Mittwoch, 6. Juni 2012

Man weiß es nicht...

... weil man nicht dabei war. Aber es wäre interessant zu erfahren, wie genau es dazu gekommen ist, dass das Landgericht Hamburg gegen den "Todesfahrer von Eppendorf" eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten zu verhängen. Nüchtern kolportiert vom Kollegen Pohlen hier.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Angeklagter wegen fahrlässiger Tötung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wird. Selbst dann, wenn durch seine Fahrlässigkeit mehrere Menschen zu Tode gekommen sind, sollte eine Bewährung eigentlich immer drin sein. Insbesondere dann, wenn es sich um einen Unfall im Straßenverkehr handelt, denn da sind Gerichte erfahrungsgemäß besonders nachsichtig. Autofahren ist für viele Richter so etwas wie ein Menschenrecht.

Hier war es anders. Man konnte es kommen sehen, und die Verteidigung hätte es im Interesse des Mandanten eigentlich verhindern müssen. Warum sie es nicht getan hat, bleibt völlig zu Recht ihr Mandatsgeheimnis. Aber interessant wäre es doch. Denn so bleibt der ungute Eindruck, dass hier ein Verteidiger seinen Mandanten tierisch in die Scheiße geritten hat.

Warum beharrt ein notorischer Epileptiker darauf, nicht an Epilepsie zu leiden, obwohl er wohl nachweislich regelmäßig Anfälle - auch so genannte "Grand Mals" - hatte? Wieso trägt sein Verteidiger vor, sein Mandant hätte mit dem Anfall nicht rechnen müssen, obwohl er bereits zwei Verkehrsunfälle auf diese Weise verursacht hatte? Und warum lässt sie dabei offenbar unter den Tisch fallen, dass der Mandant auch noch unter Drogeneinfluss stand, was bekanntermaßen Epileptische Anfälle zumindest begünstigen kann? Wieso macht der Mandant ein unerfreuliches Theater darum, seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden? Hat ihn sein Verteidiger da nicht vernünftig beraten? Oder hat der Verteidiger vor der Halsstarrigkeit des Angeklagten kapituliert?

Warum beantragt der Verteidiger schließlich Freispruch, obwohl es hierfür angesichts der offenkundigen Umstände keinerlei Ansatzpunkte gab?

8 Kommentare:

  1. wie Sie eingangs erwähnen: Sie waren nicht dabei und es ist so ziemlich der schlechteste Stil eines Anwalts, die Verteidigungsstrategie eines Kollegen aus der Ferne beurteilen zu wollen, ohne die Akte und den Mandanten zu kennen - auch wenn man so tut, als ob man lediglich einige Fragen aufwirft...

    Ihren Blog möchte ich lesen, wenn das jemand über eines "Ihrer" Verfahren tut.

    Ich vermute es geht hier um etwas Persönliches zwischen Ihnen und dem betreffenden Verteidiger.

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    1. Ihre Vermutung ist unzutreffend und ich vermag auch nicht nachzuvollziehen, wie Sie darauf kommen.

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  2. Die Verteidigungsstrategie wirkt tatsächlich etwas schrill. Schön, daß das Gericht nicht reflexartig doch noch zur mildest möglichen Strafe gegriffen hat. Ich fand ihren Artikel äusserst erfrischend. Irgendeine Art von verqaustem Drumherumgerede ist Ihnen scheinbar fremd und das ist gut so.

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  3. In der Tat waren wir nicht dabei, und wir kennen alles nur aus der Presse. Ich hatte vor Jahren einen ähnlichen Vorfall mit zum Glück glimpflichen Ausgang zu verteidigen - und habe nicht auf Freispruch plädiert. Falls das stimmt was wir lasen und in der Presse steht - ich verstehe jedenfalls den Antrag der Verteidigung auch nicht.

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  4. Ob dann wirklich ein besseres Ergebnis rausgekommen wäre, wenn er eingeräumt hätte, dass er (fortlaufend) an epileptischen Anfällen leidet und auch mit weiteren Anfällen rechnen musste - und sich trotzdem ans Steuer gesetzt hätte ? Vor allem in Anbetracht, dass dass LG Kiel im Rechtsmittelverfahren nur deshalb die Fahrerlaubnis wieder erteilt hat, weil nicht damit zu rechnen sei, dass weitere Anfälle folgen ?

    "Der letzte auf einen Krampfanfall zurückzuführende Unfall hätte schon lange zurück gelegen und S. hätte nicht ständig mit neuen Anfällen bei Autofahrten rechnen müssen."

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  5. Ob es statthaft ist, hier danach zu fragen, ob der Verteidiger seinen Mandanten in die "Scheiße geritten" hat, lasse ich mal dahin gestellt. Ich hätte micht nicht so ausgedrückt. Nun gut.

    Es ist auf jeden Fall zulässig, danach zu fragen, wie hier von außen die Verteidigungsstrategie einzuschätzen ist. Hat die Verteidigung schlüssig gehandelt? Hat sie offensichtliche Fehler gemacht? Lässt sich die ungewöhnliche Höhe des Urteils mit einer ungewöhnlichen Verteidigungsstrategie erklären usw.? Gab es z.B. Angebote für einen Deal, die abgelehnt wurden? War die Verteidigung zu konfrontativ? Oder zu kooperativ? All das lässt sich sachlich durchleuchten, sofern die Informationen dazu vorliegen.

    Leider verbietet sich ohne entsprechende Hintergrundinfos eine Diskussion darüber, ob die Urteilshöhe daran liegt, dass der Verteidiger unfähig, das Gericht voreingenommen oder gar der Mandant uneinsichtig war. Auch das ist dem Strafverteidiger vermutlich nicht fremd: Halsstarrige Mandanten, die auf ihrer Meinung beharren. Dann stellt sich nur noch die Frage, ob es in diesem Falle nicht besser gewesen wäre, das Mandat niederzulegen...

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  6. Welche Bedeutung sollte es haben, dass fahrlässige Tötung im Straßenverkehr normalerweise nur eine ein- bis zweijährige Bewährungsstrafe nach sich zieht? Der Fall liegt hier eher im Grenzbereich zum bedingten Vorsatz und ist von diesem Normalfall jedenfalls meilenweit entfernt. Daran kann auch der Verteidiger nichts ändern.

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  7. der letzte Anfall des Fahrers lag 3 Jahre zurück. Die Begründung der Richterin ist nicht nachvollziehbar. Mein Bruder litt nach einem schweren Schädel-Hirn Trauma an entsprechenden Anfällen. Ein Jahr nach dem bis dahin letzten Anfall durfte er aus ärztlicher Sicht wieder mit seinem Kfz am Strassenverkehr teilnehmen, ohne mit einem Anfall rechnen zu müssen.

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