Montag, 4. Juni 2012

Neun Jahre krank

Gehen wir mal davon aus, es stimme, was heute die BILD berichtet. Danach soll es in Halle einen Richter am Landgericht geben, der seit neun Jahren krank geschrieben sei. Er leide unter anderem an "Entscheidungsschwäche". Nicht entscheidungsschwach genug allerdings, um nicht gegen einen Verweis im Disziplinarverfahren noch Rechtsmittel einzulegen, wenn es stimmt, was berichtet wird.

Ich kann mir das vorstellen. Ich leide auch manchmal an Entscheidungsschwäche. Vielleicht bin ich aus diesem Grund ja Rechtsanwalt geworden. Da nimmt mir der Mandant nämlich die Entscheidung ab, auf welcher Seite ich zu stehen habe. Allerdings kann ich es mir auch nicht leisten, auch nur neun Wochen krank zu sein, dann wäre ich nämlich wahrscheinlich der Insolvenz nahe.

Das kann einem Richter nicht passieren. Der bekommt seine Bezüge unabhängig davon, ob oder wie viel er arbeitet. Das kann man durchaus vertreten, wenn es auch manchmal schwer zu verstehen ist. Ein solches Sicherheitsnetz für selbständige Rechtsanwälte wäre allerdings undenkbar, obwohl sich beide vor Gericht gleichberechtigt gegenüber stehen sollen. Aber sei es drum.

Man bekommt hier ja durchaus schon mal den Vorwurf zu lesen, "Richter-Bashing" zu betreiben, aber das soll auch dieser Beitrag natürlich ganz und gar nicht sein.

Aber es muss die Frage erlaubt sein, warum sich die Justiz - wenn es im konkreten Fall denn stimmt, was die BILD schreibt - warum sich also die Justiz derlei Fehlbesetzungen leisten kann. In Unternehmen von vergleichbarer Größer werden jährlich Millionen dafür ausgegeben, die richtige Personalauswahl zu treffen. Da werden Einstellungstests entwickelt und ständig verfeinert, die Können und Persönlichkeit des Bewerbers durchleuchten sollen; ein ganzer Personalzweig beschäftigt sich mit nichts anderem als der Frage, wie man den geeigneten Bewerber findet und ständig fortbildet.

In der Justiz hingegen scheint man nicht einmal in der Lage zu sein, die Alkoholiker unter den Bewerbern zu identifizieren, ganz zu schweigen von denjenigen mit etwas subtileren krankhaften Störungen. In Hamburg z. B. gibt es statt einer Eignungsprüfung neben einem Gespräch mit einer Runde Justizmitarbeitern, von denen meines Wissens kein einziger eine psychologische Ausbildung hat, nur ein einziges Einstellungskriterium: die Note des Zweiten Staatsexamens.

Und was die Note besagt, wurde ja auch schon bereits mehrfach thematisiert.

9 Kommentare:

  1. In Düsseldorf gab es einen höheren Verwaltungsbeamten, Diagnose Burnout. Seine Krankheit dauert exakt bis zu dem Tag, an dem seine Pensionsansprüche komplett erfüllt waren. Anschliessend gab er im Lokalfernsehen Interviews und liess sich über seinen gelungenen Ruhestand aus. Na ja. Ich habe das selbstverständlich nicht neidisch oder garstig gemeint.

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    1. Diesen Beamten gibt es überall, glaube ich. The Universal Civil Servant sozusagen.

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  2. Sie kennen also Kriterien, mit denen man prognostizieren kann, ob jemand mehr als 20 Jahre später (!) psychisch krank wird? Mit einer solchen Sicherheit, dass man darauf die Ablehnung eines im Übrigen geeigneten Kandidaten stützen kann und sollte?

    Oh Mann - ich weiß ja wirklich nicht, für welchen Beruf man Sie für geeignet halten soll ... irgendeiner mit Personalverantwortung jedenfalls nicht.

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  3. Bei dem Thema fällt mir immer der hier ein:

    http://strafprozess.blogspot.de/2005/12/der-schuldunfhige-haftrichter-stv-2003.html

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  4. Ich meine, auch schon den einen oder anderen Anwalt gesehen zu haben, der einen Eindruck von Schuldunfähigkeit vermittelt.

    Das sind die Anwälte, deren Mandanten dann am Ende in der "pole position" stehen.

    Wenn man versteht, was ich meine.

    Vielleicht sollte man die Anwälte eher aus dem Verkehr ziehen als einen dienstunfähigen Richter, der eh keine falschen Entscheidungen mehr treffen kann.

    Für erschlichene und erlogene PKH wird in Deutschland definitiv mehr Geld ausgegeben als für arbeitsunfähige Richter.

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  5. "Gehen wir mal davon aus, es stimme, was heute die BILD berichtet."

    Gewagte Annahme.

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  6. Ich weiß nicht, wie im kleinen Stadtstaat Hamburg Richter ausgewählt werden. An vielen größeren Justizstandorten wie dem Oberlandesgericht Hamm (in dessen Zuständigkeit 10 Landgerichte fallen) wird jedenfalls schon seit Jahren das Instrument des Assessment-Centers zur Richterauswahl genutzt. Aber selbst damit wird sich nicht vermeiden lassen, dass gelegentlich ungeeignete Bewerber durch die Maschen schlüpfen. Der Gesundheitszustand der Bewerber wird aber wohl nirgends durch Hellseher geprüft, sondern durch Amtsärzte, die selbstverständlich nicht zehn oder zwanzig oder mehr Jahre in die Zukunft schauen können.

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