war jetzt übrigens Sarkasmus.
Was nutzt einem ein Anspruch auf rechtliches Gehör eigentlich, wenn dann doch keiner hinhört? Wenn es im Gesetz steht, aber in der Wirklichkeit keinen interessiert?
Einziger Vorteil: Jetzt liegt die Sache bei Gericht, und wenn da irgendwann mal jemand auf die Idee kommen sollte, das Gesetz anzuwenden, dann gibt es immerhin Geld. Irgendwann.
kurze nachfrage ausa interesse:
AntwortenLöschenkann man durch das für den mandanten negative gutachten nicht einen fehlgeschlagenen versuch annehmen, so dass ein rücktritt nicht in frage kommt?
@ Manuel: Da erkennt man den Kenner der Materie. ;-) Man könnte wohl einen fehlgeschlagenen Versuch diskutieren, wenn ich auch meine, nicht bejahen. Getan hat dies auf Seiten der Justiz allerdings noch niemand.
AntwortenLöschenich bin keine Strafrechtler, aber was ist mit § 265 StGB?
AntwortenLöschenStAdvocatus diaboli:
AntwortenLöschenUnd was, wenn kein Versuch, sondern Vollendung vorliegt?
Der getäuschte Richter hat die Klage zugestellt und somit den Beklagten dazu bewegt über sein Vermögen zu verfügen, sprich einen Anwalt zu beauftragen, was dieser auch tat, weshalb es zu einem Vermögensschaden in Form von Rechtsanwaltsvergütungen kam, was Ihr Mandant auch beabsichtigte.
Ist zwar falsch, sollte man aber darauf vorbereitet sein
Wie man hier argumentieren kann, dass der Versuch nicht (!) fehlgeschlagen und der Rücktritt deshalb ausgeschlossen war, würde Ihre geneigten Leser aber schon interessieren - da der Mandant die Klage gerade deshalb auf Anraten seines eigenen Anwalts zurückgezogen hat, weil sie keine Aussicht auf Erfolg mehr versprach, spricht doch prima facie ganz außergewöhnlich viel für das Gegenteil.
AntwortenLöschenDa möchte ich mich meinen Vorrednern anschließen, der Versuch war IMHO fehlgeschlagen.
AntwortenLöschenIm Übrigen finde ich es auch nicht so verwunderlich, dass der StA Ihre Ausführungen nicht gelesen hat. Hier geht's um Betrug, d.h. der StA hat ein allgemeines Dezernat und ist vermutlich komplett überlastet und dann hält es ein Verteidiger für notwendig bei einem solchen ziemlich eindeutigen Fall 5 Seiten rechtliche Ausführungen abzuwerfen. 1-2 kann man ja mal eben überfliegen, aber so eine Masse bei einem solchen Fall spricht doch eher für heiße Luft um den Mandanten zu beeindrucken und da spart man sich dann lieber seine Zeit.
Rücktritt vom fehlgeschlagenen Versuch. Grandios.
AntwortenLöschenIch seh' den Versuch noch nicht als fehlgeschlagen an. Zwar sagt der Gutachter, dass der Schaden so nicht geschehen sein kann, der Gutachter ist aber erstens kein Richter und zweitens kann ein Gutachter auch irren (auch wenn es vorliegend wohl unwahrscheinlich ist, die Möglichkeit besteht dennoch). Im Ergebnis ist nicht eindeutig, wie der Richter letztendlich entschieden hätte. Denn ein Richter ist unabhängig (worauf die Richter selbst doch sehr Wert legen), in keinem Fall an ein Gutachten gebunden und kann theorethisch entscheiden wie er will. Auch mit den schlechtesten Chancen kann man deshalb immer noch gewinnen (aber Wahrscheinlichkeit mag einige Juristen hier überfordern). Deshalb ist der Versuch noch nicht fehlgeschlagen, sondern der Mandant ist derjenige, der "freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt" (Stgb §24 I). Wenn auch nur kurz vor knapp. Fehlgeschlagen wäre der Versuch nur, wenn der Richter schon negativ entschieden hätte.
AntwortenLöschenIm Übrigen ist ein Staatsanwalt, der ein Schreiben der Verteidigung nicht liest nicht nur sehr dumm (er kann sich nicht auf die Verteidigungsstrategie einstellen, so er denn eine Verurteilung möchte), sondern verfehlt auch sein Amt, denn die Staatsanwaltschaft behauptet ja gerne sie wäre eine neutrale Behörde. Dieser Sta hier ist also denkbar ungeeignet für sein Amt.
Genau so und nicht anders.
AntwortenLöschenM.E. spricht hier jedenfalls nach der Sachverhaltsschilderung auch viel für einen fehlgeschlagenen Versuch, wobei es natürlich letztlich darauf ankommt, ob der Mandant selbst noch von einer Möglichkeit des Obsiegens ausging...
AntwortenLöschenDass der StA die rechtlichen Ausführungen nicht einmal überflogen hat, ist allerdings schon skandalös. Ich habe selbst gerade die Qual der Wahl, ob ich einen Vergleich widerrufe und im Fall der (wahrscheinlichen) Klageabweisung Strafanzeige wegen (Prozess-)Betrugs stelle, oder ob ich es lieber beim Vergleich belasse.
Gerade auf Grund der Tatsache, dass in allgemeinen Erwachsenendezernaten völlige Willkür herrscht, befürchte ich aber, dass die das Ganze einstellen würden oder was auch immer (weil: vier Seiten Strafanzeige ist zu kompliziert--elftausend Euro Schaden ist geringfügig--etc.).
@ 1:26
AntwortenLöschen1. Sie liegen falsch. Es kommt nicht darauf an, ob ein Sieg noch theoretisch möglich gewesen wäre, sondern ob der Angeschuldigte nach seiner Vorstellung von der Tat noch von der Möglichkeit des Obsiegens ausging.
2. Dem StA ist es eher Scheiß egal, wie das Ganze ausgeht. Hauptsache die Akte ist für immer weg (und zwar mit möglichst wenig Aufwand). Die Sitzungsvertretung macht sowieso ein Amtsanwalt oder Referendar.
@Anonym 17:55
AntwortenLöschen1. Die (mögliche) Vorstellung des Angeschuldigten hängt aber eben genau von den theoretischen Möglichkeiten ab: Nur mit der theoretischen Möglichkeit des "Obsiegens" kann er sich das Gewinnen noch vorstellen. Darüber hinaus weiß auch niemand besser über die Vorstellungen des Angeschuldigten Bescheid, als wer?...Richtig, als der Angeschuldigte und nicht der StA. Und am Ende kann man halt nicht ausschließen, dass der Angeschuldigte tatsächlich denkt, er hätte gewinnen können. In dubio pro reo => und der StA hat wieder Steuergelder verfeuert.
2. Wenn es denn so wäre, dass StAe die Akte nur loswerden wollen, dann hätte er ja den Verteidigerschrieb lesen und mit den darin genannten Argumenten einstellen können. Dann ist die Akte auch weg und alle glücklich.
@ 00:18
AntwortenLöschen1. Da man nie in den Kopf eines Menschen reinschauen kann, ist es im StrafR immer so, dass von den objektiven Tatsachen ein Rückschluss auf die subj. Tatsachen geschlossen werden muss. Die bloße Tatsache, dass eine Verurteilung rein prozessrechtlich theoretisch noch denkbar gewesen wäre, reicht für in dubio pro reo wohl kaum--dann gäbe es nämlich gar keine Verurteilungen mehr...
2. Es gibt einen Anzeigenerstatter und der ist nicht glücklich, wenn eingestellt wird (vgl. Beitrag 17:49). Je nachdem, wie er drauf ist, kommt eine DAB oder eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung. Wenn der Anzeigenerstatter etwas von seinem Handwerk versteht, dann kann das für den StA unangenehm und Arbeitsintensiv werden.
@00:57:
AntwortenLöschenZugegeben, es ist nicht eindeutig, dass kein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. Aus dem gerichtlichen Gutachten (wahrscheinlich ein Unfallanalytisches Gutachten, bei dem der Unfallhergang rekonstruiert wird) aber einfach zweifelsfrei zu schließen, dass A seinen angeblichen Betrugsversuch schon als fehlgeschlagen angesehen hätte, halte ich aber für ebenso falsch. Denn nur weil ein Gutachter meint, dass es "so" nicht gewesen sein könne, könnte es dennoch "so" oder zumindest so ähnlich passiert sein (aus eigener Erfahrung weiß ich über die unterschiedlichen Qualitäten von Gutachten Bescheid). Ausgehend von der Annahme, dass der Angeschuldigte (A) tatsächlich ein Autobumser ist, müsste er nun glaubhaft erklären können, dass er beim Rücktritt immer noch an das mögliche Gelingen seiner Aktion geglaubt hatte, es aber dann doch gelassen hat. Ich sehe ausreichend Luft, um aus der Sache noch rauszukommen.
@ StAdvocatus diaboli:
AntwortenLöschenEs fehlt bei ihrer Argumentation an der Stoffgleichheit. Die Anwaltsgebühren mögen Schaden der Beklagten sein, korrespondieren aber nicht mit einem Vorteil auf Klägerseite.