Freitag, 29. Oktober 2010

So hat er es doch gar nicht gemeint

Im Spiegel schreibt der geschätzte Kollege von Schirach hier über zwei aktuelle Verfahren, und er schreibt gut.

Er verknüpft in seinem Beitrag den fast gänzlich im Verborgenen laufenden Prozess gegen Verena Becker, der 33 Jahre zu spät vorgeworfen wird, anno 1977 den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen zu haben. Um diesen Prozess, an dessen Rändern sich offenbar ein sehr ungewöhnliches und wohl recht unwürdiges Scharmützel zwischen Nebenkläger und Staatsanwaltschaft abspielt, kümmern sich meiner Ansicht nach viel zu wenig Menschen. Auch Ferdinand von Schierach reißt ihn nur an, aber immerhin.

Dafür gibt er eine sehr ausgewogene Einschätzung des Verfahrens gegen Jörg Kachelmann ab, die sich zu lesen lohnt. Man fragt sich allerdings danach, woher der Kollege von Schirach sein profundes Aktenwissen hat, insbesondere über den Inhalt der diversen schriftlichen Gutachten. Aber er scheint es zu haben.

Und dass er von einer Situation "Aussage gegen Aussage" spricht, ist dem Sprachgebrauch geschuldet, auch wenn die "Aussage" des Angeklagten natürlich eigentlich gar keine Aussage ist, wie der Kollege Stadler hier anmerkt. Aber als Laie entlarvt er sich dadurch sicherlich nicht. Es geht ihm um die Wahrheit, und über die sagt er einen sehr schönen Satz: "Die Wahrheit des Verfahrens ist nur eine Theorie über die Wirklichkeit".

Und das hat er schön gesagt.

2 Kommentare:

  1. Ist es nicht der Kollege Ralf Möbius (statt Stadler), der das schreibt?

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  2. Aussage gegen Aussage ist richtig. Die Aussage eines Zeugen ist kein Beweis, sondern der Inhalt der Aussage des Zeugen ist lediglich Beweismittel zur Erlangung der Wahrheit. Das sind aber die Ausführungen des Angeklagten auch.

    Der Satz die Aussage des Zeugen gilt solange sie nicht widerlegt ist, gilt nach der Nullthesentheorie (oder so ähnlich, jedenfalls BGH) nicht. Das Gericht muss aufgrund der Umstände und der Indizien von der Wahrheit der Aussage des Zeugen überzeugt sein und von der Unwahrheit der Aussage des Angeklagten. Insoweit stimmt Indizienprozess.

    8. November 2010 00:51

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