Montag, 25. Juni 2012
Der Anwalt auf dem Weg zum Ich
Dereinst zu Braunschweig hat ein Rechtsanwalt einen Rechtsbehelf für seinen Mandanten eingelegt. Er tat dies mit den Worten "Hiermit lege ich Einspruch ein". Das kann eigentlich nicht falsch sein, aber das Oberlandesgericht Braunschweig belehrte ihn eines anderen: Aus dieser Formulierung werde nicht klar, in wessen Namen der Einspruch eingelegt werde und verwarf ihn als unzulässig.
Das ist einer derjenigen Fälle, an denen die Überzeugung reift, dass manchem Richter aber auch rein gar nichts zu doof ist, wenn er damit nur einen Rechtsanwalt dumm aussehen lassen kann. Der arme Tropf muss nun nämlich seinem erbosten Mandanten erklären, warum der Rechtsbehelf unzulässig war. Weil aus seiner Formulierung angeblich nicht zu erkennen gewesen wäre, wer ihn eingelegt hat. Der arme Kollege!
Dass die Erklärung des Oberlandesgerichts bösartiger, anwaltsfeindlicher Unfug ist, hat im Ergebnis glücklicherweise auch der Bundesgerichtshof erkannt. Aber es ist ein Trauerspiel, dass es mal wieder der höchsten Instanz bedurfte, um eine Selbstverständlichkeit festzustellen.
Wen sollte der Ich-sagende Rechtsanwalt denn meinen, wenn nicht seinen Mandanten? Von dem ist er schließlich mandatiert. Und ein Eigeninteresse am Gerichtsverfahren dürfte der Kollege kaum gehabt haben. Da braucht es also nicht einmal eine Auslegung, um zum richtigen Ergebnis zu gelangen. Wenn man der Ansicht des OLG Braunschweig folge, werde "der Zugang zur Justiz übermäßig erschwert", sagt der BGH dazu. So kann man es auch ausdrücken.
Aber vorsicht: Der Esel redet von sich selbst zuerst, heißt es. Um jeden Anschein unbotmäßiger Eselei im Keim zu ersticken, verstecken sich manche Rechtsanwälte in schriftlicher Sprache hinter verschwurbelten Passivkonstruktionen, die das agens unklar werden lassen. "Hiermit wird Rechtsmittel eingelegt". Warum ist das eigentlich zulässig?
Im Zivilrecht ist es auch weit verbreitet, Schriftsätze in der ersten Person Plural abzufassen. Hiermit legen ""wir" Berufung ein. Warum genau das so ist, weiß man nicht. Klingt vielleicht nach mehr, und mehr wird ja häufig auch als besser empfunden. Wenn das Mandant von einer Sozietät geführt wird, ist die Form obendrein auch noch richtig, denn es sind ja in der Tat mehrere, die da im Namen ihrer Mandantschaft Rechtsmittel einlegen.
Gleichwohl wird der Plural auch gerne von Einzelanwälten genützt. Man mag das als pluralis majestatis auffassen oder aber sich damit trösten, dass der Anwalt möglicherweise seinen Mandanten mitmeint. Zumindest vor dem Amtsgericht dürfte der ja auch mitreden. Vor dem Landgericht - wo Anwaltszwang herrscht - dürfte er nicht; meist fragt da keiner so genau nach.
Aber wehe, wenn mal wieder ein Richter zu viel Zeit hat und anfängt zu sinnieren!
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
"Wen sollte der Ich-sagende Rechtsanwalt denn meinen, wenn nicht seinen Mandanten?"
AntwortenLöschenAch Nebgen, dieser eine Satz...
Als Braunschweiger Anwalt hätte der "Kollege" das aber wissen müssen, wie "erfindungsreich" Braunschweiger Richter sein können. Vor einiger Zeit wurden Rechtsanwälte vor dem Amtsgericht(!) regelmäßig als - nicht anwesend - behandelt und erhielten Versäumnisurteile, wenn sie ohne Robe erschienen. Erst das VerfG bzw. der Gesetzgeber hat geholfen! vgl. "Braunschweiger Robenkrieg". - spitzfindig bis zur Verblödung - eine hohe Kunst.
AntwortenLöschenBraunschweiger Robenkrieg wird noch in den Schatten gestellt vom Großen Münchner Krawattenkrieg. Ein Rechtsanwalt war zum Erörterungstermin mir T-Shirt und Robe gekommen. Auch Schuh-Debatten gab es. Darf man bei 30 °C im Schatten in Badelatschen in das Landgericht? Dazu gab es auch einen Artikel in der Münchner Abendzeitung.
AntwortenLöschen