Donnerstag, 7. Juni 2012
Gebraucht oder missbraucht
Als Strafverteidiger hat man es ja berufsbedingt ab und an mit Missbrauch zu tun. Man kann Menschen missbrauchen oder auch Dinge, Drogen zum Beispiel.
Leider wird dabei häufig übersehen, dass das Wort "Missbrauch" kein neutrales Wort ist, sondern bereits eine Wertung enthält. Missbrauch ist illegaler Gebrauch. Der Gebrauch von Drogen ist daher in der Regel ein Missbrauch, da er grundsätzlich verboten ist. Wo es einen legalen Gebrauch per definitionem nicht geben kann - z. B. bei Menschen - ist jeder Gebrauch Missbrauch. Juristen und Sprache - das ist immer ein heikles Thema.
Aber es wird noch heikler: Angeblich soll man nicht nur Menschen und Dinge, sondern auch das Recht missbrauchen können. Einige Beiträge dazu finden sich hier (Kollege Stadler) oder hier (heng advocatus). Die große Masse der einschlägigen Beiträge handelt von Abmahnungen. Im Wettbewerbsrecht gibt es nämlich sogar eine Norm, die Rechtsmissbrauch behandelt, § 8 Abs. 4 UWG. Nach dieser Regelung handelt man rechtsmissbräuchlich, wenn man bestimmte Ansprüche geltend macht.
Mich wundert mal wieder, warum das so wenige Menschen wundert.
Denn sprachlich ist das purer Unsinn, der sich rechtlich leider auch entsprechend niederschlägt. Einen Anspruch hat man, oder man hat ihn nicht. Wenn man ihn nicht gebrauchen darf, hat man ihn nicht. Alles darüber hinaus ist albernes Wortgeklingel und dient im Zweifel dazu, die eigentliche Rechtslage zu verschleiern. Ich kann einen subjektiven Anspruch nicht missbrauchen. Punkt, Ende, Aus. § 8 Abs 4 UWG sprengt da leider jede vernünftige Systematik, was ein Grund dafür sein mag, warum soviel Streit darum herrscht.
Schwierig wird es zudem, weil man den subjektiven Anspruch ("right") in der deutschen Sprache genauso bezeichnet wie das allgemeine Gesetz ("law"), nämlich mit dem Wort "Recht". Das allgemeine Gesetz kann man zwar sehr wohl missbrauchen, allerdings nur, wenn man auch darüber verfügt. Das tun eigentlich nur Richter oder Politiker.
Die sprachliche Unklarheit aber eröffnet jedem, der ein Interesse daran hat, die Möglichkeit, seine Argumentation ordentlich zu vernebeln. Man kann nämlich einfach mal offen lassen, welches "Recht" man meint, wenn man von "Rechtsmissbrauch" redet. Rechtsanwälte und Gerichte tun das gerne und häufig, wenn ihnen nichts anderes einfällt, weil es für ihre Meinung eigentlich keine Argumente gibt. Beispielsweise dort, wo man damit subjektive Rechte anderer - z. B. der Rechtsanwälte - rechtswidrig beschneiden will.
Man sollte das Wort vom Rechtsmissbrauch daher nach Möglichkeit selten gebrauchen und auf gar keinen Fall missbrauchen.
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Ui, da geht aber einiges durcheinander bei Ihnen.
AntwortenLöschen"Subjektives Recht" und "Anspruch" meinen nicht dasselbe. Der Anspruch verhält sich zum subjektiven Recht wie das Quadrat zum Rechteck. Das heißt: Jeder Anspruch ist ein subjektives Recht, aber nicht jedes subjektive Recht ist ein Anspruch.
Ihren Satz "Wenn man ihn nicht gebrauchen darf, hat man ihn nicht" finde ich lustig. Was ist mit rechtshemmenden Einreden? Und natürlich gibt es missbräuchliche Rechtsausübung. Es ist doch denkbar, dass ein subjektives Recht zwar besteht, Art und Weise oder Zweck der vom Rechtsinhaber gewählten Ausübung dieses Rechts aber unzulässig weil missbräuchlich sind. "Dolo agit" fällt mir da zum Beispiel ein. Ach, schauen Sie doch einfach in die Kommentierungen zu § 226 BGB oder § 242 BGB!
Na, das ist ja mal eine echte Entdeckung: Seit mehr als 2000 Jahren ("exceptio doli") kennen wir den Einwand des Rechtsmissbrauchs, und buchstäblich alle Rechtsordnungen der Welt erkennen ihn in unzähligen Ausprägungen an. Und heute, am 17.6.2012, entdeckt C.N. aus H., dass das alles Unsinn ist und schon immer gewesen ist. Respekt!!
AntwortenLöschen"Missbrauch ist illegaler Gebrauch"??
AntwortenLöschenZiemlich weit hergeholt, finden Sie nicht? Nach der landläufigen Definition bezeichnet der Begriff "Missbrauch" die Verwendung für Zwecke, für die das Verwendete ursprünglich nicht vorgesehen war oder ist. So lässt sich sexuelle Gewalt gegenüber Menschen gegen deren Willen ebenso als "Missbrauch" definieren wie der übermäßige Genuss alkoholischer Getränke.
Und ebenso lässt sich halt das Recht "missbrauchen": Indem jemand Rechtspositionen, die ihm faktisch zustehen, für Zwecke ausnutzt, für die diese Rechtspositionen niemals geschaffen oder gedacht waren. Ob dieser Fall vorliegt, unterliegt sicherlich (auch) subjektiven Bewertungen. Aber Unsinn ist die Verwendung des Wortes in diesem Zusammenhang sicherlich nicht: Unsinn ist eher (mal wieder) Ihr Blogtext.
Und wieder mal bestätigt sich, dass Strafrechtler nichts von Zivilrecht verstehen...
AntwortenLöschenRechtsmissbrauch gibt es nicht nur im Wettbewerbsrecht, sondern auch im BGB: § 226. Ist das da auch "Unsinn"? Lesen Sie sich die Vorschrift mal durch, vielleicht klingelt es dann.
AntwortenLöschen@fernetpunker: Ich dachte beim Lesen des Beitrags auch sofort daran, dass die hochgelobten Schreiberlinge des BGB sich offenbar gewaltig geirrt haben. Nun ja, kommt vor. Nach der PVV und der Rechtsfähigkeit der GbR wird die absehbare Streichung von § 226 BGB, die Nummer 3 auf der Hitliste der wichtigsten BGB-Korrekturen.
AntwortenLöschenAmüsant, wie das hier immer läuft:
AntwortenLöschen(1) Der Autor verfasst einen Blogtext
(2) Der Autor wird von Kommentatoren eines besseren belehrt.
(3) Der Autor reagiert nicht und verfasst stattdessen einen anderen Blogxtext
(4) weiter ab (2)...